COVID-19-Ausbruch bei Patienten und Mitarbeitern der Onkologie am UKE: Klinik wehrt sich gegen Kritik

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

22. April 2020

Eine Reihe von Fehlern in der Klinik, ungeschickte Informationspolitik? Der COVID-19-Ausbruch im Bereich der Onkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) hat einige Wellen geschlagen. Am 15. April hatte das UKE in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass in der vergangenen Woche rund 20 Patienten sowie rund 20 Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden seien.

Am vergangenen Wochenende ist jetzt einer dieser Patienten gestorben: Das UKE teilte am 19. April mit, dass am Abend davor ein 80 Jahre alter Patient mit fortgeschrittener, bösartiger Blutkrebserkrankung und COVID-19-Infektion gestorben ist. Weitere Untersuchungen müssten zeigen, ob die Infektion ursächlich für den Tod war.

Wie der NDR berichtet, könnte der Auslöser für den Ausbruch möglicherweise fast einen Monat zurückliegen. Mitte bis Ende März war bei einer Person im Onkologie-Bereich das Virus nachgewiesen worden, erfuhr NDR 90,3. Der Fall sei dem zuständigen Gesundheitsamt des Bezirks Hamburg-Nord aber erst verspätet gemeldet worden. Laut NDR habe die betreffende Person keinen Mundschutz getragen. Dabei hatte das Gesundheitsamt schon vor 2 Jahren angeordnet, dass alle Mitarbeiter Mundschutz tragen müssen.

UKE weist auf der Pressekonferenz Kritik am Vorgehen zurück

Am Sonntag, den 5. April war ein Mitarbeiter der Onkologie positiv auf COVID-19 getestet worden, berichtete Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement, auf der Pressekonferenz des UKE am 15. April. Noch am Sonntagabend seien 7 Patienten auf einer onkologischen Station positiv getestet worden, im Lauf der vergangenen Woche seien dann weitere 20 Patienten und 20 Mitarbeiter positiv getestet worden, so Prölß.

 
Den Tenor, wir hätten das nicht konsequent genug verfolgt, muss ich von uns weisen. Joachim Prölß
 

Alle onkologischen Patienten am UKE werden auf COVID-19 getestet, stellte Prof. Dr. Carsten Bokemeyer, Leiter des Zentrums für Onkologie, auf der Konferenz klar. „Wir können also davon ausgehen, dass alle onkologischen Patienten die regulär auf den üblichen onkologischen Stationen behandelt werden, COVID-19-negativ sind.“

Für die COVID-19-positiven Tumorpatienten wurde eine spezielle COVID-19 Isolierstation eingerichtet, und eine Task Force hat damit begonnen zu untersuchen, wie das Virus in die Klinik eingebracht wurde. Von 18 onkologischen Patienten, die positiv auf COVID-19 getestet worden waren, konnten 15 auf die Normalstation verlegt werden, 3 befinden sich noch auf der Intensivstation.

Dem zuständigen Gesundheitsamt seien am Morgen des 6. April die COVID-19-Erkrankungen gemeldet worden, „mit dem Hinweis, dass es sich hier um eine Häufung handelt“, teilte Johannes Knobloch, der Leiter der Krankenhaushygiene mit. Er betonte, dass man noch nicht genau sagen könne, worauf die Fälle zurückgingen, sondern noch in der Analyse der Ereignisse stecke.

Wie Knobloch weiter berichtete, sei das Gesundheitsamt am Karfreitag vor Ort gewesen. Am Morgen des 6. April habe man dem Gesundheitsamt Hinweise auf eine wahrscheinliche Häufung gegeben: „Wir haben das dann konsekutiv nachgemeldet, und nachdem es immer mehr wurde, kam das Gesundheitsamt persönlich am Karfreitag vorbei“, so Knobloch. „Den Tenor, wir hätten das nicht konsequent genug verfolgt, muss ich von uns weisen“, erklärte Prölß.

COVID-19 stellt besondere Anforderungen an das Risikomanagement

Wie Dr. Peter Walger, Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. (DGKH), betont, sind die Regularien eines Ausbruchs-Managements gut und ausführlich geregelt. Im Zeichen der COVID-19-Pandemie hat das Robert Koch-Institut (RKI) am 17. April 2020 aktualisierte Empfehlungen veröffentlicht.

