Tablette statt Spritze: Apixaban in der Thrombosetherapie bei Krebspatienten ähnlich wirksam wie Dalteparin

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

2. April 2020

Leitlinien empfehlen bereits, als Therapie von venösen Thromboembolien bei Krebspatienten auch die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) Edoxaban und Rivaroxaban in Erwägung zu ziehen, doch ist deren Einsatz limitiert – vor allem durch ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen. Nun sind beim virtuellen Kongress des American College of Cardiology (ACC) Ende März mit der Caravaggio-Studie auch Daten zu Apixaban vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert worden [1,2]. Das direkte orale Antikoagulanz (DOAK) erwies sich als ebenso wirksam wie niedermolekulares Heparin bei gleichzeitig nicht erhöhtem Blutungsrisiko.

 
Orales Apixaban zeigte sich bei der Behandlung von Krebs-assoziierten venösen Thromboembolien im Vergleich zu subkutanem Dalteparin als nicht unterlegen. Prof. Dr. Giancarlo Agnelli
 

„Orales Apixaban zeigte sich bei der Behandlung von Krebs-assoziierten venösen Thromboembolien im Vergleich zu subkutanem Dalteparin als nicht unterlegen. Es wurde kein erhöhtes Risiko für schwere Blutungen gesehen, insbesondere auch nicht im Gastrointestinaltrakt“, lautete die Schlussfolgerung von Prof. Dr. Giancarlo Agnelli, Universität von Perugia (Italien) aus den Ergebnissen von Caravaggio, die er beim ACC vorgestellt hat.

Und weiter sagte er: „Die Befunde der Caravaggio-Studie erweitern den Anteil der Patienten mit Krebs-assoziierter Thrombose, die für eine Therapie mit direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien geeignet sind. Dazu gehören auch Patienten mit einem gastrointestinalen Karzinom.“

Caravaggio-Studie mit Apixaban

Krebspatienten haben bekanntlich ein sehr hohes Risiko für rezidivierende Thrombosen, aber auch für Blutungen. Deshalb müssen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antikoagulanzien in speziellen Studien bei diesen Patienten untersucht werden.

Der oral applizierbare Faktor-Xa-Inhibitor Apixaban hatte sich zur Therapie venöser Thromboembolien in der Allgemeinbevölkerung als wirksam und gut verträglich erwiesen. Daher sollte nun in der Caravaggio-Studie untersucht werden, ob Apixaban in der Behandlung von proximalen tiefen Venenthrombosen bei Krebspatienten einer subkutanen Gabe von Dalteparin nicht unterlegen ist.

Die multinationale, randomisierte, kontrollierte Nichtunterlegenheitsstudie wurde offen durchgeführt, wobei die Outcomes verblindet ausgewertet wurden. Die Studie war Untersucher-initiiert und wurde von der Federazione delle Associazioni dei Dirigenti Ospedalieri Internisti gesponsert und durch Bristol-Myers Squibb (BMS) und Pfizer finanziell unterstützt.

Krebspatienten mit bestätigter proximaler tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie wurden innerhalb von 72 Stunden randomisiert:

  • 576 Patienten wurden zunächst über 7 Tage mit 10 mg Apixaban zweimal täglich, dann mit 5 mg zweimal täglich behandelt.

  • 579 Patienten erhielten im ersten Monat einmal täglich subkutan 200 IE/kg Körpergewicht Dalteparin, anschließend 150 IE/kg.

Die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren gut vergleichbar. Die Patienten waren im Mittel 67 Jahre alt, etwa 50% waren Männer. Mit 20% am häufigsten war ein Kolorektalkarzinom, gefolgt von Lungen-, Brust und Urogenitalkarzinom. Insgesamt litten 25% an einer Krebserkrankung im Gastrointestinaltrakt und etwa ein Drittel an einer Krebserkrankung an Pankreas, Leber oder Galle. Die Krebserkrankung musste aktiv sein und innerhalb der letzten beiden Jahre vor Studienbeginn diagnostiziert worden sein.

