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Plädoyer gegen Angst und Einsamkeit: „Aufeinander achtgeben“ fordert der Sars-CoV-2 infizierte Tom Hanks und macht Mut

Gregory A. Hood

Interessenkonflikte

18. März 2020

Der Mensch ist ein visuell dominiertes Wesen. Er reagiert besonders auf optische Signale. Große und einschneidende Ereignisse in unserer Gesellschaft werden am ehesten in Form von Bildern erinnert, die das gesamte Geschehen repräsentieren. Ereignisse wie das Ende des 2. Weltkriegs, die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl oder die Anschläge vom 11.September 2001 werden durch solche ikonischen Bilder im Gedächtnis verewigt.

Auch berühmte und beliebte Persönlichkeiten können zu Symbolfiguren für Gesundheitsfragen und bestimmte medizinische Themen werden, wie etwa Michael J. Fox für die Parkinson-Krankheit. Vielleicht stehen bald auch das Ehepaar Tom Hanks und Rita Wilson infiziert zu sein, symbolhaft für das Leben unter der COVID-19-Pandemie – nachdem sie ihre Infektion mit SARS-CoV-2 öffentlich gemacht hatten.

Doch selbst in einer Zeit, in der es an jeder Ecke „Promis“ gibt, erscheint das eher unwahrscheinlich. Hanks hat zwar 8 Millionen Instagram-Follower, aber was für ein Bild könnte diese Pandemie-Erfahrung einfangen? Alle wünschen Hanks und Wilson natürlich, dass sie wieder ganz gesund werden. Aber eine Genesung – oder im schlimmsten Fall ihr Ausbleiben – taugen nicht zum Symbolbild einer Seuche.

Da Hanks seit vielen Jahren ein äußerst beliebter Schauspieler ist, überrascht es nicht, dass die Öffentlichkeit an seiner Erkrankung Anteil nimmt. Sein Image als „ganz normaler Mann“ und seine Ausstrahlung passen zu seinem demütigen Ansatz: „Wir schauen von Tag zu Tag.“

Corona-Krise verstärkt Einsamkeit

In den Beschreibungen seiner Quarantäne wies Hanks auch eher zufällig auf eine der wichtigsten Möglichkeiten der Gesellschaft hin, einen Wandel in dieser Krise zu erwirken. Jenseits der Bedeutung einer Selbstquarantäne, der sozialen Distanzierung voneinander und der Handhygiene hat unsere Zivilisation die große Chance, eine ihrer größten Herausforderungen in der Moderne anzunehmen und zu bewältigen.

Das Leben in unserer Gesellschaft ist für viele Menschen zu einer zutiefst einsamen Erfahrung geworden. Sie fühlen sich scheinbar mitunter wie auf einer einsamen Insel. Nach einer Umfrage bei über 2.000 US-Bürgern aus dem Jahr 2016, von der Harris Poll (Marktforschungs- und Wirtschaftsberatungsunternehmen) im Auftrag der American Osteopathic Association durchgeführt, erleben fast 72% der Amerikaner Einsamkeit. Und für viele ist es nicht nur eine einmalige Erfahrung, sondern für etwa ein Drittel besteht dieses Gefühl mindestens einmal pro Woche. (Anm. d. Red: In Deutschland erleben Einsamkeit etwa jeder 6. häufig und jeder 3. gelegentlich).

Jetzt, da so viele Menschen darum gebeten werden, zuhause zu bleiben, was auch und besonders alle Menschen über 70 Jahre und Personen mit bekanntermaßen erhöhtem Risiko und bestehenden Vorerkrankungen umfasst, keine nicht unbedingt notwendigen Reisen anzutreten und kleinere und größere Menschenansammlungen zu meiden, hat diese Pandemie das Potenzial, eine Einsamkeit von bisher unbekannter Tiefe auf dem ganzen Planeten zu erzeugen. 

Aufeinander achtgeben

In seinen ersten öffentlichen Stellungnahmen sagte Hanks: „Es gibt Dinge, die wir alle tun können, um das zu überstehen, indem wir dem Rat von Experten folgen und auf uns und aufeinander achtgeben.“

 
Es gibt Dinge, die wir alle tun können, um das zu überstehen, indem wir dem Rat von Experten folgen und auf uns und aufeinander achtgeben. Tom Hanks
 

Die Gesellschaft reagiert auf jede Krise – und diese Pandemie ist eine Krise – mit dem Instrumentarium und dem Verständnis, das sie zu dieser Zeit besitzt, ähnlich wie Tom Hanks als „Forrest Gump“ alle Schwierigkeiten auf seine spezielle Art und Weise angegangen ist.

Vielleicht waren wir in mancher Hinsicht noch nie in einer besseren Position, um mit einer solchen Seuche fertig zu werden. Um die Menschen zu ernähren, gesund zu halten und zu unterhalten, verfügen wir dank des Internets über die Möglichkeit der Hauslieferung von Lebensmitteln, Medikamenten und manchmal eben auch von Toilettenpapier. Und Filme lassen sich bequem streamen, um nicht verrückt zu werden, während man auf das Ende der Quarantäne wartet.

Können Menschen miteinander in Verbindung treten?

Die Schwäche unserer heutigen Gesellschaft in ihrer tiefen Isolation und Einsamkeit, die bereits vor COVID-19 bestand, wird jetzt sehr wahrscheinlich in bedrückender Weise offengelegt. Vielleicht kann Hanks seine Social-Media-Plattformen und seine öffentliche Popularität dazu nutzen, alle Menschen zu beeinflussen, damit sie sich nicht von der Angst und der Paranoia dieses Jahres leiten lassen, sondern es zu einem Jahr machen, in dem wir einen klaren Blick aufeinander gewinnen, uns verbinden und Angst und Einsamkeit überwinden. Das wäre ein ziemlicher „Knaller“.

Auf Instagram zitierte Hanks eine Zeile aus seinem Film „Eine Klasse für sich“: „Egal was passiert – beim Baseball wird nicht geweint.“ Einen aufmunternden Satz, den viele Amerikaner gerne zitieren. Es gibt jedoch das Weinen in der Einsamkeit, und wir als Gesellschaft, als Berufsgruppe und als Menschen können mehr dagegen tun.

Oder wie Hanks in „Der wunderbare Mr. Rogers“ sagte: „Was benannt werden kann, lässt sich leichter bewältigen.“ Wir müssen nur in der Lage sein, uns gegenseitig zuzuhören. Wenn wir das nicht tun, wird es uns kaum gelingen.

Diese COVID-19-Pandemie wird wahrscheinlich viele schreckliche Dinge zutage fördern. Während wir alle tun, was wir können, um sicher zu sein und andere zu schützen, ist es hilfreich, sich an Hanks Worte zu erinnern und daran zu denken, dass dies ein Kampf ist, der uns alle auffordert, nicht nur auf uns selbst aufzupassen, sondern auch aufeinander.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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