Menschen, die über mehrere Jahre hinweg Antihypertensiva einnehmen, scheinen ein geringfügig niedrigeres Risiko für Demenzerkrankungen und kognitive Einbußen zu haben. Zu dem Ergebnis kommen Forscher um Diarmaid Hughes von der NUI Galway and Saolta University Hospital Group im irischen Galway. Der Review in Form einer Metaanalyse ist in JAMA veröffentlich worden [1]. Basis waren randomisierten Studien mit mehr als 90.000 Teilnehmern.
Auf der Suche nach Präventionsstrategien
Zum Hintergrund: Ein erheblicher Prozentsatz aller Demenzerkrankungen ist zumindest teilweise vaskulärer Genese. Wiederholt haben Forscher deshalb die Frage gestellt, ob Maßnahmen zur Senkung des Blutdrucks einen präventiven Effekt auf Demenzen und kognitive Beeinträchtigungen haben. Die Überlegung hat auch Relevanz, weil es momentan keine kausalen Therapien gibt. Antihypertensive Wirkstoffe könnten – so die Hypothese – Demenzen vorbeugen.
Metaanalyse mit rund 96.000 Teilnehmern
Um für mehr Evidenz zu sorgen, recherchierten Hughes und seine Koautoren in den Datenbanken PubMed, EMBASE, und CENTRAL nach randomisierten klinischen Studien, die bis Ende 2019 veröffentlicht worden waren. Thematisch ging es ihnen um die Effekte blutdrucksenkender Maßnahmen auf kognitive Fähigkeiten.
Die Autoren fanden 14 geeignete Studien mit insgesamt 96.158 Teilnehmern.
Für ihre Primäranalyse wurden 12 dieser Studien (n = 92.135) berücksichtigt, bei denen die Demenz-Inzidenz und/oder die Häufigkeit von kognitiven Beeinträchtigungen nachverfolgt wurden (im Durchschnitt 49,2 Monate). Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmer war 69 Jahre, der Männeranteil betrug 57,8%. Die durchschnittlichen Blutdruckwerte lagen bei 154 mmHg systolisch und 83,3 mmHg diastolisch.
Die Blutdrucksenkung mit Antihypertensiva war statistisch signifikant mit einem verringerten Risiko für Demenzen oder kognitive Beeinträchtigungen assoziiert. Der Anteil der Patienten, die erkrankten, betrug 7,0% gegenüber 7,5% in den Kontrollgruppen. Das Chancenverhältnis (Odds Ratio, OR) von 0,93 hatte ein 95%-Konfidenzintervall von 0,88 bis 0,98. Die absolute Risikoreduktion betrug 0,39%.
Kognitive Einbußen wurden bei 20,2% unter Antihypertensiva festgestellt gegenüber 21,1% bei den Kontrollen (OR 0,93; 95%-KI 0,88 bis 0,99; absolute Risikoreduktion 0,71%). Allerdings gab es keine signifikante Assoziation zwischen einer Blutdrucksenkung und den Ergebnissen kognitiver Tests.
Umstrittene klinische Relevanz der Ergebnisse
Nachdem mehrere Untersuchungen zum Thema widersprüchliche Ergebnisse geliefert hatten, findet die neueste Meta-Analyse nun Assoziationen zwischen der Blutdrucksenkung und verringerten Demenzraten bzw. kognitiven Einbußen. Diese sind statistisch allerdings schwach, und die absoluten Risikoreduktionen fielen gering aus.
Die Einschätzung der Autoren, ihre Befunde hätten das Potenzial, neue präventive Strategien für das Gesundheitswesen zu entwickeln, um die Belastung durch Demenzen weltweit zu senken, dürfte daher bei Ärzten eher auf Skepsis stoßen.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Lässt sich mit Blutdrucksenkern einer vaskulären Demenz vorbeugen? Im Prinzip ja, sagt eine Metaanalyse - Medscape - 2. Jun 2020.
Kommentar