 
Das besondere an COVID-19 ist aber, dass wir es mit einem hochansteckenden Virus zu tun haben. Es besteht eine Ansteckungsgefahr in alle Richtungen. Dr. Peter Walger
 

„Das Regelwerk der Infektionsprävention ist gerade auch in so hochsensiblen Bereichen wie der Onkologie-Hämatologie so gestaltet, dass es möglich ist, das Risiko für einen Ausbruch möglichst gering zu halten“, sagt Walger im Gespräch mit Medscape. „Das besondere an COVID-19 ist aber, dass wir es mit einem hochansteckenden Virus zu tun haben. Es besteht eine Ansteckungsgefahr in alle Richtungen, Mitarbeiter können sich untereinander anstecken, und auch Patienten können durch Mitarbeiter infiziert werden. Das sind schon besondere Anforderungen an ein Risikomanagement“, erklärt der Hygieneexperte.

Mit gehäuftem Auftreten von COVID-19 bei Tumorpatienten rechnen

Von den 3 Patienten auf der Intensivstation werde einer beatmet, die beiden anderen Patienten erhielten Sauerstoff, berichtete Bokemeyer und fügte hinzu: „Wir hoffen, dass wir auch diese Patienten in Kürze auf die Normalstation verlegen können.“ Von den Patienten, die positiv auf COVID-19 getestet worden waren, wiesen einige im Abstrich mittlerweile keine Positivität mehr auf. Einige Patienten auf der Normalstation könnten auch schon wieder mit ihren Krebstherapien fortfahren.

Bokemeyer stellte aber auch klar, dass vor dem Hintergrund der Pandemie die Kombination COVID-19 und Krebs „keine Seltenheit“ sein werde, sondern etwas, „das wir wohl häufig sehen werden in der nächsten Zeit“. Denn Krebspatienten gehören zu den Risikopatienten – man müsse davon ausgehen, dass unter Krebspatienten eine gehäufte Anzahl von COVID-19-Infektionen auftreten werde. „Das lässt sich auch nicht verhindern, egal was wir in den nächsten Monaten – und der Zeit, in der uns diese Krankheit noch beschäftigen wird – tun werden.“

Gerade weil man mit einem gehäuften Auftreten rechnen müsse, sei es wichtig zu lernen, wie problematisch die Koinzidenz sei, Behandlungswege dafür zu erproben und adäquat durchzuführen. „Da haben wir einiges gelernt und das bislang auch ganz gut gemanagt“, sagte Bokemeyer.

Schon ein allererster Infektionsfall in einer Klinik ist ein Alarmzeichen

Geschieht ein solcher Ausbruch, und bei COVID-19 begründet bereits ein einziger Fall in einem hochsensiblen Bereich den Anfangsverdacht, sollte schnellstmöglich ein Ausbruchs-Management-Team einberufen werden. 2 Ziele müssen verfolgt werden:

  • erstens dafür sorgen, dass eine weitere Ausbreitung sofort gestoppt wird,

  • und zweitens, gründlich zu analysieren, wie das Virus eingetragen wurde, wie sich die Infektionsketten konkret abgespielt haben.

Dass 40 Patienten und Mitarbeiter in einer derartig kurzen Zeit betroffen sind, sei schon „außergewöhnlich“, meint Walger. Das lasse sich sicher nicht nur darauf zurückführen, dass es sich um hochvulnerable Patienten handele.

„Schon ein allererster Infektionsfall in einer Klinik ist ein Alarmzeichen und muss zu konkreten Schutzmaßnahmen führen, z. B. zur sofortigen Separierung der betroffenen Person durch Isolation oder Quarantäne und zur sofortigen Anordnung einer generellen Mund-Nasen-Schutz-Pflicht in der betroffenen Abteilung. Die ersten Aufgaben des sofort zu etablierenden Ausbruchs-Management-Teams sind dann Kontaktermittlung und Fallsuche“, erklärt Walger.

