2 neue große Studien aus China stützen die Empfehlung der DGK, ACE-Hemmer oder Sartane wegen COVID-19 nicht abzusetzen

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

28. April 2020

Die Ergebnisse, dass SARS-CoV-2 seine Wirtszellen über membranständige ACE-II-Rezeptoren befällt, gaben Anlass zu Spekulationen, Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE)-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten (Sartane) könnten die Anfälligkeit für COVID-19 erhöhen bzw. deren Verlauf erschweren (wie  Medscape berichtete). 2 aktuelle klinische Studien geben dazu jetzt Entwarnung und stützen somit die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Hypertonie-Behandlungen mit ACE-Hemmern oder Sartanen nicht abzubrechen.

Prof. Dr. Michael Böhm, Direktor der Inneren Medizin III der Universität des Saarlandes, Homburg, und Pressesprecher der DGK, äußerte bereits im März offiziell, nicht aufgrund von Spekulationen auf die nachgewiesene Wirksamkeit von ACE-Hemmern und Sartanen für Patienten mit arterieller Hypertonie und Folgeerkrankungen zu verzichten. Denn Hypertonie, Herz- und Niereninsuffizienz erschwerten definitiv den Krankheitsverlauf von Patienten mit COVID-19, sodass bei Absetzen dieser Wirkstoffe das Risiko der Betroffenen eher steigen könnte.

2 neue große Studien stützen Empfehlung der DGK

Inzwischen liegen 2 retrospektive klinische Studien aus China mit jeweils mehr als 1.000 Patienten vor, die beide keinerlei Verknüpfung zwischen dem Verlauf von COVID-19 und der Therapie mit ACE-Hemmern und Sartanen erkennen lassen.

Die eine wurde am 23. April 2020 in JAMA Cardiology veröffentlicht [1]. Eine Gruppe um Dr. Juyi Li untersuchte die Daten von 1.178 Patienten, die zwischen dem 15. Januar und 15. März im Central Hospital in Wuhan, China, aufgrund von nachgewiesenem COVID-19 behandelt worden waren. 362 dieser Patienten (30,7%, mit einem Durchschnittsalter von 66 Jahren) litten unter Hypertonie.

Insgesamt 115, also etwa ein Drittel der Patienten mit Hypertonie, befand sich in Behandlung mit einem ACE-Hemmer oder Sartan. Diese unterschieden sich weder im Krankheitsverlauf (32,9% vs. 30,7% schwere COVID-19-Verläufe) noch in der Mortalität (27,3% vs. 33,0%) signifikant von den anderen Patienten mit Hypertonie.

Hypertonie ist ein Risikofaktor, ihre Behandlung aber nicht

Die Hypertonie selbst stellten die Forscher dagegen als deutlichen Risikofaktor fest: Während für die Gesamtpopulation der Studie die Mortalität bei 11,0% lag, betrug sie bei den (allerdings im Durchschnitt auch 11 Jahre älteren) Patienten mit Hypertonie 21,3%, also fast das doppelte Risiko. Im Vergleich zu den Patienten ohne Hypertonie-Diagnose (vs. 6,5%) war die Mortalität sogar etwa dreimal so hoch.

Li und Kollegen bereinigten die Patientendaten statistisch auch um mögliche Komorbiditäten: Aber weder für koronare Herzerkrankung, zerebrovaskuläre Symptome, neurologische Probleme oder chronische Niereninsuffizienz ließ sich ein Zusammenhang des Verlaufs von COVID-19 mit der Anwendung von ACE-Hemmern und/oder Sartanen darstellen.

Mortalität in der ACE-Hemmer-/Sartan-Gruppe geringer

Die zweite Studie wurde am 17. April in Circulation Research der American Heart Association (AHA) publiziert und stammt ebenfalls aus China [2]. Dr. Peng Zhang und Kollegen analysierten retrospektiv die Daten von 1.128 hypertensiven Patienten mit COVID-19 aus 9 Krankenhäusern. Von diesen wurden 188 (16,7%) mit ACE-Hemmern und/oder Sartanen behandelt, 940 nicht (83,3%).

Hier lag die Mortalität in der ACE-Hemmer-/Sartan-Gruppe mit 3,7% sogar signifikant niedriger (p = 0,01) als mit 9,8% in der Gruppe, die diese Wirkstoffe nicht erhielt. Nach Adjustierung um Lebensalter, Geschlecht, Komorbiditäten und im Krankenhaus verabreichter Medikation blieb die Mortalität in der ACE-Hemmer-/Sartan-Gruppe um etwa die Hälfte geringer (Hazard Ratio: 0,42; p = 0,03).

Auch nach einer Propensity-Score-matched Subgruppenanalyse (bezogen auf Alter, Geschlecht, Fieber, Husten, Dyspnoe, Diabetes, koronare Herzkrankheit, Niereninsuffizienz, Lungenschädigungen sowie erhöhte CRP- und Creatinin-Werte) lag die Mortalität in der ACE-Hemmer-/Sartan-Gruppe niedriger als bei Patienten, die andere Antihypertonika erhielten (HR: 0,30; p = 0,01). Dies waren zu 52,5% Calcium-Antagonisten, zu 19,6% Beta-Blocker und zu 15,8% Diuretika (insgesamt 745 der 1.128 Patienten; die restlichen hatten keine Antihypertensiva erhalten).

Hypertonie als Risikofaktor ist bei älteren Patienten deutlich häufiger

In dieser Studie standen den 1.128 hypertensiven 2.302 nicht-hypertensive Patienten mit COVID-19 gegenüber. Auch hier waren die hypertensiven Patienten mit einem Durchschnitt von 64 Jahren rund 12 Jahre älter als die Patienten ohne Bluthochdruck und wiesen mehr Komorbiditäten auf. Auch in dieser Studie war in der durch Hypertonie charakterisierten Gruppe die Mortalität signifikant erhöht (HR nach Adjustierung 1,41, p = 0,03).

Beide Publikationen analysieren lediglich retrospektive Beobachtungen, und die Fallzahlen der mit ACE-Hemmern und/oder Sartanen Behandelten sind eher gering. Trotzdem urteilt Prof. Dr. Michael A. Weber, State University of New York gegenüber Medscape , dass weder ACE-Hemmer noch Sartane den Verlauf von COVID-19 ungünstig zu beeinflussen scheinen und deshalb die Vorteile dieser Behandlung für die Patienten bezüglich der Senkung der Hypertonie überwiegen.

 

Kommentar

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