Mitralklappeninsuffizienz: Die nächste Generation der MitraClip-Systeme im Alltagscheck

Patrice Wendling

Interessenkonflikte

16. April 2020

Die EXPAND-Studie belegt die Fortschritte in der perkutanen Rekonstruktion der primären Mitralklappeninsuffizienz (MI) im klinischen Alltag durch das MitraClip-NTR/XTR-System der nächsten Generation (Abbott). Sie zeigt allerdings auch die klinische Herausforderung, welche die Bestimmung des Schweregrades einer Mitralklappeninsuffizienz immer noch bedeutet.

In der weltweiten Studie war der Rückfluss insgesamt bei 27,7% der Patienten mit primärer Mitralklappeninsuffizienz nach 30 Tagen auf null oder fast null gesenkt worden, bei 86,9% auf eine MI Grad I oder weniger und bei 97,3% auf Grad II oder weniger.

Bei 82% der Patienten mit einer Ausgangs-MI von Grad III oder darüber konnte sie behoben oder auf eine niedrigere Stufe gebracht werden. In der Hochrisikogruppe mit primärer MI aus der früheren EVEREST-II-Studie gelang dies bei nur etwas mehr als der Hälfte der Patienten, sagte Studienautor Dr. D. Scott Lim von der University of Virginia in Richmond.

Die Dauer für den Eingriff insgesamt und für die Durchleuchtung wurde auf 82 min bzw. 18 min reduziert, was etwa der Hälfte der in früheren Studien erzielten Ergebnissen entspricht.

Bei beinahe einem Drittel der Patienten waren die anatomischen Bedingungen an den Mitralklappen komplex, was diese Real-World-Studie von früheren klinischen Studien unterscheide, sagte Lim während seiner Präsentation bei der in diesem Jahr rein virtuellen Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC.20) und World College of Cardiology (WCC)ct 412-1 (Abstra2) [1].

In der Untersuchung seien erstmals die klinischen Outcomes von Patienten mit primärer Mitralinsuffizienz, die mit dem NTR- und XTR-System behandelt wurden, nach 30 Tagen in einem Echolabor unabhängig bewertet worden.

Analyse von 422 Patienten mit schwerer Mitralklappeninsuffizienz

Die Gesamtpopulation von EXPAND umfasst 1.041 Patienten mit primärer oder sekundärer Mitralklappeninsuffizienz, die zwischen April 2018 und Juni 2019 in den USA, in Europa und im Nahen Osten mit dem MitraClip behandelt wurden. Die echokardiografischen Aufnahmen von 835 Patienten eigneten sich für eine Auswertung in einem Echolabor.

Die Analyse konzentrierte sich auf 422 dieser Patienten (Altersdurchschnitt 79,5 Jahre), deren primäre oder gemischte Mitralklappeninsuffizienz vor Ort mindestens als Grad III eingestuft worden war. Ihr durchschnittlicher STS-Repair-Score (Society of Thoracic Surgery) lag bei 7,3% und der STS-Replacement-Score bei 5,5%.

Eine Basiseinstufung der Mitralklappeninsuffizienz von III+ oder IV+ wurde nur in 66,4% der Fälle vom Echolabor bestätigt, während die übrigen als Grad-II-Insuffizienzen oder darunter klassifiziert wurden, berichtete Lim.

Schwierigkeiten bei Einordnung des Schweregrads

„Es ist klar, dass die echokardiografische Quantifizierung einer Mitralinsuffizienz Schwierigkeiten bereitet“, sagte der Sitzungsvorsitzende Dr. Martin B. Leon vom New-York-Presbyterian/Columbia University Medical Center in New York während der Online-Diskussion.

„Zu den Limitierungen der Studie gehört, dass es eine beträchtliche Anzahl von Patienten gab, bei denen das Basisechokardiogramm nicht interpretierbar oder nicht nutzbar war. Bei etwa einem Drittel der Fälle wurde die Mitralinsuffizienz vor Ort als weniger gravierend eingestuft als im Echolabor“, sagte er. „Es hat also den Anschein, als hätten wir immer noch Schwierigkeiten mit der quantitativen und auch der qualitativen Einordnung des Schweregrades einer Mitralinsuffizienz“.

 
Bei etwa einem Drittel der Fälle wurde die Mitralinsuffizienz vor Ort als weniger gravierend eingestuft als im Echolabor. Dr. Martin B. Leon
 

Lim antworte: „Dies unterstreicht die Notwendigkeit von Echolabors, und somit ist es für uns alle wichtig, Daten, die nicht aus einem solchen Labor stammen, mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten.“

„Die Untersucher im EXPAND-Register wurden ausgewählt, weil sie und ihre Zentren mit einer hohen Expertise im Management von Mitralklappenerkrankung in Verbindung gebracht werden“, sagte er. „Trotzdem wurde, wie Sie betonen, bei einem Drittel der Fälle von ihnen eine weniger schwere Mitralinsuffizienz festgestellt, als zuvor gemessen“, sagte er.

Dr. Alan Zajarias von der Washington University School of Medicine in St. Louis, Missouri, fragte, warum die beiden Labors unterschiedliche Merkmale gemessen haben, was er für „problematisch“ halte.

