Vaginalmykosen kommen in der Schwangerschaft oft vor. Die häufigsten Erreger sind Hefen vom Typ Candida. Mykosen werden in der Regel mit topischen Azolen behandelt, doch Rezidive machen oft den Erfolg der Behandlung zunichte. Deshalb greifen Ärzte mitunter zur systemischen Therapie, etwa mit 150 mg oralem Fluconazol als einmalige Gabe. Mögliche Folgen für das ungeborene Kind sind umstritten. Jetzt wurden weitere Daten dazu veröffentlicht.
In über 37.000 ausgewerteten Schwangerschaften mit Verordnung von Fluconazol im 1. Trimenon zeigte sich keine erhöhte Gesamtfehlbildungsrate. Die Studie fand allerding ein geringfügig höheres Risiko für muskuloskelettale Fehlbildungen (adjustiertes relatives Risiko 1,30). Das berichten Wissenschaftler um Dr. Yanmin Zhu vom Brigham and Women’s Hospital and Harvard Medical School im BMJ[1]. Das absolute Risiko sei jedoch niedrig und es bestehe keine Assoziation zwischen der Einnahme und Herzfehlern oder Gaumenspalten, welche in anderen Publikationen beschrieben wurde.
„Ein relatives Risiko unter 1,5 ist für uns recht wenig und sollte zumindest mit Daten anderer Studien bestätigt werden“, sagt Dr. Stephanie Padberg. Sie arbeitet am Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie (Embryotox) der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Die Bewertung von Fluconazol bei Embryotox wird sich durch die Studie nicht ändern.“
Bisher wenig Evidenz zu Fluconazol in 1. Trimenon
Bei Embryotox hat Fluconazol einen „grauen“ Status. Das heißt, es gibt unzureichende beziehungsweise widersprüchliche Informationen zur Anwendung bei Schwangeren.
Für das 1. Trimenon liegen bisher Daten zu rund 9.000 Schwangerschaftsverläufen bei einmaliger Gabe von 150 mg des Wirkstoffs vor. Hier habe es „keine eindeutigen Hinweise auf eine erhöhte Gesamtfehlbildungsrate“ gegeben, heißt es bei Embryotox. In einzelnen Studien fanden sich jedoch Assoziationen mit Fallot-Tetralogie, Transposition der großen Gefäße und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten.
„Zusammengefasst scheint ein solches Risiko bei einer Dosis unter 200 mg pro Tag, wenn überhaupt vorhanden, nur gering zu sein“, schreibt Embryotox auf der Website. Bei höherer oder längerer Dosierung gebe es wenig Erfahrungen. Einzelfälle mit 400 bis 800 mg Fluconazol hatten zu Schädel-, Herz- und Skelettfehlbildungen geführt. Im 2. bis 3. Trimenon sprächen bisherige Beobachtungen gegen ein fetotoxisches Risiko.
Eine vor wenigen Monaten veröffentlichte Metaanalyse brachte keinen Erkenntnisgewinn zur Fragestellung (wie Medscape hat berichtet).
Daten der neuen Studie
Basis der aktuellen Arbeit war eine Kohorte mit amerikanischen Schwangeren, wobei Angaben aus der Medicaid Analytic eXtract(MAX)-Datenbank kamen. Zhus Team fand beispielsweise demographische Daten, Diagnosen und Therapien einschließlich ärztlicher Verordnungen.
Für ihre Studie identifizierten die Forscher 1.969.954 schwangere Frauen im Alter von 12 bis 55 Jahren, die 3 oder mehr Monate vor der letzten Menstruation bis 1 Monat nach der Entbindung in Medicaid eingeschrieben waren, sowie deren Babys.
Von allen Schwangeren erhielten 37.650 Frauen (1,9%) im 1. Trimenon orales Fluconazol und 82.090 (4,2%) topische Azole. Die Ergebnisse im Überblick:
Das Risiko muskuloskelettaler Fehlbildungen lag bei 52,1 Fällen pro 10.000 Schwangerschaften unter Fluconazol (95%-Konfidenzintervall: 44,8-59,3). Bei topischen Azolen waren es 37,3 (33,1-41,4) pro 10.000 Schwangerschaften.
Das Risiko für konotrunkale Fehlbildungen, also Fallot-Tetralogien oder Transpositionen der großen Arterien, betrug 9,6 (95%-KI: 6,4-12,7) versus 8,3 Fälle (95%-KI: 6,3-10,3) pro 10.000 Schwangerschaften.
Das Risiko für Gaumenspalten lag bei 9,3 (95%-KI: 6,2-12,4) versus 10,6 Fälle (95-% KI: 8,4-12,8) pro 10.000 Schwangerschaften.
Als adjustiertes relatives Risiko ergab sich 1,30 (95%-KI: 1,09 bis 1,56) für muskuloskelettale Fehlbildungen, 1,04 (95%-KI: 0,70 bis 1,55) für konotrunkale Fehlbildungen und 0,91 (95%-KI: 0,61-1,35) für Gaumenspalten.
