Jüngste Berichte über Kinder, die am Kawasaki-Syndrom erkrankt sind, das womöglich durch eine COVID-19-Infektion verursacht wurde, geben Kinderärzten Anlass zur Sorge, heißt es in einer Mitteilung der American Heart Association (AHA). Aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien, aber auch aus Deutschland, werden entsprechende Fälle berichtet.
Die Kinder zeigten anhaltendes Fieber, Entzündungen und Anzeichen einer Dysfunktion einzelner oder mehrerer Organe (Schock, Herz-, Atemwegs-, Nieren-, Magen-Darm- oder neurologische Störungen), die PCR auf SARS-CoV-2 fiel bei einigen, aber nicht bei allen der jungen Patienten positiv aus.
In New York sind jetzt 3 Kinder an dem Entzündungssyndrom gestorben, berichtete am Wochenende die New York Times (NYT ). „Die Krankheit hat drei junge New Yorker das Leben gekostet“, wird New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo zitiert. Die 3 Kinder seien positiv auf das Virus oder auf Antikörper getestet worden, hätten aber keine typischen COVID-19-Symptome gehabt.
Einzelfälle auch in Deutschland
Auch aus Deutschland sind Einzelfälle bekannt, bestätigt Prof. Dr. Philipp Henneke, Sektionsleiter pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie am Uniklinikum Freiburg auf Nachfrage von Medscape. „Wir hatten selbst einen Fall in Freiburg. Bei unserer Patientin handelte es sich um eine Jugendliche, die kein spezielles Risikoprofil aufwies“, erklärt Henneke.
In Deutschland gebe es pro Jahr rund 200 Fälle von Kawasaki-Syndrom bei Kindern, die nicht mit COVID-19 in Verbindung stehen, erläutert Henneke. „Wir haben deutlich mehr Kawasaki-Fälle, die nicht Corona-assoziiert sind“, sagt er. Es gebe COVID-19-assozierte Fälle „aber es sind zu wenige, um dazu schon etwas sagen zu können, wir brauchen da ein bisschen Geduld“.
Anfang Mai hatte die Uniklinik Dresden 2 Verdachtsfälle gemeldet. Es ist aber noch unklar, ob es einen Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion gibt. „Denkbar ist das durchaus“, so Prof. Dr. Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.
Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, warnt in der Neuen Osnabrücker Zeitung vor Panik. Das Kawasaki-Syndrom gebe es schon lange und es sei sehr selten. „Genau hinschauen müssen wir immer. Wir können auch nichts definitiv ausschließen. Aber diese Erkrankung ist extrem selten und wie gesagt: Ein Anstieg seit Beginn der COVID-19-Pandemie ist nicht zu erkennen.“
COVID-19 verläuft bekanntlich bei den meisten Kindern asymptomatisch oder es zeigen sich nur leichte Symptome. Zu schweren Verläufen kommt es nur sehr selten.
Kinder mit diesen Symptomen sollten sehr rasch untersucht werden
„Wir möchten die Eltern beruhigen. Obwohl die Kawasaki-Krankheit das Herz oder die Blutgefäße schädigen kann, verschwinden die Herzprobleme in der Regel innerhalb von fünf oder sechs Wochen und die meisten Kinder erholen sich vollständig“, sagt Prof. Dr. Jane Newburger, Mitglied der AHA, Pädiaterin und Direktorin des Kawasaki-Programms am Bostoner Kinderkrankenhaus.
„Selten, aber manchmal bleibt die Schädigung der Koronararterien bestehen. Aus diesem Grund ist das Kawasaki-Syndrom die häufigste Ursache für erworbene Herzerkrankungen bei Kindern. Eine rasche Behandlung ist entscheidend, um ernsten Herzproblemen vorzubeugen“, so Newburger.
Da einige Kinder sehr schnell sehr krank werden, sollten Kinder mit diesen Symptomen rasch untersucht und in Kliniken mit pädiatrischen Herz-Intensivstationen versorgt werden, empfiehlt die AHA. Sie rät auch dazu, alle Kinder mit unerklärlichem Fieber und erhöhtem CRP oder erhöhten Leukozyten sorgfältig zu überwachen.
