Prostatakrebs: Weltweit größte Studie PROBASE zeigt, wie ein PSA-Screening im Alltag sinnvoll eingesetzt werden kann

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

2. März 2020

Berlin – Darüber, ob die Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) im Serum zur Sekundärprävention bzw. Früherkennung eines Prostatakarzinoms den Patienten mehr nützt oder mehr schadet, wird bereits seit Jahren gestritten. Und sie ist hierzulande deshalb bisher auch nur eine IGeL- und keine Kassenleistung.

Aktuelle Ergebnisse der weltweit größten Screening-Studie PROBASE zum Prostatakrebs sind jetzt auf dem Deutschen Krebskongress (DKK) in Berlin präsentiert worden: Demnach kann ein standardisiertes risikoadaptiertes Screening mit Bestimmung eines PSA-Basiswerts mit 45 oder mit 50 Jahren dazu geeignet sein, gezielt Hochrisikopatienten zu identifizieren und dabei helfen, Überdiagnostik und Übertherapie bei weniger oder kaum gefährdeten Personen zu vermeiden.

 
Ein allgemeines Screening kann derzeit nicht empfohlen werden, weil es mit einer zu hohen Rate an Überdiagnosen und Übertherapien indolenter Tumoren verbunden ist. Prof. Dr. Peter Albers
 

„Zwar lassen sich durch ein generelles PSA-Screening Prostatakarzinome früher erkennen und damit auch behandeln, dennoch kann ein solches allgemeines Screening derzeit nicht empfohlen werden, weil es mit einer zu hohen Rate an Überdiagnosen und Übertherapien indolenter Tumoren verbunden ist“, sagte Prof. Dr. Peter Albers, Direktor der Urologie im Universitätsklinikum Düsseldorf und Leiter der Abteilung Personalisierte Krebsfrüherkennung des Prostatakarzinoms im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg, auf einer DKK-Pressekonferenz in Berlin [1].

Prof. Dr. Peter Albers

So sei es z.B. möglich, dass ein erhöhter PSA-Wert nicht nur durch ein Karzinom, sondern auch durch eine benigne Hyperplasie oder Entzündungen der Prostata verursacht wird.

Bestimmung eines Basis-PSA-Werts – mit 45 oder 50 Jahren

Während das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seinem im Januar veröffentlichten Vorbericht zum PSA-Screening diesem ganz allgemein „mehr Schaden als Nutzen“ attestiert ( wie Medscape berichtete ), kann Albers zufolge selektives Screening hingegen – je nach persönlichem Risiko einer Person – vor Tumormetastasierungen bewahren und damit lebensrettend sein.

Den meisten Menschen mit keinem oder nur geringem Risiko für ein metastasierendes Prostatakarzinom blieben dabei durch die selektive Vorgehensweise unnötige Untersuchungen, Beunruhigung durch falsch positive Ergebnisse und vor allem unerwünschte Komplikationen wie Inkontinenz und erektile Dysfunktion durch eine eigentlich überflüssige Operation erspart.

In der prospektiven PROBASE-Studie, deren Rekrutierungsphase mit fast 47.000 in Deutschland lebenden Männern im Alter von 45 Jahren Ende Dezember abgeschlossen wurde, erfolgen PSA-Tests deshalb in Abhängigkeit vom individuellen Risiko des Einzelnen. Dieses wird anhand eines Basis-PSA-Werts im Alter von 45 Jahren (Studienarm A) oder 50 Jahren (Studienarm B) ermittelt.

„Eine Hypothese der Studie ist“, so der Düsseldorfer Urologe, „dass Männer, die erst im Alter von 50 Jahren mit dem risikoadaptierten Screening beginnen, bis zum 60. Lebensjahr nicht häufiger an einem metastasierten Prostatakarzinom erkranken als Männer, deren Basis-PSA-Wert bereits mit 45 Jahren bestimmt wird.“

Meistens reicht die Kontrolle 5 Jahre später

Die auf dem DKK jetzt von Studienleiter Albers vorgestellte Analyse der ersten Screening-Runde zeigte: Fast 90% der Männer des Studienarms A lagen mit ihrem Basis-PSA-Wert im Niedrigrisiko-Bereich von ≤ 1,5 ng/ml, weshalb die Wiederholung des PSA-Tests auf 5-jährliche Abstände reduziert werden konnte.

Rund 9% der Männer hatten ein mittleres und nur knapp 1,5% zunächst ein hohes Risiko (PSA ≥ 3 ng/dl), allerdings bestätigten sich die hohen Werte in einer Kontrolluntersuchung nur bei etwa der Hälfte der Männer.

Eine weitere Diagnostik – zunächst mittels Magnetresonanztomografie (MRT) und bei fortbestehendem Krebsverdacht mit einer Biopsie – wurde so lediglich 0,8% aller Männer mit 45 Jahren empfohlen. Diese wiederum bestätigte bei nur knapp 0,2%, also etwa jedem 500. aller gescreenten Männer ein Prostatakarzinom.

„Was uns nach einer referenzpathologischen Analyse dieser durch das risikoadaptierte Screening gefundenen Tumoren noch mehr erstaunte, war, dass die meisten von ihnen – etwa 70 Prozent – nur einen sehr geringen Aggressivitätsgrad aufwiesen“, wie Albers im Gespräch mit Medscape erläuterte. Das bedeute: Bei solchen Patienten reiche es wahrscheinlich aus, sie aktiv zu überwachen und mit einer Therapie abzuwarten. Die Überwachung könne dabei durchaus auch mit Hilfe von MRT-Untersuchungen statt durch wiederholte Biopsien erfolgen.

Weitere Untersuchungen im Rahmen der PROBASE-Studie in den kommenden Jahren sollen zeigen, ob sich der beobachtete Trend bestätigt und damit der Beginn eines risikoadaptierten Screenings (bzw. die Bestimmung des Basis-PSA-Werts) auf ein höheres Lebensalter verlagert werden kann.

Fraglicher Nutzen der digitalen rektalen Prostata-Untersuchung

Überraschend war noch ein weiteres Studienergebnis von PROBASE, nachdem den mehr als 23.000 Teilnehmern im Studienarm B statt eines PSA-Tests eine digitale rektale Untersuchung der Prostata angeboten wurde. Diese gehört in Deutschland seit Beginn der 1970er-Jahre zur gesetzlichen Krebsfrüherkennung. Bei den fast 30% der Männer (n ≥ 6.500), die das Angebot annahmen, ließ sich dadurch bei ganzen 3 (0,05%) ein Prostatakrebs entdecken, der dann aber auch von niedrigem Malignitätsgrad (ISUP 1 oder 2) war.

 
Damit ist bewiesen, dass die digitale rektale Untersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs – ganz besonders im Alter unter 50, wahrscheinlich aber auch danach – ungeeignet ist. Prof. Dr. Peter Albers
 

„Damit ist bewiesen, dass die digitale rektale Untersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs – ganz besonders im Alter unter 50, wahrscheinlich aber auch danach – ungeeignet ist“, so Studienleiter Albers.

Sein Fazit zu den aktuellen Studienergebnissen: „Schon jetzt zeigt PROBASE, dass ein risikoadaptiertes, altersabhängiges Screening möglich ist und das Potenzial hat, die Problematik der Überdiagnostik und Übertherapie des populationsbezogenen Screenings drastisch zu reduzieren.“

Mit den in der Studie gewonnenen differenzierten Erkenntnissen ließen sich seiner Meinung nach dann auch die Argumente des IQWiG gegen jegliches PSA-Screening als Früherkennungsmethode entkräften.

 

Kommentar

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