Gute Ergebnisse mit neuem Therapeutikum für Nierenzellkrebs – und der Wirkstoff steht mit dem Nobelpreis in Verbindung

Nick Mulcahy

Interessenkonflikte

9. März 2020

San Francisco – Zum ersten Mal zielt eine Therapie des klarzelligen Nierenkarzinoms auf einen molekularen Treiber ab, von dem man bisher glaubte, dass man ihn nicht mit einem passenden Wirkstoff erreichen könne, sagte Dr. Toni Choueiri vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston, Massachusetts beim Genitourinary Cancers Symposium (GUCS) 2020 [1].

Dieser Treiber, der Hypoxie-induzierte Faktor (HIF) 2α, fördert das Wachstum neuer Blutgefäße, die wiederum das Tumorwachstum fördern. Er ist das Ziel einer neuen experimentellen Therapie: eine einmal täglich einzunehmende Pille mit dem Namen MK-6482 (Hersteller: Merck).

Als erstes Medikament seiner Klasse scheint der orale HIF-2α-Inhibitor bei klarzelligem Nierenkrebs in dieser Studie eine ausgeprägte Wirkung zu entfalten.

13 von 55 Patienten mit stark vorbehandeltem, fortgeschrittenem Karzinom sprachen auf die Therapie mit MK-6482 an (24% Gesamtansprechrate). Zumindest teilweise sprachen sogar alle Patienten an, berichtete Choueiri. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 13 Monate.

Die Patienten in dieser Phase-1/2-Studie hatten im Median 3 vorangegangene Therapien, einschließlich VEGF-Inhibitoren (Vascular Endothelial Growth Factor) und Checkpoint-Inhibitoren.

„Beste progressionsfreie Überlebensrate“

Dr. Monty Pal, Spezialist für Nierenzellkarzinom vom City of Hope Comprehensive Cancer Center in Duarte, Kalifornien, stellte die Ergebnisse in den Kontext sowohl der aktuellen Praxis als auch der Arzneimittelentwicklung.

 
Wir dachten lange Zeit, dass wir dieses Ziel – also pVHL – mit Medikamenten nicht erreichen können. Dr. Toni Choueiri
 

„Die Ansprechrate ist unglaublich“, sagte er gegenüber Medscape, angesichts der Vortherapien. Darüber hinaus sei der klinische Nutzen von 80% (so viele Patienten blieben unter der Therapie stabil oder hatten eine Remission) die „beste progressionsfreie Überlebensrate unter den in der Entwicklung befindlichen Wirkstoffen“, sagte er.

Derzeit seien die Optionen für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkrebs, die auf mehrere Therapien nicht angesprochen haben, „nicht sehr gut“, sagte Pal und fügte hinzu, dass es für diese Patienten keinen Behandlungsstandard gibt.

Defekter Tumorsuppressor

Während seiner Präsentation erklärte Choueiri, dass die „große Mehrheit“ (etwa 90%) der Patienten mit einem klarzelligen Nierenkarzinom ein „defektes“ Protein namens Von-Hippel-Lindau (VHL) aufweisen. Der Von-Hippel-Lindau-Tumorsuppressor (pVHL) ist ein Tumorsuppressor, der vom Gen VHL kodiert wird.

 
Die Ansprechrate ist unglaublich. Dr. Monty Pal
 

„Wir dachten lange Zeit, dass wir dieses Ziel – also pVHL – mit Medikamenten nicht erreichen können“, sagte Choueiri gegenüber ecancer in einem Video-Interview während des Treffens.

Das Ergebnis dieses defekten VHL-Proteins ist die Aktivierung von HIF-Proteinen, die sich im Inneren der Tumorzelle anhäufen. Das signalisiert fälschlicherweise einen Sauerstoffmangel, aktiviert die Bildung von Blutgefäßen und fördert dadurch das Tumorwachstum, wie aus Pressematerialien des Dana-Farber Cancer Institute hervorgeht.

