Corona-Diagnostik: WHO rät „testen, testen, testen“ – aber nicht nur per PCR. Wo bleiben Schnell- und Antikörper-Tests?

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

25. März 2020

„Testen, testen, testen“, so lautet ein Ratschlag der Weltgesundheitsorganisation WHO in der Corona-Krise. Dass ihre Strategie Erfolg haben kann, zeigt ein Beispiel: In dem nordost-italienischen 3.000-Seelen-Dorf Vò wurden alle Einwohner mehrfach per Polymerase-Kettenreaktion (PCR) auf SARS-CoV-2 gescreent, unabhängig von Symptomen, und Infizierte wurden isoliert. Nach 14 Tagen war die Krankheitswelle vorbei – anders als in benachbarten Regionen Norditaliens.

Doch das diagnostische Verfahren hat 2 Nachteile. Es kann nur in spezialisierten virologischen Labors durchgeführt werden, also nicht in Routinelabors vieler Kliniken. Und es kostet Zeit, teilweise mehrere Tage.

Deutschland: PCR ist (noch) Goldstandard

Dazu ein Blick auf Deutschland: Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin empfiehlt Screenings derzeit nicht – auch nicht für das Klinikpersonal. „Eine Laboruntersuchung auf SARS-CoV-2 ist dann angezeigt, wenn es sich bei den Betroffenen um begründete COVID-19-Verdachtsfälle handelt, d.h. sie Krankheitszeichen haben und innerhalb der letzten 14 Tage Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall hatten und/oder sich innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet bzw. einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland aufgehalten haben“, heißt es auf der RKI-Website.

„Darüber hinaus sollte ein Test auch bei Patienten in Erwägung gezogen werden, die Krankheitszeichen haben und sich in den letzten 14 Tagen in Regionen aufgehalten haben, in denen COVID-19-Fälle vorkommen, die aber noch nicht als Risikogebiete/besonders betroffene Gebiete gelten, sowie generell bei Patienten mit Hinweis auf eine virale Pneumonie ohne Alternativdiagnose.“

 
Tests auf SARS-CoV-2 spezifische Antikörper ... spielen für die Akutdiagnostik keine Rolle, da zwischen Beginn der Symptomatik und der Nachweisbarkeit spezifischer Antikörper ca. 7 Tage vergehen. Robert Koch-Institut
 

Dem RKI zufolge kämen derzeit nur Realtime-PCR-Tests zum Nachweis des viralen Genoms infrage. „Ein Test auf SARS-CoV-2 spezifische Antikörper im Blut/Serum kann für epidemiologische Fragestellungen sinnvoll sein“, so das Institut. Aktuell seien diese noch in der Entwicklung bzw. in der Zulassungsphase. „Unabhängig davon spielen sie für die Akutdiagnostik keine Rolle, da zwischen Beginn der Symptomatik und der Nachweisbarkeit spezifischer Antikörper ca. 7 Tage vergehen (in Einzelfällen auch mehr)“, heißt es weiter.

Labors am Limit

Dazu ein paar Zahlen: Bundesweit bieten in Deutschland rund 55 Labors den PCR-Test auf SARS-CoV-2 an. Insgesamt könnten laut Bundesverband der deutschen Laborärzte (BDL) 200 bis 300 Labore die Testung durchführen.

Wie viele Untersuchungen durchgeführt werden, ist aufgrund föderaler Strukturen unklar. Das RKI erhält nur Meldungen bei positiv getesteten Patienten. „Our World Data“, eine Statistik-Website, gibt für Deutschland seit Beginn der Erkrankungswelle bis zum 15. März rund 167.000 Tests an. Zwischen dem 9. und 15. März wurden ungefähr 100.000 Menschen im ambulanten Bereich getestet. Doch wo liegt das Limit?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) beziffert die Möglichkeiten auf rund 12.000 Corona-Tests pro Tag (Stand 5. März 2020). RKI-Chef Prof. Dr. Lothar Wieler nennt etwa 160.000 pro Woche. Es sei auch möglich, die Laborkapazitäten in Deutschland zu steigern, etwa wenn man die vorhandenen großen Kapazitäten im tiermedizinischen Bereich nutze, ergänzt Wieler.

