Was verursacht die Lungenschäden durch E-Zigaretten? Eine heiße Spur führt zu dieser Substanz …

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

24. Februar 2020

2.758 Patienten wurden in den USA bis Anfang Februar aufgrund von akuten Lungenschäden durch E-Zigaretten stationär behandelt, berichten die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta. Daran sind 64 von ihnen gestorben. Die Erkrankung selbst wird mittlerweile Lung Injury Associated with the Use of E-Cigarette, or Vaping, Products (EVALI) genannt. Sie führt zu einer chemisch induzierten Lungenentzündung (Pneumonitis) mit Fibrineinlagerung, einer organisierenden Pneumonie oder zu diffusen alveolären Schäden.

Schon bald vermuteten CDC-Experten, dass Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC), aber auch Vitamin-E-Acetat als Bestandteil von Liquids der E-Zigaretten, eine EVALI hervorrufen könnten. Doch die auslösenden Faktoren sind bis heute nicht bekannt.

Im NEJM berichten Dr. Benjamin C. Blount vom CDC und Kollegen jetzt von 51 EVALI-Patienten aus 16 US-Bundesstaaten [1]. Bei 48 von ihnen (94%) konnte man Vitamin-E-Acetat in der bronchoalveolären Lavage (BAL) nachweisen – aber nicht bei gesunden „Dampfern“.

Hat Vitamin-E-Acetat eine Schlüsselrolle im Krankheitsprozess?

„Die Auswertung von EVALI-Fällen hat eindeutig gezeigt, dass Patienten in den meisten Fällen zusätzlich zu nikotinhaltigen E-Flüssigkeiten THC-haltige Flüssigkeiten verdampft haben“, kommentieren Dr. Terry Gordon von der New York University School of Medicine, New York, und Kollegen in einem begleitenden Editorial [2]. „Die Identifizierung von Vitamin-E-Acetat in der BAL bei 94% der Patienten mit EVALI, jedoch bei keinem der 18 gesunden Teilnehmer, die über die ausschließliche Verwendung von E-Zigaretten als Nikotinabgabegerät berichteten, liefert Hinweise darauf, dass Vitamin E-Acetat in THC-haltigen Liquids stark mit EVALI assoziiert ist.“

 
Die Auswertung von EVALI-Fällen hat eindeutig gezeigt, dass Patienten in den meisten Fällen zusätzlich zu nikotinhaltigen E-Flüssigkeiten THC-haltige Flüssigkeiten verdampft haben. Dr. Terry Gordon und Kollegen
 

Hinzu kommt: Blounts Team habe in keiner der 10 vor dem vor dem EVALI-Ausbruch untersuchten Liquids, aber in allen 20 beim Krankheitsgeschehen analysierten Flüssigkeiten Vitamin-E-Acetat nachgewiesen, so die Editorialisten. Doch etwas Skepsis bleibt: „Obwohl solche Ergebnisse ein überzeugendes Argument für Vitamin-E-Acetat als Verursacher von akuten Lungenschädigungen sind, muss angemerkt werden, dass andere Forscher sogar Vitamin-E-Aerosole als Antioxidans zum Schutz vor Lungenverletzungen eingesetzt haben“, schreiben Gordon und Kollegen.

Proben von unterschiedlichen Konsumenten verglichen

Zur Studie selbst: Von August bis Dezember 2019 stellten öffentliche Labors und Gesundheitsbehörden aus 16 US-Bundesstaaten BAL-Flüssigkeitsproben von 51 Patienten zur Verfügung. 25 hatten eine bestätigte EVALI-Diagnose und bei weiteren 26 war dies zumindest wahrscheinlich.

Das mittlere Alter der Patienten lag bei 23 Jahren, 69% waren männlich. Insgesamt verwendeten Konsumenten THC-haltige Produkte (77%), nikotinhaltige Produkte (67%) oder beide (51%).

Proben von gesunden Studienteilnehmern wurden von 2016 bis 2019 gesammelt. Hier geben die Autoren als mittleres Alter 25,4 Jahre für Nichtraucher, 26,5 Jahre für „Dampfer“ und 27,3 für Zigarettenraucher an. Die Konsumenten wechselten nicht zwischen den Produkten. Männer machten 37%, 67% bzw. 76% der Untergruppen aus.

