Apixaban und Rivaroxaban sind die am häufigsten verordneten direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) für Erwachsene mit Vorhofflimmern, aber es fehlen direkte Vergleichsdaten zu ihrer Sicherheit und Wirksamkeit.
Diese Lücke schließt jetzt Dr. Michael Fralick vom Dartmouth Institute for Health Policy & Clinical Practice, Libanon, zusammen mit Kollegen, auf Basis einer Kohortenstudie [1]. Ihr Ergebnis: In der Routineversorgung hatten Erwachsene mit Vorhofflimmern unter Apixaban im Vergleich zu Rivaroxaban eine geringere Rate an ischämischen Schlaganfällen, systemischen Embolien, aber auch Blutungen.
Wissenslücken in der Praxis
An Vorhofflimmern leiden ungefähr 1% aller Erwachsenen in Europa und Nordamerika. Bei ihnen senken orale Antikoagulanzien das Risiko für ischämische Schlaganfälle und andere systemische Embolien um bis zu 70%.
„Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) werden aufgrund der verbesserten Wirksamkeit, Sicherheit und einfachen Anwendung zunehmend gegenüber Warfarin empfohlen“, schreiben die Autoren im Artikel. „Obwohl inzwischen 4 DOAK für die Behandlung von Vorhofflimmern zugelassen sind, werden Apixaban und Rivaroxaban am häufigsten verordnet.“
Sie verweisen auf wichtige, bereits veröffentlichte Untersuchungen. In der ARISTOTLE-Studie (Apixaban Versus Warfarin in Patients with Atrial Fibrillation) wiesen Patienten, die randomisiert mit Apixaban behandelt wurden, eine geringere Schlaganfall-, Blutungs- und Gesamtmortalitätsrate auf als unter dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin.
Und in der ROCKET-AF-Studie (Rivaroxaban Versus Warfarin in Nonvalvular Atrial Fibrillation) erwies sich Rivaroxaban in der Schlaganfallprävention Warfarin als nicht unterlegen. Das DOAK war dabei assoziiert mit einem geringeren Risiko für intrakranielle und tödliche Blutungen.
Mitte 2012 wurde einer der ersten indirekten Vergleiche zwischen Apixaban und Rivaroxaban bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern veröffentlicht. Hier fanden Wissenschaftler Hinweise auf ein reduziertes Risiko für Schlaganfall und embolische Ereignisse (Hazard Ratio: 0,77; 95%-Konfidenzintervall: 0,56-1,06) und ein reduziertes Risiko für schwere Blutungen (HR: 0,68; 95%-KI: 0,52-0,90) unter Apixaban im Vergleich zu Rivaroxaban.
Da direkte Vergleichsstudien („Head-to-Head“-Studien) fehlen und die in randomisierte klinische Studien eingeschlossenen Patienten nicht unbedingt die Realität im Alltag widerspiegeln, ist unklar, ob die Ergebnisse der Metaanalysen auf Patienten in der Routineversorgung zutreffen.
Studie mit mehr als 90.000 Patienten unter oraler Antikoagulation
Diese Lücke wollten Fralick und seine Kollegen nun schließen. Patienteninformationen kamen aus der Datenbank eines amerikanischen Anbieters von Gesundheitsdienstleistungen. Als Zeitraum wählten Forscher den 28. Dezember 2012 bis zum 1. Januar 2019. Sie suchten nach Erwachsenen, denen Ärzte neu Apixaban (n = 59.172) oder Rivaroxaban (n = 40.706) verordnet hatten.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war eine Kombination aus ischämischem Schlaganfall oder systemischer Embolie. Als primäres Sicherheitsergebnis definierten die Autoren eine Kombination aus intrakraniellen oder gastrointestinalen Blutungen.
Mit etablierten epidemiologischen Methoden (dem Propensity Score Matching) wurde eine Balance zwischen beiden Patientengruppen erreicht. Das mittlere Alter betrug 69 Jahre, 40% der Patienten waren Frauen. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit betrug 288 Tage für neue Apixaban-Anwender bzw. 291 Tage für neue Rivaroxaban-Anwender.
Die Inzidenzrate eines ischämischen Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie lag bei Erwachsenen, denen Apixaban verordnet wurde, bei 6,6 pro 1.000 Personenjahre, verglichen mit 8,0 pro 1.000 Personenjahre unter Rivaroxaban (HR: 0,82; 95%-KI: 0,68-0,98; Unterschied 1,4 Ereignisse weniger pro 1.000 Personenjahre).
Erwachsene, denen Apixaban verschrieben wurde, wiesen auch eine geringere Rate an gastrointestinalen oder intrakraniellen Blutungen (12,9 pro 1.000 Personenjahre) auf als diejenigen unter Rivaroxaban (21,9 pro 1.000 Personenjahre), was einer HR von 0,58 (95%-KI: 0,52-0,66) und einer Differenz von 9,0 weniger Ereignissen pro 1.000 Personenjahre (95%-KI: 6,9-11,1) entspricht.
Stabile Studienergebnisse
„In dieser Studie mit mehr als 90.000 Patienten mit Vorhofflimmern in den Vereinigten Staaten war Apixaban im Vergleich zu Rivaroxaban mit einer geringeren Rate von Schlaganfällen oder systemischen Embolien sowie Blutungen assoziiert“, fassen die Autoren zusammen. „Die Ergebnisse waren auch bei Subgruppen stabil, einschließlich einer Population, die auf Patienten über 70 Jahre beschränkt war.“
Dies sei konsistent mit früheren Arbeiten. Von den 21 Metaanalysen fanden 16 eine geringere Rate schwerer Blutungen unter Apixaban im Vergleich zu Rivaroxaban. Die relative Reduktion der Blutungsrate betrug etwa 30%, was den jetzt veröffentlichten Ergebnissen entspricht.
Schwächen der Studie
Die Beobachtungsstudie hatte mehrere Einschränkungen:
Die Forscher konnten Einflussfaktoren wie OTCs als Medikation (z.B. ASS) nicht berücksichtigen. Dazu fehlten Angaben.
Beim Propensity-Score-Matching konnten aufgrund fehlender Daten keine Laborwerte berücksichtigt werden.
Endpunkte wurden anhand von ICD-9- und ICD-10-Diagnosecodes beurteilt, was zu einer gewissen Verzerrung führen könnte.
Zeitabhängige Störfaktoren, die das Risiko eines Patienten für einen Schlaganfall oder eine Blutung beeinflussen könnten, flossen nicht in die Analyse ein. Das sind beispielsweise neu aufgetretene Erkrankungen.
Es wurden nur Verordnungen aus der Datenbank berücksichtigt. Möglicherweise blieben Präparate unberücksichtigt, falls ein Patient Rezepte nicht zur Kostenübernahme eingereicht hat.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Routineversorgung bei Vorhofflimmern: Apixaban erweist sich in Alltagsdaten wirksamer und sicherer als Rivaroxaban - Medscape - 24. Mär 2020.
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