Zhus Team untersuchte auch mögliche Dosisabhängigkeiten des relativen Risikos für muskuloskelettale Fehlbildungen, konotrunkale Fehlbildungen oder Gaumenspalten. Angegeben ist jeweils die Gesamtmenge des Wirkstoffs.
150 mg Fluconazol: 1,29 (95%-KI: 1,05-1,58), 1,12 (95%-KI: 0,71-1,77) und 0,88 (95%-KI: 0,55-1,40)
Mehr als 150 mg bis maximal 450 mg Fluconazol: 1,24 (95%-KI: 0,93-1,66), 0,61 (95%-KI: 0,26-1,39) und 1,08 (95%-KI: 0,58 bis 2,04)
Mehr als 450 mg Fluconazol: 1,98 (95%-KI: 1,23-3,17), 2,30 (95%-KI: 0,93-5,65) und 0,94 (95%-KI: 0,23-3,82).
„Unsere Studie bestätigte einen Anstieg des Risikos von Muskel-Skelett-Fehlbildungen, wenn Fluconazol während des 1. Trimenons angewendet wurde, und widerlegt ein erhöhtes Risiko konotrunkaler Fehlbildungen, Gaumenspalten und anderer Fehlbildungen“, fassen die Autoren zusammen.
Einschränkungen der Studie
Die Studie hatte mehrere Limitationen. In der Kohorte traten absolut betrachtet recht wenige Fehlbildungen auf, was die Aussagekraft schwächt. Die Forscher waren auch nicht in der Lage herauszufinden, ob Frauen das verordnete Medikament tatsächlich eingenommen hatten. Außerdem fehlten in manchen Fällen Angaben zu Kovariablen wie Übergewicht oder Adipositas, die für Risiken verantwortlich sein könnten.
Schwangere aus der Medicaid-Kohorte waren, verglichen mit dem US-Durchschnitt von Schwangeren, tendenziell jünger und hatten häufiger Behinderungen. Hinzu kommt: Die Forschenden hatten nur Ergebnisse von Lebendgeburten ausgewertet. Schwere Herzfehlbildungen, die zu Spontanaborten, Totgeburten oder Schwangerschaftsabbrüchen wegen kardialer Anomalien führten, wurden nicht berücksichtigt. Auch dies könnte zu einer gewissen Verzerrung der Ergebnisse führen.
Große Kohorte, gute Methodik – aber wenig Neues
„Ob Vaginalmykosen Fehlbildungen verursachen können, ist schwer zu belegen, aber das wurde beim Design der Studie anhand der beiden Gruppen berücksichtigt.“ Das Problem, Mechanismen nicht zu kennen, sei bei Fragen zu Fehlbildungen oder Anomalien allgegenwärtig.
„Deshalb versucht man oft, eine Kontrollgruppe zu etablieren, und das ist hier gut umgesetzt worden“, sagt Padberg. „Die Autoren vergleichen Schwangerschaften mit oraler Fluconazol-Einnahme mit einer Kontrollgruppe schwangerer Frauen, die ein lokales Antimykotikum erhalten haben. Insgesamt handelt es sich bei dieser Studie um eine große Datenbasis, und die Arbeitsgruppe hat mit einer guten Methodik gearbeitet.“
Bei der Durchsicht der Veröffentlichung sind Padberg aber auch Schwächen aufgefallen: „Wir wissen nicht, ob Patientinnen ihre Medikation eingenommen haben, denn es standen nur Verordnungsdaten zur Verfügung.“ Zusätzlich hätten die Autoren bei der Dosisabhängigkeit mit kumulierten Dosen gearbeitet, so dass keine detaillierten Aussagen zur Tageshöchstdosis möglich seien.
Hinzu kommt: „Einige Schädel- oder Fuß-Deformitäten entstehen in der Spätschwangerschaft, wenn das Kind beispielsweise im Uterus falsch liegt oder wenn zu wenig Fruchtwasser vorhanden ist.“ Sie stünden nicht mit Pharmakotherapien im 1. Trimenon in Verbindung. Unklar sei, ob man solche Fehlbildungen eingeschlossen habe, denn Details zu den Fehlbildungen seien in der Studie nicht erkennbar.
Das sollten Ärzte beachten
„Orales Fluconazol während des ersten Trimesters, insbesondere bei längerer Behandlung in höheren als den üblicherweise verwendeten Dosen, sollte mit Vorsicht verschrieben werden, und topische Azole sollten als Behandlungsalternative in Betracht gezogen werden“, schreiben die Forscher. Das bestätigt auch Padberg: Eine Mykose solle aufgrund der Beschwerden behandelt werden, aber primär mit Topika wie Clotrimazol, Miconazol oder Nystatin. „Die systemische Therapie ist immer kritisch zu hinterfragen, speziell im 1. Trimenon.“
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Fluconazol für Schwangere im 1. Trimenon: Hinweis auf Risiken des Antimykotikums, doch Embryotox-Expertin ist skeptisch - Medscape - 27. Mai 2020.
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