Neue Studien zu Remdesivir und (Hydroxy-)Chloroquin, erste Impfstoff-Daten und Geruchsverlust als wichtiges Symptom

Michael van den Heuvel, Sonja Böhm, Bettina Micka, Claudia Gottschling

Interessenkonflikte

19. Mai 2020

Die Zahl der gemeldeten Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus, das von der Weltgesundheitsorganisation WHO den offiziellen Namen SARS-CoV-2 erhalten hat, steigt täglich. Die aktuellen weltweiten Zahlen sind auf der Website Coronavirus COVID-19 Global Cases von Wissenschaftlern der Johns Hopkins CSSE dokumentiert. 

Update 26.05.2020: Neue Studien zu Remdesivir und (Hydroxy-)Chloroquin, erste Impfstoff-Daten und Geruchsverlust als wichtiges Symptom

  • Mehr Daten zu Remdesivir: Frühe Therapie entscheidend?

  • Registerstudie: Höhere Sterblichkeit und mehr Arrhythmien unter Chloroquin

  • Vorsicht mit Kortikosteroiden bei COVID-19: Osteonekrosen drohen

  • Erste Impfstoff-Daten aus China zu Sicherheit und Immunantwort

  • Geruchsverlust – ein häufigeres Symptom als bisher angenommen

Unter den antiviralen Therapien gegen COVID-19 scheint Remdesivir besonders vielversprechend. Erste Ergebnisse, auf deren Basis die US-Zulassungsbehörde FDA ein „Emergency Approval“ erteilt hatte, sind nun aktualisiert und im NEJM publiziert worden. Danach wirkt es am besten, bei denjenigen, die zwar Sauerstoff benötigen, aber noch nicht invasiv beatmet werden.

Mehr Daten zu Remdesivir: Frühe Therapie entscheidend?

Inzwischen umfassen die vorläufigen Daten über 1.000 hospitalisierte Patienten mit COVID-19, die randomisiert entweder 10 Tage lang Remdesivir oder Placebo erhalten hatten. Die mittlere Zeit bis zur Genesung – der primäre Studienendpunkt – war in der Remdesivir-Gruppe kürzer als in der Placebo-Gruppe (11 vs. 15 Tage). Dabei war „Genesung“ so definiert, dass die Patienten, keinen Krankenhausaufenthalt, keinen zusätzlichen Sauerstoff oder keine kontinuierliche medizinische Versorgung mehr benötigten.

Die Ergebnisse waren allerdings nur für diejenigen Patienten signifikant, die zu Studienbeginn Sauerstoff, aber keine Intensivbetreuung und maschinelle Beatmung benötigt hatten. Nach 14 Tagen betrug die Mortalität 7,1% unter Remdesivir und 11,9% unter Placebo – dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant.

Die Autoren schreiben: „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, COVID-19-Fälle zu identifizieren und mit der antiviralen Behandlung zu beginnen, bevor die Lungenerkrankung so weit fortschreitet, dass eine mechanische Beatmung erforderlich wird.... Angesichts der hohen Mortalität trotz des Einsatzes von Remdesivir ist es jedoch klar, dass eine Behandlung mit einem antiviralen Medikament allein wahrscheinlich nicht ausreichen wird", räumen sie ein.

Registerstudie: Höhere Sterblichkeit und mehr Arrhythmien unter Chloroquin

Es gibt noch weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen zu COVID-19-Medikamenten – diese sind aber noch weniger ermutigend. Eine große Registerstudie im Lancet beschäftigt sich mit den Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von Hydroxychloroquin und Chloroquin für COVID-19-Kranke.

Die Wissenschaftler verglichen etwa 15.000 wegen COVID-19 hospitalisierte Patienten, die Hydroxychloroquin oder Chloroquin mit oder ohne ein Makrolid der 2. Generation erhalten hatten, mit 81.000 Personen, die diese Behandlung nicht bekommen hatten. Alle Hydroxychloroquin- und Chloroquin-Gruppen hatten ein höheres Sterberisiko im Krankenhaus (16-24%) als die Kontrollgruppe (9%). Sie hatten auch häufiger ventrikuläre Arrhythmien während des Klinikaufenthalts (4-8%) als die Kontrollgruppe (0,3%).

Natürlich handelt es sich nur um Beobachtungsdaten, die keine wirklich kausalen Zusammenhänge belegen können. Jedoch hat inzwischen auch die WHO bekannt gegeben, dass sie eine Hydroxychloroquin-Studie wegen Sicherheitsbedenken vorübergehend gestoppt hat, wie Reuters berichtet.

Vorsicht mit Kortikosteroiden bei COVID-19: Osteonekrosen drohen

Zudem warnen im Lancet chinesische Autoren bei Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf vor dem Einsatz einer Kortison-basierten Therapie, um entzündungsbedingte Lungenschäden zu reduzieren. Dies basierend auf Erfahrungen zur Behandlung des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS) während des Ausbruchs im Jahr 2003. Die unsachgemäße Anwendung systemischer Kortikosteroide könne das Risiko einer Osteonekrose des Hüftkopfes (ONFH) erhöhen, warnen die Autoren.

Denn in einer retrospektiven Studie mit 539 SARS-Patienten, die eine Kortikosteroid-Therapie erhalten hatten, betrug die Inzidenz der steroidinduzierten Osteonekrose immerhin 24%, das Risiko stieg dabei mit der verwendeten Dosis. Die Autoren mahnen daher zur Vorsicht und empfehlen Kortikosteroide bei COVID-19 nicht als Routinebehandlung, sondern sie nur bei Patienten mit septischem Schock oder in kritischen Fällen in Betracht zu ziehen, sowie Dosis und Dauer auf ein Minimum zu reduzieren.

Zudem sollten Bisphosphonate und Vitamin E zur Prävention einer solchen Nebenwirkung in Betracht gezogen werden. Und nach der Entlassung solle eine engmaschige Nachsorge durchgeführt werden, raten sie, wobei das MRT die beste Option zur Früherkennung der Osteonekrose sei. Zudem empfehlen sie physikalische Therapie und eine kombinierte Pharmakotherapie für Patienten mit steroidinduzierter ONFH im Frühstadium.

Erste Impfstoffdaten aus China zu Sicherheit und Immunantwort

Ebenfalls im Lancet sind zudem erste Ergebnisse einer Impfstoff-Studie zum neuen Corona-Virus publiziert. Es handelt sich um eine Phase-1-Studie aus China. Sie ergab, dass ein nicht-replizierender Adenovirus-Typ-5-(Ad5)-Vektorimpfstoff des chinesischen Impfstoff-Herstellers CanSino sicher ist und beim Menschen eine Immunantwort auslöst.

Für die Studie sind über 100 gesunde Erwachsene randomisiert worden und haben verschiedene Dosen des Impfstoffkandidaten erhalten. Als häufige Nebenwirkungen kam es zu Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Müdigkeit. Eine positive Antikörperreaktion wurde bei 97% der Gruppe mit niedriger Dosis, bei 94% der Gruppe mit mittlerer Dosis und bei 100% der Gruppe mit hoher Dosis gefunden.

Geruchsverlust – ein häufigeres Symptom als bisher angenommen

Belgische Wissenschaftler haben sich die Symptomatik von COVID-19-Patienten genauer angesehen. Die häufigsten Symptome der Erkrankung wie Fieber, Husten, Atemnot, Müdigkeit und Myalgie, sind ja unspezifisch. Doch sind vor kurzem 2 weitere markante Symptome identifiziert worden: der temporäre Verlust des Geruchs- und der Verlust des Geschmackssinns.

Mittels eines standardisierten Online-Fragebogens haben die Autoren Daten von 2.013 konsekutiven stationären und ambulanten Patienten mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19-Verlauf aus 18 europäischen Krankenhäusern gesammelt. Wie sie in Annals of Internal Medicine berichten, fanden sie eine höhere Prävalenz von selbstberichteten Geruchs- und Geschmacksstörungen als zuvor berichtet.

Insgesamt 1.754 Patienten (87%) berichteten über Geruchsverlust, während 1.136 (56%) über eine Geschmacksstörung klagten. Bei den meisten Patienten trat der Geruchsverlust nach den anderen allgemeinen und otolaryngologischen Symptomen auf.

Zum Zeitpunkt der Auswertung hatten erst 573 von 1.754 Patienten ihren Geruchssinn wiedererlangt, bei 61% hatte dieser zwischen 5 und 14 Tage gedauert – im Median 8,4 Tage. Die Forscher fanden keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Geruchsverlust und nasaler Obstruktion, Rhinorrhoe oder nasalen Entzündungen.

Update 19.05.2020: Die „Gretchenfragen“ der Pandemie: Wer hatte bereits Viruskontakt? Und wie tödlich ist COVID-19 tatsächlich?

  • Die Gretchenfrage der Pandemie: Wie immun ist die Bevölkerung schon?

  • Infektionsraten oft nur im einstelligen Bereich

  • Die Folge-Frage: Wie gefährlich ist SARS-CoV-2 tatsächlich?

  • Nicht gefährlicher als die Grippe?

  • Berkeley-Forscher: Nur jeder 2. Corona-Tote taucht in offizieller Statistik auf

  • Ein einfacher Zusammenhang: Einjahres-Sterberisiko ungefähr verdoppelt

  • Rückschlüsse auf Infektionsraten: In Bergamo schon Herdenimmunität?

Die Antikörper-Diskussion brodelt. Wie viele Menschen in der Bevölkerung hatten Kontakt mit SARS-CoV-2, vielleicht sogar ohne es zu bemerken? Wieviel Immunität hat sich möglicherweise in der Bevölkerung bereits aufgebaut – das ist die ‘Gretchenfrage’ der Pandemie. Überall – nicht nur in Deutschland – finden derzeit dazu Antikörper-Studien statt.

Die Gretchenfrage der Pandemie: Wie immun ist die Bevölkerung schon?

Von der bislang größten Studie aus Spanien sind vergangene Woche erste Daten bekannt gegeben worden – allerdings ohne Peer Review – auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des spanischen Gesundheits- und des spanischen Wissenschaftsministers. Das Ergebnis der Tests von Blutproben von nahezu 70.000 Teilnehmern, die vom Carlos III Institut für öffentliche Gesundheit ausgewertet worden sind, wird viele enttäuschen – angesichts der Tatsache, dass Spanien eines der in Europa von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder war.

Nachgewiesen wurden mit den Tests IgM oder IgG, jeweils spezifisch gegen das Coronavirus. Und gefunden wurden diese Antikörper nur bei rund 5% der Getesteten. Selbst in der Region um Madrid, die als das Epizentrum der spanischen Epidemie gilt, betrug die Rate nur 11,3%.

Infektionsraten oft nur im einstelligen Bereich

Andere Untersuchungen bestätigen, dass die Durchseuchung der Bevölkerung mit dem neuen Coronavirus in vielen Teilen Europas sehr wahrscheinlich noch im einstelligen Bereich liegt. Der Onkologie Blogger unserer britischen Ausgabe Medscape UK, Prof. Dr. Karol Sikora, berichtet in seinem jüngsten Blog, dass auch die Angestellten am dortigen Rutherford Cancer Centre auf Antikörper getestet wurden und die dortige Prävalenz um die 8.4% betrug.

Auch Großbritannien gehört ja zu den schwerer von der Corona-Pandemie betroffenen europäischen Regionen. „Es scheint noch nicht so viel Serokonversion zu geben”, resümiert Sikora. „Und wir verstehen noch nicht so richtig, was das bedeutet.”

Die niedrigen Zahlen lassen die Diskussion um so genannte Immunitätsausweise auch noch etwas verfrüht erscheinen – unabhängig von den damit verbundenen ethischen Problemen, sagt Sikora. Übrigens hatte auch eine Antikörper-Testung anhand von 3.000 Proben im ebenfalls stark betroffenen New York Ende April „nur“ eine Antikörperrate von knapp 14% ergeben.

Die Folge-Frage: Wie gefährlich ist SARS-CoV-2 tatsächlich?

Wie hoch die Dunkelziffer an SARS-CoV2-Infektionen in einer Bevölkerung ist, ist auch noch unter einem anderen Aspekt von großem Interesse: Um eine realistische Abschätzung zu erlauben, wie gefährlich das Virus tatsächlich ist, wie hoch also die Infection-Fatality-Rate (IFR) ist.

2 viel kritisierte Studien, eine in den USA (die Santa-Clara-Studie aus Kalifornien), aber auch die Heinsberg-Studie aus Deutschland waren zu dem Schluss gekommen, dass die Todesrate von COVID-19 wohl gar nicht so hoch sei. In der Heinsberg-Studie waren immerhin 15,5% der Bevölkerungsstichprobe aus dem Ortsteil Gangelt positiv auf Antikörper getestet worden, bei insgesamt allerdings nur 7 Todesfällen ergibt sich so eine Sterblichkeit an dem Virus von 0,37% - mit aufgrund der geringen Fallzahl hoher statistischer Schwankungsbreite.

Nicht gefährlicher als die Grippe?

Das Hauptergebnis der Santa-Clara-Studie war, dass die Häufigkeit der Infektionen in den beiden ausgewerteten kalifornischen Counties Anfang April um das 55- bis 85-Fache höher lag als die gemeldeten per PCR-Test bestätigten Fälle. Bei einer gleichbleibenden Zahl von Toten durch COVID-19 kommen die Autoren damit auf eine Infection-Fatality-Rate im Bereich der saisonalen Grippe (0,1-0,2%), was vor allem in den USA von vielen Kritikern der Lockdown-Maßnahmen benutzt wurde, um zu argumentieren, dass die Maßnahmen vollkommen überzogen seien.

Bei der Santa-Clara-Studie gab es viel Kritik – an den verwendeten Tests, an angeblichen Rechenfehlern der Autoren und darüber, dass diese wohl ihre Interessenkonflikte nicht ausreichend offengelegt haben.

Zudem erhielten die Autoren aus Stanford auch heftigen wissenschaftlichen Widerspruch, unter anderem aus dem eigenen Bundesstaat. Eine Arbeitsgruppe der Universität Berkeley hat sich nämlich die allgemeine Sterberate in Italien in den besonders betroffenen Regionen der Lombardei und in Bergamo genauer angeschaut – und mit der gleichen Zeit in den 5 Jahren zuvor verglichen.

Berkeley-Forscher: Nur jeder 2. Corona-Tote taucht in offizieller Statistik auf

Ihr Ergebnis: „Ein signifikanter Anteil von Todesfällen vor allem unter Älteren in diesem Zeitraum ist wohl COVID-19 zuzuschreiben, ohne dass es diese Todesfälle je in die offiziellen Corona-Statistiken geschafft haben“, schreiben sie. Sie kommen auf mindestens 0,8% mehr Todesfälle als im gleichen Zeitraum in den Jahren zuvor (und damit mindestens das 4- bis 8-Fache der Sterberate einer saisonalen Influenza).

Für New York hat die Berkeley-Gruppe eine Sterberate von 0,5% gefunden – also einer von 200 Infizierten überlebt die Infektion nicht. Für Deutschland konnten die Wissenschaftler, wie sie auf Anfrage von Medscape sagten, keine derartigen Berechnungen machen, da bei uns noch keine monatsaktuellen Daten zur Gesamtmortalität zur Verfügung standen.

Ein einfacher Zusammenhang: Einjahres-Sterberisiko ungefähr verdoppelt

Der Leiter der Arbeitsgruppe, der Physiker Prof. Dr. Uros Seljak vom Berkeley Lab und Berkeley Institute for Data Science, hat das Ergebnis der Analyse aber in einem einfachen Vergleich gepackt: „Wenn Sie wissen wollen, wie hoch (statistisch) Ihre Chance ist, an COVID-19 zu sterben – unsere Daten scheinen da einen einfachen Vergleich zuzulassen: Ihr bereits bestehendes Risiko in den nächsten 12 Monaten zu sterben wird dadurch verdoppelt.“

Dieser Zusammenhang gelte für die italienischen und die US-Daten, aber auch getrennt für jede Altersgruppe. „COVID-19 bringt die Schwächsten der Gesellschaft um”, fasst Seljak zusammen. Laut der Berkeley-Studie sind die tatsächlichen durch das neue Coronavirus bedingten Todeszahlen etwa doppelt so hoch wie die offiziell in den COVID-19-Statistiken genannten. Und sie steigen dramatisch mit dem Alter: So beträgt die Infection-Fatality-Rate bei Menschen in den 40ern nur 0,04%, bei den über 90-Jährigen aber mehr als 13%.

Rückschlüsse auf Infektionsraten: In Bergamo schon Herdenimmunität?

Eine interessante Rechnung der gleichen Forschergruppe schließt dann auch wieder den Kreis zur Antikörper-Testung. Denn sie haben basierend auf ihren Daten modelliert, wie hoch wohl die Infektionsraten in der Bevölkerung in den verschiedenen von ihnen untersuchten italienischen Regionen liegt – und kommen dabei auf sehr unterschiedliche Raten – von nur 3% Infektionsrate in der Toskana bis zu 69% in Bergamo – was bedeuten würde, dass dort fast schon eine Herdenimmunität erreicht sein könnte.     

Update 14.05.2020: Ein altes Neuroleptikum und Mundspülungen gegen das Coronavirus sowie ein aktuelles Stimmungsbild bei Klinikärzten

  • Klinische Studie mit Chlorpromazin bei beatmeten COVID-19-Patienten

  • Reduzieren Inhaltsstoffe von Mundspülungen die Transmission?

  • Klinikärzte in der Corona-Krise – Kurzarbeit und Mangel an Schutzkleidung

 

Französische Ärzte wollen ein altes psychotropes Pharmakon, nämlich das allererste Neuroleptikum Chlorpromazin (Largactil®) in einer klinischen Studie (ReCoVery = Repurposing of chlorpromazine in CoVid-19 treatment) auf seine Wirksamkeit bei COVID-19-Patienten testen.

Klinische Studie mit Chlorpromazin bei beatmeten COVID-19-Patienten

Hintergrund ist, dass Psychiater der Groupe Hospitalier Universitaire Paris/Sainte-Anne feststellt haben, dass bei einem Corona-Ausbruch in ihrer Institution hospitalisierte Patienten mit Psychosen deutlich weniger betroffen waren als ihre Betreuer. Ähnliche Beobachtungen seien in anderen Kliniken gemacht worden.

Auf der Suche nach einer Erklärung für diesen überraschenden Befund – denn eigentlich hatten sie erwartet, dass es bei den oft multimorbiden Patienten besonders viele eher schwere Verläufe geben würde – stießen sie auf das alte Psychopharmakon, das heute noch verwendet wird.

Ob Chlorpromazin nun auch in der Behandlung von COVID-19 eine neue Rolle spielen könnte, soll die geplante klinische Studie zeigen, wie Medscape Frankreich berichtet. Unabhängige In-vitro-Studien hätten bereits kürzlich belegt, dass Chlorpromazin gegen verwandte Viren, etwa MERS-CoV und SARS-CoV-1 wirksam sei.

Geplant ist in der multizentrischen, kontrollierten, randomisierten, einfach verblindeten Pilotstudie der Phase 3 bei 40 sauerstoff-pflichtigen COVID-19-Patienten die Prognose zu vergleichen: 20 von ihnen sollen Chlorpromazin zusätzlich zur Standardtherapie erhalten, die restlichen nur die Standardtherapie. Verwendet werden soll eine Dosis von bis zu 300 mg pro Tag über maximal 21 Tage.

Reduzieren Inhaltsstoffe von Mundspülungen die Transmission?

Ebenfalls einen ungewöhnlichen Ansatz gegen das neue Coronavirus verfolgt ein internationales Team von Forschern aus den Bereichen Lipidbiologie, Virologie und antimikrobielle Therapie. Wie sie bei der American Physiological Society schreiben  könnten ganz gewöhnliche zahnmedizinische Mundspülungen hilfreich sein, um die Transmission des Erregers zu reduzieren.

Denn häufige Inhaltsstoffe der Mundspülungen wie Ethanol, Chlorhexidin, Cetylpyridiniumchlorid, Wasserstoffperoxid und Povidon-Jod hätten das Potenzial, die Lipidhülle von Coronaviren zu zerstören und das Virus im Mund- und Rachenraum zu inaktivieren. Eine hohe Viruslast im Mund trage wahrscheinlich zur Verbreitung der Krankheit in frühen Infektionsstadien bei. Die Wissenschaftler unter Leitung eines Teams der Universität Cardiff regen nun an, die Wirksamkeit dieser Inhaltsstoffe in klinischen Studien zu testen.

Klinikärzte in der Corona-Krise – Kurzarbeit und Mangel an Schutzkleidung

Der Marburger Bund hat 8.700 angestellte Ärzte zur Corona-Krise befragt. Laut seinem MB-Barometer wollen 2 von 3 angestellten Ärzten, dass jetzt wieder mit dem Regelbetrieb begonnen wird. Allerdings befürchtet auch mehr als die Hälfte, dass es doch noch zu einer Überforderung des Gesundheitswesens im weiteren Verlauf der Pandemie kommen könnte. Die Umfrage fand zwischen dem 29. April und 10. Mai 2020 statt; 9 von 10 der online Befragten arbeiten in Krankenhäusern.

Mehr als die Hälfte (57,2%) berichten, dass sie seit Beginn der Corona-Krise weniger zu tun haben, bei einem Viertel ist der Arbeitsaufwand gleichgeblieben, bei knapp 18% ist er gestiegen. 10% der Ärzte ist sogar von Kurzarbeit betroffen – mehr als die Hälfte von diesen ist in Reha-Kliniken tätig, rund ein Drittel arbeitet im ambulanten Bereich.

Ein „bemerkenswerter Befund“, so kommentiert die MB-Vorsitzende Dr. Susanne Johna. „Es handelt sich ja um Ärztinnen und Ärzte, die in der Krise auch anderweitig hätten eingesetzt werden können, um beispielsweise den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu unterstützen. Auch der Abbau von Überstunden ist Kurzarbeit vorzuziehen. Aus unseren regelmäßigen Mitgliederumfragen wissen wir, dass angestellte Ärztinnen und Ärzte pro Jahr etwa 65 Mio. Überstunden leisten.“

Dass so viele Ärzte weniger Arbeit als üblich hatten, liege daran, dass seit Mitte März kaum noch planbare Operationen in den Kliniken stattfanden und auch das Notfallgeschehen sei zurückgegangen, so Johna. Nun befürworteten fast 70% der Befragten die Wiederaufnahme der Regelversorgung (z.B. elektive Eingriffe, Rehabilitation). Doch es gebe auch nicht wenige, die „eine größere 2. Welle befürchteten, die mehr Kapazitäten bindet, als dies in den vergangenen Wochen der Fall war“.

Was die ausreichende Versorgung mit Schutzkleidung angeht, signalisiert die Befragung noch keine Entwarnung: Immerhin 38% sehen sich nach wie vor nicht ausreichend versorgt. Vor allem mangelt es an medizinischen Atemschutzmasken (FFP-2 und FFP-3-Masken), aber auch an Schutzkitteln und Schutzanzügen.

Update 13.05.2020: Statt 50/100.000/7-Regel: ZI fordert in Grundsatzpapier COVID-19-Management nach länderspezifischen Maßzahlen

  • Kritik an R-Wert und neuer 50/100.000/7-Regel

  • ZI will regionale Kapazitäten stärker berücksichtigen

  • Auslastung und Vorlaufzeiten von Land zu Land unterschiedlich

Seit 6. Mai gilt die 50/100.000/7-Regel: Bund und Länder haben beschlossen, dass „in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit kumulativ mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten 7 Tage sofort ein konsequentes Beschränkungskonzept unter Einbeziehung der zuständigen Landesbehörden“ umzusetzen ist.

Kritik an R-Wert und neuer 50/100.000/7-Regel

Der Passus wurde schneller relevant als von vielen Politikern vermutet. Bislang haben Sonneberg und Greiz (Thüringen), Coesfeld (Nordrhein-Westfalen) und Steinburg (Schleswig-Holstein) den Wert überschritten. Und – nicht unerwartet – stoßen diese Obergrenzen, genauso wie die Reproduktionszahl R, methodisch auf Kritik. Unter die Kritiker mischt sich nun auch das ZI (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland).

„Die Fixierung auf eine täglich aktualisierte Reproduktionszahl R greift beim aktuellen Pandemieverlauf zu kurz“, betont der Vorstandsvorsitzende des ZI Dr. Dominik von Stillfried in einer Pressemitteilung. Dieser Wert sei bei niedrigen Infektionszahlen schwer zu interpretieren, da er stark auf kleine Veränderungen in der Zahl der Neuinfektionen reagiere.

Dies sieht auch das Robert Koch-Institut (RKI) so und hat bereits – wie berichtet – mit einer Änderung der Berechnungsmethode reagiert. Doch von Stillfried gefällt auch die 50/100.000/7-Regel nicht: „Auch die einheitlich fixierte Interventionsgrenze der Bund-Länder-Konferenz berücksichtigt nicht, wie stark die regionalen Kapazitäten der medizinischen Versorgung bei ansteigenden Fallzahlen beansprucht werden könnten“, kritisiert er.

ZI will regionale Kapazitäten stärker berücksichtigen

Er hat zusammen mit Dr. Lars E. Kroll, Dr. Edgar Steiger und Thomas Czihal (alle ZI) jetzt ein Grundsatzpapier zum Pandemie-Management veröffentlicht. Die Autoren schlagen vor, dass alle Bundesländer 2 Kennziffern kombinieren: eine spezifische Belastungsgrenze des Gesundheitswesens und eine Vorwarnzeit bis zum Erreichen dieser Obergrenze.

Die Belastungsgrenze errechnen die ZI-Forscher aus den für COVID-19-Patienten verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungsplätzen (25% aller registrierten Intensivplätze), dem Anteil der intensivmedizinisch behandlungspflichtigen COVID-19-Patienten bezogen auf alle SARS-CoV-2-Fälle (5%), und der mittleren Behandlungsdauer auf Intensivstationen (10 Tage).

Dazu ein paar Zahlen. Gemäß DIVI-Register gab es am 7. Mai 2020 bundesweit 32.828 verfügbare Intensivbetten. Zu diesem Zeitpunkt lag die Belastungsgrenze des Gesundheitswesens bei 16.414 täglichen Neuinfektionen bundesweit. Als Interventionsgrenze, um Ländern genügend Vorlauf zu geben, definiert das ZI aufgrund weiterer Überlegungen 36% der Belastungsgrenze. Das entspricht 5.930 Neuinfektionen pro Tag.

Auslastung und Vorlaufzeiten von Land zu Land unterschiedlich

Dieser Wert ist – im Unterschied zu einheitlichen Vorgaben der Regierung – von Bundesland zu Bundesland aber unterschiedlich, je nach den Kapazitäten vor Ort. Derzeit schwankt die Auslastung der Kapazitäten von 21% (Saarland) bis 42% (Baden-Württemberg). Je weniger Ressourcen es in einem Bundesland gibt, desto schneller wird die Belastungsgrenze erreicht. Verschiedenen Ländern bleibe also unterschiedlich viel Zeit, zu reagieren, argumentieren die Forscher.

Berücksichtigt man den Vorlauf, bis Maßnahmen wie ein Lockdown greifen, das sind laut ZI 21 Tage, habe das Saarland beispielsweise 25 Tage Puffer, während in Baden-Württemberg lediglich ein Tag Spielraum bliebe. Deshalb fordern sie, Kennzahlen und Vorgaben regional unterschiedlich zu gestalten.

Update 12.05.2020: RKI informiert: Ist der aktuelle R-Wert kritisch? Frühe Dreifachtherapie mit Interferon. Immer mehr Antikörper-Tests

  • Ausbrüche in Schlachthöfen ein Grund für R-Wert über 1,0

  • RKI will künftig „stabilere“ Reproduktionszahl veröffentlichen

  • Lancet-Studie: Frühe Dreifachtherapie mit Interferon verkürzt Krankheitsdauer

  • Labormediziner sehen zunehmende Antikörper-Tests „nicht ganz ohne Sorge“

Nun sah sich das RKI also doch genötigt – auch wenn die regelmäßigen Pressekonferenzen zur Corona-Pandemie nun offiziell eingestellt sind – heute eine (überraschende) Pressekonferenz zu geben. Der aktuelle Anlass: Die anhaltenden Diskussionen um die Reproduktionszahl, die täglich neu berechnet wird, und seit Samstag wieder knapp über dem als Grenze betrachteten Wert von 1,0 liegt (gestern 1,07). Ein Wert über 1,0 impliziert, dass ein Infizierter mehr als eine Kontaktperson ansteckt, was wiederum mit einer Ausbreitung des Infektionsgeschehens gleichgesetzt werden kann.

Ausbrüche in Schlachthöfen ein Grund für R-Wert über 1,0

RKI-Vizepräsident Prof. Dr. Lars Schaade warnte aber davor, diese Zahl zu überinterpretieren. Denn sie sei (auch) von lokalen Ausbrüchen, etwa den hohen Infektionszahlen in einigen Fleisch verarbeitenden Betrieben, beeinflusst. Solche lokalen Ausbrüche könnten aber auch besser kontrolliert werden. R sei nur ein Parameter unter mehreren, um das Infektionsgeschehen zu beurteilen – und unterliege tagesaktuellen Schwankungen.

Auch die Gesamtzahl der täglichen gemeldeten Neuinfektionen sei wichtig, sagte Schaade. Diese Zahl sei aber in der vergangenen Woche „nahezu konstant“ geblieben und betrage um die 1.000 Neu-Infektionen pro Tag. Gestern sind z.B. 933 neue Infektionen an das RKI gemeldet worden, außerdem gab es gestern 116 gemeldete Todesfälle im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion. Auch die Zahl der Toten sei derzeit relativ konstant zwischen 100 und 200 täglich, so der RKI-Vize. Die Todesrate, berechnet als Sterbefälle pro gemeldete Infektionen, steige weiter leicht an und betrage derzeit rund 4,4%.

RKI will künftig „stabilere“ Reproduktionszahl veröffentlichen

Bei den täglichen Fallzahlen nähere man sich derzeit einem Plateau, was bedeute, dass auch in Zukunft die Reproduktionszahl um 1,0 schwanken könne, so Schaade weiter. Die Reproduktionszahl sei zudem das Ergebnis von Modellierungen, da nur bei rund einem Drittel der gemeldeten Infektionen das tatsächliche Erkrankungsdatum bekannt ist. Eine gewisse statistische Schwankungsbreite sei dabei zu berücksichtigen und es gebe Nachmeldungen von Infektionen. Außerdem sei die zeitliche Verzögerung mit ins Kalkül zu nehmen: R bildet die Infektionsrate von vor etwa eineinhalb Wochen ab (derzeit also die Infektionen rund um das 1. Mai-Wochenende).

In Zukunft wolle das RKI eine „besser ausgeglichene“ Reproduktionszahl veröffentlichen, kündigte Schaade an. Dieser „stabilere R-Wert“ habe in den letzten Tagen „zu keinem Zeitpunkt“ über 1,0 gelegen.

Lancet-Studie: Frühe Dreifachtherapie mit Interferon verkürzt Krankheitsdauer

Währenddessen werden international die Bemühungen um eine COVID-10-Therapie vorangetrieben. In einer randomisierten Phase-2-Studie, die im Lancet publiziert worden ist, konnte eine Dreifach-Therapie, die Interferon β-1b beinhaltete, die Dauer des Virusabgabe („viral shedding“) bei COVID-19-Patienten verkürzen.

Rund 125 Erwachsene in Hongkong, die wegen COVID-19 hospitalisiert waren, erhielten randomisiert 14 Tage lang entweder eine Dreifachtherapie mit Lopinavir-Ritonavir, Ribavirin und Interferon β-1b oder nur Lopinavir-Ritonavir (Kontrollgruppe). Die Patienten in der Gruppe mit Dreifachtherapie erhielten Interferon allerdings nur dann, wenn sie sich innerhalb von 7 Tagen nach Symptombeginn vorgestellt hatten – es ging darum, eine frühe Therapie zu testen.

Die Zeit bis zum negativen Nasen-Rachen-Abstrich – dem primären Studienendpunkt – war in der Kombinationstherapie-Gruppe signifikant kürzer (7 vs. 12 Tage). Auch die klinischen Ergebnisse waren unter der Dreier-Kombi besser: Es verging weniger Zeit bis zur Linderung der Symptome (4 vs. 8 Tage) und die mediane Hospitalisierungsdauer war kürzer (9 vs. 15 Tage). Unerwünschte Ereignisse waren in den Gruppen ähnlich. In einer Subgruppenanalyse wiesen Patienten in der Kombi-Therapiegruppe, die kein Interferon erhalten hatten, keine besseren Ergebnisse auf als die Kontrollgruppe.

Labormediziner sehen zunehmende Antikörper-Tests „nicht ganz ohne Sorge“

Auch was die Testungen angeht, gibt es Fortschritte. Wie die ALM – Akkreditierte
Labore in der Medizin e.V.
– aktuell mitteilt, wird, wie vom RKI in der vergangenen Woche angeregt, tatsächlich nun verstärkt auf das neue Coronavirus getestet. Der Bedarf an SARS-CoV-2-PCR-Tests, die virale Komponenten nachweisen, sei in der vergangenen Woche um 22% gestiegen. Trotzdem würden nach wie vor von den laut ALM-Vorstand wöchentlich aktuell rund 840.000 zur Verfügung stehenden Tests nicht einmal die Hälfte abgerufen. Für eine „Ausweitung der PCR-Diagnostik auf Risikogruppen, Pflegeheime und Krankenhäuser und insbesondere auf Kontaktpersonen fühle man „sich gut gerüstet“, heißt es.

„Nicht ganz ohne Sorge“ sehen die Labormediziner aber den weiter steigenden Einsatz von Antikörpertests: 61.300 solcher Tests seien in der KW 19 vorgenommen worden – eine Woche zuvor waren es noch 48.150. ALM-Vorstand Prof. Dr. Jan Kramer mahnt in diesem Zusammenhang, dass ein positiver Antikörpertests kein Freibrief sei, und trotzdem Kontakt- und Hygieneregeln einzuhalten seien.

