Manuelle Akupunktur war in einer chinesischen Studie wirksamer zur Vorbeugung von episodischer Migräne als Scheinakupunktur oder eine Standardbehandlung [1]. Das untersuchten Shabei Xu und seinen Kollegen vom Tongji Hospital in Wuhan und 6 anderen Kliniken an insgesamt 150 Patienten in einer multizentrischen randomisierten und einfach verblindeten Studie. Die Teilnehmer litten unter episodischer Migräne ohne Aura und hatten keine Vorerfahrung mit Akupunktur.
Der Neurologe Dr. Charly Gaul, Chefarzt der Königsteiner Migräne- und Kopfschmerzklinik, kritisiert allerdings die Randomisierung in die Akupunktur-, Scheinakupunktur und Kontrollgruppen im Verhältnis 2:2:1. „Damit wollten die Autoren die Rekrutierung und Adhärenz verbessern, allerdings mindert das die Qualität der Studie“, so Gaul. Ein ausgeglichenes Studiendesign gilt in der Regel als besser, weil eine Studie damit die höchste statistische Power erreicht und einzelne Abweichungen sich weniger stark auswirken.
Akupunktur mäßig wirksam
Eingeschlossen wurden Patienten mit 2 bis 8 Migräneepisoden pro Monat, im Mittel waren es 5,8 Migränetage. Das sei eine mäßig hohe Krankheitslast, erklärt Gaul: „Das ist eine Gruppe, bei der man Prophylaxe einsetzen kann, bei der häufig aber auch Lebensstilberatung reicht.“
Die Akupunkturbehandlung erreichte gegen Ende der 20 Wochen dauernden Studie im Vergleich zur Scheinakupunktur eine Reduktion der Migränetage um etwas mehr als 2 Tage. „Die Effekte der Akupunktur sind mäßig, und es ist für Kliniker schwierig zu beurteilen, ob eine Reduktion in dieser Größenordnung für Patienten bemerkbar wäre“, schreibt die Londoner Neurologin Dr.Heather Angus-Leppan in einem begleitenden Editorial [2].
Sowohl Angus-Leppan als auch Gaul zufolge konnte die Studie allerdings die Wirksamkeit von Akupunktur bei Migräne erfolgreich belegen. Jedoch: „Die Studie liefert zwar weitere Argumente für die nicht bestrittene Wirksamkeit von Akupunktur. Aber einen Paradigmenwechsel kann die Studie für mich nicht einleiten, dafür ist sie auch zu klein. Eine Studie in unserem europäischen Setting ist notwendig, um unsere Standpunkte zu beeinflussen“, erklärt Gaul.
Verblindung bei Akupunktur
Die Autoren der Studie führen bisherige teilweise widersprüchliche Studienergebnisse, die oft nur geringe Unterschiede zwischen echter und Scheinakupunktur feststellen konnten, auch darauf zurück, dass es schwierig ist, bei einer Akupunkturbehandlung eine erfolgreiche Verblindung zu erreichen. Auch Einstiche an falschen Punkten könnten möglicherweise einen Effekt auf Schmerzen haben.
Deshalb nutzten die Autoren in der vorliegenden Studie eine Methode, die zumindest die Patienten im Unklaren lassen sollte, ob sie echte oder Scheinakupunktur erhielten: Die Akupunkteure benutzten für die Scheinakupunktur speziell präparierte Nadeln, die keine Einstiche verursachten, den Patienten aber trotzdem ein Nadelstich-ähnliches Gefühl vermitteln sollten.
Auch eine Kostenfrage
In Deutschland werden die Kosten einer Akupunkturbehandlung gegen Migräne von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen.
In der vorliegenden Studie wurden die Patienten insgesamt 20 Mal eine halbe Stunde lang behandelt. Je 10 Behandlungen wurden dabei im Block mit einer Behandlung jeden zweiten Tag geplant, nach einer 9-tägigen Pause erfolgte dann der zweite Behandlungsblock.
„Das heißt die Behandlungsdichte ist sehr hoch, das wirft die Frage nach der Umsetzbarkeit und den Kosten im klinischen Alltag auf“, erläutert Gaul. Nach der 8-wöchigen Behandlungsphase folgte ein 12 Wochen langes Follow-Up. Die manuelle Akupunkturbehandlung erreichte ihre höchste Wirksamkeit gegen Ende der Follow-Up-Phase. Wie lange die Wirkung anhalten könnte, ist allerdings unklar.
Akupunktur versus Medikamente
Zur Vorbeugung von Migräneanfällen können auch andere unterschiedliche nicht medikamentöse Verfahren wie Ausdauersport oder Entspannungsverfahren zum Einsatz kommen sowie eine Reihe von Medikamenten. In der vorliegenden Studie gab es keinen direkten Vergleich der Akupunktur mit Medikamenten.
Die Autoren sehen Akupunktur trotzdem als überlegen an. Im indirekten Vergleich schneide Akupunktur in der vorliegenden Studie ähnlich ab wie viele Medikamente, sagt Gaul: „Sieht man sich die Tage mit Kopfschmerzreduktion pro Monat an, dann sind wir in etwa dort, wo wir mit Medikamenten auch landen.“
Angus-Leppan sieht in der Methode durchaus eine Alternative: „Akupunktur könnte die erste Wahl für Menschen sein, die pharmakologische Behandlung vermeiden möchten.“ Die Methode sei nebenwirkungsarm, und auch Wechselwirkungen mit Medikamenten seien nicht bekannt.
Auch die geltenden Leitlinien zur Migräne-Prophylaxe der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sowie der Deutschen Kopfschmerzgesellschaft empfehlen ähnliches: „Akupunktur kann zur Prophylaxe der Migräne eingesetzt werden bei Patienten, die eine medikamentöse Prophylaxe ablehnen oder nicht vertragen“, heißt es darin.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: 2 Migränetage weniger mit Akupunktur – neue Studie bestätigt Wirksamkeit, ein Paradigmenwechsel ist es aber nicht - Medscape - 20. Apr 2020.
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