86 Fälle in den USA, Fälle in Großbritannien, Italien und Spanien
NBC-News berichtet von mindestens 85 solcher Fälle bei Kindern in den USA. Die Mehrheit, nämlich 64, traten im Bundesstaat New York auf, der auch die höchste Anzahl von COVID-19-Fällen insgesamt verzeichnet. „Das ist neu. Es entwickelt sich“, kommentierte Gouverneur Cuomo die Lage.
In einer Kinderklinik in New York werden derzeit 25 Kinder mit einer Erkrankung behandelt die laut New York Times den Symptomen des Kawasaki-Syndroms ähnelt. Sie alle haben entzündete Blutgefäße im gesamten Körper. Die Kinder leiden unter Hautausschlag, Erbrechen, Durchfall und Fieber. Einige müssen sogar beatmet werden. Bei den meisten Patienten, so die NYT, wurde SARS-CoV-2 oder aber Antikörper dagegen nachgewiesen.
Ende April hatte der Guardian berichtet, dass 12 britische Kinder aufgrund einer schweren Erkrankung im Zusammenhang mit COVID-19 eine Intensivbehandlung benötigt hatten. Die Symptome ähneln dem Bericht entsprechend offenbar einem toxischen Schocksyndrom und gehen mit Bauchschmerzen und Herzproblemen einher.
Charakteristisch für die Fälle in Großbritannien war eine Überlappung von Befunden, wie sie vom toxischen Schocksyndrom, einem atypischen Kawasaki-Syndrom und schwerem COVID-19 bekannt sind. Die Kinder waren alle so schwer erkrankt, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Wie Medscape France berichtet hatte, waren Anfang Mai 25 französische Kinder, die an Kawasaki-ähnlichen Symptomen erkrankt waren, positiv auf COVID-19 getestet worden.
Die britischen Ärzte beunruhigte am meisten, dass die Blutwerte der Kinder schwere Entzündungszeichen aufwiesen, die denen erwachsener Patienten mit schwerer COVID-19-Infektion ähnelten. „Es gab einen völlig unerwarteten Anstieg von späten Entzündungsreaktionen bei schwerkranken Kindern, der unserer Meinung nach mit COVID-19 zusammenhängt. Das ist höchst ungewöhnlich“, zitiert der Guardian einen namentlich nicht genannten britischen Intensivmediziner.
In der Universitätsklinik Genf wurden seit Beginn der Corona-Pandemie 3 Kinder mit ähnlichen schweren Entzündungen behandelt. Auch aus Italien und Spanien wurden Fälle gemeldet.
Britische Pädiater veröffentlichen Leitfaden
Das Royal College of Paediatrics and Child Health (RCPCH) hat jetzt einen Leitfaden für das pädiatrische Multisystem-Entzündungssyndrom, das zeitlich mit COVID-19 assoziiert ist, veröffentlicht. Auch das RCPCH weist darauf hin, dass das seltene Syndrom Gemeinsamkeit mit anderen pädiatrischen Entzündungskrankheiten aufweist, darunter dem Kawasaki-Syndrom, Staphylokokken- und Streptokokken-verursachten toxischen Schocksyndromen, bakterieller Sepsis und Makrophagen-Aktivierungssyndromen. Es kann auch mit ungewöhnlichen abdominellen Symptomen mit exzessiven Entzündungsmarkern einhergehen.
Das RCPCH definiert das pädiatrischen Multisystem-Entzündungssyndrom wie folgt:
Ein Kind mit anhaltendem Fieber, Entzündungen (Neutrophilie, erhöhtes CRP und Lymphopaenie) und Anzeichen einer Dysfunktion einzelner oder mehrerer Organe (Schock, Herz-, Atemwegs-, Nieren-, Magen-Darm- oder neurologische Störungen) mit zusätzlichen Merkmalen. Dazu können auch Kinder gehören, die die Kriterien für die Kawasaki-Krankheit ganz oder teilweise erfüllen.
Ausschluss jeder anderen mikrobiellen Ursache, einschließlich bakterieller Sepsis, Staphylokokken- oder Streptokokken-Schocksyndromen, Infektionen im Zusammenhang mit Myokarditis.
Der PCR-Test auf SARS-CoV-2 kann positiv oder negativ ausfallen.
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Diesen Artikel so zitieren: Pädiater besorgt: Kawasaki-Syndrom assoziiert mit COVID-19? Erste Fälle auch in Deutschland, 3 tote Kinder in New York - Medscape - 11. Mai 2020.
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