Therapierefraktärer Dauerhusten: Erstmals verspricht ein neuer antitussiver Wirkstoff Abhilfe

Dr. Angela Speth

Interessenkonflikte

12. März 2020

Zwischen 4 und 10% der Erwachsenen weltweit haben einen chronischen Husten, ohne dass sich eine Ursache finden lässt. Eine Phase-2-Studie fördert die Hoffnung, dass für sie bald erstmals ein spezifisches Medikament zur Verfügung steht [1]. Bei den Teilnehmern, die im Durchschnitt seit fast 15 Jahren an der Störung litten, ging die Zahl der Hustenstöße im Vergleich zu Placebo deutlich zurück.

Anfällig für Dauerhusten sind besonders ältere Menschen, Frauen oder Patienten mit abdominaler Adipositas. Viele haben eine Grunderkrankung wie Asthma, gastroösophagealer Reflux oder Bronchiektasie oder waren beruflich Staub oder Dämpfen ausgesetzt, erläutern Prof. Dr. Jaclyn A. Smith von der Universität Manchester und ihre Kollegen in Lancet Respiratory Medicine.

Umgekehrt allerdings husten ja nicht alle Patienten mit solchen Dispositionen, was darauf hindeutet, dass der Störung eine separate Fehfunktion zugrunde liegt, Husten-Überempfindlichkeitssyndrom genannt. Das erklärt auch, warum sich der Husten trotz Behandlung der Grunderkrankung nicht immer bessert. Er fällt dann in die Rubrik ,therapierefraktär‘. Bei jenem kleineren Teil der Patienten ohne derartige Grunderkrankung oder sonst eine Ursache spricht man von ungeklärtem Husten.

Übererregbare Nerven lösen offenbar den Dauerhusten aus

„Viele Patienten mit chronischem Husten brauchen wegen der erheblichen Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität dringend eine Behandlung, aber im Moment können die Ärzte nicht helfen“, so Smith in einer Lancet-Mitteilung.

Die Expertin für Respiratorische Medizin hat die Studie zu Gefapixant geleitet, dem ersten Wirkstoff, der die Übererregbarkeit relevanter neuronaler Bahnen drosseln soll. Denn er blockiert den am Hustenreflex beteiligten purinergen Rezeptor P2X3, einen ATP-gesteuerten Ionenkanal, nachweisbar hauptsächlich auf sensorischen Nervenfasern, die zu den Atemwegen führen. Bisher kann man lediglich versuchen, mit Neuromodulatoren oder Verhaltenstherapie eine Besserung zu erreichen.

 
Viele Patienten mit chronischem Husten brauchen wegen der erheblichen Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität dringend eine Behandlung. Prof. Dr. Jaclyn A. Smith
 

Bereits in einer 2-wöchigen Pilotstudie hatte Gefapixant die objektive, um Placeboeffekte bereinigte Hustenhäufigkeit um 75% reduziert, allerdings in der hohen Dosis von 600 mg zweimal täglich. Nachfolgende Untersuchungen deuteten an, dass 50 mg zweimal täglich bei besserer Verträglichkeit ebenso wirksam sind. So wurden für die aktuelle Phase-2b-Studie ähnliche Mengen gewählt.

3 Dosierungen Gefapixant wurden gegen Placebo getestet

Teilnehmer waren 253 Patienten – zu 3 Vierteln Frauen – mit unerklärlichem oder unbehandelbarem Husten, der im Durchschnitt 14,5 Jahre bestand. Sie kamen von 44 Standorten im Vereinigten Königreich (UK) und in den USA. Die meisten hatten nie geraucht; das Durchschnittsalter betrug 60 Jahre.

Zu jeweils einem Viertel erhielten sie nach dem Zufallsprinzip über 84 Tage hinweg zweimal täglich entweder eine von 3 Dosierungen Gefapixant (7,5 mg, 20 mg, 50 mg) oder Placebo.