Nobelpreis und erster HIF-2α-Inhibitor

Diese Entdeckung „führte teilweise“ zum Nobelpreis für Medizin 2019, den der Dana Farber-Wissenschaftler William Kaelin jr. mit 2 anderen Amerikanern teilt, sagte Choueiri, der mit Kaelin zusammenarbeitet.

Kaelin und seine Kollegen hatten entdeckt, wie Zellen den Sauerstoffgehalt in der Umgebung wahrnehmen und sich daran anpassen. Nach Ansicht des Nobel-Komitees haben sie damit die Grundlagen geschaffen für die Entwicklung neuer Strategien zur Bekämpfung von Krebs und vielen anderen Erkrankungen ( Medscape berichtete ).

„Das ist eine sehr reale Verbindung“, sagte Pal über die Entdeckung dieses Aktivierungsweges von HIF-2α, den Nobelpreis, und die Entwicklung des ersten HIF-2α-Inhibitors, MK-6482.

Wirkung in jeder Risikokategorie

In der Phase-1/2-Studie wurden 55 Patienten mit einem mittleren Alter von 62 Jahren und mit zuvor behandeltem fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom in die Dosis-Expansions-Kohorte aufgenommen. 39 Patienten (71%) brachen schließlich ab, wobei der häufigste Grund das Fortschreiten der Erkrankung (55%) war.

Die Ergebnisse zeigen ein partielles Ansprechen bei 2 von 5 Patienten mit günstigem Risikoprofil, bei 10 von 40 Patienten mit mittlerem Risiko und bei einem von 10 Patienten mit ungünstigem Risikoprofil.

Die mediane Ansprechdauer war bei der Auswertung noch nicht erreicht worden: 81% der Patienten hatten ein geschätztes Ansprechen von mehr als 6 Monaten, und 16 Patienten (29%) setzten die Behandlung über 12 Monate hinaus fort. Das mediane progressionsfreie Ansprechen betrug 11 Monate.

Was die unerwünschten Ereignisse betrifft, so starben 4 Patienten aufgrund von krankheitsbedingten Ereignissen (und keiner aufgrund eines behandlungsbedingten Ereignisses). Insgesamt 65% der Patienten wiesen unerwünschte Ereignisse des Grades 3 bis 5 auf. Bei 5 Patienten wurde die Dosis aufgrund der Toxizität reduziert.

Die am häufigsten auftretenden, alle Ursachen berücksichtigenden unerwünschten Ereignisse waren Anämie (75%), Müdigkeit (67%), Atemnot (47%), Übelkeit (33%) und Husten (31%). Zu den häufigsten unerwünschten Grad-3-Ereignissen zählten Anämie (26%) und Hypoxie (15%).

Sowohl Anämie als auch Hypoxie sind „on target“-Toxizitäten; Anämie tritt auf, weil das Medikament den Erythropoietin-Spiegel senkt, sagte Choueiri.

Phase-3-Studie begonnen

Der neue Wirkstoff geht nun in eine Phase-3-Studie, in der MK-6482 mit Everolimus verglichen wird; Endpunkt ist das progressionsfreie Überleben.

In Frage kommen Patienten mit inoperablem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem klarzelligen Nierenkarzinom, die eine systemische Behandlung mit einem Checkpoint-Inhibitor (PD-1-Hemmer/PD-L1-Hemmer, mindestens 2 Dosen) und einer VEGF-gerichteten Therapie (einschließlich Tyrosinkinase-Inhibitoren oder monoklonaler Antikörper) als Monotherapie oder in Kombination erhalten haben.

Pal ist der Meinung, dass das Studiendesign es den Wissenschaftlern ermöglichen wird, schnell zu bestimmen, ob der neue Wirkstoff bei diesen Patienten wirksam ist – zumal diese Patienten mit den derzeit zugelassenen und häufig verwendeten Medikamenten nicht erfolgreich behandelt werden können.

Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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