Um die Versorgung möglicherweise sehr vieler Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion zu sichern, sollten Kliniken auch Ärzte und Pflegepersonal aus dem Ruhestand zurückholen und Studierende einsetzen, fordert Gesundheitsminister Jens Spahn. Kann das funktionieren? Und was sagen die Ärzte dazu?
Die Landesregierung und Ärztekammer Rheinland-Pfalz haben bereits 1.300 Mediziner im Ruhestand und auch Medizinstudenten ab dem 5. Semester angeschrieben.
Studierende können in der Pflege helfen
Der Hartmannbund hält die Idee grundsätzlich für sinnvoll: „Ich kann mir vorstellen, dass viele Ärzte im Ruhestand angesichts der aktuellen Lage gern bereit wären, ihre Kompetenz zur Verfügung zu stellen“, sagt Pressesprecher Michael Rauscher gegenüber Medscape. Diejenigen, die sich freiwillig melden, könnten vermutlich auch selbst gut einschätzen, welche Tätigkeiten sie sich noch zutrauen. „Letztlich trägt dafür die einsetzende Stelle die Verantwortung.“
Die Studierenden im Hartmannbund haben sich bereits am Freitag zu Wort gemeldet: „Nach dem Krankenpflegepraktikum sind wir Studierenden in der Lage, zu einer Entlastung des Pflegepersonals beizutragen und viele würden im Ernstfall gerne helfen“, sagt der Vorsitzende des Ausschusses der Medizinstudierenden, Christian Wolfram.
Der Anstieg der Corona-Infektionen werde nicht nur schnell zu einem Mangel an Ärztinnen und Ärzten, sondern auch an Pflegekräften führen. „Wenn in diesem Sinne durch den Einsatz engagierter Medizinstudierender eine Entlastung des Gesundheitssystems und eine Gewährleistung der Patientenversorgung möglich wäre, sollte diese Option auf jeden Fall in Erwägung gezogen und rechtlich abgesichert werden.“
Intensivstationen erfordern hohe Qualifikation
Einige Experten äußern sich allerdings auch zurückhaltend. Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie und Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Köln, warnte im Deutschlandfunk , aus dem Ruhestand zurückgeholte Ärzte könnten nur bedingt helfen. „In den Kliniken wird vor allem hochqualifiziertes Personal gebraucht. Ein Ruheständler kann nicht unbedingt in der Intensivstation aushelfen, es sei denn er war ausgebildeter Intensivmediziner.“
Man könne aber innerhalb der Kliniken Bereiche verlagern, so dass etwa Anästhesisten und OP-Personal auf die Intensivstationen wechseln. Die so entstehenden Lücken, auch im ambulanten Bereich, könne man dann durch Ruheständler füllen.
Die Pläne in Rheinland-Pfalz beziehen sich denn auch weniger auf die Versorgung in Kliniken, als eher auf Unterstützung in den Gesundheitsämtern und für die SARS-CoV-2-Hotlines. Auch die Ärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein haben bereits einen entsprechenden Aufruf gestartet. Hier geht es um Dienste in der Notrufzentrale sowie um Hausbesuche oder einen Einsatz, wenn Kollegen ausfallen. Binnen weniger Tage haben sich bereits 480 Mediziner bereiterklärt.
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hat bereits vor 2 Wochen Mediziner im Ruhestand angeschrieben sowie Kollegen „außerhalb der Regelversorgung“. Damit sind Ärzte gemeint, die derzeit in der Verwaltung oder bei Behörden arbeiten, in der Pharmaindustrie oder im Journalismus. Sie sollen etwa in Abstrich-Zentren oder beim ärztlichen Fahrdienst unterstützen.
„Erfreulich viele ärztliche Kolleginnen und Kollegen haben sich bei uns gemeldet, die in der aktuellen Situation mitarbeiten wollen“, berichtet Landesärztekammer-Präsident Dr. Wolfgang Miller, „die Zahl liegt derzeit bei über 500 und steigt kontinuierlich. Unsere Mitglieder erkennen den dringenden Bedarf an ärztlicher Arbeitskraft und wollen dazu beitragen, die gesundheitliche Versorgung zu verstärken.“
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Holt Rentner zurück! Ärzte im Ruhestand und Studierende sollen helfen, die Versorgung bei COVID-19 zu sichern - Medscape - 18. Mär 2020.
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