Also doch Frühstücken wie ein König! Viele Kalorien morgens – nach deutscher Studie der beste Weg zu gesundem Gewicht

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

25. Februar 2020

Iss morgens wie ein König, mittags wie ein Bürger und abends wie ein Bettelmann: Dass dieses Sprichwort viel Wahres enthält, wenn man sein Gewicht halten oder gar abnehmen möchte, haben Forscher aus Deutschland einmal mehr gezeigt.

Denn die nahrungsinduzierte Thermogenese, also die Entstehung von Wärme beim Verdauen der Nahrung, sprich die Energieverbrennung, ist am Morgen etwa 2,5-mal so hoch wie am Abend – und zwar unabhängig von der Menge der jeweils aufgenommenen Kalorien. Zu dem Ergebnis kommt Juliane Richter von der Sektion für Psychoneurobiologie am Center of Brain, Behavior and Metabolism (CBBM) der Universität Lübeck zusammen mit Kollegen im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism (JCEM) [1].

 
Die Kernbotschaft unserer Studie lautet demnach: Ein gutes Frühstück kann vor Übergewicht und den damit assoziierten Erkrankungen schützen. Juliane Richter
 

„Die Kernbotschaft unserer Studie lautet demnach: Ein gutes Frühstück kann vor Übergewicht und den damit assoziierten Erkrankungen schützen“, sagt Richter im Gespräch mit Medscape. „Etwa 30 bis 40% der täglichen Kalorien sollten am Morgen aufgenommen werden, wenn der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft.“ Das Abendessen hingegen solle möglichst weniger als 30% der täglich aufgenommenen Kalorien enthalten.

Kalorien kennen keine Uhrzeit – vom Ende eines Mythos

„Viele Ernährungswissenschaftler waren bislang der Ansicht, dass es für das angestrebte Körpergewicht keinen Unterschied macht, wann am Tag man die zur Verfügung stehenden Kalorien zu sich nimmt – Hauptsache, die vorgegebene Menge wird insgesamt eingehalten“, so Richter. „Kalorien kennen keine Uhrzeit“ sei ein Spruch, der auch in vielen Abnehmforen im Internet immer wieder zu lesen sei. „Unsere Ergebnisse zeigen aber klar, dass das nicht stimmt“, betont Richter.

Für ihre Studie hatten Forscher 16 gesunde, normalgewichtige Männer im Alter zwischen 21 und 25 Jahren rekrutiert, die eigenen Angaben zufolge einen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus vorzuweisen und in den Wochen vor der Studie ganz normal gefrühstückt hatten. „Auf Frauen haben wir in unserer Studie zunächst verzichtet, um Verzerrungen der Ergebnisse durch hormonelle Schwankungen innerhalb des weiblichen Zyklus zu vermeiden“, erläutert Richter.

Essen im Labor

Alle Probanden begaben sich für die Untersuchung 2 Mal in einem Abstand von mindestens 2 Wochen für jeweils 3 Tage in ein Labor. Beim 1. Termin erhielten sie um 9 Uhr ein sehr reichhaltiges Frühstück mit 69% der täglich verabreichten Kalorienmenge. Um 19 Uhr gab es dann ein spärliches Abendessen, das nur 11% der täglichen Gesamtkalorien enthielt. Beim 2. Besuch im Labor waren die Kalorienmengen genau umgekehrt.

Die täglich benötigte Nahrungsmenge, um weder zu- noch abzunehmen, wurde für jeden Teilnehmer individuell anhand seines Grundumsatzes und seines Aktivitätslevels ermittelt. Unabhängig davon bestand die Nahrung immer aus 49% Kohlenhydraten, 19% Proteinen und 32% Fetten beim niederkalorischen Frühstück und Abendessen beziehungsweise 49% Kohlenhydraten, 10% Proteinen und 41% Fetten bei hochkalorischen Mahlzeiten.

Das Mittagessen mit stets 20% der täglich erlaubten Kalorienmenge und 37% Kohlenhydraten, 34% Eiweiß und 29% Fett gab es um 14 Uhr. Schlafenszeit war von 23.30 bis 7 Uhr. Sportliche Aktivitäten waren während der 3 Tage nicht erlaubt, die meiste Zeit mussten die Probanden sitzen oder liegen.

Messung des Stoffwechsels und des Insulinspiegels

Die nahrungsinduzierte Thermogenese ermittelten Richter und ihr Team per indirekter Kalorimetrie, also über den Verbrauch von Sauerstoff und die Erzeugung von Kohlenstoffdioxid. Gemessen wurde jeweils 45 Minuten vor den Mahlzeiten, direkt im Anschluss (30 Minuten nach Beginn) sowie 1,5 Stunden, 2,5 und 3,5 Stunden nah einer Mahlzeit. 

Außerdem ermittelten die Forscher den Blutzucker und das Insulin ihrer Probanden 15 Minuten vor den beiden Mahlzeiten, 1, 2 und 4 Stunden nach dem Frühstück sowie 1 und 3 Stunden nach dem Abendessen. Darüber hinaus sollten die Studienteilnehmer um 8.45 Uhr sowie um 13.45, 18.45 und 23.15 Uhr anhand einer visuellen Skala bewerten, wie hungrig sie sich fühlten und wie groß ihr Appetit auf Süßes war.