Update 11.05.2020: Viel früher in Europa als vermutet: Breitete sich SARS-CoV-2 schon im November/Dezember in Frankreich aus?

  • Kam SARS-CoV-2 schon im November 2019 nach Europa?

  • Radiologische Befunde sprechen für Ausbreitung rund um Mulhouse

  • Positiver PCR-Test aus eingelagertem Abstrich von Ende Dezember

  • WHO fordert dazu auf, alte Proben erneut zu analysieren

Aus Frankreich gibt es Befunde, nach denen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 möglicherweise schon lange im Land zirkulierte, bevor die ersten 3 französischen Fälle offiziell identifiziert und am Freitag, den 24. Januar 2020, veröffentlicht worden sind. Die 3 Patienten, von denen man bisher annahm, sie seien die ersten Infizierten in Frankreich gewesen, hatten sich zuvor in China aufgehalten, bevor sie in Bordeaux und Paris hospitalisiert worden waren, berichtet Medscape Frankreich .

Kam SARS-CoV-2 schon im November 2019 nach Europa?

Inzwischen stellen aber immer mehr Wissenschaftler in Frage, ob dies tatsächlich die allerersten Patienten waren. Sie haben damit begonnen, alte radiologische Aufnahmen und eingelagerte Proben zu analysieren, und Fälle aus den Monaten davor, die unter anderen Diagnosen gelaufen waren, neu zu bewerten. Ein Radiologe im Elsass glaubt, Hinweise auf ein epidemiologisches Geschehen aus Thorax-Aufnahmen bereits ab Mitte November zu erkennen. Im Großraum Paris sind eingelagerte Abstriche eine 42-jährigen Pneumonie-Patienten von Ende Dezember positiv auf das Virus getestet worden.

In einer Pressemitteilung am 7. Mai berichtet das Albert-Schweitzer-Krankenhaus der Stiftung des Diakonats in Colmar über "typische Fälle" von COVID-19 bereits am 16. November 2019.

Dr. Michel Schmitt, Leiter der Abteilung für medizinische Bildgebung der Klinik, hat dort alle seit Anfang November letzten Jahres in der Einrichtung aufgenommenen Scans analysiert: insgesamt 2.456 Thorax-Aufnahmen zwischen dem 1. November und dem 20. April. „Alle Bilder wurden analysiert, egal aus welcher Indikation sie erfolgt waren: Herz- oder Lungen-Scans, auch Aufnahmen wegen Traumata oder Tumorpathologien", informiert die Stiftung in der Mitteilung. Die Aufnahmen, die als COVID-19-kompatibel oder typische COVID-19-Befunde eingestuft wurden, erfuhren eine Zweit- bzw. Dritt-Bewertung durch 2 weitere erfahrene Radiologen.

Radiologische Befunde sprechen für Ausbreitung rund um Mulhouse

Diese ersten Ergebnisse wurden dann auch grafisch analysiert. „Die epidemiologische Kurve, die sich abzeichnet, ist signifikant", heißt es in der Mitteilung. Es scheint, dass tatsächlich die ersten in der Einrichtung festgestellten Fälle am 16. November auftraten. Danach sei ein sehr langsames Fortschreiten der Krankheit bis Ende Februar festgestellt worden, gefolgt von einem raschen Anstieg der Inzidenz mit einem Höhepunkt am 31. März. Der anschließende Rückgang müsse noch genauer untersucht werden, schreibt die Stiftung weiter. Gemeinsam mit weiteren Experten will das CNRS nun „eine epidemiologische Analyse der Ergebnisse" beginnen.

„Für Dr. Schmitt ist es eindeutig, dass bereits Anfang November einige wenige Fälle in der Region aufgetreten sind“, zitiert die Stiftung. „Das Virus hat sich dann sehr sporadisch weiterverbreitet. Zum Jahresende beschleunigte sich die Rate der Ansteckungen, wahrscheinlich gefördert durch Ereignisse wie Weihnachtsmärkte und Familienfeiern. Schließlich ist die Epidemie nach einer religiösen Versammlung in Mulhouse in der letzten Februarwoche explodiert."

Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle klinischen und paraklinischen Merkmale der Krankheit bekannt. Die Stiftung stellt aber auch fest, dass in der Region in diesem Winter auch „atypische Erkrankungsfälle bei Erwachsenen und Kindern vermerkt worden waren, die möglicherweise vorschnell als Grippe bewertet wurden". Die damals von den Ärzten berichteten Symptome erinnerten aber rückblickend an COVID-19: Fieber und Husten, die sich länger als gewöhnlich hielten, Aphonie, Anosmie, Agueusie, anhaltende Asthenie und Gewichtsverlust.

Positiver PCR-Test aus eingelagertem Abstrich von Ende Dezember

Auch andere Wissenschaftler kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie die Mediziner aus dem Elsass. So haben z.B. Prof. Dr. Yves Cohen, Leiter der Intensivstation des Avicenne-Krankenhauses in Bobigny und des Jean-Verdier-Krankenhauses in Bondy, und sein Team eingelagerte Abstriche von 24 Patienten mit Pneumonien aus dem Pariser Umland aus den Monaten Dezember und Januar serologisch mittels PCR-Tests untersucht.

Das Ergebnis: „Wir hatten einen positiven Fall von COVID-19 bereits bei einem Patienten, der am 27. Dezember des vergangenen Jahres bei uns hospitalisiert worden ist“, berichtete Cohen am 3. Mai.  Es handelte sich um einen 42jährigen Franzosen algerischer Abstammung mit Typ-2-Diabetes und Asthma, dessen letzte Auslandreise (nach Algerien) im August 2019 stattgefunden hatte. Vor seiner Erkrankung war eines seiner Kinder mit ILI (Influenca-Like-Illness) diagnostiziert worden. Der Mann konnte nach 2 Tagen wieder aus der Klinik entlassen werden.

Auch Cohen schlussfolgert aus diesem Fall, bei dem keine Verbindungen zu China nachweisbar seien, dass das Virus sich bereits Ende des vergangenen Jahres in Frankreich ausgebreitet hat. Cohen hat seine Ergebnisse im International Journal of Antimicrobial Agents veröffentlicht.

WHO fordert dazu auf, alte Proben erneut zu analysieren

Als Reaktion auf die neuen Daten hat nun die Weltgesundheitsorganisation WHO auch andere Staaten dazu aufgerufen, Proben ähnlicher Krankheitsfälle von Ende 2019 nachträglich auf eine Coronavirus-Infektion hin zu überprüfen. Es sei durchaus möglich, dass sich noch mehr Lungenentzündungs-Patienten als frühe Corona-Fälle entpuppten, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier. Diese Fälle zu entdecken, könne dazu beitragen, ein „neues und klareres Bild" des internationalen Ausbruchsgeschehens zu erhalten.

Chinesische Behörden hatten die WHO erstmals am 31. Dezember 2019 über die neue Lungenkrankheit unterrichtet. Bislang war angenommen worden, sie habe sich erst ab Januar auch in Europa ausgebreitet.

Update 05.05.2020: Fast 1.300 Neu-Infektionen, neue Maßzahlen und „der Versuch, das Virus in den Alltag einzupassen“

  • Fast 1.300 Neu-Infektionen seit gestern

  • Die neuen Maßzahlen: 50 (Neu-Infektionen), 100.000 (Einwohner), 7 (Tage)

  •  „Es ist der Versuch, das Virus, das uns erhalten bleiben wird, in den Alltag einzupassen“

Es war das vorerst letzte regelmäßige Pressebriefing des Robert Koch-Instituts zur Corona-Pandemie, in dem heute RKI-Vize-Präsident, Prof. Dr. Lars Schaade, am Tag 1 nach den Ankündigungen der Lockerungen (wir berichteten) einen Überblick zur derzeitigen Lage gab und Journalistenfragen beantwortete. Auch das RKI „lockert“ damit und will in Zukunft nur noch anlass-bezogene Pressekonferenzen zur Corona-Pandemie machen.

Fast 1.300 Neu-Infektionen seit gestern

Seit gestern sind laut RKI wieder mehr als 1.000, nämlich 1.284, Neuinfektionen gemeldet worden, sowie 123 neu im Zusammenhang mit COVID-19 Gestorbene. Laut John-Hopkins Universität haben wir damit 168.162 gemeldete Infektionen mit SARS-CoV-2 in Deutschland und 7.275 Menschen sind gestorben.

Trotzdem sieht Schaade weiterhin einen positiven Trend; er warnte, die täglichen gemeldeten Zahlen zu überinterpretieren, hier gebe es immer Schwankungen, etwa aufgrund von Meldeverzögerungen nach dem Wochenende. Über die gesamte Woche gesehen, gebe es im Vergleich zu den Vorwochen immer noch einen Trend zu einem Rückgang der Infektionen. Der Reproduktionsfaktor R wird derzeit auf 0,69 geschätzt.

Die neuen Maßzahlen: 50 (Neu-Infektionen), 100.000 (Einwohner), 7 (Tage)

Wie berichtet, hatte die Bunderegierung gemeinsam mit den Ländern gestern weitgehende Lockerungen der Corona-Restriktionen angekündigt. Welche Lockerungen, ab welchem Zeitpunkt genau gelten, sollen dabei die Länder jeweils angepasst an die jeweilige Situation festlegen. Um das Infektionsgeschehen aber weiterhin zu kontrollieren, gilt nun eine regionale Obergrenze für die Zahl der Neuinfektionen. Steigen diese auf über 50 pro 100.000 Einwohner innerhalb von 7 Tagen, soll ein regionaler Notfall-Mechanismus greifen, mit dem härtere Beschränkungen verbunden sind.

Es handle sich bei dieser Obergrenze um eine „politische Entscheidung“, sagte Schaade. Doch sei das RKI hier beratend tätig gewesen, und er halte den Grenzwert für „pragmatisch und grundsätzlich richtig“. Der RKI-Vize betonte die wichtige Rolle der Gesundheitsämter, die es in jedem Landkreis gibt, für die Identifizierung, Bewertung und Nachverfolgung der einzelnen Infektionen.

Noch weiter aufgestockt soll die Zahl der sogenannte Containment Scouts werden. Das sind Personen in den Gesundheitsämtern, die dafür geschult werden, gezielt und regional Ansteckungswege nachzuverfolgen. Bislang gibt es 350, demnächst sollen es laut Schaade 500 sein.

„Es ist der Versuch, das Virus, das uns erhalten bleiben wird, in den Alltag einzupassen“

Er betonte auch, dass wir uns „nach wie vor am Anfang der Pandemie befinden. Es wird sich noch lange hinziehen – noch Monate und bis ins nächste Jahr“, prognostizierte er. Die Lockerungen seien nicht so zu verstehen, dass wir nun das Schlimmste hinter uns hätten. „Es ist der Versuch, das Virus, das uns erhalten bleiben wird, in den Alltag einzupassen, dabei die Übertragungsraten niedrig zu halten und ein ‚normales‘ Leben in einer ‚neuen Normalität‘ zu führen.“ Dies unter Beibehaltung von Hygiene- und Distanz-Regeln sowie weiteren Einschränkungen.

„Wir müssen mit dem Virus leben, bis ein Impfstoff und eventuell auch wirksame Therapien verfügbar sind und dabei einen Weg finden, den Erreger auf niedrigem Niveau zu kontrollieren – und dabei trotzdem gesellschaftliches Leben zu ermöglichen. Das ist unser aktueller Ansatz“, erläuterte er.

Dabei gelte es, das Infektionsgeschehen eng zu monitoren, denn eine zweite Welle sei jederzeit möglich, eventuell sogar bereits im Juli oder August. „Das wird vor allem bestimmt durch unser eigenes Verhalten.“ Da eine gewisse Saisonalität des Erregers möglich sei – auch wenn diese nach bisherigen Erkenntnissen wohl nicht so stark ausgeprägt ist – sei der Herbst auf jeden Fall „eine Zeit, wo man genauer hinschauen muss“.

Update 05.05.2020: RKI-Chef Wieler: „Zweite oder dritte Welle wird kommen!“ Einschätzungen zur Heinsberg-Studie und dem Roche-Antikörper-Test

  • Nur 700 bis 1.000 Neuinfektionen täglich, Todesrate 4,2%

  • Heinsberg-Studie: Übertragbarkeit auf ganz Deutschland problematisch

  • Europa im Vergleich: Welche Maßnahme war wie erfolgreich?

  • „Es wird eine zweite oder sogar dritte Welle geben!“

  • Neuer Antikörper-Test und Immunitätsnachweise – auch hier gedämpfte Erwartungen

  • Eindeutig gefährlicher als die Influenza

Das Infektionsgeschehen in Deutschland entwickelt sich positiv – in den letzten Tagen sind täglich nur noch zwischen 700 und 1.000 Neuinfektionen gemeldet worden – von Montag auf Dienstag waren es z.B. „nur“ 685, berichtete RKI-Chef Prof. Dr. Lothar Wieler bei der heutigen Pressekonferenz des RKI. Derzeit beträgt die Reproduktionszahl R 0,71.

Nur 700 bis 1.000 Neuinfektionen täglich, Todesrate 4,2%

Weiter gestiegen ist die Rate der gemeldeten Infektion zu den mit COVID-19 in Zusammenhang stehenden Todesfällen – sie liegt nun bei 4,2%. Dies sei einem nach wie vor auch in Pflege- und Seniorenheimen sowie Krankenhäusern verbreiteten Infektionsgeschehen zuzurechnen, sagte Wieler. Es seien – wenn die Zahl der Neuerkrankungen auf diesem Wert bleibe – jedoch keine Engpässe in der Versorgung mit Intensivbetten zu erwarten.

Insgesamt sind laut RKI-Meldungen derzeit 6.831 Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. Wie bereits berichtet – und auch vom RKI-Chef nochmals betont – gehen Experten jedoch von einer Dunkelziffer und deutlich höheren Zahlen aus. Insgesamt waren laut RKI bis Dienstag 163.860 Infektionen mit SARS-CoV-2 in Deutschland registriert. „Es ist uns damit im internationalen Vergleich der Schutz der Bevölkerung vor der Erkrankung gut gelungen,“ zeigte sich Wieler zufrieden.

Derzeit gebe es Anstrengungen, die Testkapazitäten weiter zu erhöhen, um ein besseres Bild des Infektionsgeschehens zu bekommen. Bislang seien in Deutschland rund 2,4 Millionen Labortests erfolgt, 7,2% davon waren positiv.

Verstärkt diskutiert wird in den letzten Tagen, wie angemessen die weitreichenden Maßnahmen des „Lockdown“ und des „Social Distancing“ waren (und noch sind) – und wo regional und in welchen Bereichen, etwa bei Schulen oder Gastronomie, Lockerungen möglich sind, ohne die bisherigen Erfolge zu gefährden.

Heinsberg-Studie: Übertragbarkeit auf ganz Deutschland problematisch

Zu diesen Diskussionen beigetragen hat auch die Vorstellung der Publikation zur sogenannten Heinsberg-Studie gestern. Für diese Studie hatten Bonner Wissenschaftler bei knapp 1.000 Menschen in Gangelt, einem Ort im Kreis Heinsberg, Antikörper-Messungen vorgenommen. Bekanntlich hatte eine Faschingsveranstaltung dort zu einem örtlichen Infektions-Hotspot geführt.

Wie berichtet, hatte laut Studie ungefähr jeder 7. eine Infektion mit dem neuen Coronavirus durchgemacht. Bei nur 7 Todesfällen ergab sich eine Infection-Fatality-Rate (IFR) von nur 0,37%; und bei der Hochrechnung auf ganz Deutschland eine Zahl von bis zu 1,8 Millionen Menschen mit bereits durchgemachter Infektion in Deutschland.

Genau eine solche Übertragbarkeit betrachtet allerdings Wieler als problematisch, wie er in der Pressekonferenz sagte. Es habe sich in Gangelt um einen speziellen lokalen Ausbruch gehandelt, betonte er. Es handle sich um eine „gute Studie mit sauberem nachvollziehbarem Design“. Doch: „Die Daten gelten für Gangelt – wir sollten keine Schlüsse darüber hinaus ziehen“, sagte Wieler. „Das Geschehen dort ist nicht auf das ganze Land übertragbar.“ Dies gelte auch für die in der Studie festgestellte „erfreulich niedrige“ IFR von 0,37%.

Europa im Vergleich: Welche Maßnahme war wie erfolgreich?

Lässt sich aus dem eigentlich sehr ähnlichen Infektionsverlauf in den europäischen Ländern – trotz unterschiedlich strikter Maßnahmen wie z.B. Italien und Schweden – herauslesen, welche Maßnahmen mehr und welche vielleicht weniger zur Eindämmung des Geschehens beitragen?   

Dies sei leider nicht der Fall, meinte der RKI-Chef. Denn zu viele Variablen seien dabei zu berücksichtigen, etwa auch, zu welchem Zeitpunkt die Maßnahmen veranlasst wurden – nachdem sich die Erkrankung schon längere Zeit unbemerkt in der Bevölkerung ausgebreitet hatte, wie etwa in Italien, oder eher früh, wie in Deutschland. „Es ist leider nicht möglich, einzelnen Maßnahmen hier Effekte zuzuordnen. Wir gehen davon aus, dass es das Bündel an Maßnahmen war, welches zum Erfolg geführt hat – und die Tatsache, dass wir möglichst früh die Maßnahmen implementiert haben.“   

Mit zunehmender Lockerung der Maßnahmen steige nun natürlich auch das Risiko, dass sich die Infektion wieder verbreite. Bleibe dabei aber insgesamt die Zahl der täglichen Neuinfektionen im 3-stelligen Bereich seien die Chancen gut, dass die Infektionsketten nachvollziehbar blieben und regionale Ausbrüche früh erkannt und kontrolliert werden könnten, betonte der RKI-Chef.

„Es wird eine zweite oder sogar dritte Welle geben!“

Wo bleibt die App, um genau diese Kontaktverfolgung zu erleichtern, lautete eine andere Frage. Wenn es so lange dauert, benötigen wir die überhaupt noch? Wielers Antwort darauf mag für manche, die auf rasche Lockerungen drängen, desillusionierend sein: Das Virus werde uns im Alltag noch lange Zeit begleiten, bis eine Durchseuchung von 60 bis 70% in der Bevölkerung erreicht sei, betonte er. „Es wird eine zweite oder sogar dritte Welle geben.“ Davon seien alle Experten überzeugt.

Und die App werde kommen und noch sehr hilfreich sein, doch seien die Anforderungen in puncto Datenschutz aufwändig zu erfüllen und benötigten Zeit. Die App sei ein Werkzeug von einem ganzen Strauß von Maßnahmen, die die Deutschen in ihrem „neuen Alltag mit Abstand“ begleiten würden, so der RKI-Chef.

Neuer Antikörper-Test und Immunitätsnachweise – auch hier gedämpfte Erwartungen

Können der Nachweis einer durchgemachten Infektion mithilfe von Antikörper-Tests und sogenannte „Immunitätsnachweise“ zumindest für Teile der Bevölkerung eine Erleichterung bringen? Gerade gestern hat, wie berichtet, das Unternehmen Roche einen neuen Antikörper-Test vorgestellt. Er bestimmt aus venösem Blut Antikörper auf das SARS-CoV-2-Virus mit einer Spezifität und Sensitivität von über 99%. Er soll ab Mitte Mai verfügbar sein – und Roche will bis zu 5 Millionen Tests in Deutschland pro Monat anbieten.

Auch hier dämpfte Wieler allerdings zu hohe Erwartungen. Der Test scheine zwar sehr zuverlässig Antikörper gegen das Nukleokapsid-Protein des Virus nachzuweisen. Er differenziere dabei aber nicht zwischen den verschiedenen Immunglobulinen IgM, IgG und IgA, sagte Wieler. Und: Wie hoch die Affinität der gemessenen Antikörper zu einer tatsächlichen Immunität sei, auch dazu fehle letztlich die wissenschaftliche Evidenz. Kurz gesagt: „Wir wissen noch nicht, welche Antikörper wir messen müssen, um zu sagen, ob jemand immun ist.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte ursprünglich geplant, die Einführung eines Immunitätsausweises im Corona-Gesetz zu regeln, das am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird. Allerdings ist er nun nach juristischen Bedenken zurückgerudert und will dazu erst eine Stellungnahme des Deutschen Ethikrates abwarten.

Eindeutig gefährlicher als die Influenza

Bei der RKI-Pressekonferenz rechtfertigte Wieler auch nochmals die Maßnahmen gegen das neue Coronavirus gegenüber Nachfragen, die Pandemie sei eventuell nicht gefährlicher als übliche saisonale Grippe-Epidemien. Zum Vergleich mit der Schweinegrippe sagte er, diese habe geschätzt weltweit rund 180.000 Todesfälle verursacht. SARS-CoV-2 sei allein schon aufgrund der bislang erfassten Daten (die das Infektionsgeschehen mit Sicherheit unterschätzten) deutlich gefährlicher und tödlicher mit derzeit 3,6 Millionen nachgewiesenen Infektionen und 252.000 Todesfällen. Und dies bei einem quasi weltweiten Shutdown.

Er betonte auch, dass beim pandemischen Potenzial des neuen Erregers zu berücksichtigen sei, dass es keinerlei Immunität gegen ihn in der Bevölkerung gebe. Dagegen bestehe bei der Influenza, die seit Jahrzehnten um die Welt gehe, eine Grundimmunität in weiten Teilen der Bevölkerung, zudem gebe es gegen die Grippe Impfungen und Medikamente, auch wenn diese in ihrer Wirksamkeit noch verbesserungswürdig seien.

Update 30.04.2020: Mehr Tote als gemeldet? Neue Testkriterien; Schlaganfall und Infarkt als COVID-19-Folgen

  • Nur noch 1.000 bis 1.500 Neu-Infektionen täglich, R wieder bei 0,76

  • Erste Daten zur Exzess-Mortalität – mehr Tote als gemeldet?

  • Aktualisierung der Testkriterien: Jeder Atemwegsinfekt und auch Symptomlose

  • Mitarbeiter am Deutschen Herzzentrum „vorbeugend“ getestet

  • Plötzlicher Herztod, Infarkt oder Schlaganfall in jungen Jahren als COVID-19-Folgen

Die heutige Pressekonferenz des RKI nutzte deren Chef Prof. Dr. Lothar Wieler um an die Bevölkerung zu appellieren, weiter mit den geforderten Maßnahmen durchzuhalten, nicht „zu lässig“ mit dem Erreger umzugehen und dessen Gefahren nicht zu unterschätzen. „Bisher ist es uns gut gelungen, das Virus in Schach zu halten“, sagte er.

Nur noch 1.000 bis 1.500 Neu-Infektionen täglich, R wieder bei 0,76

Zur Bestätigung nannte er Zahlen: Die gemeldeten Neu-Infektionen pro Tag sind in der vergangenen Woche auf 1.000 bis 1.500 gesunken. Die Reproduktionszahl R liege bei geschätzt 0,76 – ein Infizierter steckt also im Schnitt weniger als eine weitere Person an, das Infektionsgeschehen ist damit weiter rückläufig.

Inzwischen sind in Deutschland rund 6.300 Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 an das RKI gemeldet worden. Die Rate der gemeldeten Todes- zu den Infektionsfällen (bislang knapp 160.000) beträgt in Deutschland demnach 4,0% - und ist damit laut Wieler im internationalen Vergleich immer noch niedrig. Die entsprechenden Raten betragen z.B. für die USA 5,8% bei mehr als einer Million nachgewiesenen Infektionen, in Spanien 11,3% bei 210.000 gemeldeten Infizierten und in Großbritannien 13,5% bei rund 161.000 bestätigten Infektionen.

Doch auch die Rate von 4% sei noch „relativ hoch“, meinte Wieler, was vor allem den zunehmenden Infektionen bei Älteren geschuldet sei. Das mittlere Alter der Gestorbenen liegt bei 81 Jahren. Dagegen sind diejenigen mit den neu gemeldeten Infektionen im Schnitt 50 Jahre alt. Ungefähr ein Fünftel der Infizierten (17%) muss derzeit hospitalisiert werden, 2,7% haben eine Lungenentzündung.   

Auf Einwände, bei der als so wichtig erachteten Reproduktionszahl, gebe es relativ große Schwankungen über kurze Zeiträume, erklärte ein RKI-Mitarbeiter bei der Pressekonferenz, dass die Schwankungen umso ausgeprägter würden, je niedriger die Zahl der neu gemeldeten Infektionen werde. „Damit kommen auch die regionalen Cluster mehr zum tragen“, erläuterte er.

Erste Daten zur Exzess-Mortalität – mehr Tote als offiziell gemeldet?

Inzwischen lägen auch erste Daten zur Übersterblichkeit in bestimmten Regionen Deutschlands vor, berichtete Wieler. Diese zeigten eine leichte Erhöhung der Exzess-Mortalität. „Genaue Daten werden wir in Kürze haben“, kündigte der RKI-Chef an. In anderen stärker betroffenen Ländern sei bereits eine deutliche Übersterblichkeit in den Monaten während der Corona-Pandemie nachgewiesen worden.

Auf Nachfrage sagte er, es gebe Hinweise und er vermute auch, dass mehr Menschen infolge der Corona-Pandemie gestorben seien als derzeit offiziell gemeldet werden. „Doch belastbare Daten werden wir erst in einigen Monaten haben.“

Aktualisierung der Testkriterien: Jeder Atemwegsinfekt und auch Symptomlose

Wieler forderte die Hausärzte erneut auf, nun auch „niedrigschwellig“ zu testen. „Jeder mit einer akuten Atemwegssymptomatik sollte getestet werden! Je früher wir die Infektionsketten identifizieren, umso besser.“ Es seien ausreichend Testkapazitäten – rund 860.000 pro Woche derzeit – in Deutschland verfügbar. Genutzt wurden in der vergangenen Woche nur 467.000 Tests; etwa 25.000 davon, rund 5,4%, seien positiv gewesen. Diese eher geringe Rate bestätigte auch, dass bereits niedrigschwelliger getestet werde, was „sehr erfreulich“ sei.

Auch die Frage, ob bereits ohne Symptome getestet werden solle, müsse in Zukunft differenzierter betrachtet werden, sagte Wieler. Vor dem Hintergrund einer präsymptomatischen Virusausscheidung, bereits 1 bis 3 Tage vor Symptombeginn, sowie der breiten Verfügbarkeit der Tests könne es sinnvoll sein, auch ohne Symptome zu testen, etwa in Einrichtungen, in denen es viele Risikopersonen gebe, z.B. in Krankenhäusern oder im Pflegebereich. Die Empfehlungen dafür würden derzeit erweitert und seien bald in aktualisierter Form verfügbar.

Er warnte aber auch, ein negatives Testergebnis über zu interpretieren und sich dadurch in falscher Sicherheit zu wiegen. Des negative Testergebnis gebe eben nur eine „Momentaufnahme“ wider – und der Betroffene könne sich auch noch in der Inkubationszeit befinden.

Mitarbeiter am Deutschen Herzzentrum werden „vorbeugend“ getestet

Wie das Deutsche Herzzentrum Berlin aktuell mitteilt, sollen dort nun (auf freiwilliger Basis) alle Mitarbeiter mit Patientenkontakt sowohl auf das Coronavirus als auch auf Antikörper getestet werden. Dies sei als „Vorbeugemaßnahme“ gedacht und soll mehrfach wiederholt werden. „Wir rechnen – wenn überhaupt – nur mit sehr wenigen virus-positiven Testergebnissen“, wird der Leiter des Projekts, der Kardiologe Prof. Dr. Philipp Stawowy, in einer Pressemitteilung zitiert: „Aber mit jedem einzelnen Infektionsfall, den wir frühzeitig erkennen und sofort vom Dienst freistellen können, schaffen wir mehr Sicherheit.“

Plötzlicher Herztod, Infarkt oder Schlaganfall in jungen Jahren als COVID-19-Folgen

Inzwischen weisen auch immer mehr Daten darauf hin, dass eine Infektion mit dem Coronavirus nicht nur für die Lunge, sondern auch für andere Organe gefährlich ist. Es scheint bei Herztodesfällen und Infarkten, aber auch bei Schlaganfällen von jüngeren Menschen eine Bedeutung zu haben.

In einem aktuellen Brief im NEJM berichten italienische Ärzte aus den schwer von COVID-19 betroffenen Regionen in Norditalien über eine Zunahme an plötzlichen Herztodesfällen außerhalb von Kliniken in Zeiten der Corona-Pandemie. So habe die Rate plötzlicher Herztodesfälle in den 40 Tagen zwischen dem 21. Februar und dem 31.März 2020 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um 58% zugenommen (362 vs 229 Fälle). Solche Anstiege verschiedenen Ausmaßes seien in allen 4 analysierten Provinzen aufgetreten, schreiben sie. Dabei habe es eine enge Assoziation mit dem zeitlichen Verlauf und der Inzidenz von COVID-19 gegeben. Bei 103 der Toten sei zuvor eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen worden.

Bereits vergangene Woche hatten New Yorker Ärzte ebenfalls im NEJM von 18 hospitalisierten COVID-19-Patienten mit ST-Hebungsinfarkt berichtet, alle hatten erhöhte D-Dimer-Werte, was auf einen prothrombotischen Status hinweist – 13 der Patienten starben.

Ebenfalls aus New York kommen Fallberichte im NEJM von 5 Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion, die unter 50 Jahre alt waren und sich mit einem schweren Schlaganfall präsentierten. Die Autoren schildern den Fall einer 33-jährigen zuvor gesunden jungen Frau etwas detaillierter und berichten, dass normalerweise im gleichen Zeitraum von 2 Wochen, in denen diese 5 jungen Schlaganfall-Patienten in ihre Klinik eingeliefert wurden, sie weniger als einen derartigen Patienten sehen.  

Update 28.04.2020: RKI: Hausärzte sollen mehr testen; kontrollierte Herdenimmunität ist „naiv und gefährlich“

  • Reproduktionzahl nur noch knapp unter 1,0

  • RKI-Chef Wieler appelliert: Den Erfolg verteidigen!

  • Hausärzte sollen „früh und umfassend“ testen

  • Kontrollierte Herdenimmunität? „Naiv und gefährlich“

  • WHO warnt vor „Immunitätsausweisen“

Die Reproduktionszahl R für COVID-19 ist wieder gestiegen. Sie liegt nur noch knapp unter 1,0, nämlich bei 0,96, wie RKI-Chef Prof. Dr. Lothar Wieler bei der heutigen Pressekonferenz mitgeteilt hat. Eine Reproduktionszahl von über 1, wenn also 1 Infizierter im Schnitt mehr als eine weitere Kontaktperson ansteckt, würde bedeuten, dass sich das Infektionsgeschehen in Deutschland wieder weiter ausbreitet.

Erfreulich habe sich aber die Zahl der Infektionen entwickelt, berichtete der RKI-Chef. So seien in der vergangenen Woche täglich rund 2.000 neue Infektionen gemeldet worden, in den vergangenen 2 Tagen sogar nur noch rund 1.000 täglich.

RKI-Chef Wieler appelliert: Den Erfolg verteidigen!

Beide Kennziffern gemeinsam, die Reproduktionszahl, aber auch die tägliche Zahl der Neuinfektionen seien wichtig für die Pandemie, betonte Wieler. Denn bei einem R von 1,0 und 1.000 täglichen Infektionen bestehe eine realistische Chance die Kontaktpersonen der Neu-Infizierten nachzuverfolgen und zu isolieren, was aber z.B. bei einer R von 1,0 und sehr viel mehr täglichen Neu-Infektionen nicht mehr möglich sei. 

Er richtete einen dringenden Appell an die Bevölkerung: „Es ist uns bisher in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ gut gelungen, durch die Pandemie zu kommen. Wir sollten den Erfolg, den wir gemeinsam erarbeitet haben, nun verteidigen“, sagte er.

Daher sei es dringend notwendig in „eine neue Normalität“ zu finden und sich weiter an Regeln zu halten, nämlich soweit es geht, Zuhause zu bleiben, die Kontaktbeschränkungen, den Mindestabstand von 1,50 Metern sowie die Husten- und Nies-Etikette und Handhygiene einzuhalten sowie einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und dabei auch auf dessen korrekte Handhabung zu achten.

Wieler präsentierte die aktuellen Fallzahlen, nach denen immer noch „eine relativ hohe Rate“ zwischen 100 und 300 Todesfälle von COVID-19-Patienten täglich gemeldet werden. Die Quote der gemeldeten Infektionen im Verhältnis zu den Todesfällen habe sich weiter auf inzwischen 3,8% erhöht.

Insgesamt seien rund 6.000 Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. 87% der Gestorbenen waren über 70 Jahre alt, das Durchschnittsalter lag bei 81 Jahren. Dies sei auch verschiedenen Ausbrüchen in Alten- und Pflegheimen und Kliniken geschuldet, wo sich die besonders vulnerablen Patienten finden, berichtete er.

Hausärzte sollen „früh und umfassend“ testen

Derzeit verfüge Deutschland über ausreichende Kapazitäten nicht nur bei den Klinik- und Intensivbetten sondern auch bei den diagnostischen Möglichkeiten. Daher habe das RKI auch die Schwelle für die Testungen immer weiter herabgesetzt. Er forderte, „vor allem im Hausarztbereich möglichst früh und umfassend zu testen – wir haben die nötigen Kapazitäten!“

Auf Nachfrage spezifizierte er, dass damit gemeint sei, dass Hausärzte auch bereits bei diskreten Symptomen einer Erkältung die Patienten testen sollten. Symptomfreie Menschen zu testen, könne in bestimmten „vulnerablen Settings wie Pflegeheimen sinnvoll sein“, so der RKI-Chef. Allerdings müssten hier noch entsprechende Lösungen für die Erstattung der Tests durch die Kassen etabliert werden.  

