Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seinem Meeting im Mai positive Stellungnahmen zu 8 Arzneimitteln gegeben [1]: darunter ein Orphan Drug, ein biosimilares Medikament und ein Generikum. Auch die 1. Bewertungsrunde zu Remdesivir wurde mit einem recht positiven Ergebnis abgeschlossen.
Impfung gegen Ebola
Der Ausschuss empfahl, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines neuen Impfstoffs gegen das Zaire-Ebolavirus zu erteilen. Die Vakzine soll bei Personen ab einem Jahr zugelassen werden.
Der bislang größte Ausbruch ereignete sich bekanntlich zwischen 2014 und 2016 in Westafrika. Es gab mehr als 11.000 Todesfälle. Derzeit kämpft die Demokratische Republik Kongo gegen die Folgen einer neuerlichen Ebola-Epidemie. Bisher wurden mehr als 3.400 Menschen infiziert, und etwa 67% der Patienten sind gestorben.
Bereits Ende 2019 hat die EMA einen Ebola-Impfstoff zugelassen ( Medscape hat berichtet). Die neue Vakzine besteht aus 2 Komponenten, nämlich Zabdeno® (Ad26.ZEBOV) und Mvabea® (MVA-BN-Filo). Zabdeno® wird zuerst verabreicht, und Mvabea® kommt zirka 8 Wochen später als Booster zum Einsatz. Dieses 2-Dosis-Regime ist für einen aktuellen Ausbruch ungeeignet; es führt nicht zum sofortigen Schutz gegen das Virus.
Grundlage der Zulassungsempfehlung sind Daten von insgesamt 3.367 Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern, die an 5 klinischen Studien in Europa, Afrika und den USA teilgenommen haben. Diese Studien zeigten, dass das Impfschema sicher ist und zu einer Immunantwort gegen das Ebola-Virus führt. Das genaue Schutzniveau ist jedoch nicht bekannt.
Wirksamkeitsdaten werden bei einer laufenden Beobachtungsstudie in der Demokratischen Republik Kongo gesammelt. Die Ergebnisse dieser und anderer Studien müssen in Sicherheitsberichte nach dem Inverkehrbringen aufgenommen werden, die von der EMA kontinuierlich überprüft werden.
Als häufigste Nebenwirkungen traten bei Studienteilnehmern Reaktionen an der Injektionsstelle (Schmerzen, Wärme und Schwellung), Müdigkeit, Kopfschmerzen, Myalgie, Arthralgie und Schüttelfrost auf.
Hepcludex® (Bulevirtid) bei speziellen Hepatitis-Formen
Außerdem empfahl der CHMP, Hepcludex® (Bulevirtid) zuzulassen. Bulevirtid blockiert den Eintritt von Hepatitis-B-Viren (HBV) und Hepatitis-Delta-Virus (HDV) in Hepatozyten durch Inaktivierung von NTCP, einem Gallensalz-Transporter, der als essentieller Eintrittsrezeptor bekannt ist.
Der Vorteil von Hepcludex® ist seine Fähigkeit, HDV-RNA-Spiegel und Anzeichen einer Leberentzündung bei Patienten wirksam zu senken. Als häufigsten Nebenwirkungen wurden ein Anstieg der Gallensalze, Reaktionen an der Injektionsstelle und eine Verschlimmerung der Hepatitis nach Absetzen von Bulevirtid beobachtet.
Da derzeit keine Behandlungen für Hepatitis D zugelassen sind, profitierte Hepcludex® von einer Unterstützung im Rahmen des PRIME-Programms, der EMA-Plattform für einen frühzeitigen und verbesserten Dialog mit Herstellern neuer, innovativer Medikamente.
Piqray® (Alpelisib) bei Mammakarzinomen
Piqray® (Alpelisib) erhielt vom CHMP eine positive Stellungnahme zur Behandlung von lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs mit einer PIK3CA-Mutation.
Alpelisib ist ein α-spezifischer Klasse-I-Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3Kα)-Inhibitor. Mutationen im Gen, das für eine katalytische α-Untereinheit von PI3K (PIK3CA) kodiert, führen zur Aktivierung der PI3Kα- und AKT-Signalübertragung, zur Zelltransformation und zur Entwicklung von Tumoren. Alpelisib® hemmt die Phosphorylierung und wirkt dem Mechanismus entgegen.
Vorteil von Piqray® ist seine Fähigkeit, das progressionsfreie Überleben in Kombination mit Fulvestrant signifikant zu verlängern.
Als häufigste Nebenwirkungen nennt der CHMP erhöhte Spiegel von Plasmaglukose und Kreatinin, Durchfall, erhöhte Gamma-Glutamyltransferase-Spiegel, Hautausschlag, Lymphopenie, Übelkeit, erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte, Anämie, Müdigkeit, erhöhte Blutlipase-Werte, Appetitlosigkeit, Stomatitis, Erbrechen, Gewichtsverlust, Hypokalzämie, einen Abfall der Plasmaglucose, eine Verlängerung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) und Alopezie.