Ausgeschlossen waren Patienten mit primären Hirntumoren, Hirnmetastasen, akuten Leukämien oder squamösen Basalzellkarzinomen der Haut, ebenso wie Patienten mit aktiven Blutungen oder einem hohen Blutungsrisiko, das eine Kontraindikation für eine orale Antikoagulation darstellt.

Primärer Studienendpunkt war das bestätigte Auftreten einer rezidivierten proximalen tiefen Venenthrombose oder einer Lungenembolie während der 6-monatigen Studiendauer.

Primärer Endpunkt erreicht

Die Nichtunterlegenheit von Apixaban konnte eindeutig belegt werden. Wie die Tabelle zeigt, trat der primäre Endpunkt bei 5,6% der Patienten unter Apixaban und bei 7,9% unter Dalteparin auf. Die Kurven begannen sich bereits nach 30 Tagen zu trennen.

Tab. Primärer Wirksamkeitsendpunkt der Caravaggio-Studie

 

Apixaban (n = 576)

n (%)

Dalteparin (n = 579)
n (%)

Hazard-Ratio (95%-KI)

p-Wert

Rezidivierte Venenthrombose

32 (5,6)

46 (7,9)

0,63
(0,37-1,07)

< 0,001 für Nichtunterlegenheit,
0,08 für Überlegenheit

Rezidivierte tiefe Venenthrombose

13 (2,3)

15 (2,6)

0,87

(0,34-2,21)

 

Rezidivierte Lungenembolie

19 (3,3)

32 (5,5)

0,54
(0,29-1,03)

 

Tödliche Lungenembolie

4 (0,7)

3 (0,5)

1,93 (0,04-9,41)

 

 

Schwere Blutungen traten in unter Apixaban bei 3,8% und unter Dalteparin bei 4% der Patienten und damit ähnlich häufig auf (p = 0,6). Die Rate schwerer gastrointestinaler Blutungen war mit 1,9% unter Apixaban und 1,7% unter Dalteparin ebenfalls ähnlich (Hazard-Ratio: 1,05).

Die Blutungsrate ist nach Aussage von Agnelli im Vergleich zu den bisherigen Studien mit neueren oralen Antikoagulanzien in dieser Indikation sehr niedrig.

Ursache für geringe Blutungsrate unbekannt

Diskutantin Prof. Dr. Bonnie Ky, University of Pennsylvania, Philadelphia (USA), zeigte sich „besonders beeindruckt durch die niedrige Blutungsrate sowie den Nachweis der Nichtunterlegenheit von Apixaban“. 

Auf ihre Frage nach der Ursache für die geringere Blutungsrate im Vergleich zu anderen oralen Antikoagulanzien erläuterte Agnelli, dass dies nur mit einer Head-to-Head-Studie zu klären sei, die es derzeit noch nicht gäbe.

Im begleitenden Editorial im New England Journal of Medicine weist Prof. Dr. Agnes Y. Y. Lee, University of British Columbia, Vancouver (Kanada), darauf hin, dass die für Dalteparin berichteten Blutungsraten in der Studie ähnlich hoch wie in früheren anderen Studien waren [3]. „Aufgrund der Heterogenität der bislang verfügbaren Studien kann man aber nicht schlussfolgern, dass eines der direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien besser ist als ein anderes. Hierzu braucht man einen Head-to-Head-Vergleich.“

Bei der Auswahl des richtigen Antikoagulans sollten Ärzte sorgfältig die individuellen Patientenfaktoren beachten. Bei Edoxaban sei z.B eine initiale Gabe von niedermolekularem Heparin über eine Woche erforderlich, es habe jedoch weniger Arzneimittel-Interaktionen als z.B. Rivaroxaban.

Niedermolekulare Heparine seien bei Patienten mit hohem Risiko für Arzneimittel-Interaktionen sowie bei Patienten mit Operationen am Gastrointestinaltrakt nach wie vor zu bevorzugen. Und Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin seien noch eine Option für Patienten, bei denen die Kosten der Therapie eine wichtige Rolle spielten.

 

Kommentar

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