Das Tragen eines Mund-Nasenschutzes, wie er jetzt fast überall beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr vorgeschrieben ist, werde auch vom RKI befürwortet. Der Weltärztepräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery hatte die Regierung für diese Maskenpflicht kritisiert. Denn nachdem versäumt worden sei, ausreichend geeignete Masken für die Bevölkerung zu besorgen, bestehe nun die Gefahr, dass sich die Menschen mit unsachgemäßem Mund-Nasenschutz und dessen falscher Handhabung selbst kontaminierten, befürchtet Montgomery. Wieler verwies auf Internetseiten, etwa des BfArM, in denen die korrekte Verwendung der Masken erläutert werde.

Kontrollierte Herdenimmunität? „Naiv und gefährlich“

Vom Konzept, eine „kontrollierte Herdenimmunität“ in der Bevölkerung anzustreben, hält Wieler nichts, wie er sagte. Dies sei schon aufgrund einiger Besonderheiten des Erregers „wohl kaum möglich“. Denn SARS-CoV-2 sei aufgrund seiner ausgeprägten Übertragbarkeit und z.B. dem Umstand, dass er schon vor Symptomausbruch übertragbar sei – der Tag mit der höchsten Infektiosität scheint tatsächlich der Tag vor dem Symptomausbruch zu sein – „nur schwer zu kontrollieren“. Er halte das Konzept der kontrollierten Herdenimmunität für „naiv und gefährlich“, sagte Wieler. Er könne die Debatte darum nicht nachvollziehen, so lange es keine Medikamente und keinen Impfstoff gebe, werde diese Herdenimmunität immer mit dem Tod zahlreicher Menschen erkauft.

Antikörpertests für die Bevölkerung siegt das RKI kritisch. Viele Tests seien unzuverlässig, betonte Wieler. Es bestehe die Gefahr, dass sich Menschen dadurch in falscher Sicherheit wiegen und nicht mehr z.B. an die Maßnahmen des „Social Distancing“ halten.

WHO warnt vor „Immunitätsausweisen“

Am Wochenende hat auch die WHO dem Konzept von „Immunitätsausweisen“ („Immunity passports“) eine Absage erteilt. Die Idee war, diese an Personen auszustellen, die bereits eine COVID-19-Infektion hinter sich und damit Antikörper haben. Die WHO verweist darauf, dass es immer noch nicht zweifelsfrei erwiesen sei, dass diese Menschen tatsächlich immun gegen eine erneute Infektion sind – und sieht die Gefahr, dass, wenn man positiv Getesteten erlaube, etwa ohne Schutzmaßnahmen zu arbeiten oder wieder zu reisen, dies die Ausbreitung des Erregers weiter fördern könne.

Update 24.04.2020: Chloroquin und Hydroxychloroquin: Die Schatten werden länger…

  • Chloroquin und Hydroxychloroquin galten zu Beginn der COVID-19-Pandemie als vielversprechende Wirkstoffe

  • Mehrere Studien zeigen – speziell in hoher Dosierung – kardiale Risiken

  • Ob die Pharmaka gegen SARS-CoV-2 wirksam sind, bleibt fraglich

  • Die EMA warnt Ärzte vor dem Einsatz außerhalb von Studien 

Für Amerikas Präsidenten Donald Trump waren Chloroquin/Hydroxychloroquin und Azithromycin Geheimwaffen gegen COVID-19. Auch die US Food and Drug Administration (FDA) ließ sich überzeugen – und gab grünes Licht für den massenhaften Einsatz in Form einer Emergency Use Authorization. Dagegen wehrten sich 2 frühere leitende FDA-Mitarbeiter. Jetzt melden sich 50 Experten des US National Institutes of Health (NIH) zu Wort – und lehnen Trumps Therapievorschlag offen ab.

Mahnende Worte von der EMA

Auch die European Medicines Agency (EMA), sie hatte die Wirkstoffe nie außerhalb klinischer Studien empfohlen, meldet sich mit einer Mahnung zu Wort. „Einige klinische Studien, in denen derzeit die Wirksamkeit von Chloroquin oder Hydroxychloroquin bei der Behandlung von COVID-19 untersucht wird, verwenden höhere Dosen als die für die zugelassenen Indikationen empfohlenen“, schreibt die Arzneimittelagentur.

„Während bereits bei den empfohlenen Dosen schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten können, vergrößern höhere Dosen das Risiko dieser Nebenwirkungen erheblich, einschließlich abnormaler elektrischer Aktivität, die den Herzrhythmus beeinflusst (QT-Verlängerung).“ Als Quelle nennt die EMA 2 kürzlich als Preprint veröffentlichte Arbeiten.

Brasilianische Studie: Risiken bei Hochdosis-Therapie

Brasilianische Forscher berichten von einer doppelblinden, randomisierten klinischen Studie der Phase 2b, die die Sicherheit und Wirksamkeit von unterschiedlichen Chloroquin-Dosierungen bei stationären COVID-19-Patienten bewerten sollte. Diese erhielten entweder 600 mg Chloroquin (2 Mal täglich über 10 Tage) oder 450 mg (2 Mal täglich nur am ersten Tag, ansonsten 1 Mal täglich, insgesamt über 5 Tage). Hinzu kamen Ceftriaxon und Azithromycin gegen bakterielle Sekundärinfekte. Ausgewertet wurden Daten von 81 Patienten. 

Im Hochdosis-Arm zeigten sich mehr QT-Intervalle >500 ms (relativ 25%) und einen Trend zu höherer Letalität (relativ 17%), verglichen mit der niedrigeren Dosierung. „Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass die höhere Dosierung (10-Tage-Schema) für die Behandlung mit COVID-19 wegen seiner potenziellen Sicherheitsrisiken nicht empfohlen werden kann“, schreiben die Autoren.

Studie aus den USA bzw. aus UK: Kombination mit Azithromycin möglicherweise kritisch

Wissenschaftler aus Großbritannien bzw. Amerika nutzen in einer anderen Übersicht die Tatsache, dass Chloroquin/Hydroxychloroquin bei rheumatoider Arthritis verordnet werden, um das Nebenwirkungspotenzial zu bewerten. Basis waren Patientendaten aus Deutschland, aus den Niederlanden, aus Spanien, aus Großbritannien und aus den USA. 

Verglichen wurden bei der retrospektiven Analyse unerwünschte Ereignisse bei Hydroxychloroquin (n=956.374), Sulfasalazin (n=310.350), Hydroxychloroquin/Azithromycin (n=323.122) und Hydroxychloroquin/Amoxicillin (n=351.956). Zur Dosierung machen die Autoren hier keine Angaben. Laut deutschsprachiger Fachinformation liegt die Einstiegsdosis bei Rheuma aber deutlich niedriger als in der brasilianischen Studie, und zwar bei etwa 155 mg Chloroquin pro Tag.

Beim Vergleich der 30-tägigen Einnahme von Hydroxychloroquin und Sulfasalazin wurde kein übermäßiges Risiko unerwünschter Ereignisse festgestellt. Wenn jedoch Azithromycin mit Hydroxychloroquin kombiniert wurde, fanden die Autoren Assoziationen mit einer höheren kardiovaskulären Mortalität innerhalb von 30 Tagen (Hazard Ratio 2,19), mit Brustschmerzen bzw. Angina pectoris (HR 1,15) und mit Herzinsuffizienz (HR 1,22). 

Ihr Fazit: „Die kurzfristige Behandlung mit Hydroxychloroquin ist sicher, aber die Zugabe von Azithromycin kann zu Herzinsuffizienz und kardiovaskulärer Mortalität führen, möglicherweise aufgrund synergistischer Effekte auf die QT-Länge. Wir mahnen zur Vorsicht, wenn eine solche Kombinationen zur Behandlung von Covid-19 eingesetzt werden sollen.“

Retrospektive Auswertung findet Risiken – aber keinen Nutzen

Es geht aber nicht nur um unerwünschte Effekte, sondern auch um die Wirkung. Eine retrospektive ausgewertete Kohorte mit 368 US-Veteranen, alle litten an COVID-19, blieb Belege zum Mehrwert der Pharmakotherapie schuldig. Es gab keine Assoziation mit weniger Beatmung. In einer Subgruppe, die Patienten erhielten nur Hydroxychloroquin, aber kein Azithromycin, fand man sogar Assoziationen mit einer höheren Mortalität. Angaben zur Dosierung fehlen im Preprint. Letztlich bleibt Ärzten damit nur, auf Ergebnisse laufender RCTs zu warten.

Update 23.04.2020: Zwischen steigender Arbeitsbelastung und Existenzsorgen: Was Kollegen in der Krise erleben

  • So hat die COVID-19-Pandemie den Arbeitsalltag verändert

  • Angst vor Infektionen: Diese Folgen hat COVID-19 für das Privatleben

  • Das bereitet Sorgen: Gesundheit und Entscheidungen der Politik

  • Motiviert oder desillusioniert – die Stimmung im Team

  • Fehlende Schutzausrüstung und ein Informations-Tsunami: Diese Herausforderungen meistern Ärzte

  • Tipps für Kollegen

„Wie geht´s?“ wollte Medscape von Ärzten und Mitarbeiter in Gesundheitsberufen in einer anonymen Mini-Umfrage wissen. Mit 7 Fragen an unsere Leser bekamen wir Einblicke, was sie derzeit in der Corona-Krise bewegt. Kollegen teilen ihre beruflichen und auch sehr persönliche Erfahrungen. Hier fassen wir die Ergebnisse dieses Stimmungsbildes zusammen.

Mehrere Ärzte weisen darauf hin, wie wichtig es sei, sich in der Praxis und der Klink zu schützen. „Viele Kollegen nehmen das Risiko einer Infektion auf die leichte Schulter, dadurch gehen die Ausbrüche in den Kliniken häufig von den Mitarbeitern aus“, heißt es in einem Kommentar. Zuletzt kam es in der Onkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zu einem COVID-19-Ausbruch. 20 Angestellte und 20 Patienten sind erkrankt, wie Medscape berichtet hat.

Für Kollegen ist die aktuelle Pandemie aber auch Grund genug, über das deutsche Gesundheitssystem nachzudenken. Sie kommen zu unterschiedlichen Bewertungen. In der aktuellen Situation war die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses, telefonische Krankschreibungen nicht zu verlängern, auf Unverständnis gestoßen ( Medscape hat berichtet ). Schließlich musste der G-BA zurückrudern.

Auch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz wird kontrovers diskutiert. Kritiker fordern bei der Medscape-Umfrage, dem politischen Druck zu widerstehen und notfalls zu demonstrieren. „Lasst Euch nicht mit Applaus und einem Bonusversprechen abspeisen.“ Und weiter: „Bei fehlender Schutzkleidung konsequent streiken, bis Gesundheitsminister Jens Spahn seine Fehler eingesteht.“

Dem stehen einige Ärzte gegenüber, die vor Aktionismus warnen: „Helft mit, die Panik zu beenden, ermittelt die wahren Todesursachen. Teilt der Bevölkerung mit, wie viele Betten leer stehen oder auch nicht. Hier sieht es so aus: Die Klinik hält 120 Betten vor – für 4 Corona-Patienten.“ Und ein Kollege ergänzt: „Im Jahr 2013 wurden laut Krebsgesellschaft insgesamt 121.000 Tote als Folge des Rauchens diagnostiziert. ...Trotzdem wird das Rauchen nicht als Volksbedrohung thematisiert. Die Unverhältnismäßigkeit bezüglich des Coronavirus ist unfassbar, die Wirtschaft stürzt ins bodenlose.“

So hat die COVID-19-Pandemie den Arbeitsalltag verändert

Auch bei der Belastung durch Patienten mit SARS-CoV-Infektion zeichnet sich ein unterschiedliches Bild ab. „Ich bin in einem Krankenhaus eingeteilt, das ausschließlich Corona-Patienten behandelt. Für mich hat sich alles verändert (…)“, schreibt eine Neurologin in Ausbildung.

Andere Kollegen merken davon wenig. Weil Kliniken planbare Eingriffe rechtzeitig verschieben konnten, stehen viele Betten leer, beispielsweise 3.000 im Saarland und knapp 3.000 in Nordrhein-Westfalen. Manche Krankenhäuser haben sogar Kurzarbeit angemeldet. Und laut DIVI-Intensivregister gibt es noch ausreichende Kapazitäten im intensivmedizinischen Bereich.

Ähnliche Erfahrungen machen niedergelassene Ärzte derzeit. „Die Praxis ist leer, und vor allem ältere Patienten verschieben womöglich ihren Arztbesuch“, hieß es in einer Antwort. Zeitgleich gewinnen Telefonate und Videosprechstunden an Bedeutung, „die Patienten nicht helfen, sondern sie ruhigstellen sollen“.

Betroffen sind niedergelassene Allgemeinmediziner und Fachärzte gleichermaßen. „Als Orthopäde ist mein Praxisalltag fast völlig zusammengebrochen. Noch kommt Geld durch ausstehende Rechnungen rein, aber ab nächsten Monat wird es prekär“, so ein Kollege. Das bestätigt ein Zahnarzt: „Wir sind in unserer Praxis nur noch an 4 Tagen und jeweils 3 Stunden im Einsatz und haben Kurzarbeit angemeldet sowie 2 Mitarbeiterinnen ganz nach Hause geschickt.“

Angst vor Infektionen: Diese Folgen hat COVID-19 für das Privatleben

Beim Privatleben zeichnet sich vor allem die Sorge um die eigene Familie ab, speziell bei Personen mit hohem Risiko wie älteren Menschen, die Vorerkrankungen haben. „Die Kinder leiden am schlimmsten“, so ein Kommentar bei der Abfrage mit Hinweis auf den Lockdown.

Ansonsten gibt es Interschiede je nach beruflicher Situation. Wer im Krankenhaus tätig ist und mit COVID-10-Fällen arbeitet, hat praktisch keine Zeit mehr für Verwandte und Bekannte – oder meidet den Kontakt aus Angst, Angehörige zu infizieren. Im Home-Office gibt es ganz andere Themen: „Kinder mit Home Schooling zu bespaßen ist eine Herausforderung für uns alle“, kommentiert ein Arzt.

Das bereitet Sorgen: Gesundheit und Entscheidungen der Politik

Nach den größten Sorgen in der aktuellen Pandemie gefragt, gaben viele Kollegen die eigene Gesundheit, die Gesundheit der Familie und des Praxisteams an. Sie stören sich auch an „unsinnigen politischen Entscheidungen“ beziehungsweise „Entscheidungen ohne Sachverstand“.

Andere warnen, jetzt Maßnahmen des Shutdowns aufzuweichen, um später eventuell neue Einschränkungen durchzusetzen ( Medscape berichtete ). „Die Leute benehmen sich weiterhin, als wäre nichts“, schreibt ein Arzt. Viel Kopfzerbrechen bereitet aber auch die Zukunft: „Es wird dauern, bis sich wieder Normalität einstellt“, heißt es in einem Kommentar. Das betrifft gesellschaftliche Einschränkungen, aber auch ökonomische Rahmenbedingungen bis hin zum „wirtschaftlichen Totalausfall“.

Motiviert oder desillusioniert – die Stimmung im Team

Je nach beruflicher Situation unterscheidet sich auch die Stimmung im Team – von „gut, weil kaum direkt betroffen“ über „vorsichtig“ bis hin zu „gereizt“ und „erschöpft“. Doch selbst in der Krise sind Ärzte motiviert, ihr Bestes zu geben: „Wir haben uns, wir halten zusammen“, heißt es in einem Kommentar. Ein anderer Arzt schreibt: „Wir retten Leben und lindern Leiden, die Bevölkerung ist dankbar und lässt uns das spüren.“

Fehlende Schutzausrüstung und ein Informations-Tsunami: Diese Herausforderungen meistern Ärzte

Nach den größten Herausforderungen gefragt, werden „viele Informationen von zu vielen Stellen“, sprich eine „Informationsflut“ genannt, was zu „Hysterie und Panikmache“ geführt habe. Auch Vorgaben des Robert Koch-Instituts zur Hygiene seien teilweise „nicht realistisch im Arbeitsalltag“. Fehlende Schutzausrüstung macht die Sache nicht besser. Und auch die Umstellung gewohnter Arbeitsabläufe stresst das Personal.  

Tipps für Kollegen

Abschließend wollte Medscape wissen, welche Tipps Ärzte für ihre Kollegen hätten.

  • Generell: „Nicht ins Bockshorn jagen lassen. Angst macht auch krank.“ Und: „Bewahren Sie Ruhe!“

  • Im Beruflichen Alltag „Schutz, Schutz, Schutz“ – von der Handhygiene und der Maske bis zum selbstgebastelten Visier, falls es Engpässe gibt. Auch zu Impfungen gegen Pneumokokken wird geraten.

  • An Entscheidungsträger gerichtet lohne sich „offener Protest“. Denn ohne ausrechend viele, qualifizierte Ärzte breche das System zusammen. Das würden aktuell Vergleiche mit den Nachbarländern belegen.

  • „Durchhalten und Hirn einschalten, also nicht alles umsetzen, was die Politik besser zu wissen glaubt als wir Ärzte, die täglich am Bett der Patienten stehen. Auch mal nein sagen, denn irgendwann ist auch mal Schluss mit Einspringen und Selbstaufgabe.“

Warnung vor Wucht der 2. Welle; Herdenimmunität weit weg; R-Wert steigt – Todesfälle auch; Tests auch ohne Symptome

  • Warnung vor „Diffusionseffekten“ und der „Wucht einer zweiten Infektionswelle“

  • „Noch nicht mal in der Nähe einer Herdenimmunität“

  • R-Wert wieder auf 0,9 gestiegen – ein Hoch bei den Todesfällen

  • Krankenkassen sollen Tests auch ohne Symptome zahlen

Es ist noch lange nicht Schluss. Die Corona-Krise wird uns alle noch lange Zeit beschäftigen. Das machen die Meldungen des heutigen Tages klar. Prof. Dr. Christian Drosten warnt in seinem aktuellen NDR-Podcast vor der „Wucht einer weiteren Infektionsquelle“. Der Virologe von der Berliner Charité sorgt sich, dass der Umgang mit den Gefahren des Erregers nach den ersten Lockerungen zu unbekümmert und fahrlässig werden könnte.

Warnung vor „Diffusionseffekten“ und der „Wucht einer zweiten Infektionswelle“

Das Infektionsgeschehen könne sich „unter der Decke der Maßnahmen“ fortsetzen, erläutert er. Denn es gebe z.B. lokale „Konzentrationsgradienten“ – an manchen Orten, hat sich der Erreger schon weiter verbreitet, an anderen noch kaum. Im Sinne einer „Diffusion“ neigten solche Gradienten dazu, sich mit der Zeit auszugleichen. Bisher seien diese Gradienten durch die Maßnahmen der Kontaktminimierung und des wirtschaftlichen „Shutdown“ quasi eingefroren worden – lockere man diese Maßnahmen nun, glichen sich die Gradienten an.   

Ähnliches gelte für die Altersstruktur der Infizierten. Waren es zu Beginn – weil die meisten Infektionen durch gesunde, sportliche Skifahrer mittleren Alters eingeschleppt wurden – noch die jüngeren Altersgruppen, die erkrankten, verlagere sich dies zunehmend auf ältere Bevölkerungsschichten – und zunehmend gibt es Infektionen in Alters- und Pflegeheimen, wie auch das RKI bei seiner heutigen Pressekonferenz bestätigte. 

Zwar liegt der R-Wert - also die Zahl derjenigen, die jeder Infizierte im Schnitt ansteckt – immer noch unter 1, doch ist er wieder leicht gestiegen, teilte das RKI mit. Und die beschriebenen Hintergrundeffekte, könnten dazu führen, so Drosten, dass „wenn jetzt R wieder über eins kommen sollte, plötzlich die Epidemie überproportional wieder losgeht – und auf einmal hat man eine Wucht einer Infektionswelle innerhalb von einem Monat, die man nicht erwartet hatte.“ Dies auch natürlich mit der Folge eines deutlichen Anstiegs neuer Todesfälle und neuer intensivpflichtiger Kranker.

„Noch nicht mal in der Nähe einer Herdenimmunität“

Dies seien keine akademischen Spekulationen, so Drosten weiter: „Ich erwarte, dass es zu diesen Effekten kommt. Denn das sind Diffusionseffekte, die fast zwangsläufig sind.“ Er rät, noch mehr auf die Erfahrungen im Ausland und auf die Stimmen dortiger Experten zu achten. 

Nach seiner Ansicht bringt es auch nichts, auf die Herdenimunität zu setzen. „Wir haben keine Situation, wo man sagen könnte, hier besteht schon eine nennenswerte Herdenimmunität. Wir sind überhaupt nicht in der Nähe einer Herdenimmunität“, bekräftigte er. Alle bisherigen Studiendaten und auch die Erfahrungen ihres eigenen großen Labors an der Charité ließen auf eine Antikörper-Prävalenz im „niedrig einstelligen Bereich“ schließen. Am wahrscheinlichsten hält er dabei Werte zwischen 2 und 3% der deutschen Bevölkerung.

R-Wert wieder auf 0,9 gestiegen – ein Hoch bei den Todesfällen

Bei der RKI-Pressekonferenz stellte Vize-Präsident Prof. Dr. Lars Schaade die derzeitigen Daten für Deutschland vor. Trotz insgesamt gesunkener Zahl der Neuinfektionen – derzeit etwa um die 2.000 täglich, bei einem leichten Anstieg in den letzten Tagen und einem wieder gestiegenen R-Wert von derzeit 0,9 – gab es in der vergangenen Woche ein Hoch bei den Todesfällen. So wurden laut Schaade am 16. April 315 Corona-Tote gemeldet. 

Damit sei die Rate der Todesfälle im Vergleich zu den gemeldeten Infektionen in Deutschland auf 3,2% gestiegen – liege damit aber immer noch besser als in anderen Ländern (USA 5,4%; Spanien 10,4%, Italien 13,2%). Auch für Deutschland sei ein weiterer Anstieg der Todesraten zu erwarten, sagte er. Dies sei durch die zunehmenden Fallzahlen bei älteren Menschen und in Alters- sowie Pflegeheimen bedingt.

Auch Schaade bestätigte, dass derzeit die Infektionszahlen in Deutschland lokal sehr stark differieren. Und er warnte: „Ernst ist die Situation immer noch. Es ist kein Ende der Epidemie in Sicht, die Fallzahlen können wieder steigen. Das Virus ist nicht weg." Derzeit seien aber ausreichende Behandlungskapazitäten auf den Intensivstationen vorhanden. „Bei derzeitigem Stand sind keine Engpässe in den nächsten Tagen absehbar", so Schaade.

2. Anti-Corona-Gesetzespaket: Krankenkassen sollen Tests auch ohne Symptome zahlen

Inzwischen hat die Große Koalition ein zweites Anti-Corona-Gesetzespaket auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf stammt von den Regierungsfraktionen. Wie der SPIEGEL und verschiedene Agenturen berichten, sind darin verschiedene Maßnahmen enthalten. Zum Beispiel sollen die Kosten für die Testungen auf Covid-19 – auch symptomunabhängig – Bestandteil des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden, das heißt also von den Krankenkassen übernommen werden. 

Auch Schaade hatte in der RKI-Pressekonferenz bereits von Überlegungen gesprochen, die Testkriterien „anzupassen“, da ausreichende Kapazitäten vorhanden seien. So könnten Ärzte durchaus bei jeder Form von Atemwegsinfektion einen Test veranlassen, und auch in Senioren- und Pflegeheimen könne großzügiger getestet werden.

Der Spiegel zitiert dazu Gesundheitsminister Jens Spahn mit den Worten: „Gerade Pflegebedürftige und deren Umfeld wollen wir besonders schützen. Dafür sind regelmäßige Tests von Heimbewohnern und Pflegekräften notwendig." Nur so könnten Infektionen früh erkannt und Infektionsketten effektiv unterbrochen werden. Das Gesetz schaffe somit die Grundlage für Massentests, heißt es weiter.  Das Gesetz soll im Schnellverfahren beraten und in der kommenden Woche im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden.

Update 17.04.2020: R0 von 0,7: Hat Deutschland die erste Welle überstanden? „Neue Normalität“ in Kliniken; Therapie- und Impfstoff-Studien

  • R0 von 0,7 – Die erste Welle in Deutschland überstanden?

  • Im internationalen Vergleich steht Deutschland gut da

  • Allmähliche Rückkehr zu „neuer Normalität“ in Kliniken

  • Remdesivir-Studien laufen auch in Deutschland

  • Rekonvaleszenten-Plasma, Immunglobuline und zahlreiche Impfstoffe

Seit heute Morgen ist klar: Die Reproduktionszahl R0 für COVID-19 ist für Gesamt-Deutschland erstmals auf einen Wert unter 1, nämlich auf 0,7, gesunken. Das teilte das Robert Koch-Institut (RKI) mit. Dies bedeutet: Jeder mit SARS-CoV-2-Infizierte steckt im Schnitt weniger als einen, nämlich nur 0,7 andere, an. Bleibt die Zahl weiter unter 1, heißt dies, dass die Zahl der mit dem neuen Coronavirus Infizierten in Deutschland kontinuierlich abnimmt.

„Ich denke, wir haben die erste Welle damit wohl ganz gut überstanden“, zeigte sich RKI-Chef Prof. Dr. Lothar Wieler bei der heutigen Pressekonferenz verhalten optimistisch. Der Wert habe lange Zeit um die 1,0 gependelt und sei jetzt erstmals unter diese bedeutsame Grenze gerutscht. „Das Ziel muss nun sein, ihn stabil unter eins zu halten – das müssen wir bei der Lockerung einzelner Maßnahmen im Auge behalten“, sagte Wieler. Und er verwies auch darauf, dass es sich um einen Mittelwert für ganz Deutschland handle – in einzelnen Regionen liege die Reproduktionszahl nach wie vor über 1.

„Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“

Wieler verwies auch darauf, dass trotz aller Fortschritte in Deutschland, das Risiko einer weiteren Ausbreitung des Erregers bleibe. Derzeit sind laut John Hopkins University in Deutschland knapp 140.000 Infektionen und 4.000 Todesfälle gemeldet. „Selbst wenn wir von einer 10-fachen Dunkelziffer bei den Infektionen ausgehen, würde dies bedeuten, dass erst 1,4 Millionen von 83 Millionen Menschen in Deutschland mit dem Erreger Kontakt hatten. Die Pandemie endet aber erst, wenn 60 bis 70 Prozent durchseucht sind“, erinnerte der RKI-Chef. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“

Mit Maßnahmen wie Alltagsmasken, Abstand halten und verschiedenen anderen Einschränkungen müssten die Deutschen noch eine Weile leben, ergänzte Gesundheitsminister Jens Spahn. Gerade was das Tragen von Alltagsmasken angeht, erinnerte er daran – aufgrund eigener Erfahrungen –, dass ein falscher Umgang mit den Masken sogar das Infektionsrisiko erhöhen kann. Die Menschen müssten dementsprechend geschult werden.

Im internationalen Vergleich steht Deutschland gut da

Spahn betonte, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der Bewältigung der Corona-Krise gut dastehe. Im Verhältnis zu den gemeldeten Infektionen beträgt die Todesrate nur 2,9% – in Italien z.B. liegt sie bei 13%. Dies sei unter anderem der guten Verfassung des hiesigen Gesundheitssystems, einer guten Versorgung mit Fachkräften sowie einem engmaschigen Netz von Fach- und Hausärzten zu verdanken, so der Gesundheitsminister. 6 von 7 COVID-19-Patienten in Deutschland haben nach seinen Angaben einen milden Verlauf und werden ambulant betreut.

Wie Wieler ergänzte, müssen rund 16% der Infizierten hospitalisiert werden, 2,5% entwickeln eine Pneumonie. Unter den intensivmedizinisch betreuten Patienten stirbt rund jeder dritte. Die Zahl der täglichen Todesfälle steige derzeit noch, so der RKI-Chef. Gestern seien 315 Sterbefälle an das RKI gemeldet worden. Dabei sei die Zeitverzögerung zu berücksichtigen – die jetzt Gestorbenen waren im Schnitt vor 2 Wochen (oder länger) positiv getestet worden.

Derzeit, so Wieler, steige leider auch die Zahl der Infizierten im Gesundheitswesen – sie machen derzeit rund 5% der gemeldeten Infektionen mit dem neuen Coronavirus aus. Um die 3.000 Neu-Infektionen werden derzeit pro Tag gemeldet.

Allmähliche Rückkehr zu „neuer Normalität“ in Kliniken

„Wir stehen immer noch am Anfang der Pandemie“, warnte Wieler. „Die Eindämmung und die Kontaktnachverfolgung sind weiter zentral, um die vulnerablen Gruppen zu schützen.“ Nach den derzeitigen Hochrechnungen seien aber in Deutschland ausreichende Kapazitäten an Intensivbetten vorhanden und keine Engpässe zu befürchten. Derzeit sind laut Spahn rund 10.000 dieser Betten noch frei. Man wolle nun „mit vorsichtigen Schritten“ versuchen, einen gewissen Normalbetrieb in den Kliniken wieder hochzufahren – und in einem überschaubaren Umfang auch elektive Eingriffe wieder vorzunehmen.

Spahn: „Wir brauchen eine neue Normalität im Krankenhaus.“ Angepasst an die örtlichen Gegebenheiten sollen etwa 25 bis 30% der Betten wieder für den Normal-Betrieb genutzt werden, so der Plan des Gesundheitsministers.

Mehr Tests in der Pflege

Bei der Diagnostik verwies er darauf, dass inzwischen rund 1,7 Millionen Tests auf SARS-CoV-2 in Deutschland erfolgt sind – im Schnitt rund 9% seien positiv. Derzeit werden rund 350.000 Tests pro Woche gemacht – die „theoretische Testkapazität“ betrage aber rund das Doppelte.

Bislang werde meist nach den RKI-Kriterien getestet. Doch sollen nun, wie Wieler sagte, die Tests – vor allem in der Pflege – intensiviert werden. Man wolle damit die Ausbreitung des Erregers durch Neuaufnahmen bzw. Verlegungen in Senioren- und Pflegeheimen besser in den Griff bekommen.

Remdesivir-Studien laufen auch in Deutschland

Über den aktuellen Stand bei Therapien und Impfungen informierten Prof. Dr. Karl Broich vom BfArM und Prof. Dr. Klaus Cichutek vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Wie Broich berichtete, wird das am meisten Erfolg versprechende Medikament Remdesivir auch in Deutschland untersucht. So testen es 2 Studien – einmal an schwer und einmal an mittelschwer erkrankten COVID-19-Patienten – in jeweils 2 unterschiedlichen Dosierungen gegen eine Standardbehandlung. Außerdem sind weitere 4 Zentren in Deutschland an einer US-Multicenter-Studie mit dem vom Unternehmen Gilead entwickelten Wirkstoff beteiligt. Mit ersten Ergebnissen sei in einigen Monaten zu rechnen.

Das Malariamittel Chloroquin werde ebenfalls in 3 klinischen Studien in Deutschland in unterschiedlichen Dosierungen getestet. Broich verwies in diesem Zusammenhang darauf, wie wichtig, die genaue Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit auch solcher bereits auf dem Markt befindlicher Arzneimittel sei. So ist in den letzten Tagen über Nebenwirkungen und sogar Todesfälle durch die unkontrollierte Einnahme des Mittels berichtet worden.  

Broich betonte, dass seine Behörde alle – bereits verfügbaren – Mittel einer raschen Zulassung von Erfolg versprechenden Wirkstoffen nutze, aber keine Standards dafür abgesenkt würden. Dies gelte auch für Medizinprodukte z.B. Schutzmasken.

Rekonvaleszenten-Plasma, Immunglobuline und zahlreiche Impfstoffe

Cichutek verwies auf neue Ansätze COVID-19-Patienten mit Rekonvaleszenten-Plasma und Immunglobulinen zu behandeln. So sei gerade eine klinische Prüfung mit Rekonvaleszenten-Plasma genehmigt worden. Und auch bei den monoklonalen Antikörpern gebe es „eine Reihe von Ansätzen“, die entweder direkt gegen das Virus oder auch gegen die überschießende Immunreaktion – den „Zytokin-Sturm“ – bei manchen Erkrankten gerichtet seien.

Bei den Impfstoffen wird sogar noch intensiver geforscht. Laut Cichutek gibt es derzeit 50 bis 60 Projekte weltweit. 4 klinische Studien sind bereits angelaufen. Demnächst sollen auch die ersten klinischen Prüfungen in Deutschland beginnen. „Wir haben eine ganze Reihe von Firmen und Entwicklern hier, die ganz vorne mit dabei sind.“

Bei den hier geplanten klinischen Prüfungen handle es sich um 2 RNA- und 2 Vektoren-Impfstoffe. Es würden auch verschiedene Hersteller und unterschiedliche Ansätze benötigt, um die entsprechende Versorgung mit einem Pandemie-Wirkstoff zu gewährleisten, so der Experte.

Update 16.04.2020: Kritik an Exit-Szenario der Regierung; neue Welle nach „Flatten the Curve“ wahrscheinlich; vergebliche Hoffnung auf den Sommer

  • Bundesregierung legt Maßnahmenpaket für Ende des Shutdowns vor

  • Lehrer- und Wirtschaftsverbände üben Kritik

  • Forscher rechnen mit neuer Krankheitswelle ohne ausreichende soziale Distanzierung

  • Ob die Infektionswelle durch höhere Temperaturen verlangsamt wird, bleibt unklar

Abstandsregeln gelten weiter bis zum 3. Mai, Lehrer können ab 4. Mai wieder unterrichten, Geschäfte im Einzelhandel mit maximal 800 Quadratmetern Fläche sollen ab Montag öffnen und Großveranstaltungen bleiben verboten: Auf diese Maßnahmen haben sich Bund und Länder gestern verständigt. Außerdem empfehlen Politiker „dringend“ das Tragen von Alltagsmasken in öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkaufen.

Ob professionelle Gesichtsmasken in der Hand von Laien einen Mehrwert bringen, lässt sich aus dem Blickwinkel der evidenzbasierten Medizin derzeit allerdings nicht beantworten; hochwertige randomisiert-kontrollierte Studien fehlen. Zu Stoffmasken in der Bevölkerung gibt es überhaupt keine Untersuchung. Insofern ist die Maßnahme umstritten.