Fast bei allen EVALI-Fällen Vitamin-E-Acetat nachweisbar

Bei 25,6% aller gesunden Teilnehmer fanden die Wissenschaftler THC-Biomarker im Urin und bei 5,1% wurde die BAL-Flüssigkeit positiv getestet. Nikotin oder seine Metaboliten wurden in 52% der BAL-Flüssigkeiten der gesunden Teilnehmer nachgewiesen. Alle BAL-Flüssigkeitsproben aus dieser Gruppe enthielten kein Vitamin-E-Acetat, keine Pflanzenöle, keine Triglyceride, kein Kokosnussöl, keine Erdölprodukte und keine Terpene als Lösungsmittel.

Bei 48 von 51 (94%) der Patienten mit EVALI wurde Vitamin-E-Acetat in BAL-Flüssigkeitsproben nachgewiesen. In einem Fall konnte Kokosöl und in einem anderen Fall Limonen detektiert werden.

THC oder seine Metaboliten wurden in BAL-Flüssigkeitsproben von 40 aller 47 Patienten (85%) mit EVALI gefunden. Bei insgesamt 9 von 11 Patienten, die in den 90 Tagen vor Krankheitsbeginn eigenen Angaben zufolge keine THC-haltigen Liquids verwendet hatten, identifizierten Forscher trotzdem THC oder seine Metaboliten in ihrer BAL-Flüssigkeit. Nikotin oder seine Metaboliten ließ sich in 30 von 47 (64%) BAL-Flüssigkeitsproben von Fallpatienten nachweisen.

„Vitamin E-Acetat wurde bei einer Stichprobe von Patienten aus 16 Bundesstaaten der Vereinigten Staaten mit EVALI in Verbindung gebracht“, resümieren Blount und seine Koautoren.

Schwächen der Arbeit

In ihrer Veröffentlichung gehen sie auf mögliche Schwächen sowie auf offene Fragen ein:

  • Vitamin-E-Acetat könnte ein Marker für die Exposition gegenüber bislang nicht bekannten toxischen Substanzen sein. Ein solches Molekül müsste mit dem Vorhandensein von Vitamin-E-Acetat in BAL-Flüssigkeit korrelieren, in den Vereinigten Staaten weit verbreitet sein und im Jahr 2019 den Produkten zugesetzt worden sein. „Wir konnten keine toxische Chemikalie identifizieren, welche alle 3 Anforderungen erfüllt, aber wir untersuchen diese Möglichkeit weiter“, schreiben die Autoren.

  • Aerosolbestandteile, die beim Erhitzen von Vitamin-E-Acetat entstehen, sind weiter zu untersuchen. Bis diese besser charakterisiert sind, ist es möglich, dass einer oder mehrere von ihnen allein oder synergistisch mit anderen Verbindungen wie Vitamin-E-Acetat wirken könnten, um das Risiko von EVALI zu erhöhen.

  • Die Probenentnahme wurde im Rahmen der klinischen Routineversorgung durchgeführt und war nicht standardisiert.

  • Wann – und in welchem Maße – Patienten möglichen Toxinen in Liquids ausgesetzt waren, konnte nicht bewertet werden.

  • Die Studie vergleicht Daten von Patienten und gesunden Kontrollen über unabhängige Querschnittsstudien, was die Vergleichbarkeit einschränkt.

Trotzdem dieser Limitationen bewertet Blounts Team alle Daten zu Vitamin-E-Acetat als „wichtige Spur“.

Wie geht es weiter? „Ergebnisse aus Tierversuchen können Informationen darüber liefern, ob die Exposition gegenüber Vitamin-E-Acetat allein die Lungenschädigung bei Patienten mit EVALI direkt verursachen kann“, lautet der Vorschlag der Autoren für weitere Untersuchungen. Anhand solcher Studien könnte man auch klären, ob die akute Lungenschädigung nach wiederholter Anwendung oder schon nach einer einzigen Inhalation toxischen E-Liquid-Formulierungen auftritt.

 

Kommentar

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