Diese 3 Studien vom Kardiologen-Kongress sollten Sie kennen – warum, erklärt Ihnen Präsident-Elect Prof. Stephan Achenbach

Prof. Dr. Stephan Achenbach

Interessenkonflikte

7. September 2020

Transkript des Videos von Prof. Dr. Stephan Achenbach, Erlangen

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Stephan Achenbach. Ich bin von der Kardiologie der Universität in Erlangen. Ich bin gerade in Amsterdam, wo der ESC-Kongress 2020 nun zu Ende gegangen ist.

Der Kongress hat im Wesentlichen im Internet stattgefunden. Es war ein Riesenerfolg, wir hatten 120.000 registrierte Teilnehmer für diese 4 Kongress-Tage.

Aus einem Studio in Amsterdam haben wir Live-Übertragungen und andere Sendungen koordiniert. Wir hatten zudem viele Live-Diskussionen vor Ort, die im Internet übertragen wurden, so z. B. die Vorstellungen der so genannten Hot-Line-Trials.

Das sind die Studien, von denen wir den höchsten Impact erwarten. Es wurden insgesamt 12 Hot-Line-Trials vorgestellt.

Über 3 dieser Studien möchte ich Ihnen kurz berichten, weil diese meiner Meinung nach von besonderem Interesse sind.

Die REALITY-Studie

Die REALITY-Studie beschäftigt sich hauptsächlich mit Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS), die im Krankenhaus mit ST- und Nicht-ST-Hebungsinfarkt behandelt werden und der Frage, ob man die Patienten transfundieren soll, wenn sie eine Anämie haben oder eine Anämie entwickeln [1].

Im Allgemeinen ist es so, dass z. B. bei Patienten, die operiert werden, der Schwellenwert zur Transfusion bei einem Hb-Wert von 7 bis 8 g/dl inzwischen relativ niedrig angesetzt wird. Bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom war aber bisher nicht bekannt, ob man sie ebenfalls bei sehr niedrigen Schwellenwerten transfundieren soll: Oder ob höhere Schwellenwerte, so wie es früher generell gemacht wurde, richtig sind.

Diese Studie hat jetzt an 600 Patienten in Frankreich und in Spanien randomisiert untersucht, ob eine Transfusionsschwelle mit einem Hb-Wert unter 10 ng/dl oder eine Transfusionsschwelle mit einem Hb-Wert unter 8 ng/dl einen signifikant unterschiedliches Outcome ergibt.

Die 600 Patienten mit Anämie und akutem Koronarsyndrom hatten ein relativ hohes mittleres Alter von 78 Jahren.

Die Studie hat eindeutig gezeigt, dass man restriktiv transfundieren sollte. Also nicht bei einem Hb-Wert von 10 ng/ml transfundieren muss, sondern erst bei einem Hb-Wert unter 8 ng/ml transfundieren kann.

Die Ergebnisse nach 30 Tagen sind bei beiden Strategien vergleichbar gut. Einige Endpunkte, z. B. Lungenschäden, waren sogar in der restriktiven Gruppe günstiger.

Fazit also: restriktive Transfusionsschwellen beim akuten Koronarsyndrom. Das zeigte die große Studie REALITY.

EXPLORER-HCM

Für die klinische Praxis waren 2 andere Studien interessant. Eine davon war die EXPLORER-HCM-Studie an Patienten mit obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie [2,3]. Für diese Patienten gibt es derzeit keine richtig gute Behandlungsoption. Man versucht Betablocker oder Calciumantagonisten.

Wenn das nicht hilft, ist eine chirurgische oder interventionelle Septumablation anzustreben. Richtig gut funktioniert die Behandlung mit Betablocker und Calciumantagonisten nicht bei allen Patienten.