Lehrer- und Wirtschaftsverbände wenig begeistert

Kritik kommt auch von Pädagogen. „Wir brauchen hier eine klare Ansage der Staatsregierung, was sie sich auf Grundlage der Beratung von Biologen und Medizinern vorstellen, welche Schutzmaßnahmen an den Schulen in Deutschland umgesetzt werden sollen“, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes.

 

„Wir brauchen Zeit zur Vorbereitung. Wir brauchen die Schutzmaßnahmen zu hundert Prozent an den Schulen, damit wir die Sicherheit der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler und aller, die an den Schulen tätig sind, gewähren können.“

Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) kann sich mit den neuen Regelungen, speziell mit 800 Quadratmetern als Grenze, nicht anfreunden. „Die Regelungen zur Wiedereröffnung der Nicht-Lebensmittelhändler müssen diskriminierungsfrei sein“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Lockerungen dürften sich nicht an Betriebsgrößen oder Verkaufsflächen festmachen. „Die jetzt beschlossenen Vorgaben führen zu Wettbewerbsverzerrungen und Rechtsunsicherheiten.“

Und Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), ergänzt: „Trotz erster kleiner Signale von Öffnungen im Bereich des Einzelhandels fehlt für viele Betriebe weiterhin eine klare Perspektive für ihr Geschäft.“

Noch ein Blick auf das Verbot von Großveranstaltungen. Mit Blick auf die Versammlungsfreiheit sieht Prof. Dr. Clemens Arzt „einen überbordenden Aktionismus zur Aushebelung oder Begrenzung“. Er ist Experte für Staats- und Verwaltungsrecht.

Ende von „Flatten the Curve“

Mit den jetzt beschlossenen Lockerungen verabschieden sich Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen aus der Bundes- oder Landespolitik vom Dogma „Flatten the Curve“. Ziel war, durch den Shutdown Fallzahlen zu verringern. Deutschlands Kurve an Neuerkrankungen war – verglichen mit den Nachbarn – tatsächlich flacher.

 

Nur bedeutet die Strategie auch, dass Einschränkungen theoretisch so lange aufrechtzuerhalten sind, bis ein Impfstoff verfügbar ist, was vermutlich Ende 2020 (oder später) sein wird. Merkel selbst spricht sich weiter für soziale Distanzierungen aus, was angesichts der beschlossenen Lockerungen kaum realistisch erscheint.

 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte gestern zur Strategie der Bundesregierung: „Unser Ziel ist, wenn es perfekt liefe, dass wir in eine Situation wie Webasto kommen.“ Beim Autozulieferer hatte es bekanntlich im Januar Deutschlands erste Corona-Infektionen gegeben; Epidemiologen war es damals gelungen, die Kontaktpersonen zu identifizieren und so das Krankheitsgeschehen erfolgreich einzudämmen. Dieses Prinzip des „Testen, Tracen und Isolierens“ will Söder nun auch in der nächsten Phase einsetzen.

Verlängerte oder intermittierende Einschränkungen bis 2022 sinnvoll?

Merkels Exit-Strategie steht wissenschaftlich auf tönernen Füßen, wie eine aktuelle Publikation zeigt. Auf Basis der zeitlichen Entwicklung der SARS-CoV-19-Epidemie haben Forscher um Dr. Stephen M. Kissler von der Harvard T.H. Chan School of Public Health, Boston, ein Modell zur weiteren Ausbreitung entwickelt. Im ersten Schritt schätzen sie die saisonale Aktivität, die Immunität, aber auch die Kreuzimmunität aufgrund anderer humaner Coronaviren ab. Anschließend simulierte das Team den weiteren zeitlichen Verlauf.

Sie fanden Hinweise, dass es nach der initialen, stärksten Pandemie-Phase eine weitere Welle geben könnte. Das Phänomen kennen Forscher von historischen Aufzeichnungen zur Spanischen Grippe 1918 bis 1920. Auch die 2. Phase bringt Gesundheitssysteme womöglich an ihre Grenzen.

„Um das zu verhindern, könnte eine verlängerte oder intermittierende soziale Isolation bis 2022 notwendig sein“, so das Fazit von Kissler und Kollegen. Als große Unbekannte bleibt, wann es Impfstoffe geben wird.

Vergebliches Hoffen auf den Sommer

Auch die Hoffnung, höhere Temperaturen könnten der Pandemie ein Ende bereiten, ist trügerisch. Prof. Dr. Miguel B. Araujo vom spanischen Museo Nacional de Ciencias Naturales und Kollegen haben einen Preprint zur Temperaturabhängigkeit der weiteren Ausbreitung veröffentlicht. Basis waren Daten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore über lokale Infektionsketten bis zum 23. März 2020. Wetterdaten flossen ebenfalls in ihr Modell ein.

„Obwohl Fälle von COVID-19 auf der ganzen Welt gemeldet werden, zeigen die meisten Ausbrüche ein Muster der Clusterbildung in relativ kühlen und trockenen Gebieten“, schreiben die Autoren. „Sollte die Ausbreitung von SARS-CoV-2 weiterhin den aktuellen Trends folgen, wäre weltweit mit zeitlich versetzten, saisonalen Ausbrüchen zu rechnen.“

Den Modellen zufolge sind gemäßigte warme und kalte Klimazonen für die Ausbreitung des Virus günstiger, während trockene und tropische Klimazonen die Welle verlangsamen. Die optimale Temperatur für Infektionen schwanke zwischen 6°C und 9°C, was in Deutschland auf den April, den Mai und den Oktober zutrifft.

Doch diese Ergebnisse sind umstritten. Ye Yao von der Fudan University Shanghai und Kollegen konnten anhand chinesischer Daten keine Assoziation zwischen der Ausbreitung von SARS-CoV-2, der Temperatur oder dem UV-Index nachweisen. Wie es in den warmen Monaten weitergehen wird, bleibt damit unklar.

Update 14.04.2020: Lockerung des Lockdown – Leopoldina mit Konzept; Antikörper verschwinden; schlechte Prognose unter Beatmung

  • Verzerrte Wahrnehmung des Infektionsgeschehens

  • Antikörper verschwinden bei den ersten Patienten schon wieder

  • Tipps gegen Kommunikationschaos und für höhere Akzeptanz

  • 3 Voraussetzungen für Weg in Richtung Normalität

  • Nützt die Intensiv-Beatmung tatsächlich oder schadet sie mehr?

Die gute Nachricht zuerst: Laut Daten-Dashboard des Robert Koch-Instituts (RKI) sinkt die Zahl an gemeldeten COVID-19-Fällen seit 9. April kontinuierlich. Möglicherweise haben die Ostertage zu einem Übermittlungsverzug geführt, doch der Trend nach unten scheint sich klar abzuzeichnen.

Damit wächst der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und auf Ländervertreter nun ein Konzept zum schrittweisen Ausstieg aus dem Lockdown vorzustellen. Ein Papier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina macht dazu nun Vorschläge. Es basiert auf dem Konsens von 26 Experten unterschiedlicher Fachrichtungen.

Verzerrte Wahrnehmung des Infektionsgeschehens

Die Experten fordern darin u. a. bessere Daten als Grundlage politischer Entscheidungen. Sie warnen: „Die bisher stark symptomgeleiteten Datenerhebungen (gemeint sind die Indikationsstellungen für Corona-Testungen) führen zu einer verzerrten Wahrnehmung des Infektionsgeschehens.“ Weiter heißt es in der Erklärung. „Es ist daher wichtig, die Erhebung des Infektions- und Immunitätsstatus der Bevölkerung substantiell zu verbessern, insbesondere durch repräsentative und regionale Erhebung des Infektions- und Immunitätsstatus.“ Das RKI hat eigenen Angaben zufolge mehrere Antikörper-Studien gestartet. Untersucht werden: 

  • alle 14 Tage ca. 5.000 Proben von Blutspendern,

  • in epidemiologischen „Hot Spots“ pro Ort mehrfach rund 2.000 Probanden ab 18 Jahren inklusive Fragebogen zur Gesundheit,

  • bundesweit repräsentativ einmalig 15.000 Personen ab 18 Jahre an 150 Studienorten, inklusive Fragebogen zur Gesundheit.

Antikörper verschwinden bei den ersten Patienten schon wieder

Wie zuverlässig solche Tests allerdings die gewünschten Antworten erbringen, ist nicht sicher. Eine schlechte Nachricht dazu hatte Prof. Dr. Christian Drosten vom Institut für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, bei einer Online-Pressekonferenz des Science Media Center am vergangenen Donnerstag: „Wir sehen bei den ersten Patienten aus der Münchener Kohorte jetzt schon wieder die Antikörper verschwinden, die einfachen, nachweisbaren Antikörper“, sagte er. Dies von Ende Januar, als sich die Patienten infiziert hatten bis nun, Mitte April.

Das bedeute zwar nicht unbedingt, dass eine mögliche Immunität der Patienten verschwunden sei. „Die haben auch trotzdem ein Immungedächtnis und die haben auch noch zelluläre Immunität“, so Drosten. Allerdings: „Wir wissen auch bei einer Erkältung mit Coronaviren, dass man sich alle paar Jahre wieder mit demselben Virus infizieren kann – aber nicht alle paar Monate.“

Tipps gegen Kommunikationschaos und für höhere Akzeptanz

Forschungsergebnisse zur Immunität sind in den Händen von Wissenschaftlern gut aufgehoben – und helfen Politikern, über weitere Maßnahmen zu entscheiden. Welche Informationen an Bürger gehen, sollte man sich der Leopoldina zufolge aber gründlich überlegen, denn wichtig sei eine Darstellung im jeweiligen Kontext: „Daten zu schweren Krankheitsverläufen und Todesfallzahlen müssen in Relation zu denen anderer Erkrankungen gesetzt und auf das zu erwartende Sterberisiko in einzelnen Altersgruppen bezogen werden“, so die Experten. „Eine realistische Darstellung des individuellen Risikos muss anschaulich verdeutlicht werden.“

Gelinge dies, seien die Bürger auch eher bereit, Einschränkungen zu akzeptieren. Denn für die Akzeptanz sei „eine auf Selbstschutz und Solidarität basierende intrinsische Motivation wichtiger als die Androhung von Sanktionen“, heißt es in der Erklärung. Und eine Vermittlung klarer Zeitpläne bzw. realistischer Maßnahmen helfe allen.

Doch die Thematik ist, wie die Leopoldina-Wissenschaftler betonen, durchaus mehrdimensional und nicht nur medizinisch-virologischer Natur. Andere Rechtsgüter, etwa Einschränkungen der Grundrechte, seien ebenfalls im Abwägungsprozess zu berücksichtigen. „So wäre etwa eine vorbeugende Segregation einzelner Bevölkerungsgruppen, beispielsweise älterer Menschen, allein zu deren eigenem Schutz als paternalistische Bevormundung abzulehnen“, schreiben die Autoren.

3 Voraussetzungen für Weg in Richtung Normalität

Ganz klar äußern sich die Wissenschaftler zu möglichen Exit-Szenarien aus dem Lockdown. Sie nennen 3 Voraussetzungen:

 

  • Die Rate an Neuinfektionen muss sich auf niedrigem Niveau stabilisieren, was kontinuierlich zu überwachen sei.

  • Die medizinische Versorgung müsse sich normalisieren – und auch andere Erkrankungen müssen wieder behandelt werden können.

  • Und bekannte Schutzmaßnahmen wie soziale Distanzierung, Handhygiene, Mund-Nasen-Schutz oder Isolation von Infizierten müssen weiter eingehalten werden.

Unter diesen Voraussetzungen können sich die Forscher eine schrittweise Lockerung der Einschränkungen vorstellen, etwa Schulen, Geschäfte, Restaurants und Behörden wieder zu öffnen oder wieder zu reisen. Die Wiederaufnahme von gesellschaftlichen oder kulturellen Veranstaltungen folgten – je nach Risiko – im Anschluss sukzessive.

Dabei geht eine Empfehlung geht über bisherige Vorgaben hinaus: „Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz sollte als zusätzliche Maßnahme in bestimmten Bereichen wie dem öffentlichen Personenverkehr Pflicht werden“, fordern die Leopoldina-Forscher. Gleichzeitig sehen sie Deutschland und die Europäische Union in der Pflicht, die Wirtschaft zu unterstützen, etwa durch Liquiditätshilfen, Förderprogramme, Zuschüsse oder Steuerstundungen.

Wie die Politik darauf reagieren wird, ist noch offen. Im Vorfeld hatte Merkel bereits auf einer Pressekonferenz angekündigt: „Für mich wird eine sehr wichtige Studie die der Nationalen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina sein.“ Ihr gehe es darum, Entscheidungen „auf festem Grund“ zu treffen. Nur so könnten die vielen drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder aufgehoben werden.

Nützt die Intensiv-Beatmung tatsächlich oder schadet sie mehr?

Inzwischen kommen aber auch Zweifel an manchen Behandlungsstrategien bei schwerem COVID-19-Verlauf auf, so etwa an der Beatmung der Patienten.

Zum Hintergrund: Das britische Intensive Care National Audit & Research Centre (ICNARC) verglich 1.053 Patienten mit und 444 Patienten ohne Beatmung. In der 1. Gruppe starben 698 Patienten (66,3 %), in der 2. Gruppe waren es 86 Patienten (19,4 %). Eine Studie aus dem COVID-19-Epizentrum Wuhan, China, bestätigt solche Daten. In der dortigen Kohorte aus 52 schweren COVID-19-Fällen mussten 37 (71 %) 22 Personen beatmet werden. Von ihnen überlebten nur 3 (13,6 %). Und laut einer Veröffentlichung aus Seattle starb etwa jeder 2. COVID-19-Patient, der beatmet werden musste. Offen bleibt, welche Rolle die Beatmung selbst bei dieser schlechten Prognose spielt – so kann es zu Läsionen bei der Intubation kommen, bakterielle Sekundärinfektionen sind möglich.

Unabhängig davon setzen Ärzte auf Alternativen wie die Bauchlagerung. Auch die Extrakorporale Membranoxygenierung, kurz ECMO, könnte sich eignen.

Update 09.04.2020: Kontaktsperren in Deutschland wirken. Trendwende scheint da, doch keine Entwarnung

  • Simulation: Kontaktsperre bringt tatsächlich die Wende

  • Intensives Testen und „Contact Tracing” – warum es trotzdem schwierig wird

  • Was die Quarantäne bringt – Cochrane Rapid Review sagt: „viel“

  • Auch das Science Media Center vermeldet „Trendwende“

Es ist eine wirklich gute Nachricht: Nach einer Modellrechnung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen haben die tiefgreifenden Alltagseinschränkungen, die seit dem 22. März in Deutschland gelten, offenbar die erhoffte Wirkung gezeigt. Die täglichen Fallzahlen gingen zurück, berichten die Forscher.​​​​​​​

Simulation: Kontaktsperre bringt tatsächlich die Wende

Laut ihrer Simulation ist es damit gelungen, die exponentielle Ausbreitung des SARS-CoV-2-Erregers zu brechen. Doch es sei noch zu früh für eine Lockerung, konstatieren die Wissenschaftler auch. Soziale Kontakte müssten weiterhin noch etwa 2 Wochen auf ein Minimum beschränkt werden, schreiben sie, um die Corona-Epidemie in Deutschland tatsächlich in den Griff zu bekommen. 

Sie wollen ihre Mitteilung von gestern (8. April) demnach nicht als „Entwarnung“ betrachten, auch wenn die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland seit dem vergangenen Wochenende sich verlangsamt hat. Die Zahl an Neuerkrankungen werde in den kommenden 2 Wochen voraussichtlich weiter sinken, so die Forscher.

Sie sind damit zuversichtlich, dass schwer an Covid-19 Erkrankte in Deutschland weiterhin bestmöglich versorgt werden können. Das Team um Gruppenleiterin Dr. Viola Priesemann hat auch berechnet – wäre es etwa bei den milderen Beschränkungen vom 8. März geblieben (nach denen z.B. die Schulen, Kindergärten und viele Geschäfte noch offen blieben) – gäbe es inzwischen schon rund 200.000 bestätigte Infektionen; was die Situation in den Kliniken deutlich schwieriger gemacht hätte.

Um in wenigen Wochen Lockerungen der Kontaktsperre zu ermöglichen, müsse das Leben in Deutschland aber vorerst weiter auf Notbetrieb laufen, betonen die Göttinger Forscher: „Wenn jetzt die Beschränkungen aufgehoben werden, sind wir wieder ganz am Anfang“, sagt Priesemann. „Wir sehen ganz klar: Die Fallzahlen in zwei Wochen hängen von unserem Verhalten jetzt ab.“

Intensives Testen und „Contact Tracing” – warum es trotzdem schwierig wird

Wenn es – laut bestem Szenarium – bald vielleicht nur noch einige hundert neue Fälle pro Tag gibt, ermöglicht es dies, auch effektiver die Kontakte von allen Erkrankten zu identifizieren und zu isolieren. Diese Strategie des intensiven Testens und des „Contact Tracing“ ist allerdings nicht so einfach umzusetzen, wie Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig, in einem virtuellen Presse-Briefing des Science Media Center Deutschland am heutigen 9. April betont haben. 

So ist das von den Gesundheitsämtern zu betreibende „Contact Tracing“ sehr arbeits- und vor allem personal-aufwändig. Für eine Bevölkerung von 20.000 Personen werden geschätzt 5 Mitarbeiter benötigt. Im Schnitt müssen für einen einzelnen Infizierten 20 bis 30 Kontaktpersonen – in Einzelfällen auch deutlich mehr – nachverfolgt werden. Eine App soll die Nachverfolgung in Zukunft erleichtern, so Krause.

Erschwert werde die Eindämmung auch durch den Umstand, dass rund die Hälfte der Ansteckungen schon vor dem Einsetzen der Symptome bei dem Infizierten geschehen, berichtete Drosten. „das heißt, um eine R0 [Basisreproduktionszahl, d.h. die Zahl der Personen, an die die Infektion weitergegeben wird ] unter 1 zu erreichen, müsste es gelingen, das Infektionsgeschehen nach Symptombeginn vollständig zu unterdrücken.“

Was die Quarantäne bringt – Cochrane Rapid Review sagt „viel“

Die Wirkung einzelner Maßnahmen, ob etwa die Schließung von Schulen und Kindergärten, die Beschränkung im Handel oder das Verbot von privaten Begegnungen, die Verbreitung der Infektion besonders beeinflusst, lässt sich aus den bisherigen Daten nicht ablesen.  

Ebenfalls gestern hat die Cochrane Collaboration einen von der WHO beauftragten Rapid Review publiziert zur Frage, ob Quarantäne-, alleine oder in Kombination mit anderen Public-Health-Maßnahmen, bei der Eindämmung helfen. Auch diese systematische Übersichtsarbeit basiert allerdings auf mathematischen Modellierungen oder auf Studien zu SARS oder MERS.

Das Fazit aller 29 im Review zusammengefassten wissenschaftlichen Arbeiten weist aber auf eine wichtige Rolle von Quarantäne hin. Die Zahl an Neuinfektionen und Todesfällen kann demnach damit merklich reduziert werden, so die Cochrane-Autoren von der Donau-Universität Krems in Niederösterreich.

Die Evidenz lege nahe, dass Quarantäne umso effektiver sei, je früher sie starte und dass sie mit anderen Maßnahmen wie räumlicher Distanzierung oder Schulschließungen kombiniert werden sollte. Bei der individuellen Quarantäne für Rückkehrende aus Risikogebieten fand der Review dagegen vergleichsweise geringe Effekte.

„Da es noch keine Beobachtungsstudien zu Quarantäne bei COVID-19 gab, mussten wir auf mathematische Modellierungen und indirekte Evidenz von SARS- und MERS-Ausbrüchen zurückgreifen“, schränkt Erstautorin Dr. Barbara Nußbaumer-Streit ein. „Trotz dieser Unsicherheit sind die Ergebnisse aller Studien in unserem Review konsistent und weisen auf einen günstigen Effekt von Quarantäne-Maßnahmen hin.“  

Auch das Science Media Center vermeldet „Trendwende“ 

Übrigens hat im heutigen Tagesreport auch das Science Media Center Deutschland ein „Trendwende“ in der Zahl der aktuell an COVID-19 Erkrankten (gemessen als Zahl der Infizierten minus Gestorbene und minus Genesene) “ vermeldet. „Seit zwei Tagen sinkt diese Zahl, die für das Funktionieren unseres Gesundheitssystem so relevant ist“, heißt es. 

Außerdem sei seit dem Wochenende die Verdopplungszeit weiter auf über 14 Tage gestiegen. Doch sei diese Zahl nicht „überzuinterpretieren“, da sie z.B. auch vom Meldeverfahren, der Testhäufigkeit und -qualität beeinflusst sei. Zudem verliere die Verdopplungszeit ihre Sinnhaftigkeit, wenn das exponentielle Wachstum verlassen werde – was aktuell der Fall sei. 

Deutschland hat nach wie vor im weltweiten Vergleich eine niedrige Sterberate (CFR = Case Fatality Rate). Ob dies so bleibt, wenn auch hierzulande die Zahl der infizierten älteren Menschen stark steigt, ist laut SMC noch offen. Doch es gibt einige Argumente, die dafür sprechen, dass Deutschland auch hier vielleicht mit einem blauen Auge davonkommen könnte.  

Update 08.04.2020: Schon über 1 Million Corona-Tests in Deutschland – Labor-Experten dämpfen Erwartungen auf Antikörper-Tests

  • Seit Anfang März über eine Million PCR-Corona-Tests

  • Noch keine Engpässe in Labors

  • Experten sehen Antikörpertests jenseits der Forschung noch kritisch

Akkreditierte Medizinische Labore (ALM) in Deutschland haben seit Anfang März über eine Million SARS-CoV-2-Tests auf Basis der PCR vorgenommen. 7,8% der Tests waren positiv, berichtete Dr. Michael Müller, 1. Vorsitzender von ALM. Die Analyse der ALM-Daten zeigt, dass sich die Zahl an Tests bei ALM-Labors von 106.460 (Woche 11), 266.454 (Woche 12) und 313.957 (Woche 13) auf 332.414 (Woche 14) erhöht hat. Wenig überraschend stiegen auch die Positivraten von 5,2%, 6,8% und 8,9% auf nunmehr 9,2%. 

Gleichzeitig erhöhte sich die Testkapazität pro Tag bei ALM-Laboren von 16.485 (Woche 10) auf nahezu 100.000. „Diese Kapazitäten in den Wochen 10 bis 14 reichten für alle angeforderten Tests sicher aus“, so Müller. Dabei führen die großen Top-50-Einrichtungen 85% der Tests durch.

Deutschland: Viele Tests im internationalen Vergleich

Bundesweit, also nicht nur bei ALM, seien bislang insgesamt 1.250.874 Untersuchungen durchgeführt worden. Das entspreche 15.042 Tests pro Million Einwohner (Stand 5.4.2020). Als Positivrate nennt der Experte 76 Fälle auf 1.000 Tests. 

Die USA kommen zwar absolut auf 1.795.855 Untersuchungen (05.04.2020), aber nur auf ein Verhältnis von 5.471 Tests pro Million Menschen. Die Positivrate lag in den USA bei 186 pro 1.000 Tests. Und auch das stark gebeutelte Italien kann mit der deutschen Testfrequenz nicht mithalten: 721.732 Tests (06.04.2020), 11.966 Tests pro Million Einwohner und eine Positivrate von 184 Fällen pro 1.000 Tests.

Die im Vergleich zu Deutschland höheren Positivraten in den anderen Ländern zeigen vor allem, dass Ärzte dort restriktivere Kriterien anlegen, bevor sie eine PCR beim Labor anfordern. Müller selbst rät, die RKI-Kriterien für Labortests beizubehalten, also nicht stärker aufzuweichen.

Geht in manchen Laboren das Licht aus?

Aktuell sieht er keinen drohenden Mangel an Verbrauchsmaterial oder Chemikalien, verweist aber auf eine hohe Personalbindung bei der PCR sowie die erforderliche Schutzkleidung und technische Infrastruktur. 

Evangelos Kotsopoulos vom ALM-Vorstand sprach noch ein ganz anderes Problem an: „Während die Corona-Testung täglich zunimmt, sehen wir einen dramatischen Rückgang in anderen Bereichen der Labordiagnostik.“ Im März 2020 seien bis zu 50% weniger an sonstigen Laboruntersuchungen abgerufen worden. Zum Hintergrund: Mittlerweile haben einige Arztpraxen geschlossen, und Aufträge aus dem niedergelassenen Bereich brechen weg. Hinzu kommt, dass planbare Eingriffe verschoben werden. Präoperative Untersuchungen fehlen ebenfalls.

Antikörpertests: Zwischen Hoffnung und Evidenz

Medizinische Labore sehen bei der Akutdiagnostik von SARS-CoV-2-Infektionen derzeit keine Alternative zur PCR. Doch das Interesse vieler Ärzte und Patienten an Schnelltests wächst. Gesundheitspersonal könnte z.B. sehr viel unbedenklicher eingesetzt werden, wenn es eine Art „Immun-Pass“ gäbe. Kürzlich hat die US Food and Drug Adminstration (FDA) einem Kit auf Basis spezifischer Immunglobuline IgG/IgM per Notfallzulassung den Weg geebnet. Benötigt wird nur ein Tropfen Blut; nach 15 bis 20 Minuten sollen Ergebnisse vorliegen. 

Auch die ALM führe Antkörper-Tests durch, so Vorstandsmitglied Prof. Dr. Jan Kramer. Wichtig sei zu wissen, dass Antikörper erste einige Zeit nach Beginn typischer Symptome von COVID-19 im Blut nachweisbar seien. Außerdem bräuchten sie eine gute Zuverlässigkeit, sprich Sensitivität und Spezifität, um Gesunde und Erkrankte zu trennen.

Aussagen zur Immunität seien erst nach weiteren Untersuchungen möglich. Denn ob die Antikörper tatsächlich mit einer Immunität gegen neue Infektionen in Verbindung stünden, sei zwar wahrscheinlich, müsse aber dennoch noch genauer erforscht werden. Vor dubiosen Angeboten warnt Kramer auch Kollegen. Zuletzt hatte die WHO über gefälschte medizinische Tests in der Labordiagnostik berichtet.

Update 07.04.2020: Erkranken Ärzte und Pflegekräfte schwerer an COVID-19? Alles eine Frage der (Virus-)Dosis?

  • Mehr als 2.300 Infizierte im Gesundheitssektor in Deutschland

  • Die Dosis macht´s – auch bei Corona?

  • Wie geht‘s nach dem „Lockdown“ weiter?

  • Britischer Premier wegen COVID-19 auf Intensivstation

Tragen Ärzte und Pflegepersonal eine besondere Gefährdung in der Corona-Krise? Der Arzt Dr. Li Wenliang aus dem Zentralkrankenhaus von Wuhan, der erstmals auf SARS-CoV-2 hingewiesen hatte, starb bekanntlich im Februar mit nur 34 Jahren. Genaue Zahlen aus China zur Zahl der infizierten Klinikmitarbeiter gibt es nicht.

In Großbritannien sollen sich laut Royal College of Physicians ein Viertel aller Ärzte entweder in Quarantäne befinden oder infiziert sein, meldet die Süddeutsche Zeitung . Bei den Pflegekräften sind 20% betroffen. In Italien als besonders betroffenem Land nennen offizielle Stellen 66 Tote und 6.500 infizierte Ärzte bzw. Pfleger. Medscape veröffentlicht auf seiner US-Seite einen laufend aktualisierten Artikel mit den Namen von Gesundheitsmitarbeitern, die bereits an COVID-19 gestorben sind – „In Memoriam“.

Mehr als 2.300 Infizierte im Gesundheitssektor in Deutschland

Genaue Zahlen für Deutschland fehlen. Gegenüber Süddeutscher Zeitung nennt das Robert Koch-Institut 2.300 Infizierte im medizinischen Bereich, bei hoher Dunkelziffer. Recherchen der SZ, des NDR und des WDR legen allerdings nahe, dass bereits Tausende Ärzte und Pfleger betroffen sind.

„Wir kennen die hohe Sterblichkeit bei älteren Menschen, aber aus Gründen, die wir nicht verstehen, besteht für jüngere Mitarbeiter des Gesundheitswesens ein hohes Risiko für schwere Krankheiten“, kommentiert Prof. Dr. Peter Hotez von der National School of Tropical Medicine am Baylor College of Medicine, Houston/Texas.

Was die Gründe dafür sein könnten, dem gingen Prof. Dr. Joshua D. Rabinowitz und Dr. Caroline R. Bartman, beide von der Princeton University, New Jersey, in einem Artikel der New York Times nach. Ist es möglich, dass Li aufgrund einer hohen viralen Exposition die tödlich verlaufende COVID-19-Erkrankung entwickelte?

Virusdosis zu wenig beachtet?

„Die Bedeutung der Virusdosis wird in Diskussionen über das Coronavirus übersehen“, meinen die Experten. „Wie bei jedem anderen Gift sind Viren in größeren Mengen normalerweise gefährlicher“, vermuten sie. „Kleine anfängliche Expositionen führen tendenziell eher zu leichten oder asymptomatischen Infektionen, während größere Dosen tödlich sein können.“

Genau hier sehen Rabinowitz und Bartman offene Punkte in der aktuellen Diskussion: „Das Betreten eines Bürogebäudes, in dem sich jemand mit dem Coronavirus aufhielt, ist nicht so gefährlich wie eine Stunde im Zug neben einer infizierten Person.“ Dosisabhängigkeiten seien aus vielen Bereichen bekannt; bei Mäusen habe man dies auch im virologischen Bereich experimentell gezeigt, auch bei anderen Coronaviren.

Solche Experimente sind aus ethischen Gründen natürlich nicht an Menschen möglich. Doch es gibt zumindest Hinweise auf Dosisabhängigkeiten. Während des SARS-Ausbruchs 2003 in Hongkong infizierte beispielsweise ein Patient viele andere, die im selben Wohngebäude lebten, und 19 von ihnen starben. Die Mortalität war in dieser Kohorte weitaus höher als bei sonstigen Patienten mit SARS-Infektion in Hongkong. Rabinowitz und Bartman führen diesen Befund auf eine höhere Exposition zurück: Viren zirkulierten ungehindert über längere Zeit via Klimaanlage; geeignete Filter gab es damals nicht.

Vom schwierigen Schutz der Ärzte

„Medizinisches Personal ist aufgrund der hohen Exposition einem extremen Risiko ausgesetzt“, leiten Rabinowitz und Bartman aus dem Fall ab. „Wir müssen Schutzausrüstung für sie priorisieren.“ Schön und gut, nur berichten viele Länder, allen voran die USA und Italien, von Engpässen. Ähnliche Berichte kommen aus Deutschland.

Niedergelassene sollen weiter praktizieren, stehen aber oft an vorderster Front ohne ausreichenden Schutz. Viele Infizierte haben recht unspezifische Atemwegsbeschwerden oder Erkältungssymptome, vielleicht aber auch Störungen des Geruchs- oder Geschmackssinns.

„Sie suchen daher häufig einen HNO-Arzt auf, noch bevor sie auf das neue Virus getestet wurden“, warnt Prof. Dr. Andreas Dietz von der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Leipzig. Im Namen der Deutschen Gesellschaft der HNO-Ärzte empfiehlt er allen HNO-Kollegen, jeden Patienten so zu behandeln, als sei er infiziert. Hinzu komme: HNO-ärztliche Untersuchungen und Eingriffe wirbeln feinste Tröpfchen auf. Hier können virushaltige Aerosole entstehen. Mindestens eine FFP-2-Maske und ein Augenschutz seien erforderlich.

Das gleiche Thema betrifft Zahnärzte oder Kieferchirurgen. Viele Interventionen führen zur Entstehung von Aerosolen. „Es ist aus meiner Sicht unverantwortlich und unverständlich, dass der regelhafte Betrieb in Zahnarztpraxen aufrechterhalten werden soll“, erklärt Bernhard Brinkmann, Zahnarzt aus Hamburg.

„Wenn wir derartige Behandlungen zurzeit nicht auf ein Minimum herunterfahren, beschleunigt das die exponentiellen Infektionsraten.“ Zahnärzte arbeiten oft mit einfachen Masken; Ärzte im Krankenhaus legen ihre persönliche Schutzausrüstung an – so lange diese noch verfügbar ist.

Nach dem „Lockdown“: Wie geht es weiter?

Viele Untersuchungen lassen sich um ein paar Wochen verschieben. Auch Rabinowitz und Bartman fordern im Idealfall einen vollständigen „Lockdown“, von der dringenden medizinischen Versorgung oder Grundversorgung mit Lebensmitteln abgesehen. Sie wissen aber, dass psychologische und wirtschaftliche Folgen dagegensprechen.

Selbst der Ausstieg aus wenig restriktiven Maßnahmen wie Ausgangssperren müsse vorbereitet werden, raten die beiden Experten. Dazu gehöre, weiterhin Großveranstaltungen abzusagen, Stadien zu sperren und Ratschläge über Handhygiene zu geben. 

„Riskante, aber wichtige Dienste wie öffentliche Verkehrsmittel sollten in Betrieb genommen werden dürfen“, so die Autoren. Sie raten allerdings, das Pendeln nach Möglichkeit zu vermeiden oder alternativ geeignete Masken zu tragen und Abstand zu wahren.

Britischer Premier Boris Johnson wegen COVID-19 auf Intensivstation verlegt

Inzwischen berichten mehrere Medien, dass der britische Premierminister Boris Johnson, der seit mehr als 2 Wochen an COVID-19 erkrankt ist, am Montag auf die Intensivstation verlegt worden ist. Johnson war am Sonntag zunächst angeblich „vorsorglich“ wegen anhaltender Symptome in das Krankenhaus gebracht worden. Nun habe sich sein Zustand verschlechtert. Er musste mit Sauerstoff versorgt werden, sei aber bislang nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen, heißt es. Ein solches stehe aber bereit, sollte es notwendig werden. Seine 32-jährige hochschwangere Lebensgefährtin war ebenfalls mit dem Coronavirus infiziert, gilt aber inzwischen als geheilt.

