Nach den Plänen der Bundesregierung soll die geplante Corona-Prämie für die rund 600.000 Altenpflegerinnen in Höhe von 900 Millionen Euro vor allem aus den Taschen der Pflegekassen kommen. Das bestätigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag in Hannover.
Der Pflegebonus soll heute, 30. April 2020, als Teil eines Corona-Pakets für das Gesundheitswesen vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Aber: Woher soll das Geld kommen? Und warum erhalten nur Altenpflegerinnen und -pfleger die Prämie?
„Wir haben gesehen, dass das Virus hart zuschlägt. Der Bereich der Pflege ist in der Corona-Krise enorm gefordert“, begründete Spahn den Zuschuss. „Deshalb haben wir uns für steuer- und abgabenfreie 1.500 Euro für jeden Pflegenden entschieden. Das Geld bezahlen zu zwei Dritteln die Pflegekassen, die Summe wird von Ländern und Arbeitgebern ergänzt“, so Spahn. Allerdings sagt er auch: „Über einen Bundeszuschuss müssen wir reden.“ Schließlich soll nicht der gesamte Betrag von den Beitragszahlern übernommen werden.
Presseberichten zufolge haben Spahn und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) diese Lösung in einem Brief an die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) und an Vertreter der Arbeitgeber und -nehmer vorgeschlagen. Es gehe um eine faire Kostenverteilung, schreiben die beiden Minister.
Kritiker fordern volle Steuerfinanzierung
Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes fordert unterdessen rasche Klarheit über den Bundeszuschuss zur Finanzierung des geplanten Corona-Bonus, wie der GKV-Spitzenverband mitteilt. „Es ist gut, dass die Beschäftigten in der Altenpflege nun bald Klarheit bekommen“, sagt Kiefer. Nicht akzeptabel wäre es aber, wenn am Ende zwei Drittel der Kosten durch die Pflegeversicherung aus Beitragsmitteln bezahlt würden.
„Die Ankündigung der Minister Spahn und Heil, dass im Herbst über die Refinanzierung des Pflegeversicherungsanteils der Bonuszahlungen entschieden werden soll, zeigt uns, dass auch sie die Notwendigkeit einer Steuerfinanzierung dieses Anteils sehen. Wenn sich doch alle einig sind, dass dafür eine Refinanzierung aus Steuermitteln kommen soll, dann kann man das auch schon jetzt entscheiden“, so Kiefer.
Ähnlich Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Auf Nachfrage erklärt er: „Es ist gut, dass die Bundesregierung nicht die Pflegebedürftigen mit dem Corona-Pflegebonus belasten will. Schlecht ist, dass sich die Minister Spahn und Heil nicht dazu bekennen, den Bundesanteil voll aus Steuermitteln zu bezahlen. Doch die Versprechungen der Politik dürfen weder die Beitragszahler belasten noch den Pflegevorsorgefonds der jungen Generation plündern.“
Die Linke fordert eine Pflegevollversicherung
Kritik kommt auch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Die Prämie soll Berufsgruppen- und Sektor-übergreifend gezahlt werden, fordert Kordula Schulz-Asche, pflegepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. „Sich nur auf die Altenpflege zu fokussieren, wird weder der Pflege in ihrer Fachlichkeit noch den Pflegefachkräften gerecht, die in dieser Krise allerorten als Leistungsträger auftreten.“
Zudem sprechen sich die Grünen für eine vollständige Steuerfinanzierung aus. „So wie die Pflegeversicherung aufgestellt ist, bezahlt sie nur einen Teil der Pflegeleistungen, während immer mehr pflegebedürftige Menschen immer weiter steigende Eigenanteile aufbringen müssen und in die Sozialhilfe abrutschen“, sagt Schulz-Asche. „Deshalb sollte die Prämie aus Steuermitteln gegenfinanziert werden.“
Die Verordnung von Heil und Spahn als Durchbruch zu feiern, sei fragwürdig, sagt Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik der Fraktion Die Linke im Bundestag. „Der Bonus muss für alle Beschäftigten in der Altenpflege ohne Wenn und Aber sichergestellt sein, egal in welchem Bundesland sie arbeiten und egal bei welchem Arbeitgeber“, so Zimmermann. „Das ist noch nicht eindeutig geklärt.“
Zimmermann begrüßt indessen, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen nicht weiter steigen sollen. „Die Eigenanteile müssen dauerhaft sinken, damit ein Pflegebedarf nicht zum Armutsrisiko wird“, fordert Zimmermann. Es brauche eine Pflegevollversicherung, in der alle pflegebedingten Leistungen übernommen werden, sagt sie. „Denn das jetzige System verschleißt schon im Normalbetrieb die Pflegenden und stellt für Menschen mit Pflegebedarf ein enormes Armutsrisiko dar. Das haben nicht erst die letzten Wochen bewiesen.“
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Diesen Artikel so zitieren: Kritik an 1.500 Euro Pflegebonus für Altenpflege: Volle Steuerfinanzierung gefordert - Medscape - 29. Apr 2020.
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