Mit Mavacamten wurde jetzt ein orales Medikament gefunden, das ganz gezielt an der Myosininteraktion in der Herzmuskelzelle ansetzt. Es reduziert die Überkontraktilität einerseits – denn bei den Patienten mit HCM gibt es eine besonders starke Myosinbindung – und andererseits erleichtert es auch die diastolische Relaxation, weil sich die Myosinsegmente leichter wieder lösen können. Mavacamten setzt gezielt am Myosin an.

Mavacamten wurde bei 251 Patienten mit symptomatischer obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie evaluiert. Sie hatten einen provozierten Gradienten von mindestens 50 mm Hg des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT).

Es zeigte sich im Verlauf der Studie von 30 Wochen eine signifikante symptomatische Verbesserung durch Mavacamten. Die Zahl der Todesfälle wurde nicht reduziert. Sie traten allerdings insgesamt sehr selten in dieser Studie auf. Aber die symptomatische Verbesserung war eindeutig.

Unter der Therapie mit Mavacamten wurden sogar 27% der Patienten vollständig beschwerdefrei.

Dieses neue Medikament bietet ein ganz neues Konzept für die hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie. Man erhofft sich, dass im Laufe der Zeit auch bei der viel häufigeren, nichtobstruktiven hypertrophen Kardiomyopathie ebenfalls ein Nutzen erreicht wird, und zwar durch die bessere diastolische Relaxation und gegebenenfalls auch durch die geringere Fibrosebildung. Aber dies muss man abwarten.

COPS- und LoDoCo2-Studie

Mit Colchicin wurde ein ganz altes Medikament untersucht, über das zurzeit viel geredet wird. Einige bisher durchgeführte Studien haben nahe gelegt, dass die antiinflammatorische Wirkung von Colchicin möglicherweise bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung Ereignisraten senken kann. In Amsterdam wurden hierzu 2 Studien vorgestellt.

Die COPS-Studie umfasste knapp 800 Patienten mit akutem Myokardinfarkt, die direkt nach dem Infarkt mit Colchicin behandelt worden sind [4]. Sie erhielten zunächst 1 mg/Tag, nach einem Monat 0,5 mg/Tag. Diese Studie hat im Verlauf von 365 Tagen leider keinen Nutzen von Colchicin gezeigt, also kein signifikanter Vorteil der Colchicin-Gabe.

Es gab sogar ein kleines Signal, dass nicht kardiovaskuläre Todesfälle vielleicht etwas häufiger waren. Allerdings hatten einige der Patienten das Colchicin schon ganz am Anfang abgesetzt, das dürfte wahrscheinlich eher ein Zufallsbefund gewesen sein. Die COPS-Studie bei Patienten direkt nach akutem Koronarsyndrom war also nicht so überzeugend.

Die LoDoCo2-Studie wurde in Australien und Holland randomisiert an 5.000 Patienten mit stabiler KHK durchgeführt [5, 6]. Sie erhielten 0,5 mg Colchicin täglich, also eine geringe Dosis, oder Placebo.

Diese Patienten wurden ebenfalls etwa 2,5 Jahre nachverfolgt und es zeigte sich eine 30%ige Reduktion des kombinierten Endpunkts kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall und ischämiebedingte koronare Revaskularisierung. Auch die einzelnen Endpunkte waren alle signifikant geringer unter Colchicin.

Die Rate an Gesamttodesfällen wurde nicht verändert, aber die anderen relativ harten Ereignisse wurden signifikant durch Colchicin reduziert.

Diese sehr große Studie LoDoCo2 legt nahe, dass Colchicin in einer sehr geringen Dosis durchaus bei Patienten mit chronischer KHK günstige Wirkungen haben kann. Die geringe Menge wurde von mehr als 90% der Patienten toleriert.

Colchicin rückt damit näher. Es gibt immer mehr überzeugendere Daten. Sicherlich wird es im Lauf der Zeit noch weitere Untersuchungen geben. Vermutlich wird es auch bald in die Leitlinien aufgenommen.

Damit vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Kommentar

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