Der 55-jährige Johnson erhielt von vielen internationalen Staatschefs, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen, Genesungswünsche.

Update 03.04.2020: Wie lange noch? Strategien für die Lockerung des „Lockdown“ – kann China Vorbild sein?

  • China geht voran mit der Lockerung – kommt die 2. Welle?

  • Soziale Distanzierung greift: Schon 120.000 Todesfälle verhindert

  • Verhältnisse in China unterscheiden sich

  • Lockerung nur „super-vorsichtig“ und mit strikter Überwachung

  • Medizinethikerin: „Menschen brauchen Ausstiegsperspektive“

 

„Mama, sind wir bald da?“ Das würden viele von uns derzeit gerne fragen. Kommen wir uns doch immer mehr vor wie die ungeduldigen Kinder auf der Auto-Rückbank, die das Ende der Fahrt sehnlichst erwarten. Wann ist endlich Schluss mit all den persönlichen Einschränkungen, dem „Social Distancing“? Wann öffnen Schulen, Universitäten, Restaurants, Läden und Firmen wieder?  Wann können wir wieder reisen, wann Oma und Opa besuchen?

China geht voran mit der Lockerung

Die Antwort darauf bleiben uns Politiker und Wissenschaftler in Deutschland, aber auch europa- und weltweit derzeit noch schuldig – auch, weil sie es selbst nicht so genau wissen. Umso neugieriger schauen alle derzeit in die Provinz Hubei. Dort, wo die COVID-19-Epidemie ihren Anfang nahm, wo am 23. Januar 2020 der erste Corona-Lockdown in Kraft trat, geht man uns nun auch voran, was die allmähliche Lockerung der Restriktionen angeht. In den letzten Tagen waren aus China kaum noch Neuinfektionen gemeldet worden.

Seit letzter Woche sind in der Provinz, in der rund 60 Millionen Menschen leben, die Reisebeschränkungen zumindest zum Teil aufgehoben, die Fabriken haben wieder geöffnet, Schulen, Universitäten und Kinderbetreuung bleiben aber noch zu … und Wissenschaftler und Politiker weltweit verfolgen gespannt, was nun passiert. Droht eine zweite COVID-19-Welle?

Kommt die zweite Welle?

Die Zeitschrift Nature zitiert in einem aktuellen Artikel Prof. Dr. Ben Cowling, einen Epidemiologen von der Universität Hong Kong, der warnt: „Es ist zwar Zeit, den Lockdown zu lockern, aber wir müssen auch auf eine mögliche zweite Welle von Infektionen gefasst sein.“ Sollte eine solche 2. Welle Hubei heimsuchen, rechnet Cowling ungefähr Ende April damit.

Bleibt sie aber aus, könnten dies auch für uns in Europa gute Nachrichten sein. Denn bislang klingen die Voraussagen alles andere als optimistisch. Laut einer Modellierung des Imperial College of London von Mitte März, basierend auf dem britischen COVID-19-Ausbruch, müssten Maßnahmen zur sozialen Distanzierung wie die Schließung von Schulen und Universitäten für rund 2 Jahre durchgehalten werden, um tatsächlich die Zahl der schweren COVID-19-Erkrankungen auf einem Level zu halten, der von den Kliniken noch verkraftet werden kann – vorausgesetzt wir haben nicht früher einen Impfstoff oder gute Therapien.

Soziale Distanzierung greift – schon mindestens 120.000 Todesfälle verhindert

Dass die soziale Distanzierung die gewünschten Effekte zeitigt, hat die gleiche Arbeitsgruppe vor wenigen Tagen in einer weiteren Modellierung bestätigt. In 11 betroffenen europäischen Ländern (einschließlich Italien, Spanien, Deutschland und Frankreich) seien bereits heute durch Schulschließungen und den „nationalen Lockdown” bis zu 120.000 Todesfälle vermieden worden, haben sie berechnet.

Sie gehen in ihren Analysen dabei von Durchseuchungsraten zwischen 2 und 12% in den Bevölkerungen aus. Allerdings warnt auch Report-Autor Dr. Samir Bhatt, trotz Hinweisen darauf, dass die Maßnahmen begonnen haben zu greifen: „Es ist zu früh, um zu sagen, dass wird die Epidemie bereits voll kontrollieren – und es werden noch mehr schwierige Entscheidungen in den kommenden Wochen getroffen werden müssen.“

Aber vielleicht zeigt uns das chinesische Beispiel ja Möglichkeiten, wie es anders geht. Wie halten es die Chinesen nun in Hubei? Nachdem es ihnen gelungen ist, die Zahl der COVID-19-Neuinfektionen quasi auf null zu senken, besteht die Strategie derzeit in extensivem Testen und der Kontakt-Nachverfolgung bei Neuinfektionen sowie deren Isolierung – aber auch einigen weiteren Maßnahmen des „Social Distancing“. Um den Import von Neuinfektionen zu verhindern, wurden z.B. die Grenzen für Ausländer geschlossen – und die eigenen Bürger, die einreisen, müssen sich einer 14-tägigen Quarantäne unterziehen.

Die Situation in China ist anders

Wissenschaftler verweisen jedoch darauf, dass sich die Situation in China von der unsrigen deutlich unterscheidet. Dort hat man den Erreger mit sehr viel aggressiveren Methoden als bei uns versucht einzugrenzen – und so die Ausbreitung tatsächlich eingedämmt.

In Europa dagegen setzen wir auf weniger strikte Methoden, die die Ausbreitung nur so weit verlangsamen, so dass das Gesundheitswesen die anfallenden schweren Erkrankungen noch versorgen kann. Wir setzen dabei zwar auch auf (meist weniger strikte) soziale Distanzierung, machen aber auch sehr viel weniger Tests und sind weniger konsequent in der Nachverfolgung der Kontakte.

Wie Cowling meint, werden wir es daher in Europa schwerer haben, zu unserem vor-pandemischen Leben zurückzukehren. Und selbst in China bleibe das Risiko für einen neuen Ausbruch hoch, so der Epidemiologe. Dies allein schon vor dem Hintergrund, dass das Virus sehr leicht übertragbar sei und es im Land bestimmt noch unentdeckte Infektionsherde gebe.

Auch sein Kollege Prof. Dr. Gabriel Leung, Dekan der medizinischen Fakultät und Professor für öffentliche Gesundheitsmedizin an der Universität von Hongkong äußert in dem Nature-Artikel Zweifel, dass ein einzelner Lockdown allein möglicherweise nicht ausreiche – und eventuell weitere strenge Bemühungen notwendig seien, um das Virus einzudämmen. „Der Drahtseilakt zwischen Schutz der Gesundheit und der Wirtschaft sowie dem emotionalen Wohlergehen der Menschen wird alle Regierungen in absehbarer Zukunft beschäftigen.“

„Wait and see“

Das gleiche Team vom Imperial College in London hat übrigens in einer anderen Studie analysiert, was bislang – nach der Aufhebung der strikten Restriktionen in den 6 am stärksten von COVID-19 betroffenen Gebieten in China – passiert ist, und das weist eher auf eine Entwarnung hin: Auch nachdem Mobilität und wirtschaftliche Aktivitäten dort wieder zugenommen haben, blieb die Zahl der nachgewiesenen Infektionen sehr niedrig.

Prof. Dr. Andrew Tatem, Epidemiologe von der Universität of Southampton, UK, warnt jedoch, dies allerdings mit Vorsicht zu interpretieren. Mobilität und Ökonomie hätten in weiten Teilen des Landes bei weitem noch nicht das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Und auch ein zeitlicher Verzug (lag-time) zwischen den erneuten Aktivitäten und neuen gemeldeten Infektionsfällen sei zu berücksichtigen. „Wait and see“, sagt er.

Wie leicht sich der Erreger wieder in der Bevölkerung etablieren und ausbreiten kann, hängt natürlich auch vom Ausmaß der sogenannten Herdenimmunität ab. Wie viele Menschen in der Bevölkerung haben sich in der ersten Welle infiziert – vielleicht sogar ohne es zu wissen – und sind nun immun? Nimmt man die offiziell von China während des ersten Ausbruchs gemeldeten Zahlen, kann man allerdings auf die Herdenimmunität noch lange nicht setzen, denn dann läge selbst dort diese Rate noch deutlich unter 10% – viel zu niedrig, um einer 2. Welle etwas entgegenzusetzen.

Lockerung nur super-vorsichtig und mit strikter Überwachung

Nehmen wir nicht Zentral-China sondern Hong Kong, Singapur und Taiwan als Beispiel – in allen 3 Regionen war es gelungen, die erste Welle durch intensives Testen, die Nachverfolgung und Isolierung von Kontakten zu limitieren, doch auch hier sind laut der Daten der John-Hopkins-Universität die Infektionen in letzter Zeit wieder angestiegen – und Maßnahmen wie Reisebeschränkungen wurden verschärft, öffentliche Orte, Museen etc.  geschlossen. Bei der Lockerung der Maßnahmen müsse man in kleinen Schritten und „ultra-vorsichtig“ vorgehen, meint Tatem – und dabei die Konsequenzen eng überwachen.  

Stichwort Überwachung: In China findet nach wie vor ein extensives Monitoring von COVID-19 landesweit statt. Die Einwohner der Provinzen erhalten z.B. einen QR-Code auf ihr Smartphone, auf dem Angaben zu ihrem Gesundheitszustand und ihrer Reise-Historie gespeichert sind. Wer nur in sicheren Regionen unterwegs war, in Quarantäne war und negativ getestet worden ist, der erhält einen „grünen“ Status – und darf damit über die Grenzen der Provinz reisen, darf wieder öffentliche Verkehrsmittel benutzen und Kliniken oder Pflegeheime betreten. Zudem können so – wenn Neuinfektionen gemeldet werden – deren enge Kontakte ermittelt und isoliert werden.

Diese Überwachung geht deutlich weiter als die europäische geplante Smartphone-App, die per Bluetooth ermittelte Kontaktpersonen einer positiv auf Covid-19 getesteten Person warnen soll. Die "Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing"-Initiative (PEPP-PT), an der unter anderem das Robert Koch-Institut (RKI) und das  Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) beteiligt sind, setzt auf Freiwilligkeit – und wird eine umfassende Erfassung der Kontakte damit viel schwieriger erreichen, als die chinesischen Ansätze.  

Und selbst mit den rigiden chinesischen Maßnahmen hält es Cowling für möglich, dass eine 2. Welle sich nicht verhindern lässt. „Trotz allem Fokus auf das Testen und Isolieren, sind Maßnahmen der sozialen Distanzierung weiterhin wichtig“, betont er.  Auf absehbare Zeit – so scheint es – werden uns Wissenschaftler und Politiker wohl noch die Antwort schuldig bleiben auf die Frage: „Wann sind wir denn endlich da?“

Medizinethikerin: Ausstiegsszenarien jetzt planen

Allerdings plädiert Prof. Dr. Christiane Woopen, Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Universität Köln, dafür, schon heute Ausstiegsszenarien zu planen. Die Menschen benötigen eine solche Perspektive, argumentiert die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk warb sie für einen Expertenrat, eine Kommission auf Bundes-Länder-Ebene, die täglich „Risikoeinschätzungen und Bewertungen vornimmt, um dann zu schauen, in welchen Regionen man mit welchem Maßnahmenbündel für welche Bevölkerungsgruppen eine Lockerung herbeiführen kann“. Jetzt, so meint sie, sei die richtige Zeit, sich einen solchen „risikoangemessenen Stufenplan“ zu überlegen.

Update 31.03.2020: Schutzmasken: Kaum wissenschaftliche Evidenz, trotzdem als „Geste“?; Todesliste italienischer Ärzte

  • Systematischer Review: Keine Evidenz für Wirksamkeit von Atemschutzmasken

  • Empfehlung für Gesundheitspersonal, aber nicht die Bevölkerung?

  • Prof. Drosten für (selbstgeschneiderte) Masken als „höfliche Geste“

  • 10% der Haushalts- und 5% der Risiko-Kontakte infiziert

  • Corona-Diagnostik: Ausreichende Kapazitäten in deutschen Labors

  • Todesliste italienischer Gesundheitsarbeiter und Ärzte

Deutschland diskutiert über die Schutzmasken-Pflicht in der Öffentlichkeit. Nachdem Österreich gestern angekündigt hat, dass das Tragen von Schutzmasken – zumindest beim Einkaufen – Pflicht werden soll, mehren sich die Stimmen, die auch für Deutschland ähnliche Regelungen fordern.

Sytematischer Review: Keine Evidenz für Wirksamkeit von Atemschutzmasken

Allerdings: Die wissenschaftliche Beweislage für den Sinn solcher Maßnahmen ist gering, zeigt eine aktuelle Auswertung. Auf dem Preprint-Server MedRχiv hat ein Team um Prof. Dr. Tom Jefferson von der Universität Oxford gestern einen systematischen Review mit Metaanalyse dazu veröffentlicht. Sie haben aus dem Cochrane Central Register kontrollierter Studien, sowie aus PubMed, Embase and CINAHL die verfügbaren Studienergebnisse der vergangenen 10 Jahre zusammengetragen.

14 Studien untersuchten die Wirksamkeit von Atemschutzmasken, um die Ausbreitung viraler Infektionen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Bevölkerung zu unterbrechen bzw. zu reduzieren. In einer weiteren Studie wurden die Effekte von Quarantänemaßnahmen untersucht.

Das Ergebnis: Weder die Fälle von Influenza-Like Illness (ILI) (Risiko Ratio 0.93, 95%-KI: 0,83-1,05), noch die im Labor bestätigten Influenza-Fälle (Risiko Ratio 0,84, 95%-KI: 0,61-1.17) wurden durch das Tragen der Masken signifikant reduziert – dies galt für die allgemeine Bevölkerung, aber auch für Beschäftigte im Gesundheitswesen (die Risiko Ratio betrug hier zwar 0,37, doch war das 95%-Konfidenzintervall mit 0,05 bis 2,50 sehr weit).

Es fand sich dabei auch kein Unterschied zwischen chirurgischen Masken und N95 Masken, die so heißen, weil sie 95% aller Aerosole aus der Luft filtern sollen. Bei ihnen lag die Risiko Ratio für ILI bei 0,83 (95%-KI: 0,63-1,08), und für Labor-bestätigte Influenza bei 1,02 (95%-KI 0,73-1,43). Schäden durch das Tragen der Masken wurden wenig berichtet und beschränkten sich auf die Unannehmlichkeit des Tragens, die sich negativ auf die Compliance auswirkte.

Empfehlung für Gesundheitspersonal, aber nicht die Bevölkerung?

Die einzige Studie, die die Auswirkungen einer Quarantäne von Beschäftigten mit Haushaltsangehörigen mit ILI getestet hatte, ergab auch kein wirklich schlüssiges Ergebnis. Sie fand heraus, dass dadurch zwar ILI-Fälle an den Arbeitsstätten der Beschäftigten reduziert wurden, gleichzeitig aber das Influenza-Risiko der Beschäftigten in der Quarantäne erhöht war.

Aus ihrem systematischen Review folgern die Autoren, dass sie – trotz der mangelnden wissenschaftlichen Beweislage – Beschäftigten im Gesundheitswesen weiter zum Gebrauch von Atemschutzmasken raten. Sie betonen aber, dass ein Unterschied zwischen einfachen chirurgischen und N95 Masken nicht nachweisbar sei. Und dass letztere eher mit Problemen wie Dehydrierung, Behinderung bei der Arbeit und Compliance-Problemen assoziiert seien.

Auch die Evidenz für die Wirksamkeit von Quarantäne-Maßnahmen sei limitiert – und es seien dringend große Studien notwendig, die den Gebrauch von Masken genauer untersuchten. Dies im Übrigen auch im Vergleich zu einer Protektion des gesamten Gesichts, denn bekanntlich können SARS-CoV-2 auch über das Auge Infektionen auslösen, zur Augenprotektion fanden die Autoren bei ihrem systematischen Review aber keine einzige Studie.

Prof. Drosten für (selbstgeschneiderte) Masken als „höfliche Geste“

In seinem gestrigen Podcast mit dem NDR hat allerdings Deutschlands derzeit wohl am häufigsten zitierter Virologe Prof. Dr. Christian Drosten von der Charite in Berlin sich auch für das Tragen von Masken im Alltag ausgesprochen: „Der Fremdschutz über die Masken, das halte ich für eine ganz wichtige Maßnahme“, sagte er.

Doch dürfe dies nicht auf Kosten der Versorgung des medizinischen Personals mit den Masken gehen, warnte er und sprach sich dafür aus, „sich einfach eine Maske selber zu basteln oder zu schneidern oder eine selbstgeschneiderte zu kaufen“. Drosten bezeichnete es als „höfliche Geste“, die Umgebung zu schützen, so dass – etwa beim Sprechen – „kein Speichel durch die Gegend fliegt oder beim Husten die gröbsten Tröpfchen im Stoff hängenbleiben“.

10% der Haushalts- und 5% der Risiko-Kontakte infiziert

Drosten verwies auf eine neue Auswertung im Lancet der ersten SARS-CoV-2-Übertragungen in München, die sehr interessante Daten zur Übertragungsrate liefere. Danach haben sich bei den Haushaltskontakten 10% der Fälle infiziert.

„Noch interessanter“ für die Einschätzung der Übertragungsgefahr im Alltag, seien dabei die Risikokontakte (Risikokontakt ist, wer mindestens 15 Minuten Face-to-Face mit einem Infizierten Kontakt hatte), dies am Arbeitsplatz und im Freizeitleben. Von 217 solcher Kontakte hatten sich 11 infiziert, also rund 5%. Fast alle dieser Infizierten seien symptomatisch gewesen, auch wenn die Symptome zum Teil sehr gering ausfielen.

Corona-Diagnostik: Ausreichende Kapazitäten in deutschen Labors

Welche Kapazitäten haben Labors bei der SARS-CoV-2-Diagnostik per PCR und wie sind die Prognosen? Dazu veröffentlichten die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) neue Zahlen. ALM vertritt 200 Labore, das entspricht 80% der deutschen Kapazität.

Laut Dr. Michael Müller, 1. Vorsitzender von ALM, ist die Zahl der bei ALM durchgeführten Tests von 36.067 (Kalenderwoche 10), 106.460 (Woche 11) und 266.454 (Woche 12) auf 313.957 (Woche 12). Die Positivrate entwickelte sich von 5,2% (Woche 11) und 6,8% (Woche 12) auf 8,9% (Woche 13). Daten zu Woche 10 liegen nicht vor. Und Testkapazitäten erhöhten sich von täglich 16.485 (Woche 10), 28.435 (Woche 11), 59.230 (Woche 12) auf 92.950 Untersuchungen (Woche 13). „Die Testkapazität reichte im angegebenen Zeitraum aus“, erklärt Müller. „80 Prozent der Kapazitäten befinden sich in nur 50 Labors.“

Wie er bestätigt, schneide Deutschland bei Untersuchungen im Vergleich zu anderen Ländern gut ab. Bis zum 30.3. habe es hierzulande insgesamt bei allen Labors, auch außerhalb von ALM, 797.252 Tests gegeben, in den USA 921.941, in Italien 437.359 und in Spanien 355.000. Von zu wenigen Untersuchungen könne bei uns nicht die Rede sein, so der Experte. „Ob es wirklich sinnvoll ist, Kapazitäten weiter auszubauen, werden die nächsten Wochen zeigen.“

Evangelos Kotsopoulos, Vorstandsmitglied bei ALM, berichtet noch von einem weiteren Effekt. Labors des Netzwerks würden pro Tag 1 Million Untersuchungen durchführen, und nur ein Bruchteil betreffe SARS-CoV-2. „Wir sehen seit etwa 14 Tagen, dass die Zahl an sonstigen Untersuchungen stark einbricht, weil Patienten weniger zum Arzt gehen oder weil planbare Eingriffe verschoben werden.“ Dadurch entspanne sich die Situation. Derzeit gebe es auch noch genügend Chemikalien und Verbrauchsmaterialien.

Bislang arbeiten Labors bekanntlich mit der PCR-Diagnostik. In etwa 8-12 Wochen hoffen die Experten, Aussagen zur Verlässlichkeit von Tests auf Antikörper zu treffen; derzeit laufen noch Forschungsprojekte.

Todesliste italienischer Gesundheitsarbeiter und Ärzte

In Italien, dem von der Coronavirus-Pandemie derzeit am stärksten betroffenen Land, macht derweil der Präsident der FNOMCeO (Federazione Nazionale degli Ordini dei Medici Chirurghi e degli Odontoiatri) Dr. Filippo Anelli den Mangel an persönlichen Schutzmaterialien (im englischen PPE für personal protective equipment) dafür verantwortlich, dass in Italien inzwischen auch 61 Ärzte oder im Gesundheitswesen Beschäftigte an COVID-19 gestorben sind. 38% davon waren niedergelassene Hausärzte – vor allem in der Region Bergamo oder der Umgebung. Die Mehrzahl war zudem über 60 Jahre alt, aber auch ein 49 und ein 55 Jahre alter Arzt sind unter den Todesopfern.

Die FNOMCeO hat eine Liste der Toten ins Internet gestellt, die jeweils ergänzt wird. „Unsere Doktoren sind unbewaffnet in den Krieg gezogen“, wird Anelli in einem Artikel auf Medscape.com zitiert. „Es ist vernünftig anzunehmen, dass diese Ereignisse oft vermeidbar gewesen wären, wenn diejenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten, korrekt informiert und ausreichend mit Materialien zum persönlichen Schutz ausgerüstet worden wären.“

Update 27.03.2020: Die Lage spitzt sich zu: USA mit weltweit meisten Infektionen, noch mehr Tests in Deutschland geplant

  • 86.000 nachgewiesene Infektionen in den USA

  • „Ruhe vor dem Sturm“ in Deutschland

  • Neue Kontroll-Strategie für Deutschland: Noch mehr Tests

  • Ärzte haben Angst und immer noch zu wenig Schutzausrüstung

Die Lage spitzt sich zu. Allerdings mehr weltweit, während man in Deutschland fast überall noch in gespannter Vorbereitung auf die anrollende Welle der schweren COVID-19-Fälle verharrt. Die USA haben mit inzwischen 86.000 bestätigten SARS-CoV-2-Infektionen – und damit mehr als China – die Vorreiterrolle weltweit übernommen. Das Gesundheitssystem dort kommt – vor allem im besonders betroffenen New York – zunehmend in Bedrängnis.

„Ruhe vor dem Sturm“ in Deutschland

Bei den COVID-19-Todesfällen führen Italien (8.215 Tote bei 80.600 bestätigten Infektionen) und auch Spanien hat inzwischen China überholt (4.365 Tote bei 57.800 bestätigten Infektionen). Die USA melden inzwischen 1.300 Corona-Tote. Im Vergleich dazu scheint Deutschland, das mit 47.300 Fällen an 4. Stelle der nachgewiesenen Infektionen steht, mit derzeit 281 COVID-19-Todesfällen noch gut dazustehen.

Doch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warnte bei der Bundespressekonferenz am gestrigen Donnerstag: „Noch ist das die Ruhe vor dem Sturm. Niemand kann genau sagen, was in den nächsten Wochen kommt."

Die Todesraten in Deutschland sehen nach Ansicht verschiedener Experten auch deswegen so gut aus, da hier im Vergleich zu vielen anderen Ländern großzügig getestet wird.  Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin, sprach gegenüber dem Deutschlandfunk von geschätzt rund 500.000 PCR-Tests, die wöchentlich in Deutschland vorgenommen werden.

Neue Kontroll-Strategie für Deutschland: Noch mehr Tests

Wie mehrere Medien heute berichtet haben, soll laut einem vertraulichen Strategiepapier des Bundesinnenministeriums die Testkapazität in Deutschland noch weiter massiv ausgebaut werden. Vorbild ist Südkorea, wo mittels Massentests und Isolierung der Erkrankten, die Ausbreitung des Erregers so stark verlangsamt werden konnte, dass man einen öffentlichen „Shut-down“ umgehen konnte. Auch in Deutschland ist demnach die Strategie, durch das vermehrte Testen (bis Ende April auf bis zu 200.000 Tests täglich) Infizierte frühzeitig zu erkennen – und sie und ihre Kontaktpersonen zu isolieren.

Studie: Drohen mehr als 80.000 Todesfälle in den USA?

Derweil scheint in den USA, das sich zum Epizentrum der Pandemie entwickelt hat, die Situation zunehmend außer Kontrolle zu geraten. Nach einer Datenanalyse der University of Washington School of Medicine, könnte die Pandemie in den kommenden 4 Monaten dort mehr als 81.000 Todesopfer fordern, wie Reuters berichtet

US-Präsident Donald Trump argumentiert, in den USA werde so viel getestet – und deswegen seien die Zahlen hoch. Andere Länder hätten viel höhere Dunkelziffern. Inzwischen gerät er aber wegen seines Krisen-Managements zunehmend unter Druck.

In New York gibt es inzwischen mehr als 30.000 bestätigte Infektionen und 365 Tote. Vor einer Klinik in NYC wurde ein Zelt als behelfsmäßige Leichenhalle aufgebaut. Der Staat New York benötigt Hochrechnungen zufolge in den kommenden Wochen rund 30.000 Beatmungsgeräte für schwer Erkrankte. Der deutsche Intensivmediziner Dr. Nils Hennig berichtete in einem Interview mit dem ZDF , dass die Klinken der Stadt in „ein bis zwei Tagen" am Ende ihrer Kapazitäten sind. Das Personal habe „eine fabelhafte Einstellung", doch es fehle vor allem an Beatmungsgeräten und Schutzkleidung.

Ärzte haben Angst und immer noch zu wenig Schutzausrüstung

Anscheinend fehlt es in Deutschland trotz der emsigen Vorbereitungen der letzten Wochen immer noch am Nötigsten: Atemschutzmasken. Sonst würde nicht der Hausärzteverband Westfalen-Lippe einen Spendenaufruf für Schutzmasken starten.

Er richtet sich an Industrie und Einzelhandel, die normalerweise selbst Schutzmasken im Einsatz haben, aber aufgrund der Corona-Krise nun geschlossen sind: „Wenn Sie Schutzmasken vorrätig haben, die Sie erübrigen können, stellen Sie uns diese bitte zur Verfügung. Der Hausärzteverband verteilt sie dann an die Hausarztpraxen und regionalen Behandlungszentren vor Ort weiter“, bittet Claudia Diermann, Geschäftsführerin der Hausärztlichen Service- und Wirtschaftsgesellschaft des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe.

Umfrage: Wie geht es Ihnen in der Corona-Krise?

Wie gut sind Ärzte nun gerüstet für die Corona-Krise, wollten wir vom Redaktionsteam von Medscape diese Woche wissen. Wie groß sind der Stress und die Angst? Mit 7 Fragen unserer Mini-Umfrage haben wir ein interessantes Stimmungsbild bekommen, dank der Teilnahme von rund 250 registrierten Medscape-Lesern. Hier die Auswertung (Stand Freitag, 27.3.2020, 13 Uhr)

Auch wir wollten in unserer (nicht repräsentativen) Online-Befragung einen Eindruck gewinnen, ob Kollegen im Gesundheitsbereich endlich genug Masken und Schutzkleidung bekommen haben: 71% antworteten mit Nein, 16% mit Ja und auf 13% traf die Frage nicht zu.

Bei den Testkapazitäten sieht es kaum besser aus: 47% gaben an, dass an ihrer Arbeitsstelle nicht genügend Tests zur Verfügung stehen. 22% haben genug Diagnosemöglichkeiten für SARS-CoV-2. Für ein Drittel der Teilnehmer spielt die Frage in ihrem Job keine Rolle.

Wie hat sich die Arbeitsbelastung durch die Corona-Krise in Ihrer Klinik oder Praxis verändert? Die Belastung scheint derzeit sehr ungleich verteilt. Bei 42% der Umfrageteilnehmer ist sie sogar weniger geworden. Eventuell, weil in manchen Fachbereichen nur noch wenige Patienten im Moment einen Arzt aufsuchen. Bei 19% hat sich die Arbeitsbelastung nicht groß verändert gegenüber Pre-Corona-Zeiten. Aber fast 40% erleben mehr Stress, 11% davon sehr viel mehr.

Wenigstens blicken die Kollegen halbwegs zuversichtlich in die nahe Zukunft. Auf die Frage, ob sie zuversichtlich sind, dass das Gesundheitssystem für die steigenden Zahlen von schwerkranken COVID-19 Patienten vorbereitet ist, antworteten: 23% mit einem klaren Ja. Weitere 43% glauben, dass dies zumindest in manchen Bereichen der Fall ist. Fast jeder Dritte ist allerdings pessimistisch und kreuzte Nein an.

Wie groß ist die Angst der Ärzte?

Verständlich ist, dass die Mehrzahl der Teilnehmer sich durchaus Sorgen um ihre eigene Gesundheit machen. 56% haben Angst, dass sie sich bei Kollegen oder Patienten mit dem Virus anstecken und an COVID-19 schwer erkranken. 9% haben sogar große Angst davor.

Und wie zufrieden sind unsere Leser mit der Politik? 59% sind der Meinung, dass die die Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens nicht rechtzeitig angeordnet wurden.

Mit einem Blick in die Zukunft wollten wir noch wissen, wie groß die Risikobereitschaft für mögliche Auswege aus der Krise ist. Die Antwort in der aktuell brenzligen Situation war sehr eindeutig: 2 Drittel (77%) der Umfrageteilnehmer befürworten, dass Impfstoffe und Medikamente gegen das SARS-CoV-2-Virus durch verkürzte Zulassungen oder mit geringeren Sicherheitsstandards schneller am Patienten zum Einsatz kommen.

Update vom 25.03.2020: Colchicin und BCG als neue Optionen; Studien zu Therapien und Impfungen – die Hoffnungsträger im Überblick

  • Große WHO-Studie testet 4 Strategien

  • Hoffnungsträger Remdesivir – auch BfArM-Studien

  • Neue Einsatzmöglichkeiten für Colchicin?

  • Geldmacherei in der Not – dubiose Angebote im Internet

  • Impfstoffe im Test – die unterschiedlichen Ansätze

Die COVID-19-Pandemie hat Deutschland fest im Griff. Laut Zahlen des Robert Koch-Instituts, Berlin, haben sich bundesweit 31.554 Personen infiziert und 149 sind gestorben (Stand: 25.3.2020, 00:00 Uhr). Alle hoffen darauf, dass die Kontaktverbote greifen und die weitere Ausbreitung stoppen. Derweil läuft die Suche nach Therapeutika und Impfstoffen auf Hochtouren; immer neue vielversprechende Ansätze werden diskutiert – nun soll unter anderem auch eine Studie mit Colchicin anlaufen. Ein Überblick.

Große WHO-Studie geplant

Viele Akteure sind an der Suche nach geeigneten Wirkstoffen beteiligt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und mehrere Partner investieren 43 Millionen US-Dollar in die SOLIDARITY-Studie. Details zur Planung hat die WHO derzeit noch nicht veröffentlicht.

Die Studie testet das Virostatikum Remdesivir, das Malaria-Medikament Chloroquin, die HIV-Kombination Lopinavir/Ritonavir und diese Kombination zusammen mit Beta-Interferon.

Wie Medscape berichtet hat, gelten die Malaria-Therapeutika Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin als mögliche – wenn auch wissenschaftlich derzeit umstrittene – Therapien um die Viruslast zu reduzieren.

Deutsche Herzstiftung und Herzspezialisten warnen derweil davor, zum jetzigen Zeitpunkt Chloroquin in Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin einzusetzen, wofür der US-Präsident Donald Trump wirbt. Zuvor müsse dieser Therapieansatz in klinischen Studien erprobt werden. Es gebe keine ernstzunehmenden Berichte über die Kombinationstherapie von Chloroquin und Azithromycin, gibt der Kardiologe und Pharmakologe Prof. Dr. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung zu bedenken. Jedes der Medikamente kann jedoch in seltenen Fällen, häufiger aber bei Patienten mit vorbestehender Herzerkrankung, zum Teil tödliche Herzrhythmusstörungen auslösen.

Auch zu Lopinavir/Ritonavir wurden kürzlich negative Daten im NEJM veröffentlicht. In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie mit 199 Patienten zeigte die Therapie keinen signifikanten Vorteil. Das kann aber auch an der Kohorte von Patienten liegen, die bereits Lungenschäden hatten- Möglicherweise ist Lopinavir gegen SARS-CoV-2 auch nicht besonders wirksam.

Remdesivir wurde ursprünglich gegen Ebola- und Marburgvirus-Infektionen entwickelt, enttäuschte jedoch in den entsprechenden Studien. In-vitro-Tests zeigen aber eine vielversprechende Wirksamkeit gegen das neuartige Coronavirus.

Das Studienprotokoll von SOLIDARITY wurde von der WHO für Ärzte bewusst einfach gehalten, um sie zeitlich nicht noch mehr zu belasten. Haben sie bei Patienten per PCR eine SARS-CoV-2-Infektion bestätigt, geben sie alle Daten über eine Internet-Maske ein, inklusive der gescannten Einverständniserklärung. Die Software weist dann jeder Person randomisiert einen Therapiearm oder die symptomorientierte, unspezifische Standardbehandlung zu.

Hoffnungsträger Remdesivir – auch BfArM-Studien

Remdesivir gilt weltweit als einer der am meisten versprechenden Wirkstoffe. Im Eilverfahren hat die US Food and Drug Administration 2 Phase-3-Studien des Herstellers Gilead zugelassen. In einer Studie werden 400 Patienten mit schweren klinischen Manifestationen von COVID-19 randomisiert, um entweder 5 oder 10 Tage Remdesivir zu erhalten. In der 2. Studie werden ungefähr 600 Patienten mit mäßigen klinischen Manifestationen der Krankheit randomisiert; sie erhalten entweder ebenfalls 5 oder 10 Tage Remdesivir oder eine Standardbehandlung. Der primäre Endpunkt beider Studien ist die klinische Verbesserung der Symptome.

