Eine französische Kohortenstudie kommt zu dem Schluss, dass das Darmkrebsrisiko nach bariatrischen Operationen dem in der Gesamtbevölkerung gleicht. Erhöht ist es dagegen für übergewichtige Menschen, die keine Magenverkleinerung bekommen haben.
Die Adipositas-Chirurgie hat sich als wirksam bei Patienten mit starkem Übergewicht erwiesen. Kontrovers diskutiert wird allerdings, ob durch die Eingriffe das Risiko beeinflusst wird, an Darmkrebs zu erkranken.
Mehr als 74.000 bariatrische Operationen erfasst
Die retrospektive, Bevölkerungs-basierte, multizentrische Kohortenstudie in Frankreich wurde von Dr. Laurent Bailly und Kollegen in JAMA Surgery veröffentlicht [1]. Sie basiert auf den elektronischen Gesundheitsdaten von mehr als 2 Millionen Personen zwischen 50 und 75 Jahren, die zwischen 2009 und 2018 in einer Klinik behandelt und bei der Entlassung als übergewichtig diagnostiziert wurden. Unter ihnen waren 74.131 Personen, die eine bariatrische Operation erhalten hatten und mindestens 2 Jahre (durchschnittlich 5,7) lang nachverfolgt wurden.
Ermittelt wurde die Inzidenz an kolorektalen Krebserkrankungen in dieser Gruppe im Vergleich zu den übergewichtigen Personen, die aus anderen Gründen in der Klinik waren (Kontrolle).
Die wichtigsten Ergebnisse
Die Empfänger der Adipositas-Chirurgie waren mit 57,3 Jahren im Durchschnitt deutlich jünger als die der Kontrollgruppe (63,4 Jahre).
Insgesamt gab es 13.052 Darmkrebs-Neuerkrankungen (1,2%), und es wurden 63.649 gutartige kolorektale Polypen entdeckt.
In der Kontrollgruppe ohne bariatrische Eingriffe betrug die Darmkrebshäufigkeit 1,3%. Die Häufigkeit von Darmkrebs in der Gruppe mit bariatrischen Eingriffen betrug 0,6%. Differenziert nach der Art des Eingriffes waren es 0,7% mit Magenband und je 0,5% mit Magenbypass und laparoskopischem Schlauchmagen. Diese Unterschiede waren statistisch signifikant (p=0,04).
Im Vergleich zu den Erkrankungsraten in der französischen Gesamtbevölkerung war die Darmkrebsrate in der Gruppe mit bariatrischer Chirurgie normal (428 Fälle erwartet, 423 beobachtet). In der Kontrollgruppe war Darmkrebs jedoch häufiger als in der Allgemeinbevölkerung. Es wurden 9.417 Fälle erwartet und 12.629 beobachtet, was einem Chancenverhältnis SIR von 1,34 entsprach (95%-Konfidenzintervall 1,32-1,36).
Die Raten an gutartigen Darmpolypen betrugen 6,8% in der Kontrollgruppe und 3,5% unter Patienten mit bariatrischen Eingriffen. Mit Magenband waren es 5,0%, nach Magenbypass und mit Schlauchmagen je 3,1% – auch diese Unterschiede waren statistisch signifikant (p=0,001).
Weitere Studien nötig
Franzosen, die sich einer bariatrischen Operation unterziehen, haben nach dieser Studie im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein durchschnittliches Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Adipöse Menschen, die solch eine Operation nicht erhalten, erkranken dagegen ein Drittel häufiger als die Allgemeinbevölkerung.
Die beiden Kommentatoren Dr. Lance E. Davidson und Dr. Ted D. Adams, University of Utah, Salt Lake City, verweisen auf eine kürzlich erschienene Kohortenstudie aus den USA, die dies zu bestätigen scheint. Andererseits gibt es auch Evidenz aus Skandinavien für eine erhöhte Darmkrebsrate nach bariatrischen Eingriffen. Ob diese Differenzen in weiteren Studien aufgelöst werden können, bleibt abzuwarten.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de .
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Französische Studie: Keine Hinweise auf erhöhtes Darmkrebsrisiko nach Adipositas-Chirurgie, aber… - Medscape - 6. Apr 2020.
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