In manchen Regionen gibt es Engpässe. Beispielsweise muss Dr. Bernhard Wiegel, er arbeitet als Facharzt für Mikrobiologie und Labormedizin in einem Passauer Labor, Proben bereits priorisieren. Problematisch sind eher die Laborkapazitäten selbst; in Einzelfällen gingen Reagenzien aus.

Diese Nachteile versuchen Forscher mit mehreren Strategien zu umgehen. Ihr Ziel ist, die Dunkelziffer an unentdeckten Infektionen zu verringern. Das kann nur mit schnellen, preisgünstigen Tests gelingen. Die Liste an Innovationen in unterschiedlichem Reifegrad ist lang; etliche diagnostische Methoden wurden bislang nur in China zugelassen – mit wenigen Ausnahmen.

PCR-Schnelltest in USA – „patientennahe“ Diagnostik

Am 21. März 2020 hat die US Food and Drug Administration (FDA) im Eilverfahren grünes Licht für einen PCR-basierten Schnelltest gegeben. Eine Zulassung in Europa ist laut Medienberichten geplant. Details nennt der Hersteller derzeit aber nicht.

Xpert® Xpress SARS-CoV-2, so der Name des Kits, soll dem Hersteller Cepheid zufolge Ergebnisse in 45 Minuten liefern; bislang dauern solche Untersuchungen noch 24 bis 48 Stunden, teilweise sogar mehrere Tage. Dr. David Persing, Chief Medical and Technology Officer von Cepheid, sieht die Vorteile in einer schnellen, patientennahen Diagnostik „on site“, etwa in der Notaufnahme, was es Ärzten erleichtere, Entscheidungen zu treffen.

„Denn Erkrankungen wie Influenza führen bekanntlich zu ähnlichen Symptomen“, sagt Persing. „Und eine Pneumonie kann auch bakteriellen Ursprungs sein.“ Auf Basis des Tests sei eine Entscheidung möglich, etwa über die Gabe von Antibiotika oder die Quarantäne bei COVID-19. Geplant sei eine Markteinführung der Testkits bis zum 30. März.

Zum Analysenverfahren hat die FDA technische Details veröffentlicht. Ärzte nehmen Abstriche oder Sputum-Proben und vermischen diese in einem Röhrchen mit einer Lösung zur Extraktion der Nukleinsäuren. Die Flüssigkeit geben sie ein eine spezielle Kartusche und stecken diese in einen GeneXpert-Analysegerät.

Weltweit soll es 23.000 dieser Automaten geben, allein 5.000 in den USA. In vielen Kliniken nutzen Ärzte GeneXpert, um Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und HIV zu diagnostizieren. Die Maschinen stellen über Protokolle ideale Bedingungen für Real-Time-PCR-Reaktionen ein und liefern in kurzer Zeit Ergebnisse.

Andere Hersteller schlafen nicht. Roche bekam von der FDA ebenfalls eine Emergency Use Authorization (EUA) für den PCR-basierten cobas® SARS-CoV-2 Test – und salbungsvolle Worte des US-Präsidenten Donald Trump gleich mit dazu. Auch Qiagen, Cepheit, Genmark oder Becton Dickinson arbeiten an Kartuschentests.

Diese Methode hat aber nicht nur Vorteile. Kartuschen sind teuer, und es kann – anders als bei der Standard-PCR – immer nur eine Probe pro Automat verarbeitet werden. Beim normalen PCR-Verfahren werden in PCR-Platten 96 Proben en bloc untersucht.

Immunglobuline im Blut: Der falsche Weg?

Alternativen zur PCR werden kontrovers diskutiert. Das Berliner Unternehmen PharmACT AG hat einen Schnelltest auf Basis der Immunglobuline IgM und IgG auf den Markt gebracht. Kurze Zeit nach dem Auftreten klinischer Symptome nimmt die Konzentration an Akutglobulinen (IgM) zu und erreicht einen Peak um den 7. bis 10. Tag. IgG entstehen später.

