In Frankfurt am Main haben sich mehrere Besucher einer Kirche mit dem neuen Corona-Virus infiziert. Das Ausmaß des Ausbruchs soll größer sein, als zunächst angenommen. Einen weiteren Ausbruch hat es in einem Restaurant im Landkreis Leer gegeben. SARS-CoV-2 kann offenbar auch über Muttermilch ausgeschieden werden. Ulmer Ärzte haben es dort bei einer infizierten Frau nachgewiesen. Zudem entdeckten Forscher eine besondere Form der Neoangiogenese bei einem an COVID-19 gestorbenen Patienten.
Infektionen in einer Kirche und in einem Restaurant
In Zusammenhang mit einem Gottesdienst in einer Kirchengemeinde der Baptisten in Frankfurt am Main infizierten sich mindestens 107 Menschen mit dem Virus, wie der hessische Gesundheitsminister Kai Klose laut Medienmeldungen mitgeteilt hat. Wie viele der Infizierten, die aus Frankfurt und 3 hessischen Landkreisen stammen, nun in häuslicher Quarantäne oder Kliniken seien, ist laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel nicht bekannt.
„Die Gesundheitsämter vor Ort haben die Kontaktpersonen-Nachverfolgung unmittelbar aufgenommen, das Land steht mit ihnen in engem Kontakt“, wird Klose zitiert. „Diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle – gerade während der Lockerungen, die jetzt wieder möglich gemacht werden – wachsam bleiben und nicht leichtsinnig werden. Das Virus ist weiterhin da und will sich verbreiten“, so der hessische Gesundheitsminister.
Einen Ausbruch hat es außerdem in einem Restaurant in Moormerland (Landkreis Leer) gegeben. Die Zahl der Infizierten ist Medienberichten zufolge inzwischen auf 18 gestiegen. Unter den Infizierten seien 14 Menschen, die am 15. Mai beim Pre-Opening des Lokals „Alte Scheune“ in der Gemeinde Moormerland dabei gewesen seien. 4 weitere Menschen hätten sich in der Folge angesteckt. Insgesamt sei für 118 Menschen häusliche Quarantäne angeordnet worden.
Das Restaurant habe nach der Veranstaltung noch am 16., 17. und 20. Mai Gäste bewirtet, wie der Landkreis mitteilte. Dem Wirt werde vorgeworfen, dass er bei der privaten Feier gegen Corona-Regeln verstoßen habe. Dem Leeraner Landrat Matthias Groote (SPD) zufolge werde gegen den Betreiber des Lokals ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren eingeleitet, um die Vorwürfe zu prüfen. Möglicherweise habe es der Restaurant-Betreiber auch mit der Dokumentationspflicht nicht so genau genommen, heißt es außerdem.
SARS-CoV-2 in der Muttermilch einer Frau
Unterdessen haben Ulmer Virologen das neue Corona-Virus (SARS-CoV-2) in der Muttermilch einer infizierten Frau nachgewiesen. Ihr Säugling erkrankte ebenfalls an COVID-19. Ob sich das Kind tatsächlich über die Muttermilch angesteckt habe, sei allerdings unklar, heißt es in einer Mitteilung. Der Beitrag, der gutachterlich geprüft wurde, ist im Fachmagazin Lancet erschienen [1].
Die Wissenschaftler der Universität Ulm um Prof. Dr. Jan Münch und Rüdiger Groß haben die Muttermilch von 2 infizierten Frauen auf virale RNA des neuen Coronavirus untersucht. Der Nachweis einer möglichen Virusinfektion und die Bestimmung der Viruslast geschah zu verschiedenen Zeitpunkten nach den positiven SARS-CoV-2-Testergebnissen der Mütter.
Der Verlauf im Einzelnen: Nach der Entbindung teilten sich beide Frauen gemeinsam mit den Neugeborenen ein Zimmer. Als eine der Frauen Krankheitssymptome entwickelte, wurde sie mit ihrem Neugeborenen isoliert und positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Die Zimmernachbarin bemerkte erst nach der Entlassung typische Symptome wie Husten, leichtes Fieber sowie einen Verlust ihres Geruchs- und Geschmacksinns. Daraufhin wurde auch diese Frau positiv auf SARS-CoV-2 getestet.
Während sich in den Muttermilch-Proben der zuerst erkrankten Frau keine Hinweise auf das neue Corona-Virus fanden, war das SARS-CoV-2 Ergebnis in den Milchproben der zweiten Mutter 4 Mal hintereinander positiv. Die Viruslast lag bei etwa 100.000 viralen Genomkopien pro Milliliter Muttermilch.
Der Virus-Nachweis in der Muttermilch habe zeitlich mit leichten COVID-19-Symptomen bei der Mutter und einem positiven Virus-Test bei ihrem Neugeborenen übereingestimmt. Nach 14 Tagen war kein Virus mehr in der Muttermilch nachweisbar. Mutter und Kind erholten sich von COVID-19.
