WHI: Ein höherer Proteinanteil in der Ernährung ist bei Frauen mit einem niedrigeren Risiko für Vorhofflimmern assoziiert

Marlene Busko

Interessenkonflikte

15. April 2020

Wer im Verhältnis zu seinem Gewicht mehr Protein aufnimmt, ist schlanker und entwickelt in der folgenden Lebensdekade mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein Vorhofflimmern. Das berichten Untersucher anhand einer neuen Analyse von Daten der Women's Health Initiative.

Die Studie wurde von Dr. Daniel A. Gerber, Kardiologe an der kalifornischen Stanford-University, und seinem Team anlässlich der diesjährigen Scientific Sessions des American College of Cardiology (ACC) gemeinsam mit dem World Congress of Cardiology (ACC.20/WWC) virtuell präsentiert [1].

 
Es scheint einen Optimalbereich in Bezug auf die Eiweißzufuhr zu geben, der bei 58 bis 74 g pro Tag liegt. Dr. Daniel A. Gerber
 

Während einer Pressekonferenz sagte Gerber, dass nach ihren Ergebnissen „die vermehrte Aufnahme von Eiweiß, vor allem im Verhältnis zum Körpergewicht, positive Auswirkungen sowohl auf die Zusammensetzung des Körpers als auch auf das Risiko für ein Vorhofflimmern haben kann. Dies allerdings nicht, indem man viel mehr davon isst, sondern indem sich die Zusammensetzung der Kost anteilig hin zu einem höheren Eiweißgehalt verschiebt.“

Für die Herzgesundheit „würde ich eine Diät empfehlen, die sich auf die Reduzierung von verarbeiteten Lebensmitteln und Zuckerzusatz konzentriert, die mit leeren Kohlenhydraten und Fetten beladen sind, während eine anteilig höhere Eiweißaufnahme aus gesunden Quellen wie magerem tierischen Protein und pflanzlichen Eiweißquellen beibehalten wird“, schrieb Gerber in einer E-Mail an Medscape.

Der durchschnittliche US-Bürger nehme schätzungsweise 3.600 kcal/Tag zu sich – 50% aus Kohlenhydraten, 35% aus Fett und nur 15% aus Protein. In Deutschland sind es im Übrigen nur wenige Prozent weniger. Dies entspricht 540 kcal/Tag aus Eiweiß, also 135 g (da 1 g Eiweiß 4 kcal hat), „was mehr als genug Eiweiß für den Durchschnittsbürger ist“.

„Es scheint einen Optimalbereich in Bezug auf die Eiweißzufuhr zu geben, der bei 58 bis 74 g pro Tag liegt, und auch einen ‚Deckeneffekt‘ bei einer Zufuhr von über 74 g pro Tag, wo eine zusätzliche Proteinaufnahme nicht mehr vorteilhaft ist“, sagte Gerber.

Laut Gerber „wären die meisten Menschen weitaus gesünder und schlanker, wenn sie ihre Gesamtkalorienzufuhr aus Kohlenhydraten und Fetten reduzieren und gleichzeitig eine proportional höhere Proteinzufuhr mit bis zu 25% ihrer Gesamtkalorienzahl zu sich nehmen würden“.

Pflanzliche Proteine scheinen vorteilhafter zu sein

„Die meisten Menschen in der westlichen Welt nehmen wahrscheinlich bereits zu viel Protein zu sich“, sagte Dr. Andrew M. Freeman, Direktor von Cardiovascular Prevention and Wellness am National Jewish Health in Denver, Colorado, der an dieser Studie nicht beteiligt war, in einem Interview mit Medscape.

 
Die meisten Menschen in der westlichen Welt nehmen wahrscheinlich bereits zu viel Protein zu sich. Dr. Andrew M. Freeman
 

„Es ist sicherlich eine faszinierende Studie“, sagte er, der auch Co-Vorsitzender der ACC Nutrition and Lifestyle Workgroup ist, „aber ich nehme daraus nicht mit, dass ich jetzt meinen Patienten große Mengen an Eiweiß verabreichen muss, weil sie ohnehin schon zu viel einnehmen und wir wissen, dass eine zu hohe Proteinzufuhr auch mit einer erhöhten Inzidenz von Nierenfunktionsstörungen, Herzinsuffizienz und einer Vielzahl anderer Probleme wie auch mit Krebserkrankungen in Verbindung steht.“

Dennoch sei ein niedrigerer Body-Mass-Index (BMI) mit einem geringeren Risiko für ein Vorhofflimmern verbunden, stellte er fest, „und wenn 8 bis 10 g zusätzliches Protein den Menschen helfen, ihr Körpergewicht zu halten, ist das großartig. Ich hoffte nur, sie würden mehr pflanzliche Quellen für dieses Eiweiß wählen“, sagte Freeman.