Ohne begleitende PCR zweifeln allerdings Experten am Konzept. „Antikörper sind bei Virusinfektionen wie mit dem Sars-CoV-2 meist frühestens eine Woche nach Erkrankungsbeginn nachweisbar, in der Regel sogar erst nach 14 Tagen“, erklärt Dr. Daniela Huzly, Vorsitzende des Berufsverbands der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. „Für Sars-CoV-2 liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse hierzu vor.“ Außerdem sei nicht ausgeschlossen, dass der Antikörpertest auch bei früheren Infektionen mit anderen Viren aus der Corona-Familie anschlage.

Hoffen auf Antigentests per ELISA

Aus vielen medizinischen Anwendungen kennt man das Prinzip von ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay), dem Antikörper-basierten Verfahren. Mit Hochdruck arbeiten viele Arbeitsgruppen weltweit an ELISA-Tests. „Die Schnellteste benötigen wir natürlich sehr dringend, weil sie die Diagnostik sehr vereinfachen könnten“, sagt Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

„Wir könnten dann in den Arztpraxen direkt die Patienten testen, und wir hätten innerhalb von 15, 20 Minuten das Ergebnis und könnten sofort die Maßnahmen ergreifen, die dann erforderlich sind“, so Schmidt-Chanasit. Man könne auch mehrere Virusgene nachweisen. Das heißt: Ärzte wissen im Idealfall rasch, ob sich ein Patient mit Influenza-Viren oder mit SARS-CoV-2 infiziert hat.

 
Die Schnellteste benötigen wir natürlich sehr dringend, weil sie die Diagnostik sehr vereinfachen könnten. Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit
 

Auch hier ist die Liste von noch nicht zugelassenen Immunoassays lang. Ein Beispiel: Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, haben zusammen mit dem Start-up E25Bio preisgünstige ELISA-Tests im Labor entwickelt. Grundlage sind Papierstreifen, die mit Antikörpern zur Bindung viraler Proteine beschichtet sind. Ein zweiter Antikörper wird an Nanopartikel gebunden, und die Probe des Patienten wird zu einer Lösung dieser Partikel gegeben. Dann taucht man den Teststreifen in diese Lösung.

Falls das virale Protein vorhanden ist, bindet es sich an die Antikörper auf dem Papierstreifen sowie an die Nanopartikel-gebundenen Antikörper. Innerhalb von 20 Minuten erscheint ein farbiger Fleck auf dem Streifen. Weitere Untersuchungen müssen nach dieser Pilotstudie folgen, um eine FDA-Zulassung zu beantragen.

Ausblick: Wer hat Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut?

PCR- und ELISA-Tests sind wichtig, um Patienten mit aktiver Infektion zu identifizieren. Aber sie helfen nicht, um Menschen zu erkennen, die bereits Kontakt zu Viren hatten, vielleicht sogar symptomlos geblieben sind, und Antikörper gebildet haben. Wer immun ist, gibt das Virus nicht weiter und könnte, beispielsweise als Arzt, wieder arbeiten. Auch ein Kontaktverbot wäre bei diesen Personen nicht erforderlich.

Das könnten serologische Assays leisten; auf dem Markt sind diese aber noch nicht. Forscher um Fatima Amanat von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai haben auf dem Preprint-Server medRxiv kürzlich Ergebnisse von In-vitro-Experimenten veröffentlicht. Sie beschreiben ELISA-Tests mit rekombinanten Antigenen aus dem Spike-Protein von SARS-CoV-2, um Antikörper abzufangen.

Damit wurden Proben von 3 COVID-19-Patienten und 59 vor Ausbruch der Epidemie gesammelte Proben untersucht. „Die Assays sind empfindlich und spezifisch. Sie ermöglichen das Screening und die Identifizierung von COVID-19-Serokonvertern mit menschlichem Plasma/Serum bereits 3 Tage nach Symptombeginn“, schreiben die Autoren. Bei der Serokonversion werden spezifische Antikörper gegen virale Antigene gebildet. Antikörper gegen das Coronavirus NL63 störten den Test nicht.

Gegenüber Science erklärte der Letztautor Prof. Dr. Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, das Protokoll sei so detailliert veröffentlicht worden, dass es gelinge, „ein paar tausend Menschen pro Tag zu überprüfen“. Er und seine Kollegen würden ihren Test bereits an ihrem New Yorker Krankenhaus verwenden, um besser zu verstehen, wie schnell COVID-19-Patienten Antikörper gegen das Virus entwickeln. 

 

Kommentar

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