Covid-19: Eine verordnete Quarantäne bleibt meist nicht ohne Folgen für die Psyche – doch die lassen sich minimieren

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

4. März 2020

Die Regeln sind klar: Menschen, die Kontakt zu einer nachweislich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person hatten, müssen auf Anordnung des Berliner Robert Koch-Instituts (RKI) und der jeweils zuständigen Gesundheitsämter 14 Tage in häuslicher Isolation verbringen.

Kontakte zur Außenwelt jedweder Art sind in dieser Zeit strengstens verboten. Nicht einmal mit dem Hund dürfen die unter Quarantäne Gestellten nach draußen gehen.

Allein in Deutschland, vor allem in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern, wurden in den vergangenen Tagen und Wochen Tausende von Menschen zu dieser drastischen, wenngleich vermutlich sehr sinnvollen Maßnahme gezwungen.

Wie sich eine verordnete – und damit in vielen Fällen wohl eher nicht freiwillige Quarantäne – auf das psychische Wohlergehen der Personen auswirkt und was getan werden kann, um insbesondere langfristige Schäden zu vermeiden, hat jetzt ein Team um Dr. Samantha Brooks vom Department of Psychological Medicine am britischen King’s College in London analysiert. Die Ergebnisse der Forscher sind in The Lancet erschienen [1].

Die psychischen Folgen der Quarantäne halten oft lange an

Für ihre Übersichtsarbeit sichteten Brooks und ihr Team 3.166 Studien, die sich mit den psychischen Aspekten der Quarantäne beschäftigt hatten. Von ihnen wählten sie 24 Publikationen (mit insgesamt rund 20.000 Probanden) aus, die ihrer Ansicht nach relevante Daten für ihre Fragestellung enthielten.

Trotz der relativ geringen Zahl der befragten und/oder untersuchten Personen sowie den oft fehlenden Kontrollgruppen – Schwächen, denen sich die Forscher um Brooks durchaus bewusst sind – kommen die Wissenschaftler zu dem Fazit, dass die psychischen Auswirkungen einer angeordneten Quarantäne umfangreich und erheblich sind und zudem lange andauern können.

Daraus ziehen die Autoren des Reviews allerdings nicht den Schluss, dass Quarantänemaßnahmen nicht angewendet werden sollten. Die psychologischen Effekte, wenn man auf die Isolation verzichte und so einer Infektionskrankheit erlaube, sich ungestört auszubreiten, könnten noch schlimmer sein, betonen sie.

Dennoch seien sämtliche Maßnahmen, durch die Menschen ihrer persönlichen Freiheit beraubt und vom gesellschaftlichen Leben ferngehalten werden, umstritten und müssten daher stets mit Bedacht angewendet werden, schreiben Brooks und ihr Team.

Die negativen Auswirkungen der Isolation sind vielfältig

Negative Begleiterscheinungen von selbst kurzen Quarantänemaßnahmen, die in den meisten der von den Forschern herangezogenen Studien genannt wurden, sind unter anderem posttraumatische Stresssymptome, Verwirrung und Verärgerung.

Bei einer Isolation, die über mehrere Tage hinweg erfolgt, können die Furcht vor der Ansteckung, Frustration, Langeweile, eine mangelnde Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten, das Gefühl, nur unzureichend informiert zu sein, finanzielle Verluste und die Angst vor der Stigmatisierung hinzukommen.

In manchen Studien hätten sich zudem Hinweise auf länger anhaltende Auswirkungen einer verordneten Quarantäne gefunden, berichten Brooks und ihre Kollegen.

Eine Reihe von Maßnahmen kann den isolierten Personen helfen

Die Wissenschaftler schlagen daher für Situationen wie der momentanen, in der Quarantänemaßnahmen wegen COVID-19 unausweichlich zu sein scheinen, folgende Punkte vor, um die Isolation so angenehm wie möglich zu gestalten und die psychischen Folgen der Quarantäne gering zu halten:

  • Detaillierte Aufklärung: Die Personen sollen verstehen, warum die Quarantäne in ihrem Fall erforderlich ist und wie lange sie aller Voraussicht nach dauern wird. Eine gute Kommunikation zwischen den Vertretern der Behörden und den isolierten Personen ist dazu unerlässlich.

  • Möglichst kurze Isolationszeiten: Die Quarantäne soll nur so lange andauern, wie es unbedingt erforderlich ist. (Im Fall von SARS-CoV-2 sind es 14 Tage – so lange dauert die maximale Inkubationszeit.) Die zu Beginn der Isolation angekündigte Zeitspanne sollte nur dann überschritten werden, wenn es unbedingt erforderlich zu sein scheint.

  • Ausreichende Versorgung: Die Behörden müssen sicherstellen, dass die unter Quarantäne gestellten Menschen in dieser Zeit ausreichend Lebensmittel, Wasser und Medikamente erhalten.

  • Sinnvolle Beschäftigung: Wünschenswert wäre es, wenn den betroffenen Personen die Gelegenheit gegeben wird, sich während der Quarantäne in irgendeiner Form sinnvoll zu beschäftigen. Optimal ist vermutlich, wenn sie ihrem Job auch von zu Hause aus weiterhin nachgehen können, zumindest einem Teil der anstehenden Arbeiten. Um der Angst vor finanziellen Verlusten entgegenzuwirken, sollten (insbesondere bei Selbstständigen) angemessene Ausgleichszahlungen geleistet werden.

  • Appell an die Verantwortung des Einzelnen: Die meisten negativen Begleiterscheinungen resultieren der Studie zufolge aus dem Gefühl des Verlusts der persönlichen Freiheit und der fehlenden Möglichkeit, Entscheidungen selbst zu treffen. Apelle von Seiten der Offiziellen an die Verantwortung des Einzelnen für die Gesellschaft können helfen, dass die Quarantäne als selbstbestimmt empfunden wird – wodurch sich negative Folgen für die Psyche, auch langfristige, minimieren.

 

Kommentar

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