In der Präsentation wies Lim darauf hin, dass 2 Labors eingesetzt wurden, um einheitliche Messungen an allen Standorten zu gewährleisten, wobei das eine die Ätiologie und den Schweregrad der Mitralinsuffizienz beurteilen sollte, während sich das andere auf detaillierte anatomische Merkmale der Mitralklappen und auf Messungen des linken Ventrikels konzentrierte. „Damit haben wir gleich zu Beginn die materiellen und personellen Ressourcen und Möglichkeiten der beiden Labors berücksichtigt.“

Die Wahl des Clips wurde den ausführenden Personen bzw. den Standorten überlassen, obwohl zu Beginn der Studie von einer Kerngruppe dazu Empfehlungen ausgesprochen wurden. Dabei bevorzugte man XTR für Patienten mit längeren Segeln und NTR für Patienten mit kurzen und in der Bewegung eingeschränkten Segeln, begrenzten Pathologien und einer kleineren Klappenöffnungsfläche, so Lim.

Erfolgsraten für die Clip-Implantation

Der MitraClip XTR wurde bei 194 Patienten, der NTR bei 146 und beide zusammen bei 80 Patienten eingesetzt. Die anatomische Komplexität an der Mitralklappe wirkte sich nicht auf die Auswahl des Clips aus. Allerdings erreichte man bei schwierigeren Anatomien mit dem XTR-Clip eine stärkere Verminderung der Insuffizienz als mit dem NTR-Clip (p=0,03).

Die MI-Schweregrade vor dem Eingriff unterschieden sich bei den 3 Gruppen (XTR, NTR und kombiniert) signifikant, wobei Patienten mit schwerer Mitralklappeninsuffizienz eher die XTR-Clips erhielten (allein oder in Kombination mit dem NTR-Clip).

Die Erfolgsraten für die Clip-Implantation und die unmittelbare Wirkung der Maßnahme lagen bei 99,5% bzw. 94,5%. Die durchschnittliche Krankenhausaufenthaltsdauer betrug ein Tag. Diese Zahlen bräuchten den Vergleich mit der unmittelbaren Wirkung bei 91,8% und 2-tägiger Krankenhausverweildauer für die Katheter-gestützte Mitralklappenrekonstruktion aus dem Jahr 2017 nicht zu scheuen, stellte Lim fest (nach Analyse des TVT-Registers [transcatheter valve therapy], der US-Datenbank der STS/ACC für die Transkatheterimplantation von Herzklappen).

Ergebnisse nach 30 Tagen

Nach 30 Tagen war es zu 10 Todesfällen (2,4%), 5 Schlaganfällen (1,2%) und 4 nicht elektiven kardiovaskulären Eingriffen aufgrund einer clipbedingten Komplikation gekommen (0,9%). Myokardinfarkte waren nicht aufgetreten.

Bei 8 Patienten (1,9 %) wurde eine Anheftung des Clips an lediglich einem Segel bestätigt, bei einem Patienten (0,2 %) wurde eine Ruptur oder Perforation eines Segels festgestellt.

Die Mitralgradienten waren von 2,51 mmHg vor der Prozedur auf 3,51 mmHg nach 30 Tagen in der reinen XTR-Gruppe angestiegen, in der NTR-Gruppe von 2,31 auf 3,89 mmHg und in der XTR/NTR-Gruppe von 2,71 auf 3,99 mmHg.

 
Es ist bemerkenswert, … dass bei etwa 86 Prozent der Patienten eine Reduzierung der Insuffizienz auf Grad I+ oder weniger gelang. Dr. Alan Zajarias
 

„Es ist bemerkenswert, dass die Gradienten der Patienten unabhängig von der Art und Anzahl der gesetzten Clips ähnlich aussahen, und vor allem, dass bei etwa 86 Prozent der Patienten eine Reduzierung der Insuffizienz auf Grad I+ oder weniger gelang“, sagte Zajarias.

Vergleich mit anderen Studien

Im Vergleich zu früheren Studien sah Leon jedoch viele Veränderungen. So hätten sich „die Erfahrung des Operateurs, die Fallauswahl und sicherlich auch die Bildgebung dramatisch verbessert. Lassen sich also wirklich alle Verbesserungen und die Reduzierung der Mitralinsuffizienz nur auf die Verwendung verschiedener Clips zurückführen, oder sehen wir neben der Entwicklung der Clips genauso viel verfahrenstechnische Entwicklungen?“

Lim sagte dazu: „Um das zu beantworten, müssen wir meiner Meinung nach auf die kürzlich von Paul Sorajja veröffentlichten Ergebnisse des TVT-Registers zurückblicken. Dort ließen sich einige schrittweise Verbesserungen im Vergleich zur früheren EVEREST-Studie feststellen. Doch ich meine, dass es im Vergleich zu den Daten aus dem TVT-Register eine signifikante Verbesserung der hier gezeigten Daten gibt, und zwar sowohl in Bezug auf die Reduzierung der Mitralinsuffizienz als auch auf die Durchführungsdauer.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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