Seit Beginn der Symptome hatte die später erkrankte Mutter beim Umgang mit dem Säugling eine chirurgischen Mund-Nasen-Schutz getragen sowie ihre Hände und Brüste desinfiziert. Zudem sterilisierte sie regelmäßig die verwendete Milchpumpe und weitere Stillutensilien. Dennoch bleibt unklar, ob sich das Baby tatsächlich beim Stillen infiziert hat. Andere Wissenschaftler konnten zuvor keine Virus-RNA in der Muttermilch oder auch im Fruchtwasser und Vaginalsekret nachweisen.
„Unsere Studie zeigt, dass SARS-CoV-2 bei stillenden Frauen mit akuter Infektion in der Muttermilch nachweisbar sein kann. Aber wir wissen noch nicht, wie oft dies der Fall ist, ob die Viren in der Milch auch infektiös sind und durch das Stillen auf den Säugling übertragen werden können“, erklärt Münch.
Massive Lungenschäden als Todesursache
Ein interdisziplinäres Ärzteteam um die Pathologin Dr. Tina Schaller, Universitätsklinikum Augsburg, hat seit dem 4. April dieses Jahres 19 Obduktionen an gestorbenen Patienten mit COVID-19 vorgenommen. Die Ergebnisse der ersten 10 Obduktionen wurden nun im Journal of the American Medical Association publiziert [2].
„Bei den Untersuchungen konnten wir das Erbgut des Virus noch im Atemwegssystem der Verstorbenen nachweisen,“ erklärt die leitende Oberärztin Schaller. Bei allen Patienten ergab die histopathologische Analyse diffuse Alveolarschäden – und zwar in allen Lungenlappen, vor allem aber in den mittleren und unteren Bereichen. Das Ärzteteam sieht diese Veränderung als Todesursache an.
Bei keinem Patienten fanden sich Thromboembolien in zentralen Gefäßen – weder bei der Obduktion noch in der Zeit vor dem Tod. Insbesondere wurden keine Zeichen einer Enzephalitis oder einer ZNS-Vaskulitis entdeckt.
„Die wichtigste Erkenntnis aus der ersten Analyse ist, dass die beschriebenen Lungenschädigungen offensichtlich nicht eine Komplikation der Beatmung darstellen. Vielmehr entstehen sie unabhängig von dieser intensivmedizinischen Maßnahme am ehesten direkt durch die virale Schädigung. Alle Patienten litten an schweren Grunderkrankungen, die jedoch nicht unmittelbar zum Tod führten“, ergänzt Prof. Dr. Bruno Märkl, Direktor des Instituts für Pathologie und Molekulare Diagnostik des Universitätsklinikums Augsburg.
In den übrigen Organen konnten keine augenscheinlich schweren Veränderungen nachgewiesen werden. Die durch SARS-CoV-2 hervorgerufenen ausgeprägten Lungenschäden sind vergleichbar mit den Auswirkungen der SARS- und MERS-Erkrankungen.
Überschießende Blutgerinnung, verstopfte Lungengefäße und eine spezielle Gefäßneubildung
Autopsie-Befunde von COVID-19-Patienten hat auch ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Danny Jonigk vom Institut für Pathologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) im New England Journal of Medicine veröffentlicht [3]. In der Publikation berichten der Mainzer Anatom und Erstautor PD Dr. Maximilian Ackermann und Kollegen über ihre pulmonalen Befunde bei je 7 gestorbenen Patienten mit COVID-19 und Influenza-Pneumonie.
Bei ihren Untersuchungen konnten die Wissenschaftler zunächst das bereits bekannte akute Schadensmuster in der Lunge von COVID-19- Patienten nachweisen, den sogenannten diffusen Alveolarschaden. „Wir haben außerdem eine massive Anzahl von Blutgerinnseln in allen Abschnitten der Blutgefäße in der Lunge gefunden, vor allem aber in den feinsten Gefäßen, den Kapillaren“, so der Pathologe Jonigk. Das Phänomen gebe es zwar auch in schwer geschädigten Lungen nach Influenza-Infektionen, aber die Zahl dieser kleinen Verstopfungen sei bei Influenza-Toten wesentlich geringer.
Besonders auffällig sei zudem, dass SARS-CoV-2 offenbar eine besondere Form von Gefäßneubildungen in der Lunge auslöse. „Diese sogenannte intussuszeptive Neoangiogenese ist bisher im Rahmen des diffusen Alveolarschadens noch nicht beschrieben worden und unterscheidet COVID-19 grundlegend von vergleichbar schweren Lungeninfektionen durch Influenzaviren“, betont Jonigk.
Er fasst zusammen: „Die drei in unserer Studie erstmals umfassend beschriebenen Veränderungen innerhalb der Lunge bei SARS-CoV-2-Infektionen sind die massive Blutgefäßschädigung, die überschießende Blutgerinnung mit Verstopfung der feinsten Lungengefäße und die für COVID-19 charakteristische Gefäßneubildung.“
Dieser Artikel erschien im Original bei Univadis.de .
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Diesen Artikel so zitieren: COVID-19: 2 Ausbrüche in Deutschland, SARS-CoV-2 in Muttermilch und neue Erkenntnisse zur viralen Lungenschädigung - Medscape - 25. Mai 2020.
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