Primärer Studienparameter war die objektiv erfasste Hustenrate pro Stunde. Dazu trugen die Patienten an 5 gleichmäßig verteilten Tagen ein Tonaufnahmegerät mit sich. Die Auswertung zeigte einen starken Placeboeffekt: Lag die Zahl der Hustenstöße vor Studienbeginn allgemein bei 28 pro Stunde, so waren es nach 12 Wochen mit Placebo nur noch 18-mal.

Doch mit 50 mg Gefapixant war die Häufigkeit selbst demgegenüber gesunken, und zwar um weitere 37% auf stündlich 11. Die Reduktion mit den beiden niedrigeren Dosierungen erwies sich als statistisch nicht signifikant.

Auch die Einschätzungen der Patienten flossen in die Analyse ein

Weiterhin wurden subjektive Beurteilungen berücksichtigt, etwa mit einer visuellen Analogskala von 0 für ,kein Husten‘ bis 100 mm für ,schlimmstmöglicher Husten‘: Hatten die Patienten den Schweregrad anfangs noch auf 58 mm eingestuft, so war dies nach 12 Wochen mit Placebo nur noch bei 39 und mit 50 mg sogar bloß noch bei 28.

Ein ähnliches Bild ergab sich mit dem Leicester-Hustenfragebogen, mit einem Husten-Tagebuch und der Selbsteinschätzung der Veränderungen (Patient’s Global Impression of Change): 28% der Placebo-Gruppe hielten ihren Husten für gebessert oder sehr gebessert, mit 50 mg Gefapixant waren es sogar 65%.

Ein solch ausgeprägter Placebo-Effekt wie in der jetzigen Studie sei in vorangehenden Untersuchungen mit Gefapixant nicht beobachtet worden, stellen die Autoren fest. Als Grund vermuten sie, dass hier die Erwartungen der Patienten hereinspielten, einerseits durch die früheren positiven Ergebnisse und andererseits durch die hohe Wahrscheinlichkeit von 75%, einer Verumgruppe zugeordnet zu werden.

Nicht wenige empfanden die Geschmacksstörung als inakzeptabel

Als häufigste Nebenwirkung traten Geschmacksstörungen (Dysgeusie) auf, so bei 30 Teilnehmern in der 50-mg-Gruppe (also fast der Hälfte), 10 von ihnen brachen die Studie deswegen ab. Aber die meisten Patienten, die das Medikament weiterhin einnahmen, versicherten nach Angaben der Forscher, dass sie die Therapie gern noch mindestens ein Jahr fortsetzen würden.

 
Unsere Studie ist die erste, die über eine langfristig sichere und wirksame Behandlung berichtet. Prof. Dr. Jaclyn A. Smith
 

„Unsere Studie ist die erste, die über eine langfristig sichere und wirksame Behandlung berichtet. Und es laufen bereits Phase-3-Studien, die mehr Teilnehmer umfassen und sich über eine längere Zeit erstrecken“, wird die Studienleiterin in der Lancet-Mitteilung zitiert.

Vorerst bieten Neuromodulatoren einen Ausweg

In einem Kommentar machen Prof. Dr. Richard S. Irwin von der University of Massachusetts und seine Kollegen Vorschläge, wie Ärzte die Zeit überbrücken können, bis zielgerichtete Medikamente für die Indikation „unerklärlicher oder unbehandelbarer chronischer Husten“ zugelassen sind [2]. So bestehe die Option, Patienten an einen Sprachtherapeuten oder Logopäden zu überweisen, der eine Zusatzausbildung für das Problem ,Husten‘ besitzt.

Bleibt ein Erfolg aus, wäre eine Off-Label-Therapie mit Gabapentin, Pregabalin, Amitriptylin oder im äußersten Fall Morphin zu erwägen. Jedes dieser Arzneimittel habe in Studien die Hustenattacken gemildert.
 

Kommentar

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