Neue Therapiemöglichkeit bei komplizierter Lungen-Tuberkulose

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

20. März 2020

Die Therapie der Lungen-Tuberkulose (L-TB) ist langwierig und häufig problematisch aufgrund von Resistenzen und Unverträglichkeiten gegen verwendete Antibiotika. Die orale Anwendung der 3 Antibiotika Bedaquilin, Pretomanid und Linezolid über 6 Monate zeigte in einer ersten Studie mit 109 multiresistenten Problempatienten in 90% der Fälle ein günstiges Ergebnis. Die Studie über eine zunächst 12-monatige Beobachtungsperiode ist im New England Journal of Medicine publiziert [1].

Die beiden Antibiotika Bedaquilin und Pretomanid wurden erst in den vergangenen 10 Jahren entwickelt. Dr. Francesca Conradie, Klinische Forscherin an der HIV-Unit der Universität Johannesburg, Südafrika, und ihre Kollegen kombinierten diese beiden mit einem dritten oral einzunehmenden Antibiotikum, Linezolid, das gegen Medikamenten-resistente grampositive Bakterien zugelassen ist.

Sie behandelten mit dieser Dreier-Kombination erfolgreich Patienten, deren L-TB aufgrund von Begleiterkrankungen, vorausgegangenen Therapieversuchen und vorhandenen Resistenzen als kompliziert eingestuft wurden.

Vorangegangene Therapien erfolglos

Die 109 Patienten wurden in 3 Zentren in Johannesburg, Kapstadt und Durban behandelt. Sie waren durchschnittlich 35 Jahre alt. Ihr Body-Mass-Index (BMI) lag unter 20 kg/m2, 51% waren HIV-positiv, und 84% der Patienten zeigten röntgensichtbare L-TB-Befunde, darunter 38% beidseitig.

2 Drittel der Patienten waren der sogenannten „extensive drug“ resistenten (XDR) Gruppe zugeordnet. Das restliche Drittel der „multi drug“ resistenten (MDR) Gruppe. XDR bedeutet Resistenzen gegen nahezu alle bekannten Antibiotika gegen L-TB, MDR steht für Resistenz oder Unverträglichkeit gängiger Antiobiotika gegen L-TB wie Isoniazid und Rifampizin.

Alle Patienten waren also nach vorherigen erfolglosen Therapieversuchen L-TB-Problempatienten. Die 51% HIV-Patienten erhielten während der Studie zusätzlich antiretrovirale Behandlung.

Auf eine 6-monatige Behandlungszeit folgte ein Follow-up von weiteren 6 Monaten. Bis der Therapieverlauf aller 109 Patienten in einer Intention-to-treat-Analyse entweder als günstig oder nicht günstig eingestuft wurde.

  • Günstig war die Triple-Therapie bei 90% der Patienten (89% der XDR- und 92% der MDR-Gruppe) verlaufen, was ein Verschwinden aller klinischen Symptome der L-TB sowie einen negativen Bakterienkultur-Befund bedeutete.

  • Ungünstig bedeutete eine weiterhin vorhandene oder rückfällige klinische oder bakterielle L-TB Befundung, eine notwendige Erweiterung der Studientherapie oder ein TB-bedingter Todesfall, was in 7 Fällen (5%) vorkam, davon 6 Fälle in der XDR-Gruppe.

Diese Ergebnisse waren unabhängig vom HIV-Status und dem Dosierungsschema von Linezolid.

Hohe toxische Effekte, trotzdem keine Abbrüche

Linezolid ist ein Oxazolidinon-Antibiotikum, das aufgrund seiner Nebenwirkungen selten gegen L-TB eingesetzt wird, aber eine geringe Resistenzrate aufweist. Die erwarteten toxischen Effekte von Linezolid – periphere Neuropathologien und Myelosuppression – traten zwar häufig auf (bei 81% bzw. 48% der Patienten), waren aber durch Dosisreduktion oder Einnahmepausen beherrschbar.

Die Dosierungen im Studienverlauf lagen bei:

  • 400 mg Bedaquilin pro Tag für 2 Wochen und 200 mg Bedaquilin pro Woche für den Rest der 6 Monate

  • plus 200 mg Pretomanid pro Tag für 6 Monate

  • plus 1200 mg Linezolid pro Tag für bis zu 6 Monate, oder verringert durch Dosisreduktion oder Einnahmepausen aufgrund von Toxizität.

Nach 6 Monaten wurden die Behandlungen beendet, der Verlauf der L-TB aber für weitere 6 Monate engmaschig kontrolliert. Das Follow-up wird im Anschluss weitergeführt. Eine Kontrollgruppe gab es nicht.

Die Autoren berichten in ihrer Diskussion, dass in den ersten 6 Monaten nach Ende der Behandlungen der L-TB die meisten Rückfälle zu erwarten sind. Bisher haben 47 der aufgenommenen Patienten ein Follow-up von 24 Monaten hinter sich. Nur bei einem von ihnen kam es in diesem Zeitraum zu einem Rückfall.

Guter Ansatz, aber …

Prof. Dr. Guy Thwaites, Oxford, UK, und Prof. Dr. Payam Nahid, San Francisco, USA, begrüßen diese Studie in ihrem parallel publizierten Editorial als notwendige Antwort auf weltweit voranschreitende Resistenz gegenüber dem bisherigen Standard der L-TB-Behandlung, der Rifampicin-basierten kurzzeitigen Chemotherapie [2]. Allerdings beklagen sie auch, dass die Größenordnung dieser Studie dem Problem von weltweit 10 Millionen Neuerkrankungen und etwa 1,5 Millionen Todesfällen durch Lungen-Tuberkulose nicht gerecht wird.

Die Editorialisten befürchten Grenzen der hier analysierten Triple-Therapie durch Resistenzentwicklung gegenüber Bedaquilin und den erwähnten Toxizitäten von Linezolid und einer Lebertoxizität von Pretomanid, die die Effektivität der Therapie durch Dosisreduktionen und Einnahmepausen verringern. Sie fordern weitere Forschungen und nachfolgende Phase-2- und -3-Studien zu innovativen Wirkstoffen gegen die Lungentuberkulose.
 

Kommentar

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