In Deutschland hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Mitte März 2 klinische Phase-3-Prüfungen mit Remdesivir genehmigt. In beiden Studien sollen Patienten mit schwerer bzw. mittelschwerer COVID-19-Erkrankung mit Remdesivir behandelt werden. Insgesamt soll der Wirkstoff an 600 Patienten mit moderaten Symptomen und 400 Personen mit schwerer Symptomatik erprobt werden. Dies geschieht in 50 Kliniken weltweit, u.a. in der München Klinik Schwabing. Das Medikament wird zudem im Rahmen individueller Heilversuche bereits eingesetzt.

Neue Einsatzmöglichkeiten für Colchicin?

Auch das altbekannte Gichttherapeutikum Colchicin könnte im Zuge von COVID-19 ein Revival erleben; Studien laufen im kanadischen Quebec. Prof. Dr. Jean-Claude Tardif, Forschungsdirektor am Montreal Heart Institute, weist darauf hin, dass das (bekanntlich Erbgut-verändernde) Alkaloid aus der Herbstzeitlose auch bei der Behçet-Krankheit und beim familiären Mittelmeerfieber eingesetzt werde. Auch zur Therapie bei Perikarditis zeigt es Wirkung.

Er vermutet, der Wirkstoff könnte aufgrund seiner antiinflammatorischen Eigenschaften Pneumonien bei COVID-19 lindern. Zusammen mit Kollegen will er 6.000 Patienten aus Quebec rekrutieren. Sie müssen per PCR positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden sein, älter als 40 sein und dürfen keine schwerwiegenden Symptome haben. Die Hälfte dieser Patienten wird Colchicin erhalten, während die andere Hälfte ein Placebo bekommen wird.

Geldmacherei in der Not

Es gibt also einiges an Hoffnungen auf neue Ansätze, jedoch bislang kein zugelassenes Therapeutikum. Dies machen sich wohl einige betrügerische Online-Händler zu Nutze. Davor hat die European Medicines Agency (EMA) gestern gewarnt: „Verkäufer können behaupten, dass sich ihre Produkte für die Therapie von COVID-19 eignen oder die Erkrankung verhindern können oder sie erwecken den Anschein, dass sie einfachen Zugang zu Medikamenten bieten, die sonst nicht so leicht erhältlich sind“, schreibt die Behörde. „Solche Produkte sind wahrscheinlich gefälschte Medikamente“, warnt sie.  

Der EMA-Rat an Verbraucher, aber auch an Ärzte zur Weitergabe an Patienten: „Kaufen Sie Medikamente nur in einer örtlichen Apotheke oder bei einem Einzelhändler oder in einer bei nationalen Behörden registrierten Online-Apotheke.“

Impfstoffe: Rahmenbedingungen für die Entwicklung

Von der Therapie zur Prävention. Auch die Suche nach möglichen Impfstoffen läuft auf Hochtouren. Gestern hat der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) eine aktuelle Übersicht publiziert. Demnach werden einige Vakzine bereits an Probanden untersucht, was der Phase vor einer möglichen Zulassung entspricht:

Weitere Projekte befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Generell werden 3 Strategien zur Immunisierung untersucht:

  • Lebendimpfstoffe auf der Basis von genetisch veränderten Vektorviren, die einzelne Proteine von SARS-CoV-2-Proteine exprimieren,

  • Totimpfstoffe auf der Basis von SARS-CoV-2-Proteinen,

  • Genbasierte Vakzine, deren Nukleinsäuren im Körper zur Expression von SARS-CoV-2-Proteinen führen.

Ob eine unspezifische Aktivierung des Immunsystems mit dem Tuberkulose-Impfstoff Bacille Calmette-Guérin (BCG) vor SARS-CoV-2-Infektionen schützt, ist ein weiteres Thema in der wissenschaftlichen Community. Die Hypothese ist umstritten, wird aber beispielsweise durch eine Metaanalyse mehrerer Kohortenstudien aus 2016 gestützt. So war die Gabe eines BCG-Impfstoffs bei Kindern in afrikanischen Ländern mit einer Verringerung der Gesamtmortalität assoziiert. Die Autoren merken an, Haupttodesursache in dem Alter seien bakterielle oder auch virale Infektionen.

Wie Science berichtet, soll in Kürze eine Studie in den Niederlanden starten, für die 1.000 Mitarbeiter von 8 Krankenhäusern rekrutiert wurden. Sie erhalten den bekannten BCG-Impfstoff oder Placebo.

Das Ziel aller dieser Studien ist natürlich immer eine Zulassung bei den Arzneimittelbehörden. In einem Workshop hat sich die EMA mit Impfstoffen in der Krisensituation befasst. Experten aus 17 Ländern kamen zu dem Schluss, es sei wichtig, einen Mittelweg zu finden zwischen der möglichst raschen Entwicklung von Impfstoffen, aber auch der Notwendigkeit, ausreichend robuste Daten zu generieren.

Update 23.03.2020: Deutschland wartet auf die COVID-19-Welle. Wird es ein Tsunami?

Gelingt es uns noch rechtzeitig, die Welle der ab dieser Woche auf uns zu rollenden schweren COVID-19-Erkrankungen so weit abzuflachen, dass sie das Gesundheitssystem nicht einfach überrollt? Vieles ist in den letzten Tagen passiert, was Hoffnung schöpfen lässt, aber einiges sorgt auch für Besorgnis oder sogar Empörung.

Zahlreiche Kliniken haben sich in den letzten Wochen, so gut es geht, auf ein Worst-Case-Szenario vorbereitet. In den Kliniken wurden zusätzliche Kapazitäten geschaffen, es wurden Notfallpläne entwickelt, Intensivbetten und Beatmungsplätze aufgestockt, elektive Operationen verschoben und Personal rekrutiert und geschult. Ab dieser Woche erwarten die Experten einen vermehrten Zulauf intensivmedizinisch behandlungsbedürftiger COVID-19-Patienten.

Es fehlt an Daten, wie viele schwer Erkrankte es in Deutschland gibt

Das Science Media Center hat am Freitag damit begonnen, aktuelle Situationsberichte von deutschen Intensivstationen zu sammeln.

Prof. Dr. Reinhard Busse, TU Berlin, Co-Direktor des European Observatory on Health Systems and Policies, bemängelt vor allem die fehlenden Daten: „Wir wissen nicht, wie viele der in Deutschland positiv getesteten Patienten derzeit in Krankenhäusern auf Normal- oder Intensivstation behandelt werden“, sagt er.

Bezogen auf die derzeitige Inzidenz (laut RKI vom 23.3.2020 deutschlandweit 27 Infizierte/100.000 Einwohner) wisse man damit nicht, ob man eher Verhältnisse wie in Dänemark mit 3% auf Intensivstationen behandelten Patienten oder wie in der Lombardei mit 11% intensivmedizinisch Behandelten habe. „Übertragen wären das im ersten Fall ‚nur‘ 500, im letzteren fast 2.000 Patienten“, so Busse. Genauere Daten, wären wichtig um abzuschätzen, „wann bei den Intensivbetten mit Beatmungsgerät eine kritische Kapazitätsgrenze erreicht sein wird“.

Auch Jüngere ohne Vorerkrankungen auf den Intensivstationen

Prof. Dr. Clemens Wendtner, Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing, berichtet: „Es ist noch nicht der Tsunami, der anrollt, nicht die große Welle. Wir bekommen aber jetzt kontinuierlich Patienten.“

Derzeit werden in Bayern, aber auch anderen Bundesländern, COVID-19-Patienten, die wenig Symptome haben, angewiesen in häuslicher Quarantäne zu bleiben. Das heißt: „Im Krankenhaus sehen wir nur noch Positive, die symptomatisch sind; das sind rund 15 bis 20% der positiv Getesteten.“ Von diesen seien rund ein Drittel intensivpflichtig und würden zum Teil auch beatmet. „Das heißt: Es sind bereits kritisch Kranke dabei.“ 

Beachtenswert ist laut Wendtner – ähnlich wie bereits aus USA berichtet –, dass es sich eben nicht nur um ältere multimorbide Patienten handelt. „Zum Teil sind die Patienten Anfang dreißig und ohne Vorerkrankungen. Da gibt es auch leider keinen Unterschied in der Verteilung zwischen Normal- und Intensivstation. Daher sollten auch jüngere Menschen gewarnt werden und sich an die bekannten Regeln der Hygiene und sozialen Abschottung halten“, betont er.

Auf den Einwand, dass derzeit die Zahlen der schwer Erkrankten bzw. der Todesfälle in Deutschland im internationalen Vergleich gering ist, entgegnet der Münchner Experte: „Es wird leider noch anders kommen. Davon geht jeder aus, der sich mit dem Thema beschäftigt – egal ob Virologen, Infektiologen oder Politiker.“

Die Projektionen seien eindeutig. Nach einer britischen Studie sei für die USA mit 2,2 Millionen Toten und in Großbritannien mit 510.000 Toten zu rechnen – wenn man auf Maßnahmen zur Eindämmung des Virus verzichten würde. „Wir müssen das Worst-Case-Szenario vorbereiten. Und das tut jeder vernünftig Denkende auch.“

Prognose am Heidelberger Klinikum: Für die nächsten 2 Wochen gerüstet

Und auch für Heidelberg bestätigt Prof. Dr. Hans-Georg Kräusslich, Dekan der dortigen Medizinischen Fakultät, dass man dort nun „die erwartete langsame Zunahme von Patienten, die auf die Normalstation bzw. ITS aufgenommen werden“, sehe. Noch sei nur ein sehr geringer Teil der ITS-Kapazität durch COVID-19 Patienten belegt.

Auch in der dortigen Region bleiben Infizierte mit mildem Verlauf in häuslicher Quarantäne. Die stationären Patienten seien im Schnitt etwa 60 Jahren alt und hätten – wie erwartet – gehäuft Vorerkrankungen.

Kräusslich berichtet: „Wir machen eine tägliche Prognose der möglichen Zunahme stationärer Patienten und gegebenenfalls beatmungspflichtiger Patienten auf der Grundlage der Anzahl bei uns diagnostizierter Fälle und der internationalen Zahlen zum schweren und kritischen Verlauf. Dies würde eine deutliche Zunahme in den nächsten zwei Wochen erwarten lassen, die aber im Rahmen der Kapazität des Klinikums lösbar wäre.“

Allerdings: „Wie es danach weitergeht, hängt nach unserer Einschätzung von der Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zur Infektionsprävention ab und kann aktuell nicht sicher vorhergesagt werden.“

Intensiv- und Notfallmediziner: Profitgier und Material-Engpässe bei Schutzausrüstung

Probleme macht derweil aber die Versorgung der Behandlungsteams mit Schutzausrüstung. Prof. Dr. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), der rund 3.000 auf diesem Gebiet tätige Menschen vertritt, warnt in einem Rundschreiben: „Wenn jetzt nicht binnen weniger Tage ausreichend Schutzausrüstungen für unser medizinisches Personal bereitgestellt wird, dann können die bald nicht mehr arbeiten!“ Dann nutze die ausreichende Zahl an Intensivbetten auch nichts mehr.

Skandalös sei, dass noch erhältliche Atemschutzmasken, mehrlagiger OP-Mundschutz, Untersuchungshandschuhe oder laminierte Schutzkittel auf dem Markt mittlerweile zu vielfach überteuerten Preisen angeboten würden. „Diese reine Profitgier und den akuten Material-Engpass muss die Politik sofort stoppen“, fordert er.

Eine sogenannte FFP2-Maske mit Atemschutzfilter kostet je nach Ausführung 11 bis 60 Cent. Doch derzeit kaufe die Klinik „notgedrungen tausende Masken zum Preis von 7 Euro das Stück.“ Ein normaler, dreilagiger Klinik-Mundschutz mit Gummiband lag vor der Corona-Pandemie bei 3 bis 15 Cent, eine OP-Maske mit hoher Keimdichtigkeit bei 5 bis 15 Cent. Erste Anbieter verlangten nun das 5-fache.

Gleiches gelte bei Medikamenten für die Intensivbehandlung. „Wir beobachten schon jetzt, dass einige Pharma-Unternehmen die Preise ihrer Produkte in die Höhe schnellen lassen. Aus einer solchen Notlage nun Profit zu schlagen, ist unsolidarisch und ethisch überhaupt nicht mehr zu vertreten. Das muss sofort gestoppt werden!“

Wie es in dem Schreiben der DIVI heißt, setzt man dort darauf, dass die Politik eine übergeordnete Instanz zur seriösen Beschaffung und Verteilung der Schutzausrüstungen einsetzt.

Update 20.03.2020: Der Ernst der Lage: 3.000 Neuinfektionen bei uns, noch mehr Tote in Italien, viele junge schwer Erkrankte in USA

Schluss mit lustig. Langsam müsste auch dem Letzten klar werden, wie ernst die Lage an der Coronavirus-Front tatsächlich ist. Deutlich machen dies auch einige Meldungen zu COVID-19 aus den vergangenen 24 Stunden.

Deutschland: Mehr als 3.000 Neuinfektionen in 24 Stunden

In Deutschland gab es innerhalb von 24 Stunden 3.000 Neuinfektionen! Prof. Dr. Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Institutes (RKI), appellierte in seinem täglichen Update nochmals eindringlich an die Bevölkerung, sich an die Regeln zur sozialen Isolierung zu halten. „Das Virus wird von Mensch zu Mensch übertragen. Deswegen halten Sie Abstand!“ betonte er. „Wir sind in einer Krise, die ein Ausmaß hat, das ich mir selbst nie hätte vorstellen können!“

Italien, das in Europa am schlimmsten betroffene Land, kann ein warnendes Beispiel sein: 475 Menschen sind dort allein am Mittwoch aufgrund einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus gestorben. In Bergamo, der Corona-Hauptstadt Italiens, waren es allein 44. Viele italienische Wissenschaftler warnen Deutschland davor, in eine ähnliche Krise zu geraten.

Doch die Warnungen fallen bislang noch zu wenig auf fruchtbaren Boden. FOCUS Online hat die täglich neuen Infektionen in Deutschland analysiert und mit dem täglichen Anstieg der Neuinfektionen in Italien verglichen – dies ab dem Tag, ab dem es mehr als 200 infizierte Menschen im Land gab. Danach soll die Kurve in Deutschland seit gestern sogar deutlich steiler ansteigen als in Italien.

In Freiburg oder in Bayern sind bereits Ausgangssperren verhängt worden, um die Ansteckungsketten mit dem Coronavirus zu durchbrechen. Ob es Ausgangssperren für die gesamte Bundesrepublik gibt, soll laut Kanzleramtschef Helge Braun am Wochenende entschieden werden. Die Entscheidung werde maßgeblich vom Verhalten der Bürger in den kommenden Tagen beeinflusst.

USA: Überraschend viele jüngere Infizierte mit schwerem Verlauf

Beunruhigende Zahlen kommen auch aus den USA: So haben die US-amerikanischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention) nun neue Daten zu über 4.200 US-amerikanischen COVID-19-Fällen berichtet. Die Überraschung: Immerhin 20% der Todesfälle betrafen Menschen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren und ebenfalls jeder 5., der wegen einer Coronavirus-Infektion hospitalisiert werden musste, war sogar nur zwischen 20 und 44 Jahre alt. Das Fazit der Behörde: Zumindest in den USA muss eine signifikante Zahl von jüngeren Infizierten in der Klinik behandelt werden oder läuft sogar Gefahr, an der Infektion zu sterben.

In einem Interview mit JAMA berichtet Prof. Dr. Anthony S. Fauci vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases at the National Institutes of Health (NIH), der auch das Weiße Haus in der Corona-Krise berät, von einem WHO-Online-Meeting, in dem europäische Kollegen die Verantwortlichen anderer Länder „nahezu angefleht” hätten, die Situation ernst zu nehmen. „Denn es geschieht aus dem Nichts heraus ganz plötzlich – und die beste Zeit um es abzumildern, ist, bevor es zum großen Ausbruch kommt. Denn wenn man zu lange wartet, läuft man der Situation nur noch hinterher.”

In einem aktuellen Bericht im JAMA stellen US-Ärzte die Ergebnisse von 21 schwer erkrankten COVID-19-Patienten vor, die bei einem der ersten größeren Ausbrüche im US-Bundesstaat Washington in einem dortigen Krankenhaus intensivmedizinisch betreut worden waren. Von den im Schnitt 70 Jahre alten Patienten entwickelten 15 ein akutes Lungenversagen und mussten mechanisch beatmet werden. 2 Drittel starben, 24% sind noch immer in einem kritischen Zustand.

Befürchtung steigender Todeszahlen auch in Deutschland

Die aktuellen Zahlen: Die USA hat (Stand 20.03. 14 Uhr) 14.250 COVID-19-Fälle und 205 Tote, in Deutschland sind es zur gleichen Zeit 16.290 Infektionen und „nur“ 44 Tote. Das ist aber kein Grund sich hier zurückzulehnen. Viele Experten befürchten in der nächsten und den kommenden Wochen steigende Zahlen von schweren Infektionen, die intensivmedizinisch betreut werden müssen, sowie steigende Sterberaten.

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt hat am Freitag nun bundesweit Ärztinnen und Ärzte im Ruhestand sowie Medizinstudierende in einem Video zur Mithilfe bei der Bewältigung der Corona-Pandemie aufgerufen. Interessierte sollen sich an ihre Landesärztekammern wenden. Einsatzgebiete sieht er in Praxen und Gesundheitsämtern, zum Beispiel bei der Testung von Verdachtsfällen, aber auch in der Pflege. Ältere Ärztinnen und Ärzte könnten in Bereichen ohne Ansteckungsrisiko, etwa in telefonischen Beratungsstellen, eingesetzt werden.

Inzwischen hat die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) Handlungsempfehlungen zur Therapie von Patient*innen mit COVID-19 veröffentlicht. Sie zitiert dazu den DGP-Vizepräsidenten Dr. Bernd Oliver Maier, Wiesbaden, mit den Worten: „Wir müssen in der Akutmedizin auf eine Häufung von Sterbefällen mit den Leitsymptomen Luftnot und Angst vorbereitet sein.“  DGP-Vorstandsmitglied Dr. Wiebke Nehls, Lungenklinik Heckeshorn in Berlin, betont: „Wir müssen zum frühestmöglichen Zeitpunkt Entscheidungen über mögliche Therapieeskalationen oder Therapielimitationen vor dem Hintergrund der Kenntnisse über Vorerkrankungen treffen.“ Die DGP erinnert zudem daran, dass es für Opioide, oral oder parenteral, eine gute Evidenz zur Linderung von Atemnot gibt.

Noch deutlicher kann man den Ernst der derzeitigen Lage wohl kaum machen …

Update 19.03.2020: Angela Merkel Warnung, italienische Todesraten, Dauer der sozialen Isolation und eine Husten-Hörprobe auf Twitter

Die Zahl an COVID-19-Fällen steigt weiter. Aktuell haben sich – bei unbekannt hoher Dunkelziffer – weltweit 220.691 Menschen infiziert, 8.957 sind gestorben und 84.161 haben sich erholt (Stand 19.03.2020, 15:20 Uhr). In Deutschland liegen Berichte über 13.093 bestätigte Infektionen und 31 Todesfälle vor.

Italien: Sterblichkeit steigt ab 70 deutlich

Ein Blick nach Italien: Die Zahlen dort sind nach wie vor erschreckend. In nur 24 Stunden wurden den italienischen Behörden 475 neue Todesfälle aufgrund von COVID-19 gemeldet. Landesweit haben sich mittlerweile mehr als 35.700 Menschen infiziert, nahezu 3.000 sind gestorben.

Eine erste Auswertung, wie sich COVID-19 in Italien in der Klinik entwickelt hat, wurde in JAMA veröffentlicht Basis sind 22.512 Erkrankungen. Wenig überraschend steigt die Case Fatality Rate mit dem Alter von 0% (0 bis 29 Jahre) auf 12,5% (70 bi 79 Jahre), 19,7% (80 bis 89) und weiter auf 22,7% (ab 90 Jahren). Damit bestätigen die italienischen Forscher, dass vor allem ältere und alte Menschen gefährdet sind. Sie stufen 46,1% der Fälle als mild ein. Auch hier ist anzumerken: Wie viele Patienten ohne Symptome infiziert sind, bleibt unklar.

Deutschland: Die Angst der Bürger wächst

Nicht nur Schlagzeilen aus Italien geben Anlass zur Sorge. Viele Deutsche fürchteten nach einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass nun auch in Deutschland die Ausgangssperren kommen werden – wie in Italien, wo teilweise Drohnen die Ausgangssperre überwachen.

Merkel appellierte eindringlich an die Solidarität der Bürger in Deutschland mit denjenigen Menschen, die besonders gefährdet sind. Sie wünscht sich Eigenverantwortlichkeit und richtet sich vor allem auch an die jungen Menschen, wirklich zu Hause zu bleiben und sich nicht mehr mit Freunden zu treffen. In Berlin erteilen Polizisten nun Cliquen von Jugendlichen Platzverweise, wenn sie sich treffen.

Hoffen auf die Quarantäne

Während sich Bürger Sorgen um mögliche Ausganssperren machen, hoffen viele Experten auf den Effekt solcher Maßnahmen. In China hat sich die Zahl der Neuinfektionen nach dem 12. Februar drastisch verringert: eine Tatsache, die Epidemiologen vor allem auf die radikalen Maßnahmen der Regierung zurückführen.  

Auch Südkorea dient in mancher Hinsicht als Vorbild. Wie Science berichtete, erkrankten am 17. März nur noch 74 Menschen neu, verglichen mit 909 auf dem Höhepunkt der Welle am 29. Februar. Hinter dem bisherigen Erfolg stand das umfangreichste und am besten organisierte Testprogramm der Welt, kombiniert mit Bemühungen, infizierte Menschen zu isolieren und ihre Kontakte aufzuspüren und unter Quarantäne zu stellen.

Solche Maßnahmen können die meisten afrikanischen Länder nicht stemmen. Afrika solle sich „auf das Schlimmste vorbereiten", da das Coronavirus sich lokal auszubreiten beginne, sagte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, am Mittwoch. Südafrika scheint dabei zum neuen Schwerpunkt des Kontinents zu werden, da sich die Zahl der Fälle innerhalb von zwei Tagen auf jetzt 116 fast verdoppelt hat.

Welche Maßnahmen sind wie lange erforderlich?

Forscher des WHO Collaborating Centre for Infectious Disease Modelling sind der Frage nachgegangen, welche Interventionen und Strategien wie lange erforderlich sind, um die Krankheit zu kontrollieren. Basis ihrer Modellrechnung waren Daten aus China. Sie empfehlen Fallisolation, Quarantäne des gesamten Haushalts und soziale Distanzierung der gesamten Bevölkerung. Eine Absage von Großveranstaltungen zeige dagegen kaum Effekte.

Werden die erfolgreichen Maßnahmen gelockert, wird COVID-19 jedoch 2 Monate später erneut ausbrechen, und zwar mit Fallzahlen, welche die Kapazität des Gesundheitssystems überfordern – haben sie anhand von UK-Daten berechnet. Deshalb raten die Autoren, Fallisolation und Quarantäne der Haushalte kontinuierlich fortzuführen, während soziale Distanzierung der gesamten Bevölkerung und Schulschließungen erst ab einem bestimmten Grenzwert von Fällen zum Einsatz kommen sollten. Generell raten sie, die Maßnahmen fortzuführen, bis ein Impfstoff verfügbar ist.

Suche nach Therapien

Darüber hinaus suchen Arbeitsgruppen weltweit nach Therapien; Virustatika gegen HIV sowie das Malariamittel Hydroxychloroquin stehen hoch im Kurs, müssen aber lege artis untersucht werden.

Deshalb hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA eine Erklärung veröffentlicht, in der Forscher europaweit aufgefordert werden, großen randomisierten kontrollierten Studien Vorrang einzuräumen, da diese höchstwahrscheinlich die schlüssigen Beweise liefern, die für eine rasche Entwicklung und Zulassung potenzieller Behandlungen von COVID-19 erforderlich sind. Ziel ist ein harmonisierter Ansatz der Datenerfassung und eine robuste Methodik für klinische Studien.

Die EMA ist bereit, Arzneimittelentwickler mit allen verfügbaren Regulierungsinstrumenten zu unterstützen, um die Entwicklung wirksamer Maßnahmen zur Bekämpfung und Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 voranzutreiben und zu beschleunigen. Entwickler potenzieller Therapeutika oder Impfstoffe gegen COVID-19 werden ermutigt, die Agentur so bald wie möglich mit Informationen über ihre geplante Entwicklung zu kontaktieren.

Zu einem Artikel, in dem Medscape am Mittwoch über den Aufruf an Ärzte und Pfleger im Ruhestand sowie zur Mithilfe von Studenten in der Coronavirus-Krise berichtete, äußerten die meisten unserer Leser eine sehr positive Meinung. 46% waren dafür, weitere 39% befürworten solche Maßnahmen unter bestimmten Umständen. Nur 15% waren explizit gegen diese Lösung. In den Kommentaren wurde vor allem kritisiert, dass ausgerechnet die älteren Ärzte, die zur Risikogruppe gehören könnten, nun zu den SARS-CoV-2 Patienten gerufen werden sollen. 

Und übrigens: Wer ängstlich auf die ersten COVID-19-Symptome lauscht, kann sich auch von der Couch aus einen Eindruck verschaffen, ob seine Symptome bereits Anlass zur Sorge geben. Auf einem Audiofile auf Twitter kann man sich anhören, wie angeblich ein typischer COVID-19-Husten klingt. Der Notfallmediziner Roberto Cosentini hat ihn als persönliche Beobachtung veröffentlicht.

Update 17.03.2020: Hohe Dunkelziffer an Patienten, Daten zu Ansteckungsrisiken, Immunität und die Hoffnung auf den Frühling

Weltweit ist die Zahl aller nachgewiesenen Infektionen mit SARS-CoV-2 auf 183.198 angestiegen, berichtet das Center for Systems Science and Engineering (CSSE) an der Johns Hopkins University Baltimore. 7.165 Menschen sind aufgrund der Lungenerkrankung COVID-19 gestorben, und 79.726 sind mittlerweile genesen. Aktuelle Zahlen für Deutschland kommen vom Robert Koch-Institut, Berlin. Bundesweit haben sich 6.012 Personen nachweislich infiziert. Hinzu kommen 13 Todesfälle. Angesichts der Situation hat das RKI seine Risikobewertung korrigiert. „Wir schätzen das Risiko für die Gesundheit in Deutschland nun als 'hoch' ein", sagte RKI-Chef Prof. Dr. Lothar Wieler. Zuvor war von „mäßig“ die Rede.

Hohe Dunkelziffer an Infizierten

„Wir müssen davon ausgehen, dass die Fallzahlen wesentlich höher sind“, bestätigt Wieler. Aufgrund der limitierten Testkapazitäten und einem Meldeverzug von etwa 3 bis 4 Tagen könne man die tatsächlichen Zahlen nur schätzen. „Das beziehen wir aber in unsere Überlegungen mit ein“, relativiert der Experte. Schätzungen des RKI zufolge könnte die Pandemie über 2 Jahre hinweg andauern.

Welchen Wert Hochrechnungen wirklich haben, ist ein kontroverses Thema in der wissenschaftlichen Community. Ruiyun Li vom Imperial College London befeuert zusammen mit Kollegen die Debatte weiter in Science. Das Team arbeitete mit gemeldeten Infektionen innerhalb Chinas und mit Mobilitätsdaten als Basis statistischer Modellierungen. „Wir schätzen, dass 86% aller Infektionen vor dem 23. Januar 2020 nicht erfasst worden sind“, schreiben die Autoren. Sie gehen davon aus, dass in 79% der dokumentierten Fälle von einer Kontaktperson ohne erkannte Infektion angesteckt wurden. Einer weiteren Analyse von Lis Team zufolge wären 86% aller Infektionen vor dem 23. Januar 2020 ohne Reisebeschränkungen nicht dokumentiert worden.

Von der Provinz Hubei aus könnten demnach vor den Reisebeschränkungen weltweit 1 Million Ansteckungen ausgegangen sein. Viele davon so mild, dass die Infizierten und Überträger nichts von ihrer eigenen Infektion mitbekommen haben, erklären die Autoren des Online-Papers. In den USA gehen Experten davon aus, dass 6 von 7 Infizierten nicht dokumentiert sind, wie Medscape.com berichtet.

WHO Expertengruppe gibt Empfehlungen

Doch welche Schritte sind jetzt zu tun? Diese Frage versucht ein Expertenpanel unter Leitung von Juliet Bedford von Anthrologica, Oxford, zu beantworten. Einige der Empfehlungen:

  • Wichtig sind in dem Zusammenhang Maßnahmen, um Infizierte und deren Kontaktpersonen zu finden, um die Hygiene im privaten Bereich zu fördern und um das Gesundheitssystem auf eine Epidemie vorzubereiten.

  • Länder mit starkem Krankheitsgeschehen sollten weiter alles daransetzen, Infizierte zu erkennen und zu isolieren.

  • Und die Experten veröffentlichten eine Wunschliste: Forschungslücken rund um die Epidemiologie sollen geschlossen werden. Beispielsweise zur Kontagiösität und zum Vergleich verschiedener Quarantäne-Strategien. Die Möglichkeiten der Diagnostik müssen vereinfacht und erweitert werden, auch für serologische Tests. Für das klinische Management von COVID-19 braucht es einheitliche Therapie-Strategien und ethische Rahmenbedingungen sowie für die Prävention die Entwicklung geeigneter Tiermodelle.

  • Die WHO Experten betonen auf Grund der bisherigen Beobachtungen, dass nosokomiale Infektionen im Krankenhaus nicht die Epidemie wesentlich befeuert haben. Daten aus China liefern Anhaltspunkte, dass sich 85% der Infizierten innerhalb von Familien-Clustern angesteckt hatten.

  • Sie betonen, dass es einen engen Kontakt für eine Ansteckung braucht und dass die Gefahr zu Beginn einer Infektion am größten ist. Sie sagen aber auch, dass noch immer nicht klar ist, wie sehr Menschen das Virus übertragen können, die noch keine Symptome haben.

Keine Hoffnung auf den Frühling

Mit Abwarten allein ist jedenfalls nichts zu gewinnen. „Warum kommen und verschwinden Dutzende von Krankheiten mit den Jahreszeiten – und was wird aus COVID-19?“, fragt sich Jon Cohen von Science.

Stephen M. Kissler von der Harvard T.H. Chan School of Public Health hat dazu eine Publikation auf dem Preprint-Server medRxiv hochgeladen. Basis sind mathematische Simulationen des Krankheitsgeschehens anhand der endemischen Coronaviren HCoV-OC43 und HCoV-HKU1. Die Ergebnisse wurden auf SARS-CoV-2 übertragen. Zuvor hatten portugiesische Forscher ähnliche Befürchtungen geäußert.

Aus der Modellrechnung lässt sich ablesen, dass sich im Frühjahr und Sommer die Epidemie nicht gemäß möglicher Erwartungen verlangsamen wird. Der saisonale Effekt ist bei neuartigen Coronaviren langsamer als etwa bei Influenza.

Der stationäre Sektor bereitet sich vor

Damit bleibt Krankenhäusern nur, sich – soweit überhaupt möglich – vorzubereiten. Prof. Dr. Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin nennt für Deutschland ungefähr 450.000 Betten mit normaler Ausstattung. Hinzu kommen 27.000 bis 28.000 Intensivbetten.

„Angenommen COVID-19-Patienten sind eine Woche beatmungspflichtig, dann würde man mit den 27.000 Intensivbetten jeden Tag 4.000 neue Patienten aufnehmen“, so Busse. „Rechnet man dann, dass es auch noch andere Intensivpatienten neben COVID-19-Patienten gibt und die circa die Hälfte ausmachen, dann könnten wir jeden Tag 2.000 neue COVID-19-Patienten aufnehmen.“

Der Experte weiter: „Würde man diese auf die Anzahl Neuerkrankungen insgesamt hochrechnen, dann hätten wir am Tag in so einer Situation 20.000 Neuerkrankungen.“ Sein Fazit: „Wir kommen mit unseren Kapazitäten gut hin und uns würden auch die italienischen Verhältnisse noch längst nicht überlasten.“

Generell sieht Busse an 2 Stellen Handlungsbedarf:

  • Beatmungsgeräte müssen in ausreichender Zahl vorhanden sein und gegebenenfalls zugekauft werden,

  • Fachkräfte – nicht nur Ärzte, sondern auch Pflegekräfte – müssen in ausreichender Zahl vorhanden sein.

Seine Botschaft an Patienten: „Die Bevölkerung muss mitdenken und jetzt nicht in die Krankenhäuser stürmen, um diese von ihrer echten Arbeit an den Schwerkranken abzuhalten. Ich glaube, es muss als Message herüberkommen, dass Krankenhäuser wirklich für die Schwerkranken da sind und nicht für jeden Hustenden.“

Infektion verleiht Immunität

Bleibt als gute Nachricht: Haben Rhesusaffen eine Infektion mit SARS-CoV-2 überstanden, verleiht dies Immunität gegen neuerliche Erkrankungen aufgrund dieses Virus. Zu dem Ergebnis kommen Linlin Bao und Kollegen von der Chinese Academy of Medical Sciences. Sie vermuten, dass ihre Ergebnisse auch für Menschen gelten – aufgrund unserer vergleichsweise engen Verwandtschaft mit ihrem Tiermodell.

Update 16.03.2020: DGIM und DGI: „Um Leben zu retten kann jetzt nur eine rasche Notbremsung helfen“

Die Infektionen mit SARS-CoV-2 und die COVID-19 Erkrankungen steigen aktuell in Deutschland rapide an. Am Montag Nachmittag lagen die Zahlen laut der Website Coronavirus COVID-19 Global Cases (CSSE) von Wissenschaftlern der Johns Hopkins CSSE für Deutschland bei 6.672 Infizierten (16.30 Uhr) und 14 Todesfällen.