Aus der jüngeren Literatur geht hervor, „dass pflanzliche Proteine anscheinend recht vorteilhaft sein können und entzündungshemmende und cholesterinsenkende Eigenschaften haben können, wie etwa Soja und Mandeln. Tierische Proteine hingegen sind normalerweise mit einer Vielzahl negativer Effekte verbunden, wie z.B. viel zusätzliches Cholesterin oder Fett, und scheinen die Dinge manchmal zu verschlimmern.“

 
Wenn 8 bis 10 g zusätzliches Protein den Menschen helfen, ihr Körpergewicht zu halten, ist das großartig. Ich hoffte nur, sie würden mehr pflanzliche Quellen für dieses Eiweiß wählen. Dr. Andrew M. Freeman
 

Die Menschen sollten „unbedingt versuchen, einen normalen BMI aufrechtzuerhalten und sich überwiegend, wenn nicht sogar vollständig pflanzenbasiert zu ernähren, auch hinsichtlich der Proteine“. Diese Diät scheint die stärksten entzündungshemmenden Eigenschaften zu haben und senkt am besten das Risiko für Atherosklerose und Krebserkrankungen.

Protein und Vorhofflimmern in der Women's Health Initiative

Nach den aktuellen US-Leitlinien beträgt die empfohlene Aufnahmemenge (RDA, recommended dietary allowance) für Protein 0,8 g/kg Körpergewicht pro Tag, was bei einem Körpergewicht von 70 kg etwa 51 g Protein pro Tag entspricht, erklären die Forscher. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt dieselbe Menge, wobei ab 65 Jahren eine Erhöhung auf 1,0 g pro kg Körpergewicht vorgesehen ist.

Um zu untersuchen, wie sich die Eiweißzufuhr auf das Risiko für ein Vorhofflimmern auswirken könnte, analysierten die Forscher die Daten von 99.554 Frauen der Women's Health Initiative. Die Proteinaufnahme wurde auf der Grundlage der Angaben in einem Ernährungsfragebogen und des Harnstoffgehaltes zur Validierung abgeschätzt. Die Einordnung der körperlichen Aktivität basierte ebenfalls auf Selbstauskunft.

Das Durchschnittsalter der Frauen lag bei 64 Jahren. Die meisten waren weiß; 8,3% waren schwarz, 2,9% aus Lateinamerika stammend und 2,2% Asiatinnen. Ihre mediane Eiweißaufnahme betrug 66 g/Tag bzw. 0,9 g/kg Körpergewicht pro Tag.

Während der Nachbeobachtungszeit von im Durchschnitt 10 Jahren entwickelten 21.258 Frauen (21,3%) ein Vorhofflimmern.

Im Vergleich zu den Frauen im Quartil mit der niedrigsten Eiweißzufuhr (< 58 g/Tag) hatten Frauen, die 58 bis 66 g/Tag aufnahmen, ein signifikant niedrigeres adjustiertes Risiko für ein Vorhofflimmern (Hazard Ratio, HR: 0,932; p=0,001) als Frauen, die 66 bis 74 g/Tag zu sich nahmen (HR: 0,908; p=0,0005).

Oder anders ausgedrückt: Frauen mit einer mittleren Proteinzufuhr hatten ein um 7% bis 8% niedrigeres Risiko für ein Vorhofflimmern als die Frauen mit der niedrigsten Proteinzufuhr.

Im Gegensatz dazu hatten die Frauen im Quartil mit der höchsten Eiweißaufnahme (> 74 g/Tag) kein signifikant niedrigeres Risiko für ein Vorhofflimmern (HR: 0,951; p=0,186).

Die HR waren nach Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Bildung, körperlicher Aktivität, BMI, Tabak- und Alkoholkonsum, Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes, koronarer und peripherer Arterienerkrankung und Herzinsuffizienz adjustiert worden.

Der Übergang von einer niedrigen zu einer mittleren Proteinzufuhr bedeutet „keine riesige Menge“, sagte Gerber in einer vom ACC herausgegebenen Stellungnahme. „Wir sprechen hier von 10 bis 20 g mehr Protein pro Tag. Das bedeutet etwa 100 g gesundes Protein, wie zum Beispiel Hühnerbrust oder Lachs, einen Becher griechischen Joghurt oder 2 Eier.“

 
Wenn wir von einer Erhöhung der Proteinzufuhr sprechen, geht es natürlich um herzgesunde Nahrungsmittel und magere Proteine. Dr. Daniel A. Gerber
 

Gerber warnte: „Wenn wir von einer Erhöhung der Proteinzufuhr sprechen, geht es natürlich um herzgesunde Nahrungsmittel und magere Proteine und nicht um Cheeseburger und andere Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und Zucker.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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