 
Schon ein allererster Infektionsfall in einer Klinik ist ein Alarmzeichen und muss zu konkreten Schutzmaßnahmen führen. Dr. Peter Walger
 

Zu einer gründlichen Analyse gehöre dann z. B. zu überprüfen, wo die Infektionsübertragungen begannen, welche Personen Zugang zur Abteilung hatten, wie die Zugänge zur Station und die Kontakte zum Personal und zu den einzelnen Patienten kontrolliert würden. Wie sieht es mit den Pausen- und Besprechungsräumen auf der Station aus, wie verhalten sich die Mitarbeiter im gesamten Krankenhaus vor Dienstbeginn und nach Feierabend, wie sensibel wird auf mögliche Symptome unter den Mitarbeitern geachtet, zählt Walger einige Punkte auf.

 
Die ersten Aufgaben des sofort zu etablierenden Ausbruchs-Management-Teams sind dann Kontaktermittlung und Fallsuche. Dr. Peter Walger
 

„Es kann eine Sisyphusarbeit sein, nun herauszufinden, wie das Virus in die Klinik gelangen konnte und welche Wege es zu einer so beachtlich großen Zahl von Betroffenen nehmen konnte. Die Antworten sind aber von großer Bedeutung, weil sie zu Verbesserungen von Patienten- und Mitarbeiterschutz führen und damit zur Verhütung weiterer Ausbrüche“, sagt Walger.

Hätte man die Öffentlichkeit früher informieren müssen?

Prölß betonte auf der Pressekonferenz, dass sehr professionell vorgegangen wurde. „Wir haben erst mal nach innen gewirkt, um herauszufinden, welche Zusammenhänge es zwischen den Fällen gibt und wie wir unsere Patienten schützen.“ Er sehe keinen Mangel an Informationen. Und jederzeit – das betont auch Bokemeyer – seien die entsprechenden Stellen in der Klinik und die Gesundheitsbehörden informiert gewesen.

Laut NDR bleiben Fragen offen: Der Hamburger Senat habe jedenfalls wohl erst relativ spät erfahren, dass sich rund 40 Patienten und Mitarbeiter auf der Krebsabteilung mit dem Virus angesteckt haben. Hätte man es gewusst, hätte man auf der Landespressekonferenz darüber informiert, heißt es auf Nachfrage aus Senatskreisen.

 
Das UKE hat die gesetzlichen Meldeketten durchgängig vollzogen und ist da sehr transparent gewesen. Katharina Fegebank
 

Gegenüber dem NDR stellt Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank klar, dass das UKE richtig gehandelt hat. „Das UKE hat die gesetzlichen Meldeketten durchgängig vollzogen und ist da sehr transparent gewesen. Laut Infektionsschutzgesetz ist das UKE meldepflichtig gegenüber den Gesundheitsämtern, da hat eine Kommunikation stattgefunden.“

Ein paar Ungereimtheiten…

Ein paar Ungereimtheiten bleiben dennoch. Wie Spiegel online berichtete, hatten UKE-Ärzte sich auf einer Pressekonferenz am 8. April zu COVID-19 vorsichtig optimistisch gezeigt: „Die Corona-Lage in Hamburg ist derzeit stabil, kontrolliert und ruhig“, so Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Infektiologie am UKE. Zu diesem Zeitpunkt war es in der Onkologie-Abteilung des UKE bereits zu gehäuften COVID-19-Fällen unter Patienten und Personal gekommen.

Auf der Pressekonferenz darauf angesprochen sagte Prölß: „Aus unserer Sicht haben wir die Situation sehr gut gemanagt.“ Dass diese Patienten, die hier am UKE behandelt werden, ganz besonders gefährdet sind, „wissen wir ja alle“. Addo habe aus der professionellen Sicht heraus argumentiert, dass die Situation beherrscht werde. „Die Frage des Informationsbedürfnisses muss man vielleicht an anderer Stelle noch stellen.“

Die Information jedenfalls, dass in der Onkologie 40 Patienten und Mitarbeiter COVID-19-positiv getestet wurden, erfuhren die Medien offenbar auf Nachfrage. Wie Spiegel online am 14. April berichtete, teilte die Pressestelle des Klinikums auf Anfrage des Spiegel mit: „Im Bereich der Onkologie sind in der vergangenen Woche rund 20 Patientinnen und Patienten sowie rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen COVID-19-positiv getestet worden.“ Nach Informationen des Spiegel soll die Infektionen auf eine infizierte Reinigungskraft zurückgehen, die Anfang vergangener Woche wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes aufgefallen war.

 

Kommentar

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