Wirklich gut geschützt? Häufig ist zu hören, Deutschland sei auf die COVID-19-Pandemie gut vorbereitet gewesen. Doch an Schutzausrüstung fehlt es noch immer. Mit der spektakulären Aktion “Blanke Bedenken” machen jetzt Hausärzte (ohne Namensnennung) auf diesen andauernden Missstand aufmerksam: Sie zeigen sich nackt in ihren Praxen (alle Fotos: Copyright www.blankebedenken.org).

„Die Nacktheit soll symbolisieren, dass wir ohne Schutz verletzlich sind“, so Hausarzt Ruben Bernau auf der Homepage der Aktion. Er verfügt mit seinem Praxisteam nach wie vor nur unzureichend über Schutzausrüstung, da der Markt einfach leer gekauft ist.
Hausarzt Dr. Christian Rechtenwald ergänzt: „Inspiriert wurden wir von dem französischen Arzt Alain Colombié, der sich nackt in seiner Praxis fotografiert und als „Kanonenfutter“ bezeichnet hat. Ein Bild sagt mehr als viele Worte!“

Auf der Webseite können sich weitere Hausärzte melden und an der Aktion beteiligen. „Wir sind Ihre Hausärztinnen und Hausärzte. Um Sie sicher behandeln zu können, brauchen wir Schutzausrüstung. Wenn uns das Wenige, was wir haben, ausgeht, dann sehen wir so aus: blankebedenken.org“, twittert die Initiative.

In einem gemeinsamen Statement hatten Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, und Prof. Dr. Martin Scherer, Präsident der DEGAM, Anfang April darauf hingewiesen, dass der Schutz der Hausarztpraxen durch ihre zentrale Stellung im System elementar sei. „Nur, wenn sich die Hausärztinnen und Hausärzte selbst richtig schützen können, können sie auch den Schutz der Patientinnen und Patienten gewährleisten“, betont Scherer.

Hausärzteverband kritisiert „Kommunikation über Politik und Talkshows“
Mit Nachdruck hatte der Hausärzteverband gefordert, Praxen mit Schutzausrüstung auszustatten. Bis das nicht überall gesichert sei, müsse die Telefon-AU verlängert werden. Sie soll – so die Entscheidung des G-BA – am 4. Mai auslaufen.

Weigeldt findet im „Bericht zur Lage“ anlässlich der Gesamtvorstandssitzung des Deutschen Hausärzteverbandes“ vom 24. April deutliche Worte: „Wichtiger noch als die Honorarsituation ist der eklatante Mangel an ausreichender Schutzausrüstung in den Praxen. Durch die Auslagerung der Untersuchungsstellen konnten wir mit diesem Mangel mehr recht als schlecht die notwendige Versorgung bewältigen. Anstatt diese Probleme zu lösen … und die notwendigen Schritte zu besprechen, erleben wir eine Kommunikation über Politik und einschlägige Talkshows“.

Als zynisch und arrogant stufte Weigeldt die Aussage des Sprechers des GKV-Spitzenverbandes ein, der gesagt habe, man sei sicher, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit ihrer ganz besonderen Kompetenz für Gesundheit und Hygiene sicherstellen könnten, dass vom Besuch einer Arztpraxis kein Gesundheitsrisiko und keine Ansteckungsgefahr mit SARS-CoV-2 ausgehe.
Wie begründet die Befürchtungen der Hausärzte sind, zeigen nicht nur Untersuchungen aus Frankreich und Italien, in denen teils hohe Erkrankungsraten und Todesfälle insbesondere unter Hausärzten beschrieben werden. Anfang April hatten sich in Deutschland bereits 2.300 Ärzte und Pfleger mit COVID-19 angesteckt, so das RKI. Bestürzung verursachte jetzt der Tod eines 61 Jahre alten Hausarztes aus Stockach, der Anfang der Woche an COVID-19 verstorben war.

In einer Umfrage von Medscape hatten am 24. März 70% der Leser auf die Frage „Haben Sie genug vorschriftsmäßige Schutzkleidung und Masken” mit „Nein” geantwortet. 57% machen sich Sorgen, als Arzt von Patienten oder Kollegen angesteckt zu werden und schwer zu erkranken.
Wie angespannt die Situation auch Ende April noch ist, machte Prof. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebundes, gegenüber dem Deutschlandfunk deutlich. „Die Politik ist bis heute nicht in der Lage, uns mit ausreichend Masken zu versorgen”, sagte Montgomery. Er kritisiert, dass es die Politik bis dato nicht geschafft habe, FFP2-Masken – die den Träger und das Gegenüber schützen – zu importieren oder in Deutschland herstellen zu lassen.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Blank und schutzlos: Hausärzte posten Nacktfotos – als Protestaktion gegen den Mangel an Schutzkleidung - Medscape - 29. Apr 2020.
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