Bessere Informationen über die Medikation bei Palliativpatienten, ein neues Verfahren zur Desinfektion von Ultraschallsonden und eine automatisierte Checkliste für Notfälle in der Anästhesie – das sind die diesjährigen Preisträger des „Deutschen Preises für Patientensicherheit“ des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) [1]. Einen Sonderpreis gab es für ein Musikvideo zum Erkennen von Schlaganfall-Symptomen.
Das APS hat in diesem Jahr Projekte ausgewählt, die nicht nur in der eigenen Einrichtung die Patientensicherheit verbessern, sondern auch darüber hinaus wirken. „Das bedeutet aber auch, dass sie sich finanziell nicht immer rechnen“, sagt APS-Vorsitzende Dr. Ruth Hecker. „Wir freuen uns deshalb besonders, dass wir den Preis an Projekte vergeben können, die dieser gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.“
Eines der Projekte mit Strahlkraft: „Arzneimittelinformation Palliativmedizin“
Der 1. Platz geht an die Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin der LMU München für das 2016 gegründete Projekt „Arzneimittelinformation Palliativmedizin“. Die Klinik berät kostenlos Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte aus dem deutschsprachigen Raum zur Medikation von Patienten in der Sterbephase.
„Die Arzneimitteltherapie ist elementarer Bestandteil der Versorgung von Palliativpatienten“, sagt Projektleiterin Dr. Constanze Rémi. Zugleich sei aber die Datenlage dazu begrenzt, und es stünden nicht viele zugelassene Mittel zur Verfügung. „Im klinischen Alltag fehlen zudem vielfach Zeit und Ressourcen, um für jede Therapie eine patientenindividuelle Nutzen-Risiko-Abwägung durchzuführen.“
Diese Lücke soll der Informationsdienst schließen. Die Berater arbeiten mit einer umfangreichen Literatursammlung, nationalen und internationalen Datenbanken und Online-Recherchen. Auf der Seite arzneimittel-palliativ.de können Fragen gestellt werden, die Beantwortung erfolgt schriftlich. Zudem gibt es einen monatlichen Newsletter zur Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin.
Seit 2016 wurden mehr als 1.000 Anfragen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beantwortet. „Mit der Verleihung des Preises wollen wir die Anlaufstelle noch bekannter machen“, erklärt Hecker. Das Preisgeld von 10.000 Euro soll zudem helfen, das kostenfreie Angebot fortzusetzen.
Anschluss an US-Standard bei der Desinfektion
Den 2. Preis erhält das Interdisziplinäre Ultraschallzentrum und Ultraschallforschungslabor der Klinik für Radiologie an der Berliner Charité. Hier wurde eine neue Methode eingeführt, Ultraschallsonden zu desinfizieren. Bisher werden die Sonden in Deutschland standardmäßig durch manuelle Wischdesinfektion gereinigt. Doch wenn diese nicht fachgerecht durchgeführt wird, etwa weil die Einwirkzeit zu kurz ist, besteht ein hohes Risiko für Patienten, sich mit verbleibenden Keimen zu infizieren.
Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) hat dies bereits als bisher „ungelöstes Infektionsrisiko“ benannt. In den USA etwa ist die Wischdesinfektion deshalb nicht mehr zulässig. Dort wird stattdessen automatisiert mit speziellen Geräten desinfiziert.
Die Charité hat dieses neue Verfahren im Frühjahr 2019 eingeführt. Zwar war sie damit nicht die erste Klinik in Deutschland. Doch „durch den interdisziplinären Charakter unseres Ultraschallzentrums ist das Projekt unseres Wissens das deutschlandweit erste fachübergreifende Implementierungsprojekt“, sagt Dr. Dr. Markus Lerchbaumer.
Elektronische Entscheidungshilfe für Notfälle in der Anästhesie
Der 3. Platz geht an das Projekt eGENA, eine elektronische Gedächtnis- und Entscheidungshilfe für Notfälle in der Anästhesie, initiiert vom Berufsverband der Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI).
Sie überträgt ein Prinzip aus der Luftfahrt: Bei einem Notfall greifen die Piloten dort auf eine standardisierte elektronische Checkliste zurück, die ihnen hilft, keinen Punkt zu übersehen. Eine ähnliche Liste wäre auch im Operationssaal eine große Hilfe – doch nur 5% der Kliniken arbeiten bisher mit einer solchen. Der BDA will daher nun eGENA kostenfrei für alle Anästhesiearbeitsplätze in Deutschland anbieten.
„Die elektronische Gedächtnisunterstützung stellt Informationen und Entscheidungshilfen zur Verfügung, die für die betreuten Patienten lebensrettend seinen können“, sagt Mitentwickler Dr. Mark Weinert.
Jüngere für Schlaganfall sensibilisieren
Einen Sonderpreis gibt es für ein Cartoon-Video, das das Evangelische Klinikum Bethel zusammen mit dem Cartoonisten Ralph Ruthe produziert hat. Darin werden mit einem Rap Schlaganfall-Symptome erklärt und wie man darauf richtig reagiert.
„Trotz vieler Aufklärungsaktionen sind die Symptome noch immer zu wenig bekannt“, sagt Prof. Dr. Rüdiger Schäbitz, Chefarzt der Klinik für Neurologie im Evangelischen Klinikum Bethel, „diese Unkenntnis ist insbesondere für jüngere Patienten unter 50 Jahren fatal.“ Sie holten oft zu spät Hilfe, weil Schlaganfälle vorrangig als eine Krankheit des Alters gelten. Das Video soll daher vor allem diese Zielgruppe ansprechen.
Gezeigt wird beispielsweise ein Mann, der auf einer Party plötzlich Wortfindungsstörungen und Taubheitsgefühle auf einer Seite des Gesichts hat. „Was machst du dann?“ fragt der Sänger und gibt die Antwort: „1. Lächeln, 2. Sprechen, 3. Arme hoch.“ Funktioniert eines davon nicht mehr richtig: 112 wählen.
Das Video wurde auf verschiedenen Kanälen bislang 1,3 Millionen-mal aufgerufen. „Genauso stellen wir uns eine gelungene Aufklärung der Bevölkerung vor“, sagt Hecker.
Um den Deutschen Preis für Patientensicherheit 2020 haben sich insgesamt 21 Einrichtungen, Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen beworben.
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Diesen Artikel so zitieren: Medikation für Sterbende, bessere Desinfektion, Schlaganfall-Erkennung für Jüngere – Preise für Patientensicherheit 2020 - Medscape - 27. Mai 2020.
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