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiololgie (DGI) und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) haben nun ihre Mitglieder aufgerüttelt: „Die exponentielle Zunahme der Fälle wird bei ungebremster Fortsetzung des Trends und der aktuell verzeichneten Verdopplung der Fallzahlen etwa alle 3 Tage zu etwa 20.000 Fällen in Deutschland bis Ende dieser Woche führen“, schreiben Sie heute in einer Stellungnahme, die von den beiden Präsidenten Prof. Dr. Bernd Salzberger (DGI) und Prof. Dr. Jürgen Floege (DGIM) unterzeichnet ist.   

Weiter heißt es in der Stellungnahme: Den Anstieg der Fälle für die nächsten 2 Wochen lässt sich aktuell kaum mehr beeinflussen, aber rasche effektive Maßnahmen können immer noch die Höhe der anrollenden Welle von Infektionen deutlich verringern. Bei nüchterner Betrachtung aller Alternativen wird dennoch nur die sofortige „Notbremsung“ des öffentlichen Lebens noch größere Schäden verhindern.

Als konkrete Maßnahmen unterstützen sie die bisherigen Maßnahmen und fordern aber noch strikteres Vorgehen: Schulschließungen und die Absage von Großveranstaltungen reichen ihnen nicht aus. Sie wünschen sich „die völlige Schließung von gastronomischen Betrieben und nicht-systemrelevanten Arbeitsstätten.“ Wie in anderen Ländern sollten Zusammenkünfte von mehr als 5 Personen unterbleiben. Die Experten der DGIM und DGI sagen: „Die zwingende Notwendigkeit solcher Maßnahmen muss der Bevölkerung sehr deutlich und anschaulich vermittelt werden, damit sie entsprechend angenommen werden.“

Die Beobachtung einer bisher niedrigen Mortalität seien trügerisch. Sie steigt erst im weiteren Verlauf der Ausbreitung an. „In den Kliniken lässt sich parallel eine rasch steigende Zahl von stationär oder intensivmedizinisch behandlungspflichtiger Patienten beobachten“, schreiben sie weiter. Um die weitere Ausbreitung zu bremsen, muss unmittelbar gehandelt werden, so die Experten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.

Länder wie Taiwan, Südkorea oder Hongkong haben gezeigt, dass mit tiefgreifenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens eine Eindämmung der Epidemie möglich ist. Kommen diese zu einem zu späten Zeitpunkt – wie in Italien geschehen – sind diese Maßnahmen weit weniger wirksam.

Aufruf: Medizinstudenten als Helfer

Um sich für den Ansturm zu wappnen haben die Dekanate einiger Medizinischer Universitäten, etwa in München und Regensburg, ihre Studenten angeschrieben und um Unterstützung in verschiedenen Bereichen gebeten. Jene die bereits in einem im klinischen Semester sind (meist ab dem 5. Semester) können sich melden, um zum Beispiel bei Telefonhotlines für Verdachtsfälle mitzuhelfen.

Impfstoffstudien beginnen

Aus den USA kommt die Meldung, dass heute die erste Impfstoffstudie startet. Der erste Proband soll an diesen Montag eine Injektion mit einem experimentellen Impfstoff bekommen, laut Aussagen eines Regierungsmitglieds in Washington. Die Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH) finanzieren die Studie, die an der Forschungseinrichtung von Kaiser Permanente in Seattle stattfinden soll.

Die Tests beginnen an 45 jungen, gesunden Freiwilligen mit unterschiedlichen Dosen eines Mittels, das vom NIH und der Firma Moderna, ein Unternehmen aus Cambridge im Bundesstaat Massachusetts angesiedelte Unternehmen, entwickelt wurde. Gesundheitsexperten rechnen mit einem Zeitraum von 18 Monaten, bis man weiß, ob der neue Impfstoff auf mRNA Basis wirkt.

Update 12.03.2020: WHO spricht erstmals von einer Pandemie, Telemedizin zur Erstbeurteilung

Bislang haben sich laut CSSE 121.560 Menschen mit SARS-CoV-2 und 4.370 sind gestorben, berichtet  (11.03.2020, 19:00 Uhr). Für Deutschland nennt das Robert Koch-Institut 1.567 Infektionen und 3 Todesfälle. Und der WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus hat das Krankheitsgeschehen erstmals als Pandemie eingestuft.

Seit 27. Februar wurde lediglich von einem „Pandemie-Potenzial“ gesprochen. Laut einer bereits vor Jahren überarbeiteten Definition unterscheidet die WHO 4 Phasen – ein Konzept, das für Influenza-Pandemien entwickelt wurde, aber generell gültig ist:

  • Interpandemische Phase: Phase zwischen 2 Pandemien

  • Alarmphase: Man beobachtet eine höhere Krankheitsaktivität auf Ebene einzelner Länder

  • Pandemie-Phase: Weltweite Krankheitsaktivität

  • Transitionsphase (Übergangsphase): Die Aktivität nimmt langsam ab, und Maßnahmen aus der Pandemie-Phase können zurückgefahren werden.

Einzelne Staaten haben jetzt die Möglichkeit, Pandemie-Pläne zu aktivieren. Auf dieser Basis können Behörden Grundrechte wie die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung bzw. das Recht auf körperliche Unversehrtheit einschränken. Das deutsche Infektionsschutzgesetz ist eine weitere Grundlage. US-Präsident Donald Trump reagierte mit einem – zunächst – 30-tägigen Einreisestopp für Menschen aus Europa.

Patienten erkennen

Das grundlegende Problem bleibt: Gerade bei jüngeren Menschen erinnere eine SARS-CoV-2-Infektion eher an einen grippalen Infekt, so PD Dr. Roman Wölfel vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr und Kollegen. Trotzdem seien die Personen stark kontagiös.

Gerade für die Erstbeurteilung eignen sich Technologien aus dem Bereich der Telemedizin. Das schreiben Dr. Judd E. Hollander vom Sidney Kimmel Medical College of Thomas Jefferson University, Philadelphia, USA, und Dr. Brendan G. Carr von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, USA. Sie sehen darin die Möglichkeit, Ärzte zu entlasten, aber auch kontagiöse Patienten gezielt zu versorgen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gilt als großer Befürworter der Technologie. In Deutschland dürfen Ärzte Patienten mittlerweile auch ohne physischen Erstkontakt per Online-Medium beraten.

In vielen Fällen werden dennoch Laboruntersuchungen erforderlich sein. Dr. Wenling Wang vom National Institute for Viral Disease Control and Prevention, China CDC, bestätigt zusammen mit Kollegen, dass sich Rachenabstriche und Bronchiallavage, eventuell mit Bürstenabstrichen, dafür eignen. Die Forscher fanden aber auch in Stuhlproben neuartige Coronaviren. Sowohl bei häuslicher Quarantäne als auch bei der Behandlung im Krankenhaus muss an diesen Weg gedacht werden.

Wer entwickelt einen schweren Verlauf?

Dabei stellt sich die Frage, welche COVID-19-Patienten besonders stark gefährdet sind. Mögliche Antworten liefert Dr. Fei Zhou vom Peking Union Medical College. Der Artikel wurde gestern in The Lancet veröffentlicht.

Zhou und die Koautoren werteten Fallberichte von 191 Patienten (135 aus dem Jinyintan Hospital und 56 aus dem Wuhan Pulmonary Hospital) aus. Insgesamt wurden 37 als geheilt entlassen und 54 starben im Krankenhaus. 91 (48%) der Patienten hatten mindestens eine Grunderkrankung, wobei Bluthochdruck am häufigsten auftrat (58 [30%] Patienten), gefolgt von Diabetes (36 [19%] Patienten) und koronarer Herzkrankheit (15 [8%] Patienten).

Als Risikofaktoren für den Tod im Krankenhaus identifizieren Forscher das Alter (Odds Ratio gemittelt 1,10; pro Lebensjahr ansteigend), einen höheren Score beim Sequential Organ Failure Assessment (SOFA; Odds Ratio 5,65) und ein D-Dimer von mehr als 1 μg/l (Odds Ratio 18,42). Der SOFA-Score dient zur Beurteilung des Organversagens bei Sepsis. Und D-Dimere sind Proteine, die als recht unspezifischer Marker bei zahlreichen Erkrankungen dienen. „Die potenziellen Risikofaktoren könnten Klinikern helfen, Patienten mit schlechter Prognose frühzeitig zu erkennen“, schreiben die Autoren.

Update 10.03.2020: Warum die Sterblichkeit in Italien so hoch ist – und was uns in Deutschland noch droht

Neuigkeiten von der Coronavirus-Front: Am gestrigen Montag den 9. März 2020 hat WHO Generaldirektor Dr. Tedros Adhnaom Ghebreyesus eingeräumt, dass die Gefahr einer globalen Pandemie nun „sehr real“ geworden sei. Inzwischen gibt es über 114.000 gemeldete Infektionen mit dem neuen Coronavirus weltweit, über 9.000 in Italien und mehr als 1.200 in Deutschland, über 1.400 in Frankreich und mehr als 1.200 in Spanien. Der Erreger ist inzwischen in 115 Ländern weltweit nachgewiesen worden.

Hauptstrategie – auch in Deutschland – gegen die weitere Ausbreitung ist, Kontakte und Reisen weitestmöglich einzuschränken. Dazu gehört, die gestern vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem RKI-Präsidenten Prof. Dr. Lothar Wieler empfohlene Absage aller Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern, die allerdings von den Behörden auf Länder- und Gemeindeebene umgesetzt werden muss.  

Warum die Todesraten so unterschiedlich sind …

Die Rationale für diese Empfehlungen hat Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, in einem NDR-Podcast erläutert – ebenso wie die augenscheinliche Diskrepanz bei den Todesraten zwischen Italien (463 Tote auf 9.172 bestätigte Infektionen) und Deutschland (2 Todesfälle auf 1.225 Infektionen). Drostens Erklärung: In Italien zirkuliere das Virus wahrscheinlich schon seit Mitte Januar. Erste Infektionen, aber auch Todesfälle, die vor allem bei älteren komorbiden Patienten auftraten, seien wahrscheinlich nicht aufgefallen und anderen Ursachen zugeordnet worden.

Doch sei dies der normale Verlauf einer Epidemie, dass in der frühen Phase – die in Italien eben nicht bemerkt wurde – sich zunächst die jüngeren, gesunden, sozial aktiveren Menschen infizierten. Bei diesen aber verlaufe die Infektion in der Regel eher harmlos mit milden erkältungsähnlichen Symptomen. Die Mortalität ist in dieser Phase noch gering.

Dann infizieren sich aber mit der weiteren Ausbreitung auch immer mehr ältere Menschen mit zusätzlichen Grunderkrankungen, die nicht so stark am sozialen Leben teilnehmen. Und zu diesem Zeitpunkt der Epidemie stiegen dann auch die Mortalitätszahlen. Man müsse bei der älteren Bevölkerung (im Alter über 80 Jahre) davon ausgehen, „dass 20 bis 25 Prozent dieser Personen sterben werden. Da schluckt man natürlich. Das muss man aber vermitteln", so Drosten. Und an diesem Punkt befinde sich Italien nun, wobei die Gefahr bestehe, dass die Kapazitäten in den Kliniken und auf den Intensivstationen dann rasch an ihre Grenzen gelangen.

… und was dies für Deutschland bedeutet

In Deutschland gehe es nun darum, das Geschehen so weit zu verlangsamen, dass man eben nicht durch eine ungebremste Ausbreitung in die empfindlichen Gruppen in Kapazitätsprobleme gerate – und dies soll z.B. durch Isolationsmaßnahmen, Einschränkungen bei Versammlungen, Veranstaltungen oder Reisen gelingen. Drosten: „Wir müssen das zeitlich strecken.“ Alle Kraft müsse investiert werden, um die Epidemie von der älteren Bevölkerung fernzuhalten. 

Wie der Virologe außerdem sagte, habe er selbst bis vergangene Woche noch gehofft, man müsse nur wenige Wochen überbrücken und dann verlangsame sich das Infektionsgeschehen mit steigenden Außentemperaturen von selbst – und man habe dann Zeit, sich auf die nächste Welle im kommenden Herbst/Winter vorzubereiten. Das beurteile er inzwischen aber ganz anders aufgrund einer wichtigen Studie. Diese Modellrechnung einer weltweit führenden Gruppe sage nun voraus, dass der Temperatureffekt auf dieses Virus relativ gering sei. „Wir müssen wohl doch eher mit einer durchlaufenden Welle rechnen – und mit einem Maximum der Fälle in den Monaten Juni bis August.“ Daher müsse man die Kräfte noch stärker mobilisieren, um die Ausbreitung zu verzögern.

Studien zum zeitlichen Verlauf und den Risikofaktoren für einen schweren Verlauf

Zusätzlich sind aktuell noch weitere interessante wissenschaftliche Studien zu SARS-CoV-2 erschienen. So berichten Ärzte in Annals of Internal Medicine anhand von 181 bestätigten COVID-19-Fällen außerhalb der Provinz Hubei, dass die mediane Inkubationszeit 5,1 Tage beträgt und außerdem 97,5% der Infizierten innerhalb von 11,5 Tagen Symptome entwickeln. Sie bestätigen damit die derzeit in der Regel verordneten 2 Wochen Quarantäne.

In einer Studie im Lancet haben Ärzte bei 200 hospitalisierten COVID-19-Patienten nach Risikofaktoren für einen schweren Verlauf der Erkrankung gesucht. Sie stellten fest, dass das Risiko an der Infektion zu sterben, mit dem Alter der Patienten zunahm (was bekannt war) sowie mit steigendem SOFA-Score (Sepsis-related Organ Failure Assessment), der den Zustand eines Patienten mit Sepsis und das Ausmaß der Organschädigung im Verlauf einer Behandlung auf der Intensivstation zu beschreibt, aber auch mit dem D-Dimer-Wert als Maß für eine gestörte Blutgerinnung. In dieser Studie betrug die längste Zeit einer Virusausscheidung 37 Tage.

Update 09.03.2020: BMG und RKI: Großveranstaltungen absagen– Pragmatik in der Arztpraxis: Wer sollte wann und wie getestet werden?

Auf der heutigen Pressekonferenz zum Coronavirus in Berlin sprachen sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar Wieler erneut nachdrücklich dafür aus, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern abzusagen. „Wir müssen den Ausbruch verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem weiter funktionieren kann“, so Spahn. Er appelliere an die Verantwortung jedes Einzelnen, Infektionsmöglichkeiten zu minimieren und den Kontakt zu anderen allgemein zu reduzieren.

Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin nannte die Situation „absolut ernst“. Auch hierzulande werde es zu Todesfällen kommen. Aus 2 Gründen sei das bisher noch nicht geschehen. Zum einen habe man die Situation hier schnell erkannt. Zum anderen sei Deutschland bei der Diagnostik führend. Grund dafür sei vor allem, dass niedergelassene, über das Land verteilte Labore das Virus diagnostizieren könnten. Deswegen habe man verglichen zu anderen Ländern einen „extremen Vorsprung“.

Virus-Test: Bei wem, wann und wie?

Die Frage bewegt viele Ärzte: Welche Patienten sollten zu welchem Zeitpunkt und wie auf eine mögliche Sars-CoV-2-Infektion getestet werden? Tipps dazu gab Dr. Viktor Corman, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin auf dem 21. Forum Reisen und Gesundheit des Centrums für Reisemedizin.

Als besonders gefährdet durch eine Infektion mit dem neuen Coronavirus gelten neben Rauchern vor allem Personen mit Vorerkrankungen. Doch welche Komorbidäten sind damit gemeint? Basierend auf einer Analyse der chinesischen Fälle scheinen Menschen mit, Bluthochdruck, Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen, chronischen respiratorischen Erkrankungen und Krebs zu den Risikogruppen zu gehören.

Wird ein Test bei einem Patienten mit Symptomen vorgenommen, ist die Frage, ob ein Sputum- oder Nasen-Rachenabstrich geeigneter ist. Dies hängt vor allem vom Tag der Erkrankung ab: Innerhalb der ersten Woche ist viel Virusmaterial im Nasen-Rachenraum, in der 2. Woche findet man den Erreger eher in der  Lunge. „Es kann also sein, wenn Sie einen Patienten in der zweiten oder dritten Woche nach Symptombeginn mit einem Nasenabstrich testen, dass er falsch negativ ist, weil das Virus bereits? in der Lunge sitzt“, warnte Corman. Ist ein Patient also schon seit mindestens 6 Tagen krank, dann solle besser das Sputum untersucht werden.

Ob innerhalb der ersten Woche ein Nasen- oder Rachenabstrich gemacht werde, sei dagegen egal, weil in dieser Zeit bei Infizierten sowohl in der Nase wie auch im Rachen viel Virusmaterial zu finden sei.

„Viel wichtiger ist, dass Sie Nase oder Rachen richtig abstreichen“, betonte Corman. Man solle dies pragmatisch danach entscheiden, was besser möglich sei. Einige Patienten würden etwa einen Rachenabstrich aufgrund eines starken Würgereizes nicht tolerieren, andere einen Nasenabstrich aufgrund von Deformitäten wie einer schiefen Nasenscheidewand. „Ein guter Abstrich definiert sich dadurch, dass der Patient mit Ihnen danach mindestens 10 Minuten sauer ist“, brachte es der Virologe anschaulich auf den Punkt.

Symptomlose Personen sollten frühestens an Tag 6 nach Kontakt mit einem Infizierten getestet werden, da die Inkubationszeit wahrscheinlich 4 bis 10 Tage beträgt. Die Testung von symptomfreien Kontaktpersonen müsse sehr individuell entschieden werden, so Corman. „Ich wäre da eher zurückhaltend.“

Die momentan viel beworbene Antikörper-Diagnostik sei für den Ausschluss einer akuten Infektion ungeeignet, weil erst in der 2. Woche die Serokonversion einsetzt. Zudem gibt es Kreuzreaktivität mit den 4 endemischen Corona-Viren. Die PCR ist dagegen spezifisch für SARS-CoV-2.

Wie Corman weiter erläuterte, ist bei milden Symptomen weder im Urin noch im Blut Virus-RNA nachweisbar. Im Stuhl sei zwar viel RNA zu finden, aber daraus sei keine Virusanzucht möglich. Daher sei wahrscheinlich auch der Stuhl nicht infektiös.

Bei Patienten mit milden Symptomen ist eine Entlassung aus der Klinik bzw. Entisolierung frühestens 10 Tage nach Symptombeginn und Erfüllung aller Kriterien möglich. Dies sind:

  • seit mindestens 48 Stunden fieberfrei

  • seit mindestens 24 Stunden symtomfrei (bezogen auf die akute COVID-19-Erkrankung)

  • 2 negative SARS-CoV-2-PCRs im Abstand von 24 Stunden, gewonnen aus oro-/nasopharyngealen Abstrichen

Update 06.03.2020: KBV mit aktuellen Informationen speziell für Ärzte und Praxismitarbeiter

Nachdem der Krisenstab der Bundesregierung mitgeteilt hat, dass das Bundesgesundheitsministerium (BGM) Schutzausrüstungen zentral für Arztpraxen, Krankenhäuser sowie Behörden beschaffen wird, haben sich die KVen bereit erklärt, die Verteilung der Produkte in ihren Regionen zu übernehmen. „Wir setzen alles daran, dass die Bereitstellung und Verteilung so schnell wie möglich erfolgen wird“, so KBV-Vorstandvorsitzender Dr. Andreas Gassen

Außerdem wird für die ambulante medizinische Versorgung von Coronavirus-Patienten zusätzliches Geld bereitgestellt. Alle ärztlichen Leistungen, die aufgrund des klinischen Verdachts auf eine Infektion oder einer nachgewiesenen Infektion erforderlich sind, werden seit 1. Februar in voller Höhe extrabudgetär bezahlt. Die Fälle müssen dazu mit der Ziffer 88240 gekennzeichnet werden, teilt die KBV mit.

Die Indikationskriterien zur Testung auf das Virus hatten KBV und GKV-Spitzenverband bereits in vergangene Woche ausgeweitet. Laut Beschluss des Bewertungsausschusses kann der Arzt die Untersuchungsindikation unter Berücksichtigung der Kriterien des RKI nach eigenem Ermessen stellen. Als bevorzugtes Untersuchungsmaterial für den Nachweis einer möglichen Infektion mit dem SARS-CoV-2 wird ein Oropharynx- und/oder Nasopharynx-Abstrich, wie bei der Influenza-Diagnostik genannt. Der Abstrich erfolgt mit einem trockenen Stäbchen. Die labordiagnostische Untersuchung (GOP 32816) ist dabei einmal am Behandlungstag berechnungsfähig. Die Untersuchung kann der Arzt in seinem Labor veranlassen.

Die KBV bietet eine spezielle Themenseite für Ärzte und Praxismitarbeiter zum Coronavirus an. Die Seite soll ständig aktualisiert werden. Sie umfasst Informationen zur Vorgehensweise bei Verdacht auf SARS-CoV-2-Infektion, zum Labortest, zur Meldepflicht sowie zur Abrechnung der ärztlichen Leistungen und häufige Fragen und Antworten zum Thema.

Auch die WHO beklagt, dass Schutzkleidung, die für die medizinische Betreuung von Covid-19-Patienten benötigt wird, weltweit zunehmend knapp wird – so seien z.B. die Preise für OP-Masken um das 6-Fache gestiegen, die für N95 Atemschutzmasken um das 3-Fache und Schutzkittel kosten nun das Doppelte.

Die WHO hat berechnet, dass rund 89 Millionen medizinische Masken jeden Monat weltweit für die Versorgung von COVID-19 Verdachts- und Erkrankungsfällen benötigt werden, außerdem rund 76 Millionen Handschuhe, und 1,6 Millionen Schutzbrillen. Um den steigenden Bedarf zu decken müsse die weltweite Produktion von Schutzkleidung um rund 40% gesteigert werden – die nationalen Regierungen werden aufgefordert, eine solche Produktionssteigerung mit geeigneten Maßnahmen zu unterstützen.

Update 04.03.2020: Covid-19-Ausbreitung in Deutschland: Ärzte und Teams unter Druck – Virologe schlägt „praktikable“ Lösungen vor

Mit der weiteren Ausbreitung von Sars-CoV-2 (240 nachgewiesene Infektionen in Deutschland laut RKI, Stand: 4.3.2020, 10:00 Uhr) geraten das Gesundheitswesen und die in der Versorgung arbeitenden Personen und Ärzte immer mehr unter Druck.

Gestern ist ein Brandbrief von Ärzten aus dem vom Covid-19-Ausbruch besonders betroffenen Kreis Heinsberg an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein bekannt geworden. „Wir brauchen dringend Hilfe (...)", heißt es darin. Und weiter: Die „medizinische Situation im Kreis Heinsberg eskaliert und nimmt bedrohliche Ausmaße an". Ein Zusammenbruch der Versorgung sowohl an der Basis als auch in den Krankenhäusern sei nicht mehr auszuschließen.

Die Ärzte klagen vor allem, dass die vom Robert Koch-Institut (RKI) vorgeschriebenen Quarantänemaßnahmen die Versorgung hochgradig behinderten. Da nach den RKI-Vorgaben im Fall einer Infektion in der Belegschaft automatisch das ganze Team in eine 14-tägige Quarantäne muss, fielen viele Mitarbeiter aus, Notdienste könnten nur mit Mühe und auch nur eingeschränkt besetzt werden.

Ein zusätzlicher Punkt sei, dass die Versorgung der niedergelassenen Ärzte mit Schutzmasken „katastrophal“ sei: Der Handel liefere nicht mehr; eine kleine Lieferung durch das NRW-Gesundheitsministerium sei sofort vergriffen gewesen. In den Praxen sei so gut wie nichts angekommen. „Wir brauchen ganz dringend entsprechende Schutzmaterialien, da wir zurzeit unter Gefährdung der Gesundheit von Ärzten und Mitarbeitern arbeiten", heißt es in dem Brief.

Als Reaktion darauf hat heute der Corona-Krisenstab der Bundesregierung nun einen Export von Atemschutzmasken und anderer Ausrüstung wie von Handschuhen und Schutzanzügen ins Ausland untersagt. Ein entsprechendes Verbot wurde im Bundesanzeiger veröffentlicht. Zudem übernimmt das Bundesgesundheitsministerium vorerst die zentrale Beschaffung solcher Ausrüstung für Arztpraxen, Krankenhäuser und Bundesbehörden.

Hinsichtlich der Quarantäne von „Kontaktpersonen von labordiagnostisch bestätigten Infektionsfällen“ rät das RKI derzeit noch, diese „möglichst lückenlos zu identifizieren und für 14 Tage (die maximale Inkubationszeit) in häuslicher Quarantäne unterzubringen“ – und dies gilt auch für Personal in Krankenhäusern und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung.

Als „engen Kontakt mit höherem Infektionsrisiko“ betrachtet das RKI dabei z.B. Menschen, die über 15 Minuten face-to-face Kontakt mit einem Infizierten hatten, im selben Haushalt wohnen, mit infizierten Körperflüssigkeiten (Speichel, Erbrochenem) Kontakt hatten oder ungeschützt engen (< 2 Meter) Patientenkontakt hatten.

Bislang wird ein direkter Virusnachweis (RT-PCR) erst vorgenommen, wenn die isolierten Personen, Symptome einer Infektion zeigen. Aber könnte man nun angesichts der sich zuspitzenden Lage nicht medizinisches Personal, das Kontakt mit einem SARS-CoV-2 positiven Fall hatte, umgehend auf mögliche Infektionen mit dem Virus testen?

Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, schlägt z.B. vor, „dass man in der aktuellen Lage auch einmal improvisieren muss“. Eine Möglichkeit wäre, meinte er gegenüber dem Science Media Center , entgegen den RKI-Empfehlungen „die Isolierungszeit auf 8 Tage zu verkürzen. Denn das ist die Kern-Inkubationszeit (im Falle von Kontakten) und entspricht wahrscheinlich auch der infektiösen Zeit (im Falle von Positiven)“. Mit 14 Tagen sei man zwar auf der sicheren Seite – „aber in der Praxis ist dies eben kaum tolerabel“.

Sein Vorschlag ist zudem „eine Freitestung“, die er als „improvisierte Idee“ bezeichnet. Diese ginge ungefähr so: „Stellen wir uns vor, es gäbe 20 betroffene Krankenschwestern und 5 Ärzte in einer Notaufnahme, die alle Kontakte mit einem (inzwischen erkannten) SARS-CoV-2-positiven Patienten hatten. Dann würden sich die 25 Personen jeden Morgen selbst einen Abstrich abnehmen und wir sie in der PCR testen. Wenn jemand positiv wird, kann man diese Person nach Hause in die Isolierung schicken. Das erhält die Arbeitsfähigkeit des restlichen Teams und gefährdet niemanden, denn die PCR zeigt das Virus deutlich früher an, als die Zellkultur ein infektiöses Virus identifiziert.

Wir könnten es uns leisten, erst bis zum nächsten Tag ein Ergebnis zu bekommen. Wenn viel Personal getestet werden muss, kann man auch Pool-Testung machen, also z. B. 100 Abstriche auf einmal testen und bei positivem Ausgang die positive Einzelprobe identifizieren. Alles das ist praktikabler als ganze Notaufnahmen zu schließen.“

Er räumt ein: „Das alles muss aber erst einmal innerhalb der Medizin diskutiert werden. Wir sind schon mit dem Robert Koch-Institut im Gespräch und werden dann auch mit der Fachgesellschaft darüber reden.“

Mehr über die Probleme an der Basis – aber auch über Lösungsansätze – erfahren Sie zudem in einem Interview, in dem ein Hausarzt gegenüber Medscape vom Umgang mit der „Coronavirus-Hysterie“ in seinem Praxisalltag berichtet hat.

Update 02.03.2020: Sars-CoV-2 breitet sich weiter aus – die knifflige Frage zu Re-Infektionen

Über das Wochenende ist die Zahl der neu nachgewiesenen Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in Deutschland, Europa und weltweit erneut deutlich gestiegen. In Deutschland sind laut RKI vom Montag nun 150 Infektionen aus 10 Bundeländern gemeldet. Das RKI hat seine Risikoeinschätzung etwas hochgestuft: von „gering bis mäßig“ auf „mäßig", wie der Präsident des RKI Prof. Dr. Lothar Wieler mitgeteilt hat. Bei 140 der 150 Fälle könne man die Infektionskette nachvollziehen, sagte er.

In Italien, dem am stärksten betroffenen Land in Europa, sind inzwischen knapp 1.700 Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Erreger nachgewiesen worden, 34 Menschen sind an der Infektion gestorben. Die EU-Gesundheitsagentur ECDC hat ihre Risikoeinschätzung für die Europäische Union durch das Coronavirus von moderat auf hoch heraufgesetzt. Das Virus breite sich weiter aus, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Derzeit sind laut EU-Kommission in 18 EU-Staaten insgesamt 2.100 Infektionen und 38 Todesfälle nachgewiesen worden.

Für Irritationen hatte über das Wochenende eine Publikation chinesischer Wissenschaftler im JAMA gesorgt. Sie hatten in einem kurzen Report über 4 „genesene“ COVID-19-Patienten berichtet, die nach ihrer „Genesung“ (definiert als mehr als 3 Tage ohne Fieber, keine Atemwegs-Symptomatik mehr, Besserung im Lungen-CT und 2 negative PCR-Tests in einem Abstand von mindestens einem Tag) und nach 5 bis 13 Tagen fortgesetzter Quarantäne per PCR-Tests wieder positiv getestet worden waren – allerdings, ohne dass die Symptome wieder zunahmen.

In einem anderen Fall einer japanischen Patientin mit ähnlichem Verlauf, hatte sich, wie das Ärzteblatt berichtet hat, nach erster Erholung – und zunächst wieder negativen PCR-Tests – auch wieder die Klinik verschlechtert und der PCR-Test wurde erneut positiv. Ein möglicher 2-gipfliger Verlauf, wie ihn manche Wissenschaftler daraufhin diskutierten, halten deutsche Experten, die vom Science Media Center dazu befragt worden sind, aber eher für unwahrscheinlich.

So zeigt sich Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin „von dem Befund überhaupt nicht überzeugt“. Weiter sagte er: „Das Einzige, was hier maßgeblich ist, ist der PCR-Nachweis. Der kann aber nach der ersten Symptomwoche bei Patienten schwanken: mal positiv, mal negativ, während die Lunge immer noch voller Virus ist, und zwar unabhängig von den Symptomen.“

Und Prof. Dr. Florian Krammer, Icahn School of Medicine am Mount Sinai, New York, USA, erklärt dazu: „Virale RNA kann oft lange nachdem das infektiöse Virus verschwunden ist noch nachgewiesen werden. Das kommt bei Masern vor, aber auch bei Zika und Ebola. Die einfachste Erklärung ist, dass die Proben zwischendurch negativ waren, weil etwas bei der Probennahme oder aber beim Testen schiefgelaufen ist.“

Beim PCR-Test, so erläutert er weiter, werde nicht das Virus, sondern das Virusgenom nachgewiesen. „Und es kommt sehr wohl oft vor, dass noch Virusgenom vorhanden ist, aber kein infektiöses Virus mehr. Bei Masern ist das oft über Monate der Fall.“

Er sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass eine durchgemachte Infektion mit dem Sars-CoV-2-Erreger nicht zur Immunität führe. „Genesene Patienten haben vermutlich, zumindest für Monate – möglicherweise auch Jahre – eine Immunität, die vor Reinfektionen schützt“, sagt er. „Das zwar nicht lebenslang, wie bei manchen anderen Viren, aber doch für einige Zeit. Es gibt schon einige Reports, die Antikörperantworten gegen SARS-CoV-2 beschreiben und wir wissen das auch von SARS-CoV-1.“

Selbstverständlich solle man genesene Patienten weiterverfolgen, da es bislang keine Erkenntnisse zu dem Langzeitfolgen von COVID-19 gebe. „Aber sobald PCR-Tests für einige Tage negativ sind und der Patient sich erholt hat, gibt es nach heutigem Wissen vermutlich kein Ansteckungsrisiko mehr.“

Auch Prof. Dr. Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe emerging viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten, Universitätsklinikum Genf, Schweiz, warnt davor, solche positiven Tests bei genesenen Patienten als Reinfektion zu interpretieren. Die verwendeten Tests seien extrem sensitiv. „Solange noch Reste des Virus vorhanden sind, bleibt der Test positiv, obwohl der Erreger vielleicht schon nicht mehr infektiös ist.“

Zur Frage, ob auch leichte Infektionen mit milden Symptomen zur Ausbildung einer Immunität ausreichen, wendet Eckerle ein, dass die Datenlage „sehr dünn“ sei: „Es ist aber so, dass wir bei den bisher untersuchten COVID-19-Patienten Antikörper finden können.“

Update 28.02.2020: Schwere der Erkrankung wie eine „starke bis sehr starke Grippewelle“

Seit gestern sind in Deutschland 27 neue Infektionsfälle (Stand 10 Uhr) gemeldet worden, wie der Vizepräsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Prof. Dr. Lars Schaade, beim Pressebriefing am 28. Februar mitteilte. Damit sind es nun insgesamt 53 Infizierte.

Bisher seien auch die neuen Fälle hinsichtlich der Infektionsquelle noch gut zuordenbar, betonte er. Das RKI halte daher seine Risikoeinschätzung aufrecht, dass es derzeit in Deutschland kein breites Geschehen zu geben scheine und das Risiko für die Bevölkerung somit weiterhin gering bis mäßig einzuschätzen sei.

Zur Todesrate merkte Schade an, dass es Einigkeit darüber gibt, dass die Zahl der Infizierten untererfasst ist. Einige Experten gehen von einer Untererfassung von bis zum 20-Fachen aus. Das würde bedeuten, dass nur 5% der Infizierten überhaupt registriert werden. Selbst wenn man nur eine 10-fache Untererfassung annimmt, bedeutet das – im Gegensatz zu  der für China angegebenen Todesrate von 2 bis 3% –, dass ein tödlicher Verlauf nur bei etwa 0,3% der Infizierten zu befürchten wäre. Die Erkrankung bewege sich damit in der Schwere einer starken bis sehr starken Grippewelle, betonte der RKI-Vizepräsident.