Ein dürftiges Frühstück führte zu mehr Heißhunger

Wie Richter und ihre Kollegen ermittelten, war die nahrungsinduzierte Thermogenese bei den Probanden am Morgen etwa 2,5 Mal so hoch wie am Abend – unabhängig davon, ob die Teilnehmer ein reichhaltiges oder dürftiges Frühstück erhalten hatten. Abends lief der Energiestoffwechsel deutlich langsamer ab.

„Das bedeutet, dass später am Tag gegessene Nahrungsmittel sehr viel rascher ansetzen als solche, die in der ersten Tageshälfte verzehrt werden“, sagt Richter. Auch ließen die in der zweiten Tageshälfte gegessenen Lebensmittel im Mittel den Blutzucker und das Insulin stärker ansteigen. Und wer erst abends viel essen durfte, fühlte sich tagsüber deutlich hungriger und hatte häufiger gesteigerten Appetit auf Süßes.

Vermutlich profitieren auch Patienten mit Übergewicht oder Diabetes

„Unsere Ergebnisse zeigen klar, trotz der überschaubaren Anzahl an Probanden, dass ein reichhaltiges Frühstück und ein bescheidenes Abendessen durch die zirkadiane Rhythmik des Stoffwechsels besser vor Übergewicht schützen, als es umgekehrt der Fall wäre“, sagt Richter. Natürlich, so räumt die Forscherin ein, würden ihre Schlussfolgerungen zunächst einmal nur für normalgewichtige Männer gelten.

 
Unsere Ergebnisse zeigen klar (…), dass ein reichhaltiges Frühstück und ein bescheidenes Abendessen (…) besser vor Übergewicht schützen, als es umgekehrt der Fall wäre. Juliane Richter
 

Ältere Studien, etwa eine im Jahr 2013 in Obesity veröffentlichte Untersuchung, hätten gezeigt, dass übergewichtige Frauen schneller an Gewicht verlören, wenn sie den größeren Teil ihrer erlaubten Kalorien am Morgen anstatt am Abend zu sich nähmen.

„Von daher gehe ich davon aus, dass unsere Ergebnisse auch auf Frauen und übergewichtige Menschen, vermutlich auch auf solche mit Diabetes, übertragbar sind“, sagt Richter.

Welche Rolle spielt der Biorhythmus?

Als nächstes planen die Forscher 2 Studien zur Thermogenese. Eine Arbeit widmet sich dem angeborenen Biorhythmus: Gibt es Unterschiede zwischen „Lerchen“, den geborenen Frühaufstehern, und „Eulen“, sprich Menschen, die erst später am Tag zur Höchstform auflaufen?

 
Ich gehe davon aus, dass unsere Ergebnisse auch auf Frauen und übergewichtige Menschen, vermutlich auch auf solche mit Diabetes, übertragbar sind. Juliane Richter
 

In der anderen Studie wollen die Forscher herausfinden, ob unterschiedliche Frühstückstypen, also Menschen, die morgens am liebsten gar keine feste Nahrung zu sich nehmen, eventuell eine unterschiedliche Rhythmik ihrer Thermogenese aufweisen.

DGE: Nicht wirklich neu und praktische Relevanz zweifelhaft

Dr. Christina Breidenassel vom Referat Wissenschaft der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) kommentiert die Studie gegenüber Medscape wie folgt:

Die Studie wurde nur an 16 normalgewichtigen Probanden durchgeführt. Da gerade bei der Messung der nahrungsinduzierten Thermogenese (DIT) die intra-individuelle Variabilität sehr hoch ist, kann keine generelle Aussage bei einer so geringen Probandenzahl getroffen werden.

Die DIT hängt stark von der Nahrungszusammensetzung ab, die für Protein höher ist als für Kohlenhydrate und Fett. Leider wird in der Studie nur die Nährstoffrelation angegeben und nicht die Lebensmittelauswahl, sodass für die praktische Umsetzung keine Aussage getroffen werden kann.

Es werden keine absoluten Werte in Tabellen dargestellt, sondern nur in Abbildungen. Die dort angegebenen Standardabweichungen sind sehr fraglich, denn bereits die intra-individuelle Variabilität kann bei der Methode über 30% betragen, sodass der Unterschied zwischen den Messungen bei jedem Probanden und dann innerhalb der Gruppe relativ groß sein kann. Dies führt dazu, dass die Ergebnisse nicht wirklich aussagekräftig sind.

Zum Teil wurden den Probanden zum Erreichen ihres Energiebedarfs die Mahlzeiten mit Maltodextrin angereichert. Ein Einfluss auf die Messungen ist nicht auszuschließen, insbesondere auf die des Glukosestoffwechsels.

Fazit:

Die Studie liefert im Endeffekt keine wirklich neuen Erkenntnisse und die praktische Relevanz ist eher zweifelhaft, insbesondere auch aufgrund methodischer Schwächen der Studie.

 

Kommentar

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