Rozlytrek® (Entrectinib) bei Lungenkrebs
Der CHMP empfahl die Erteilung einer bedingten Zulassung für das Inverkehrbringen von Rozlytrek® (Entrectinib): einem Präparat zur Behandlung von Patienten, deren solide Tumoren eine neurotrophe Tyrosinrezeptor-Kinase-Genfusion aufweisen. Auch Patienten mit ROS1-positivem fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) profitieren.
Der Wirkstoff von Rozlytrek® ist Entrectinib, ein Inhibitor der Tropomyosinrezeptor-Kinase (TRK). Davon profitieren Patienten mit lokal fortgeschrittenen metastasierten soliden Tumoren, die eine NTRK-Genfusion ohne zufriedenstellende Behandlungsoptionen aufweisen oder an ROS1-positivem, fortgeschrittenem NSCLC erkrankt sind.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Verstopfung, Geschmacksstörungen, Ödeme, Schwindel, Durchfall, Übelkeit, Sensibilitätsstörungen, Atemnot, Anämie, erhöhtes Gewicht, erhöhte Blutkreatinin-Spiegel, Schmerzen, kognitive Störungen, Erbrechen, Husten und Fieber.
Eine bedingte Zulassung ist an Auflagen geknüpft. Der Hersteller muss weitere Daten zur Verfügung stellen.
Xenleta® (Lefamulin) bei Pneumonien
Xenleta® (Lefamulin) erhielt ein positives Votum zur Behandlung von ambulant erworbenen Lungenentzündungen bei Erwachsenen.
Der Wirkstoff von Xenleta® ist Lefamulin: ein Inhibitor der bakteriellen Proteinbiosynthese. Dem CHMP lagen Daten aus 2 großen klinischen Studien vor; Details nennt der Ausschuss nicht.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Erhöhung der Leberenzym-Werte und QT-Verlängerungen.
Zercepac® (Trastuzumab) bei Magen- und Mammakarzinomen
Grünes Licht gab der CHMP auch beim Biosimilar-Medikament Zercepac® (Trastuzumab) zur Behandlung von Brust- und Magenkrebs.
Es ist dem am 28. August 2000 in der EU zugelassenen Referenzprodukt Herceptin® (Trastuzumab) ähnlich. Daten zeigen, dass Zercepac® eine vergleichbare Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit wie Herceptin® aufweist.
Apixaban Accord® (Apixaban) zur Antikoagulation
Das Generikum Apixaban Accord® (Apixaban) erhielt ebenfalls eine positive Stellungnahme zur Behandlung und Prävention venöser thromboembolischer Ereignisse bei erwachsenen Patienten sowie zur Prävention von Schlaganfall und systemischer Embolie bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern.
Apixaban Accord® ist ein Generikum von Eliquis®, das seit dem 18. Mai 2011 in der EU zugelassen ist. Studien haben die Qualität von Apixaban Accord® und seine Bioäquivalenz zum Referenzprodukt belegt.
Empfehlungen zur Erweiterung therapeutischer Indikation
Der Ausschuss empfahl Erweiterungen der Indikation für:
Invokana® (Canagliflozin), ein orales Antidiabetikum;
Lynparza® (Olaparib), ein Medikament zur Erhaltungstherapie von BRCA-mutiertem, fortgeschrittenem Eierstockkrebs;
Ofev® (Nintedanib, ein Tyrosinkinase-Inhibitor und Angiokinase-Hemmer bei verschiedenen soliden Tumoren;
Sivextro® (Tedizolid), ein Reserveantibiotikum der Gruppe der Oxazolidinone bei Infektionen der Haut und der Weichteile;
Taltz® (Ixekizumab), ein Interleukin (IL)-Inhibitor zur Therapie mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis.
Update zu Remdesivir
Am 30. April 2020 begann der CHMP mit einer fortlaufenden Überprüfung der Daten zu Remdesivir bei COVID-19 ( Medscape hat berichtet). Die 1. Runde wurde am 15. Mai abgeschlossen.
Jetzt muss der Hersteller Daten zusammen mit einem Antrag auf bedingte Zulassung bei der EMA einreichen. „Das Unternehmen hat noch keinen Antrag gestellt, wird dies jedoch voraussichtlich in Kürze tun“, heißt es vom CHMP. „Sobald ein Antrag eingereicht wurde, wird der Ausschuss ihn nach einem Zeitplan bewerten, der auf das absolute Minimum reduziert wird, um eine gründliche Bewertung der Vorteile und Risiken zu ermöglichen.“ Dies bedeute, dass je nach der Robustheit der eingereichten Daten bald eine Stellungnahme abgegeben werden könne.
Rücknahme von Anträgen
Anträge auf erstmalige Zulassung von Erlotinib Accord® (Erlotinib) und Fingolimod Mylan® (Fingolimod) wurden zurückgezogen.
Erlotinib Accord® war zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs bestimmt. Fingolimod Mylan® sollte bei Multipler Sklerose verordnet werden.
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Diesen Artikel so zitieren: EMA: 8 neue Arzneimittel zur Zulassung empfohlen, u.a. ein weiterer Ebola-Impfstoff – und Optimismus bei Remdesivir - Medscape - 29. Mai 2020.
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