Klimawandel und Atemwegserkrankungen: Wie lassen sich vulnerable Patienten schützen?

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

11. März 2020

Globale Erwärmung ist ein Gesundheitsrisiko. In unseren Breiten besonders gefährdet sind dabei Menschen mit kardiorespiratorischen Erkrankungen – bei ihnen kann es erwärmungsbedingt zu einer Morbiditätssteigerung und damit auch zu erhöhter Mortalität kommen.

Prof. Dr. Christian Witt

Doch es gibt Strategien, mit denen sich von ärztlicher Seite gegensteuern lässt, erklärte Prof. Dr. Christian Witt, Leiter des Forschungsbereichs Pneumologie und Klimafolgen-Forscher an der Berliner Charité auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Berlin [1].

Höhere Morbidität, höhere Mortalität

„Ein plötzlicher Temperaturanstieg um 10 Grad erhöht die Zahl der Krankenhauseinweisungen von chronisch kranken Menschen um 5 Prozent“, berichtete Witt. Und weniger Tage im Jahr mit Frost hätten die Allergiesaison im Durchschnitt bereits um etwa einen Tag verlängert, und durch einen Rückgang der Niederschläge habe sich die Pollenlast erhöht.

 
Ein plötzlicher Temperaturanstieg um 10 Grad erhöht die Zahl der Krankenhauseinweisungen von chronisch kranken Menschen um 5 Prozent. Prof. Dr. Christian Witt
 

„Für vulnerable, multimorbide Patienten ist der Klimawandel zudem lebensbedrohlich.“ So bedeute eine durchschnittliche Erwärmung von nur einem Grad Celsius in Regionen nördlich der Alpen einen Anstieg der Mortalität der über 80 Jahre alten multimorbiden Patienten mit respiratorischen Erkrankungen von bis zu 6%.

Für die höhere Vulnerabilität und eine verminderte adaptive Kapazität multimorbider Patienten sind 2 Faktoren verantwortlich: „Zum einen macht die bestehende Krankheit den Patienten vulnerabler für die Temperaturerhöhung, die trockenere Luft und den stärkeren Pollenflug“, erklärte Witt. „Zum anderen kann die medikamentöse Therapie seiner Krankheit die Vulnerabilität weiter erhöhen. So ist z.B. eine antihypertensive Therapie ein zentraler Eingriff in das Regulationssystem des Körpers, der auch adaptive Regulationen bei Hitze beeinträchtigen kann.“

Wärmeinseln im Großstadt-Zentrum

Eine besondere Situation besteht zudem in Metropolen wie Berlin und anderen Großstädten: Typisch sind hier innerstädtische Wärmeinseln („Heat-Island-Effekt“): im Fall Berlins mit Temperaturgradienten von bis zu 8 Grad Celsius zwischen dem kühleren Stadtrand und dem Stadtzentrum.

 
Für vulnerable, multimorbide Patienten ist der Klimawandel zudem lebensbedrohlich. Prof. Dr. Christian Witt
 

Zum globalen Treibhauseffekt mit Erwärmung und Wetterextremen kommt hier noch hinzu die – lokal – in Stadtzentren meist erhöhte Schadstoffbelastung durch Feinstaub, Stickoxide und Ozon. „Deshalb sollten der Wohn- und Aufenthaltsort von Großstadt-Patienten in die klinische Medizin einbezogen und bei vulnerablen Patienten die klinischen Verläufe möglichst effizient erfasst werden“, empfahl der Berliner Pneumologe.

„Durch konsequente Patientenführung und medikamentöse Therapie lässt sich das gestiegene Exazerbations- bzw. Dekompensationsrisiko präventiv mindern.“

Klimatisierung verkürzt Behandlungsdauer

Zu möglichen Adaptationsstrategien, um auf die durch den Klimawandel bedingten Herausforderungen zu reagieren, gehören Witt zufolge die Konzepte des klimaadaptierten Krankenhauses sowie der klimaadaptierten Arzneimitteltherapie.

 
Durch konsequente Patientenführung und medikamentöse Therapie lässt sich das gestiegene Exazerbations- bzw. Dekompensationsrisiko präventiv mindern. Prof. Dr. Christian Witt
 

So untersuchte eine Studie an der Charité die Wirkung klimatisierter Krankenzimmer auf die Genesung der hospitalisierten Patienten in Wärmephasen.

Ergebnis: Die Klimatisierung verkürzte die Behandlungsdauer, verringerte das Krankheitsgefühl der Patienten und erlaubte eine schnellere Mobilisierung. Dafür, so der Berliner Pneumologe, müsse nicht unbedingt das komplette Krankenhaus klimatisiert sein, meist genügten bereits ein paar temperierte Zimmer, um dort von Hitzestress besonders beeinträchtigten Patienten zu helfen.

„Damit tut man nicht nur diesen etwas Gutes, sondern hat durch die frühere Entlassung auch noch einen Einspareffekt bei den Behandlungskosten“, so Witt.

Telemonitoring gegen COPD-Exazerbationen

In einer anderen Charité-Studie werden derzeit die Möglichkeiten einer klimaadaptierten Inhalationstherapie bei COPD untersucht. Ziel ist es, Medikamente zu identifizieren, die im Zusammenhang mit hohen Temperaturen den Zustand der COPD-Patienten beeinflussen, um die Therapie gegebenenfalls zu modifizieren und so hitzestressbedingte Exazerbationen vermeiden zu können.

Hilfreich für Adaptationsstrategien sind Witt zufolge darüber hinaus die neuen Medien, Telemedizin bzw. -monitoring und künstliche Intelligenz, um die klinischen Verläufe vulnerabler Patienten effizienter zu erfassen und klimabedingten Verschlechterungen ihres Gesundheitszustands vorzubeugen. So konnte eine frühere an der Charité durchgeführte Studie zum Telemonitoring zeigen, dass sich damit das Exazerbationsrisiko von COPD-Patienten während Hitzestress signifikant senken lässt.
 

Kommentar

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