Zur Frage der Dauer einer Erkrankung sagte Schaade, dass bei mildem Verlauf die Erkrankung 10 bis 14 Tage dauere. Danach werde das Virus nicht mehr in den oberen Atemwegen produziert und nicht mehr verbreitet. Nach 9 Tagen könne es bei einigen Patienten zu einer Verschlechterung der Symptome kommen. In diesen Fällen könne die Erkrankung 3 bis 4 Wochen und in Einzelfällen bis zu 6 Wochen anhalten.

Infektionsschutz in Arztpraxen

Schaade unterstrich die Bedeutung der Hustenetikette und des häufigen Händewaschens, um Infektionen zu vermeiden. Dagegen gebe es für die Allgemeinbevölkerung keine Empfehlung für den Gebrauch von Gesichtsmasken oder von Desinfektionsmitteln, da deren Nutzen nicht belegt sei.

Für medizinische Einrichtungen – also Kliniken, aber auch Arztpraxen – gelten die auf der Homepage des RKI veröffentlichten Empfehlungen. Demnach sollten Patienten mit Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion in einem separaten Raum, getrennt von anderen Patienten warten. Am besten sollten Termine für diese Patienten vor oder nach Ende der regulären Sprechzeit gelegt werden.

Personal, das unmittelbar Kontakt zu diesen Patienten hat, sollte mit einem Schutzkittel, Schutzbrille, Einweghandschuhen und einem geeigneten Atemschutz ausgestattet sein. Anschließend sollten alle Kontaktflächen mit einem mindestens begrenzt viruziden Mittel desinfiziert werden.

Update 27.02.2020: Aktuelles vom RKI: „Es ist noch nicht außer Kontrolle“

Bei einem Pressebriefing des Robert Koch-Instituts betonte dessen Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler, dass es sich um ein „sehr dynamisches Geschehen“ handle. Bereits aus rund 50 Ländern sind Infizierte gemeldet. Trotz der steigenden Fälle auch in Deutschland betonte er, dass Eindämmungsmaßnahmen sinnvoll sind und auch weiterlaufen werden. „Es ist noch nicht außer Kontrolle“, betonte Wieler.

Wie Wieler vergegenwärtigte, haben bisher mehr als 80% der Infizierten nur milde Symptome, aber rund 15% erkranken schwer. 1 bis 2% der Infizierten sterben. Das sind 5- bis 10-mal so viele wie bei einer Virus-Grippe. Wie hoch die Rate an Gestorbenen tatsächlich ist, werde man jedoch erst wissen, wenn die Epidemie vorbei sei.

Positiv im Vergleich zu Grippe-Viren: „Corona-Viren verändern sich genetisch deutlich weniger als Influenza-Viren“, hob Wieler hervor. In den rund 100 Virus-Isolaten, deren Genome bisher in öffentlichen Datenbanken stehen, gebe es nur marginale Änderungen.

Der RKI-Präsident betonte die Bedeutung von Schutzimpfungen, um zumindest Co-Erkrankungen durch weitere, die Lunge betreffende Infektionen wie Pneumokokken und Grippe zu vermeiden. Wer zu dem jeweiligen von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Personenkreis gehöre, solle sich also unbedingt impfen lassen.

Zu dem heute bekannt gewordenen Fall einer Frau aus Osaka, die nach einer Infektion bereits aus dem Krankenhaus entlassen und negativ getestet worden war und dann nach neuerlichen Symptomen erneut positiv getestet wurde, wollte sich Wieler nicht näher äußern. Er wies jedoch darauf hin, dass das Virus durchaus über einen längeren Zeitraum ausgeschieden wird – und falsch-negative Tests vorkommen. „Eine zweite Infektion ist, nach allem was wir wissen, nicht plausibel“, so Wieler.

RKI-Vizepräsident Prof. Dr. Lars Schaade unterstrich, dass Tröpfcheninfektionen bei der Verbreitung des Virus entscheidend sind. Allerdings bleibe das Virus auf Oberflächen durchschnittlich 4 Tage infektiös. Das spielt vor allem dort eine Rolle, wo sich nachweislich Infizierte aufhalten, etwa in Krankenhäusern.

Update 27.02.2020: Mehr Infektionen in Deutschland – und Diskussion über die richtige Vorbereitung

Seit Dienstag sind in Deutschland 10 Menschen neu identifiziert worden, sie sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben (Stand: 27.02., 07:00 Uhr). Betroffen ist u.a. ein Soldat, der beim Karneval Kontakt zu 2 Patienten aus dem Kreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen) gehabt hatte. Kritisch ist, dass die ersten Patienten aus NRW, ein Ehepaar, möglicherweise weitere Personen angesteckt haben. Der Mann litt bereits 10 Tage vor der Diagnose unter gesundheitlichen Beschwerden, nahm aber trotzdem am öffentlichen Leben Teil. Und die Frau arbeitet als Erzieherin. 4 weitere Fälle kommen aus Baden-Württemberg. Darunter sind auch ein Oberarzt der Pathologie Tübingen. Er hatte am Wochenende an einer Tumorkonferenz teilgenommen. Die 10 Teilnehmer der Tumorkonferenz sind deshalb nach Hause geschickt worden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht Deutschland „am Beginn einer Coronavirus-Epidemie“. Er habe die Gesundheitsminister der Länder aufgefordert, ihre Pandemiepläne „zu aktivieren und ihr mögliches Inkrafttreten vorzubereiten“.

 
Das Virus breitet sich weltweit aus, wird aber erst bemerkt, wenn diese schweren Erkrankungsfälle auftreten, und die sind natürlich nur die Spitze vom Eisberg. Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit
 

Zu einer ähnlichen Bewertung kommt Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg: Der Ausbruch des Coronavirus sei nicht mehr einzudämmen, sondern nur noch zu verlangsamen. „Es handelt sich ja um eine sogenannte stille Pandemie, das heißt, das Virus breitet sich weltweit aus, wird aber erst bemerkt, wenn diese schweren Erkrankungsfälle auftreten, und die sind natürlich nur die Spitze vom Eisberg.“

Welche Maßnahmen sind jetzt angebracht?

„Eine gute Abstimmung der Maßnahmen zwischen den EU-Staaten ist sinnvoll, so wie es die Gesundheitsminister der EU in Rom beraten haben“, erklärt Prof. Dr. Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften, Berlin. „Dazu gehört ein gemeinsames Vorgehen an den Grenzen, Grenzschließungen innerhalb der EU sind nicht hilfreich.“

Deutschen Behörden rät der Experte: „In der Frühphase einer Ausbreitung ist eine strikte Umsetzung von Isolation- und Quarantänemaßnahmen sinnvoll.“ Damit könne die weitere Verbreitung verlangsamt werden. „Im besten Fall kann der lokale Ausbruch auf diese Weise eingedämmt und ausgelöscht werden.“ Dies gelinge aber nur bei wenigen betroffenen Regionen.

Ulrichs relativiert: „Es besteht kein Grund für panikartige Reaktionen wie zum Beispiel Hamsterkäufe.“ Ansonsten gelte wie auch bei der Influenza: „Husten-/Nies-Hygiene/-Etikette beachten; Abstand halten und bei Verdacht eine Testung veranlassen.“

Notvorräte für 10 Tage „grundsätzlich“ sinnvoll

Christoph Unger, der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, warnt auch vor Panik, ergänzt aber: „Wir raten der Bevölkerung grundsätzlich, dass sie sich auf Krisen und Katastrophen vorbereiten soll. Dazu gehört auch das Anlegen eines Notvorrats an Lebensmitteln.“ Und weiter: „Wichtig ist, dass alle Menschen sich darüber Gedanken machen und zumindest für ein paar Tage Vorräte haben - am besten wäre natürlich ein Zeitraum von 10 Tagen.“

Als Beispiel nennt sein Amt pro Person folgende Zusammenstellung:

  • 20 Liter Wasser

  • Insgesamt 3,5 kg Getreide, Brot, Kartoffeln, Nudeln und Reis

  • Insgesamt 4 Kilogramm Hülsenfrüchte und Gemüse (Dauerkonserven)

  • Insgesamt 2,5 Kilogramm Obst (Dauerkonserven) und Nüsse

  • Insgesamt 2,6 Kilogramm Milch (bzw. das Äquivalent an Milchpulver) und Milchprodukte

  • Insgesamt 1,5 Kilogramm Fisch, Fleisch (Dauerkonserven) beziehungsweise Volleipulver

  • Insgesamt 0,375 Kilogramm Fette und Öle

Update 26.02.2020: Die Pandemie wird kommen

Nach mehreren Ausbrüchen in Norditalien (Medscape hat berichtet, siehe unten) war der geographische Weg neuartiger Coronaviren nach Österreich und Südtirol nicht mehr weit. Tirol meldet 2 bestätigte Infektionen – eine Infizierte, eine 24-jährige italienische Studentin, hat nebenbei in einem Hotel in Innsbruck gejobbt, auch ihr Freund ist infiziert. In Südtirol wurde die Infektion bei einem jungen Mann aus der Nähe von Bozen (Terlan) festgestellt, der Verwandte in der Lombardei besucht hatte.  

Auch aus Deutschland melden Ärzte 2 bestätigte Fälle: Ein 25-jähriger Patient kommt aus Baden-Württemberg, ein anderer 40-Jähriger aus Nordrhein-Westfalen. In beiden Fällen steht die Erkrankung mit Reisen nach China bzw. nach Italien in Verbindung. Der Zustand des Patienten aus Nordrhein-Westfalen ist Medienberichten zufolge kritisch; er soll an nicht näher genannten Vorerkrankungen leiden. Nach Informationen des WDR war der Corona-Patient aus Heinsberg in NRW vor der Verlegung in die Uniklinik Düsseldorf stationär auch in der Kölner Uniklinik in Behandlung – vor knapp 2 Wochen. Dies berichtet die Tagesschau . Derzeit versuchen Behörden, Kontaktpersonen zu finden. Auch regionale öffentliche Einrichtungen sind geschlossen worden.

„Das Coronavirus zeigt einmal mehr, dass Europa seine Aufgaben nur gemeinsam bewältigen kann“, erklärt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Nur so können wir voneinander über das Virus lernen. Spahn: „Klar ist: Nationale Alleingänge ergeben keinen Sinn. Das Virus macht vor Landesgrenzen nicht halt. Auch Grenzschließungen helfen da nicht weiter.“

Der Minister kündigte jedoch weitere Maßnahmen an:

  • Die Länder Europas sollen epidemiologische Daten engmaschig austauschen.

  • Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die Zahl an Risikogebieten ausgeweitet.

  • Piloten sollen den Tower über den Gesundheitszustand der Passagiere informieren.

  • Auch andere Veranstalter, etwa bei Busreisen, sollen Gäste informieren.

  • Die EU plant, Schutzausrüstung für Ärzte zentral zu kaufen.

Kliniken gut vorbereitet?

Auf die Versorgung vor Ort geht Spahn nicht ein. Doch der Deutschen Krankenhausgesellschaft zufolge sind Kliniken gut vorbereitet. „Krankenhäuser und Ärzte sind sensibilisiert“, so Hauptgeschäftsführer Georg Baum. „Bei Patienten, die über akute Erkältungssymptome klagen und kürzlich in China waren, wird eine zielgerichtete Anamnese durchgeführt.“ Lasse sich der Verdacht nicht ausräumen, werde der Patient in einem Krankenhaus isoliert, auf das Virus getestet und umfangreich untersucht. Krankenhaus-Alarmpläne würden die genaueren Abläufe bei außergewöhnlichen Lagen in den Bundesländern regeln.

Etwas kritischere Töne kommen von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Sie rechnet mit einer Pandemie in Deutschland. „In diesem Fall muss mit einem beträchtlichen Aufkommen intensivstationär zu versorgenden Patienten gerechnet werden, die das gesamte Behandlungsspektrum des akuten Lungenversagens erforderlich macht“, sagt Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Sprecher der DIVI-Sektion „Lunge – Respiratorisches Versagen“. Er wünscht sich ab sofort tagesaktuelle Meldungen der Behandlungskapazitäten, um Patienten bestmöglich zu versorgen. Das kann per ARDS-Netzwerk geschehen; derzeit sind hier 85 Kliniken vertreten.

„Neben den medizinischen Aspekten, die im Falle einer Pandemie auf uns zukommen, ist die psychologische Komponente bei einem punktuell nicht auszuschließenden Massenanfall von Patienten eine ganz wesentliche Herausforderung“, ergänzt Karagiannidis. „Deswegen ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter im Gesundheitswesen auch als Meinungsmultiplikatoren sehen und zu Ruhe und Besonnenheit aufrufen, statt sich von Hysterie und reißerischer Stimmungsmache treiben zu lassen.“

Sollte die Diagnostik ausgeweitet werden?

Manchen Experten gehen diese Maßnahmen nicht weit genug. Prof. Dr. Alexander Kekulé von der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg schlug vor, flächendeckend alle Grippefälle und schweren Erkältungen auch auf SARS-CoV-2 zu testen: Das sei die einzige Möglichkeit, quasi ein Netz über Deutschland zu legen und so einen einzelnen Fall oder einen kleinen Ausbruch frühzeitig zu erkennen.“ Krankenkassen übernehmen derzeit nur die Kosten für Tests im Verdachtsfall.

Ärzte denken international auch darüber nach, die Reisegeschichte stärker als bisher in die Anamnese aufzunehmen. Normalerweise beurteilen Ärzte während einer körperlichen Untersuchung Temperatur, Herzfrequenz, Atemfrequenz und Blutdruck. Die Hinzufügung eines fünften Parameters könnte dazu beitragen, die Ausbreitung geografisch bedingter neu auftretender Infektionskrankheiten, wie z.B. CoVID-19, zu verhindern.

Update 25.02.2020: China zieht erste Bilanz: SARS-CoV-2, SARS und MERS – 3 ungleiche Verwandte

Das Chinese Center for Disease Control and Prevention hat Daten über die Lungenerkrankung COVID-19 in China veröffentlicht. Dr. Zunyou Wu und Dr. Jennifer M. McGoogan, beide Mitarbeiter der Behörde, fassen in JAMA wichtige Erkenntnisse zusammen.

Von 72.314 erfassten Datensätzen stufen sie 44.672 (62%) als bestätigte Fälle ein, basierend auf PCR-Diagnostik per Rachenabstrich. Hinzu kommen 16.186 Verdachtsfälle. Für diese galt: „Es wurde kein Test durchgeführt, da die Kapazität nicht ausgereicht hat, um den aktuellen Bedarf zu decken.“ Weitere 10.567 Fälle (15%) wurden nur mit klinischer CT-Diagnostik erfasst. Das betraf vor allem die Provinz Hubei. Hinzu kamen 889 asymptomatische, aber via PCR abgesicherte Erkrankungen.

Schwere Fälle bei alten Menschen oder bei Patienten mit Vorerkrankung

Die meisten Patienten waren zwischen 30 und 79 Jahren alt (87%). In den Gruppen bis zu 9 Jahre (1%), 10 bis 19 Jahre (1%) sowie ab 80 Jahre (3%) gab es vergleichsweise wenige Fälle. Ärzte stuften die Symptome oft als leicht ein, also ohne Pneumonie (81%). Aber immerhin 14% waren schwer erkrankt und 5% befanden sich in einem kritischen Zustand.

Insgesamt gab es 1.023 Todesfälle unter 44.672 bestätigten Fällen (2,3%). Ausnahmen bilden die Altersgruppen bis zu 9 Jahre (Mortalität 0%), 70 bis 79 Jahre (8,0%) und ab 80 Jahre (14,8%). Wenig überraschend war die Sterblichkeit bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (10,5%), Diabetes mellitus (7,3%), Hypertonie (6,0%) und Krebs (5,6%) erhöht.

Unter den Patienten befanden sich 1.716 Mitarbeiter des Gesundheitswesens (3,8%), davon 1.080 in Wuhan (63%). Hier wurden 14,8% der bestätigten Fälle als schwer oder kritisch eingestuft, und 5 Patienten starben.

Unterschiede zwischen bekannten Coronaviren

Zwar sind SARS-CoV-2, SARS und MERS alle Coronaviren zoonotischen Ursprungs. Doch die Krankheiten unterscheiden sich erheblich, betonen die Autoren. Der SARS-Ausbruch 2002/2003 endete im Juli 2003 nach insgesamt 8.096 Infektionen und 774 Todesfällen (Mortalität 9,6%). MERS gilt als noch nicht eingedämmt; aktuell ist von 2.494 bestätigten Fällen und 858 Toten (Mortalität 34,4%) die Rede. Bei den SARS-CoV-2-Infektionen hatte China bis zum 18. Februar 2020 insgesamt 72.528 bestätigte und 1.870 Todesfälle (2,6%) erfasst. Die Gesamtzahl an Infektionen dürfte aufgrund nicht gemeldeter, nicht per PCR untersuchter oder asymptotischer Patienten aber deutlich höher liegen.

Daraus leiten Wu und McGoogan mehrere Hypothesen ab:

  • SARS-CoV-2 scheint eine geringere Mortalität (brutto 2,6%, außerhalb Chinas sogar nur 0,4%) als MERS oder SARS zu haben.

  • Die Kontagiosität ist jedoch weitaus höher als bei anderen Coronaviren. Etliche Übertragungen fanden im familiären Umfeld statt; auch flüchtige Kontakte scheinen auszureichen. 64% aller Cluster konnten einzelnen Haushalten zugeordnet werden.

  • Das chinesische Neujahrsfest am 25. Januar, eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse des Jahres, hat auch stark zur Verbreitung beigetragen.

Jetzt sei vor allem wichtig, Zeit zu gewinnen, damit die Wissenschaft aufholen könne, resümieren die Autoren. Auch Investitionen in die Infrastruktur des öffentlichen Gesundheitswesens seien entscheidend.

Update 24.02.2020: Die Pandemie ist da – und in Europa angekommen

SARS-CoV-2 ist in Europa angekommen. In Norditalien gibt es nun einen ersten größeren Ausbruch des neuartigen Coronavirus in der Provinz Lodi (in der Stadt Codogno) nahe Mailand und in der Provinz Padua (Ortschaft Vo). Von dort wurden bis Montagmittag 6 Todesopfer und 219 Infizierte gemeldet, 23 Infizierte werden intensivmedizinisch betreut. Ein Cluster gibt es wohl unter Mitarbeitern einer örtlichen Klinik. 

Die betroffenen Städte bzw. Regionen wurden abgeriegelt, in Venedig wurde der Karneval vorzeitig beendet. Weitere „Hotspots“ sind derzeit außerdem Südkorea mit 833 und der Iran mit 61 Infektions- und derzeit mindestens 12 Todesfällen – in einzelnen Medien wird von bis zu 50 Toten berichtet. 

Das Virus sei aufgrund seiner Eigenschaften auch durch solche Abriegelungen wie jetzt in Italien kaum einzudämmen, zeigt sich Prof. Dr. Christian Drosten, Institutsdirektor der Virologie an der Charité Berlin, skeptisch. Er glaube nicht, dass die Pandemie noch aufzuhalten sei, sagte der Virologe im ZDF-Morgenmagazin

Bislang sehe es allerdings so aus, als ob der Erreger bei der Mehrzahl der Infizierten nur Symptome wie eine Erkältungskrankheit mache. Doch die Gesundheitssysteme könnten allein durch die Menge der Erkrankungen überlastet werden, warnte der Experte. Die Gefahr sieht er darin, dass aufgrund der Geringfügigkeit der Symptomatik bei den allermeisten Infizierten, sich der Erreger über ein, zwei Wochen in der Bevölkerung ausbreiten könne, bevor es auffalle. So sei es wohl auch jetzt in Norditalien – und wahrscheinlich auch im Iran – passiert. 

„Es ist gut möglich, dass wir auch bereits das Virus unerkannt hier im Land haben – das will ich explizit betonen“, sagte er. Es handle sich um „ein sich sehr still ausbreitendes Virus mit eher harmlosen Symptomen bei der Mehrzahl der Menschen“. Es falle dann nur aufgrund einzelner schwerer Verläufe auf – und dies auch nur, wenn die Patienten getestet werden. 

Sein Kollege Prof. Dr. Dr. Alexander Kekulé, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle, forderte im MDR , auch in Deutschland großzügiger auf SARS-CoV-2 zu testen. Er sieht zwar keinen Grund für Panik, aber Anlass zur Sorge: „Wir haben eine Ausbreitung, die nichts mehr mit Reisen aus China zu tun hat.“ Auch er geht von weiteren Fällen in Europa aus. „Es wäre ein Wunder, wenn wir nicht weitere Herde irgendwo hätten.“
Auch für Deutschland könne der Erreger „zum Riesenproblem werden“, so Drosten im ZDF. „Es hängt alles davon ab, wie schnell es sich ausbreitet.“ Darum müsse derzeit alles darangesetzt werden, die Ausbreitung zu verlangsamen. „Und wir müssen das Zeitfenster nutzen, um die notwendigen Ressourcen zusammenzutragen.“

Von einfachen Atemmasken als Schutz hält er eher wenig, verweist auf regelmäßiges Händewaschen als Präventionsmaßnahme, aber vor allem sei es wichtig, sich der Ausbreitung des Virus bewusst zu sein. Im Moment sehe es so aus, als ob – ähnlich wie bei der Influenza – vor allem ältere Menschen mit Komorbiditäten gefährdet seien. „Eine Altersgrenze scheint so um die 70 Jahre zu liegen.“ Doch gebe es durchaus auch einzelne schwere Verläufe bei Jüngeren. Jedoch scheine es bei Kindern – obwohl sie Überträger sein könnten – kaum schwere Symptomatiken zu geben – „das ist ein erfreulicher Befund“.

Update 19.02.2020: Erfahrung mit deutschen China-Rückkehrern zeigt: Klinische Symptomatik bietet keine Anhaltspunkte, um Infizierte zu erkennen

Schlechte Nachrichten, wenn es darum geht, die Ausbreitung des neuen Coronavirus in den Griff zu bekommen, haben diejenigen deutschen Wissenschaftler publiziert, die die deutschen Rückkehrer aus der Provinz Hubei betreut haben - deren Quarantäne in einer Kaserne in Germersheim gestern geendet hatte.

Wie die Ärzte als Correspondence im New England Journal of Medicine schreiben, hatten bei den deutschen China-Rückkehrern alle Versuche versagt, anhand von Symptomen diejenigen Personen aus der Gruppe von 126 Reisenden herauszufiltern, die mit dem neuen Erreger SARS-CoV-2 infiziert waren. 

Auf dem Flug waren 10 Personen auf eigenen Wunsch, aufgrund selbst berichteter oder festgestellter respiratorischer Symptome isoliert worden. Ein klinisches Screening war vor dem Abflug in China erfolgt. Bei keinem dieser Personen ließ sich nach Ankunft SARS-CoV-2 im PCR-Test nachweisen. 

Auch alle anderen Passagiere waren nach ihrer Ankunft klinisch untersucht, die Symptomatik war erhoben und bei ihnen die Körpertemperatur bestimmt worden, berichten Dr. Sandra Ciesek aus Frankfurt und Kollegen. Doch weder die eine Person mit erhöhter Temperatur noch einer derjenigen, die klinische Symptome zeigten, erwiesen sich als infiziert. Die Ärzte erhoben Fieber, Fatigue, Halsschmerzen, Husten, laufende Nase, Muskelschmerzen und Diarrhoe und suchten nach Infektionszeichen in Nase und Rachen.

Mit dem freiwilligen Real-Time-PCR-Test, zu dem sich schließlich alle außer einem Reisenden bereit erklärt hatten, fanden sie dann aber bei 2 Rückkehrern eine Infektion mit SARS-CoV-2 – keiner von beiden war im vorherigen Screening auffällig gewesen, berichten die Ärzte. Bei einem der beiden deckte die genauere Prüfung schließlich einen leichten Hautausschlag und eine „minimale Pharyngitis“ auf. 

Bei beiden Patienten gelang die Isolierung und Anzucht in Zellkultur des Virus aus entnommenen Proben – was, so die Mediziner, darauf schließen lässt, dass sie infektiös waren. Beide Personen entwickelten keine erhöhte Körpertemperatur oder weitere Symptomatik.   

Ihre Erfahrungen, so schreiben die deutschen Ärzte, machten deutlich, wie schwierig es sich gestalten könne, Reisende, die mit dem neuen Erreger infiziert sind, zu identifizieren und die Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 aufzuhalten. 

Update18.02.2020: Umfangreiche epidemiologische Publikation aus China

Erstmals berichten Wissenschaftler des Chinese Centre for Disease Control and Prevention (CCDC) ausführlich über das Krankheitsgeschehen. Basis ihrer Analyse waren 72.314 Patientenakten, darunter 61,8% bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen, 22,4% Verdachtsfälle, 14,6% nur klinisch diagnostizierte Fälle aus Hubei und 889 asymptomatische Fälle. 37% dieser Erkrankungen waren nicht – wie von der Weltgesundheitsorganisation WHO eigentlich gefordert – per PCR-Diagnostik bestätigt.

Die meisten Patienten waren zwischen 30 und 79 Jahre alt (86,6%) und hatten klinisch einen milden Verlauf (80,9%). Als Gesamtsterblichkeitsrate errechnen die Autoren 2,3%, wobei sie hier alle Fälle, auch ohne PCR-Diagnostik, berücksichtigt haben.

Die chinesischen Forscher berichten zudem, dass sich die Zahl an Neuinfektionen derzeit verringert. Doch der deutsche Infektiologe Prof. Dr. Clemens Wendtner zweifelt, ob es sich schon um eine Trendwende handelt.

Der Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing kommentiert gegenüber dem Science Media Center Germany: „Zunächst erscheint die epidemiologische Kurve der sinkenden Anzahl von bestätigten Diagnosen ermutigend.“ Doch: „Nach Berichten aus China hat dort ja zeitweise die Verfügbarkeit der Nachweisdiagnostik (RT-PCR) abgenommen, so dass ich hinter diesen Meldezahlen der PCR-bestätigten Fälle zumindest in Hubei ein Fragezeichen setzen würde. Dort wurden sicher nicht alle Erkrankten diagnostiziert.“

Generell rechnet der Experte mit einer hohen Dunkelziffer: „Wer geht denn jetzt noch ins Krankenhaus zum Arzt, wenn er Angst hat, unter Quarantäne steht und die Wohnung ohnehin nur schwer verlassen kann?“

Update17.02.2020: Umfrage zu Laborkapazitäten in der EU

Auch in der EU sind die Laborkapazitäten zum Nachweis des neuen Virus nicht unendlich. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) hat Ergebnisse einer Umfrage unter Labors zur SARS-CoV-2-Diagnostik veröffentlicht. Von 47 Labors in der EU bzw. im EWR nannten 38 eine Kapazität von mindestens 8.275 PCR-Tests pro Woche (Stand: Ende Januar). Weitere 8 Labors implementierten solche Verfahren gerade, was perspektivisch zur Verfügbarkeit von weiteren 875 Tests pro Woche führen wird.

Die größten Herausforderungen bei den Tests waren anfangs ein Mangel an positiven Proben zur Kontrolle, aber auch ein Mangel an Personal, an Zeit und an geeigneten Chemikalien für die PCR-Diagnostik. Offen bleibt, welche Bedeutung PCR-Tests im Falle einer Pandemie haben werden. Denn ELISA-Tests werden aller Wahrscheinlichkeit nach bald zur Verfügung stehen.

Außerhalb Chinas niedrigere Mortalität

Mit jedem Tag, an dem die Zahl der Neuinfektionen steigt, nimmt auch die Gefahr einer weltweiten Pandemie zu. Doch ist das Gesundheitssystem darauf vorbereitet? Und welche Fragen sind noch zu klären? Dies diskutierten deutsche Experten bei einer Veranstaltung des Science Media Center Germany [1].

Bis zum 13. Februar waren laut Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, Berlin, außerhalb Chinas 24 Länder betroffen – mit insgesamt 503 Infektionsfällen, einem Todesfall auf den Philippinen und 17 schweren Verläufen. Damit seien die Verläufe in China und außerhalb doch sehr unterschiedlich: „Die Sterberate ist in China mit 2,0 bis 2,2 Prozent relativ stabil geblieben, außerhalb sehen wir dagegen nur 0,2 Prozent“, betonte Wieler.

 
Die Sterberate ist in China mit 2,0 bis 2,2 Prozent relativ stabil geblieben, außerhalb sehen wir dagegen nur 0,2 Prozent. Prof. Dr. Lothar H. Wieler
 

Wie es zu den Unterschieden kommt, dafür hatten er und seine Kollegen bei der Veranstaltung keine schlüssige Erklärung. Genetische Effekte seien eher unwahrscheinlich, denn auch bei erkrankten Chinesen außerhalb des Kerngebiets sei die Mortalität niedrig.

Was uns erwarten könnte, da ist auch Wieler unsicher: „Wir sind momentan nicht in der Lage die Dynamik des Ausbruchs zu prognostizieren.“ Er betonte die Bedeutung des „Containment“, also der Isolierung Infizierter zum jetzigen Zeitpunkt – und das sei beim deutschen Cluster in Bayern auch gut gelungen.

Unterschiede zwischen SARS und dem neuartigen Coronavirus

Auch wenn der neue Erreger von der WHO nun offiziell den Namen den SARS-CoV-2 erhalten hat, warnte Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, vor Vergleichen mit SARS. „Den ganzen Januar hinweg sind wir von einer großen Ähnlichkeit ausgegangen und haben SARS als Modell verwendet“, sagt er. Doch es gebe wichtige Unterschiede. „Die SARS-Rezeptoren sitzen in den tiefen Atemwegen. Ein Virus muss erst einmal dorthin gelangen und dann dauert es, bis Patienten die Viren wieder ausscheiden.“

Dies sei aber beim neuartigen Coronavirus anders, so der Experte. Denn hier gebe es im Rachen eine hohe Replikation, „was die gute Übertragbarkeit begründet.“ Auch lasse sich SARS-CoV-2 in Abstrichen des Rachenbereichs nachweisen. Dies sei bei SARS nie gelungen.

„Hinzu kommt: Anders als bei SARS fühlen sich Patienten in der Frühphase einer Infektion mit Coronaviren nicht schwerkrank, sind aber bereits Überträger.“ Dies habe man bei der chinesischen Indexpatientin in München gesehen.

Warten auf Impfstoffe

Gleichzeitig dämpft Drosten die Hoffnung auf eine schnelle Präventionsmöglichkeit: „Von Impfstoffen sind wir weit entfernt. Wir beginnen erst langsam zu verstehen, wie sich das Virus im Menschen verhält.“

 
Von Impfstoffen sind wir weit entfernt. Wir beginnen erst langsam zu verstehen, wie sich das Virus im Menschen verhält. Prof. Dr. Christian Drosten
 

Brauchbare Vorarbeiten sieht er dabei nicht: „Zur Zeit von SARS gab es noch keine großen Forschungsförderprogramme“, erinnert sich Drosten. „Ansätze für Vakzine sind deshalb oft nicht weiter als bis zum Tierexperiment erforscht worden.“ Hinzu komme, dass das neuartige Coronavirus unterschiedliche Oberflächenproteine habe. „Man muss quasi von null weg anfangen“, resümiert der Experte.

Pandemie: Ist Deutschland vorbereitet?

Zum Pandemierisiko können und wollen die Experten derzeit keine Einschätzung abgeben. Dennoch machen sie sich Gedanken, was auf Deutschlands Gesundheitssystem im schlimmsten Fall zukommen könnte.

„Wir werden volle Wartebereiche haben, das wissen wir aus vergangenen Pandemien“, sagt Drosten. „Und es wird schwierig sein, die Normalversorgung aufrechtzuerhalten.“ Das heißt, elektive Eingriffe müsse man verschieben, um Bettenkapazitäten für Patienten mit Virusinfektion zu erhöhen.

 
Der klinische Verlauf war bei 8 Patienten sehr mild. Es gab höchstens grippeähnliche Symptome mit leichtem Fieber und Husten. Prof. Dr. Clemens Wendtner
 

Doch der Virologe hat auch gute Nachrichten: „Anders als bei Influenza scheinen Kinder und Schwangere keinen schweren Verlauf zu zeigen.“ Als Risikogruppen nennt er ältere Menschen, „tendenziell eher Männer“, mit Vorerkrankungen.

Und Wieler ergänzt: „Bei der schweren Grippewelle 2017/18 hatten wir 10 Millionen Arztbesuche. Die Dimension kennen wir, sie ist für uns beherrschbar.“ Als Strategie nennt der RKI-Präsident, Zeit zu gewinnen, um die Influenza- von einer möglichen Corona-Welle zeitlich zu entkoppeln. Auch er betont die Bedeutung des Containments am Beispiel des Münchener Clusters.

Das sollten Ärzte zur Kontagiosität wissen

Erfahrung im Umgang mit SARS-CoV-2-Patienten hat Prof. Dr. Clemens Wendtner. Der Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen der München Klinik Schwabing und sein Team haben seit dem 27. Januar 9 Patienten behandelt.

„Der klinische Verlauf war bei 8 Patienten sehr mild. Es gab höchstens grippeähnliche Symptome mit leichtem Fieber und Husten“, berichtet der Infektiologe. Nur bei einer Person habe man Anzeichen einer Viruspneumonie gesehen.

Er weist auf ein generelles Problem hin: „Wann sollten Patienten wieder entlassen werden?“ Denn die PCR sei als Nachweismethode überempfindlich. „Sie schlägt an, selbst wenn ein Patient nicht mehr infektiös ist“, gibt der Virologe zu bedenken. Das sehe man an Zellkulturtests. „Wir müssen aber vordenken und mit einer Situation rechnen, in der es plötzlich viele Infizierte gibt.“

Für den schlimmsten Fall schlägt er deshalb ein abgestuftes Verfahren vor. Man könne genesene Patienten entlassen. Sie würden zu Hause noch eine gewisse Zeit isoliert, bis sie wieder zur Arbeit gingen. Und Krankenhausbetten stünden wieder schneller zur Verfügung.

 

Kommentar

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