Wenn Ärzte und Pflegekräfte den Kampf gegen COVID-19 mit dem Leben bezahlen – Kondolenzseite jetzt auch für Deutschland

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

26. Mai 2020

Sie helfen Kranken und begeben sich dabei oft selbst in Gefahr: Ärzte, Pflege-und Rettungskräfte infizieren sich derzeit besonders häufig mit dem Coronavirus. Wie Medscape berichtet hatte, starben allein 19 Ärzte in der Provinz Bergamo, weil sie keine ausreichende Schutzausrüstung hatten. In Großbritannien sind bislang 181 Mitarbeiter des National Health Service (NHS) und in den USA 145 Ärzte und Pflegekräfte an COVID-19 gestorben, mehr als 9.200 haben sich infiziert.

In Deutschland sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 12.140 Mitarbeiter in Kliniken, ärztlichen Praxen, Dialyseeinrichtungen und Rettungsdiensten an COVID-19 erkrankt, in Gemeinschaftseinrichtungen (Pflegeeinrichtungen, Massenunterkünfte) waren es 8.746. Laut RKI (Stand 21. Mai 2020) sind in Krankenhäusern, ärztlichen Praxen und im Rettungsdienst 19 Ärzte und Mitarbeiter von Pflege- und Rettungsdiensten sowie weitere 43 Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünften, Asylbewerberwohnheimen und anderen Massenunterkünften an COVID-19 gestorben.

„Leider sind Berichterstattungen über Personen, die im Gesundheitswesen tätig waren und durch eine Infektion mit COVID-19 gestorben sind, sehr selten“, bedauert Franziska Jagoda, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pflegewissenschaft an der Universität Witten-Herdecke. Jagoda und 4 Kolleginnen und Kollegen wollen das nun ändern. Um den Gestorbenen zu gedenken, haben sie eine Kondolenzseite gestartet. Darauf möchten sie gestorbene Personen vorstellen und betroffene Familien, Freunde, Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen lassen.

Im Dezember 2018 hatten Jagoda und ihre Mitstreiter damit begonnen, in ihrem Podcast „Übergabe“ Themen aus der Pflege aufzugreifen und über Versorgungsstrukturen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu berichten. Klar, dass auch COVID-19 Anfang des Jahres zum Thema wurde, berichtet Jagoda im Gespräch mit Medscape. „Es war uns wichtig, unseren Podcast auch diesem Thema zu widmen und so dazu beizutragen, dass wissenschaftlich korrekte und leicht verständliche Informationen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“, berichtet Jagoda. So ist die Podcast-Reihe mit dem Namen „Corona-Spezial“ entstanden, die inzwischen 10 Folgen umfasst.

Ziel ist es, den Personen ein Gesicht zu geben

„Wir hatten dann allerdings das Gefühl, dass das noch nicht genug ist. Und da wir alle 5 mehr oder weniger viel in den sozialen Medien unterwegs sind, sind wir auf Seiten zum Beispiel in Großbritannien gestoßen, die Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen gedenken. Da wir das Gefühl hatten, dass in dieser Hinsicht wenig von der Regierung oder ähnlich großen Playern passiert und wir eine Plattform haben, haben wir uns dazu entschieden, eine solche Seite selbst aufzubauen“, erzählt Jagoda.

 
Bisher gibt es noch keine derartige Seite in Deutschland. Wir finden aber, dass sie dringend nötig ist. Franziska Jagoda
 

Entstanden ist die Kondolenzseite in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nordwest und Anna Wardega, der Initiatorin von #respectnurses. „Bisher gibt es noch keine derartige Seite in Deutschland“, sagt Jagoda. „Wir finden aber, dass sie dringend nötig ist. Wir versuchen, den Leuten neben der Möglichkeit eines Kondolenzbesuchs auch Informationen zu Verstorbenen durch deren Angehörige zur Verfügung zu stellen. Ziel ist es, den Personen ein Gesicht zu geben, die uns in dieser Krise geholfen haben.“

Das Übergabe-Team bittet darum, ihm Hinweise auf gestorbene Personen, Angehörige oder Freunde zukommen zu lassen. Jagoda: „Gerne würden wir auf dieser Seite den Namen, das Arbeitssetting und ein Bild von verstorbenen Beschäftigten im Gesundheitswesen veröffentlichen.“  

 
Gerne würden wir auf dieser Seite den Namen, das Arbeitssetting und ein Bild von verstorbenen Beschäftigten im Gesundheitswesen veröffentlichen. Franziska Jagoda
 

Die Einträge im Gästebuch zeigen, dass die Seite offenbar einen Nerv getroffen hat: „Liebes Übergabeteam, ich danke Euch von Herzen für diese sehr gute, aber auch emotionale Ideen Gedenken an unsere unvergessenen Kolleginnen und Kollegen, die durch ihren Einsatz selber ihr Leben verloren haben.“ Oder: „In Gedenken an all unsere verlorenen Kolleginnen und Kollegen. Auch wenn eure Namen unbekannt sind, werdet ihr nicht vergessen.“

Noch immer mangelt es an Schutzmaterial und Tests

Das Infektionsrisiko in den Pflegeberufen bleibt nach wie vor hoch. Denn noch immer mangelt es an adäquater Schutzausrüstung. Darauf wiesen nicht nur unlängst Hausärzte mit ihrer Aktion „blanke Bedenken“ hin.

Auch das Barometer des Marburger Bundes unter 8.707 Klinikärzten vom 13. Mai hat ergeben, dass der Mangel an Schutzkleidung nach wie vor deutlich spürbar ist. Auf die Frage „Haben Sie in ausreichender Anzahl eine adäquate Schutzkleidung zur Versorgung Ihrer Patienten?“ antworteten nur 62% der befragten Ärzte mit „Ja“, aber 38% mit „Nein“. Am häufigsten wird die unzureichende Anzahl an Schutzmasken (FFP-2- und FFP-3-Masken) beklagt. Einen größeren Mangel scheint es auch bei Schutzkitteln und Schutzanzügen zu geben. Und auch der einfache Mund-Nasen-Schutz (OP-Maske) ist vielfach nicht im erforderlichen Umfang verfügbar.

In manchen Kliniken scheint auch nach wie vor der Nachschub an Visieren, Schutzbrillen, Handschuhen und Hauben nicht dauerhaft gewährleistet. Dass von konsequenter Testung auf COVID-19 in vielen Kliniken „keine Rede“ sein kann, berichten zudem Ärzte und Pflegekräfte im Podcast Funkstreifzug – Risikozone Krankenhaus des Bayerischen Rundfunks.

 

Kommentar

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