Berichte aus Dialysezentren zeigen, dass Dialysepatienten mit SARS-CoV-2-Infektion oft einen schweren Verlauf der Lungenerkrankung COVID-19 haben und nach vorliegender Datenlage auch überproportional häufig sterben. Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN) mahnt, mit Verweis auf die eingeschränkte, noch vorläufige Datenlage, diese Information vorsichtig zu interpretieren, warnt aber gleichermaßen: Bei Dialyse-Patienten kumulieren die bereits bekannten COVID-19-Risikofaktoren; diese Patienten müssen in besonderem Maße geschützt werden [1].
Bei Patienten mit Nierenerkrankungen kumulieren Risiken
Laut Robert Koch-Institut haben Patienten mit Nierenerkrankungen ein größeres Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf. Sie sollten besonders strikt Hygieneregeln und empfohlenen allgemeinen Maßnahmen wie eine soziale Distanzierung befolgen, um ihr Infektionsrisiko gering zu halten.
Nach Ansicht der DGfN stehen Nieren-Patienten – und speziell Dialysepatienten – aber nicht nur in der Reihe der gefährdeten Patientengruppen, sondern haben im Unterschied zu anderen Patientengruppen sogar ein kumulatives Risiko. Denn sie vereinen mehrere bereits identifizierte Komorbiditäten und Risikofaktoren, insbesondere Herzerkrankungen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Hinzu kommt, dass Dialysepatienten nicht zu Hause bleiben können, sondern sich 3- bis 4-mal pro Woche dem Transport in ihr Dialysezentrum und damit dem Kontakt mit anderen, möglicherweise infizierten Menschen und Patienten aussetzen müssen.
Dialysepatienten haben ein extrem erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und sterben überproportional häufig an Herz-Kreislauferkrankungen. Die Dialysepflicht ist außerdem bei fast der Hälfte der Betroffenen eine Folgeerkrankung von Diabetes mellitus und bei gut einem Viertel auf Bluthochdruck zurückzuführen. Last, but not least: Die Mehrzahl aller Dialysepatienten ist mehr als 70 Jahre alt.
Niedrige Infektionsraten als Ziel der Prophylaxe
„Unsere Patienten sind somit hochempfindlich und wir müssen uns daher besonders intensiv um sie kümmern und versuchen, die Infektionsraten in der Dialysepopulation möglichst gering zu halten“, erklärt Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN. „Die Dialysezentren arbeiten mit Hochdruck, um das Ansteckungsrisiko gering zu halten. Notwendige Voraussetzung ist die ausreichende Ausstattung von Dialysezentren mit Hygienematerial, also Schutzmasken und Desinfektionsmittel. Auch bei den Krankentransporten hin und vom Dialysezentrum sind besondere Schutzvorkehrungen nötig. Nur dann können wir die Verbreitung des Virus in der Dialysepopulation eindämmen.“
Daten aus Wuhan zeigen hohe Sterberaten
„Die Linie zwischen Information und Panikmache ist allerdings sehr dünn und wir haben es bisher vermieden, an die Öffentlichkeit zu gehen – in erster Linie, um unsere Patienten nicht zu verunsichern. Doch weil Nierenpatienten als Risikogruppe oft aus dem Blick geraten, sei es in der Berichterstattung der Medien, z.T. auch in der Wahrnehmung der Behörden und Politik, müssen wir dringend Aufklärungsarbeit leisten: Es liegen Daten vor, die bei Dialysepatienten einen besorgniserregenden Krankheitsverlauf mit hoher Sterberate zeigen“, erklärt DGfN-Präsident Prof. Dr. Jan Galle. Zu nennen ist die Publikation eines Dialysezentrums aus Wuhan. Von 230 Dialysepatienten hatten sich 37 mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt und 6 von ihnen sind gestorben, also fast jeder 6. Infizierte.
„Natürlich, es sind Daten aus China, die wir nicht ohne weiteres auf Europa übertragen können, auch ist die Fallzahl insgesamt so gering, dass noch keine statistisch valide Aussage getroffen werden kann. Die DGfN baut derzeit ein eigenes Register auf und wird das Krankheitsgeschehen bei Corona-positiven Dialysepatienten auswerten. Aber im Moment gibt es schon erste Berichte einzelner Zentren und bei aller Vorsicht bei der Interpretation dieser Daten, dürfen wir die Signale aus diesen Berichten nicht ignorieren“, so Galle.
Andererseits stimmen aktuelle italienische Daten wiederum optimistischer – von 18 infizierten Patienten leben alle, nur einer ist schwer erkrankt und wird intensivmedizinisch überwacht. „Nochmal: Wir wollen keine Panik schüren, müssen aber zum jetzigen Zeitpunkt konstatieren und an die Öffentlichkeit bringen, dass die Dialysepopulation eine hochgefährdete Patientengruppe darstellt.
Egal, ob die Todesrate am Ende bei 1:30 oder 1:6 liegt – sie ist um ein Vielfaches höher als in der Allgemeinbevölkerung, wo sie laut Einschätzung von Prof. Dr. Christian Drosten, Charité-Universitätsmedizin Berlin, bei 0,5% liegt, also bei 1:200. „Das bedeutet, dass wir Dialysepatienten in einem besonderen Maße schützen müssen“, so der DGfN-Präsident.
Auch in Dialysezentren fehlen Schutzmaterialien
Die italienischen Daten zeigen, dass man mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen die Infektionsraten in Dialysezentren eindämmen kann. Dazu gehöre auch, so die italienischen Autoren, dass alle Patienten – wenn möglich – einen Mundschutz tragen. „Leider lässt das die derzeitige Ausstattung von Dialysezentren mit Schutzmaterial derzeit nicht zu, wir sind froh, wenn wir überhaupt das Personal und infizierte Patienten mit Masken versorgen können“, erklärt Weinmann-Menke und appelliert an die Politik, Dialysezentren bevorzugt mit Hygienematerialien auszustatten.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: COVID-19: Warum das Risiko für Dialysepatienten besonders groß ist – und was Ärzte unternehmen sollten - Medscape - 6. Apr 2020.
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