Gefahr für die Nieren bei der Angiografie? Der Biomarker suPAR taugt als Indikator – und vielleicht neuer Therapieansatz

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

21. Februar 2020

Durch eine Bestimmung des Biomarkers suPAR im Blut könnten vor einer koronaren Angiografie Patienten mit hohem Risiko für akute Nierenschädigungen herausgefiltert werden. Das zeigt eine retrospektive Analyse des prognostischen Werts des Markers bei Angiografie-Patienten und in 2 weiteren Risiko-Kollektiven [1].

Künftig könnte dieser Marker zur Entwicklung präventiver Therapien für Patienten mit hohem Risiko für Nierenversagen herangezogen werden, so die Hoffnung des US-Studienteams um Dr. Salim S. Hayek, Bereich Kardiologie an der Medizinischen Fakultät der University of Michigan, Ann Arbor, USA.

In der Studie hatten Patienten mit einer erhöhten Serumkonzentration von suPAR ein 2- bis 3-fach erhöhtes Risiko für akute Nierenschädigungen. „Hohe suPAR-Spiegel gingen in unterschiedlichen klinischen und experimentellen Kontexten mit akuter Niereninsuffizienz einher“, berichten die Autoren im New England Journal of Medicine.

 
Hohe suPAR-Spiegel gingen in unterschiedlichen klinischen und experimentellen Kontexten mit akuter Niereninsuffizienz einher. Dr. Salim S. Hayek
 

Neue Therapien dringend erwartet

Bei Verfahren wie einer koronaren Angiografie mit Kontrastmittel oder einer Herz-Operation besteht ein hohes Risiko einer Schädigung der Niere. Bislang gibt es nur wenige Möglichkeiten zur Prävention und zur Therapie dieser Komplikation. Beides könnte das Protein „soluble urokinase Plasminogen Activator Receptor“ (suPAR) künftig erleichtern, wie diese Studie unter besonders gefährdeten Patienten zeigt.

Bekannt ist, dass hohe suPAR-Spiegel auf eine sich verschlechternde Nierenfunktion hindeuten. Zudem können über einen längeren Zeitraum erhöhte suPAR-Werte die Nierenfunktion unmittelbar beeinflussen. Ob der Biomarker auch Auswirkungen auf die Nierentubuli hat, die bei akuten Nierenschäden betroffen sind, war bislang unklar.

Hayek und Kollegen haben retrospektiv bei 3 unterschiedlichen Patientenkollektiven mit erhöhtem Risiko untersucht, ob hohe suPAR-Spiegel mit akutem Nierenversagen innerhalb von 7 Tagen nach dem Eingriff beziehungsweise nach der Einweisung auf die Intensivstation einhergehen:

  • bei 3.827 Angiografie-Patienten aus den beiden Studien EmCAB und CASABLANCA sowie

  • bei 250 Patienten, die einer Herz-Operation unterzogen wurden, und

  • bei 692 Intensivpatienten.

Die Patienten der letzten beiden Gruppen hatten kein Kontrastmittel erhalten.

Bei allen Kollektiven gingen hohe suPAR-Werte im Blut mit dem Auftreten eines Nierenversagens einher.

Je mehr suPAR, desto höher das Risiko

In der Gruppe der Patienten, die einer Koronarangiografie unterzogen wurden, erlitten 14% derer mit den höchsten suPAR-Werten ein akutes Nierenversagen; im untersten Quartil nur 4%. Das Risiko bei hohem suPAR war um das 2,66-Fache erhöht.

Ähnliches ergab sich in den beiden kleineren Patientenkollektiven: Unter den Herz-OP-Patienten erlitten 40% in der Gruppe mit den höchsten suPAR-Werten ein akutes Nierenversagen, in der mit den niedrigsten waren es 16%. Bei den Patienten auf der Intensivstation lagen die Zahlen bei 53% bzw. 15%.

Mehr als „nur“ ein prognostischer Marker

Bei den meisten Patienten lag ein leichtes oder mittelschweres Nierenversagen vor, von dem sie sich in der Regel wieder erholten. Daher sei der klinische Wert der Studie zwar „gering“, schreibt Dr. Frank Tacke von der Berliner Charité in einem Editorial [2].

Jedoch dürfe man nicht außer Acht lassen, dass selbst ein nur sehr geringer Anstieg des Kreatin-Levels bereits Auswirkungen auf die Prognose nach einer Angiografie oder Herz-Operation habe, auch auf das Mortalitätsrisiko. „Bei suPAR könnte es sich nicht nur um einen zuverlässigen Biomarker handeln, sondern diese Substanz könnte auch auf neuartige präventive Behandlungen hinweisen“, vermutet Tacke.

 
Bei suPAR könnte es sich nicht nur um einen zuverlässigen Biomarker handeln, sondern diese Substanz könnte auch auf neuartige präventive Behandlungen hinweisen. Dr. Frank Tacke
 

Auch in dieser Richtung haben Hayek und Kollegen geforscht. Bei gentechnisch veränderten Mäusen, die zu viel suPAR produzierten, ist nach der Injektion des Kontrastmittels Inohexol ein Nierenversagen aufgetreten, im Gegensatz zu Mäusen mit normalen suPAR-Spiegeln.

Des Weiteren zeigten Mäuse, die mit einem monoklonalen uPAR-Antikörper gegen suPAR behandelt wurden, niedrigere Kreatinwerte und nach einer Kontrastmittelinjektion weniger ausgeprägte Nierenschädigungen als unbehandelte Mäuse.

„Diese Beobachtungen sind möglicherweise interessant und deuten an, dass suPAR selbst, unabhängig von seinem Ursprung, in die Entstehung einer akuten Nierenschädigung eingebunden sein könnte“, schreibt Tacke weiter.   

Durch eine verbesserte Risikostratifizierung vor einem Eingriff könne man „eine Untergruppe von Patienten herausfiltern, die von einer Intervention profitieren, die Schädigung der Niere während eines Eingriffs minimieren, möglicherweise in Form von Anti-suPAR-Behandlungen“, bemerken Hayek und Kollegen.

 

Kommentar

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