Viele Niedergelassene haben Probleme mit Verdienstausfällen. Unser Rechtsexperte Prof. Dr. Thomas Schlegel erklärt, welche Anträge Sie stellen müssen, um an Ihr Geld zu kommen.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Thomas Schlegel, Frankfurt
Hallo, liebe Medscape-Freunde, aus aktuellem Anlass hier eine Sonderausgabe unseres Videoblogs zur Corona-Krise und den damit zusammen hängenden Rechtsunsicherheiten.
Es geht insbesondere um Einkommenseinbußen, behördliche Anordnungen, Schließungen von Praxen und sonstigen Gesundheitseinrichtungen.
Das Thema ist sehr komplex und ich hoffe, dass wir Ihnen ein bisschen Hilfestellung geben können. Sie können es auch zum Teil Nachlesen, wir stellen einige Dokumente dazu bereit.
Szenario 1: präventive, freiwillige Schließung einer Praxis
Grundsätzlich geht es um die Frage, ob eine behördliche Schließung einer Praxis oder einer Einrichtung behördlich angeordnet worden ist oder nicht. Wurde die Schließung nicht angeordnet, dann zählen die Folgen zum Betriebsrisiko des Arbeitsgebers.
Eine präventive Schließung ohne konkreten Verdachtsfall oder ohne eine behördliche Anordnung beispielsweise durch das Gesundheitsamt entbindet den Arbeitgeber grundsätzlich nicht von der Pflicht der Lohnfortzahlung. Unabhängig von den Sondermaßnahmen ist man also weiterhin dazu verpflichtet, seine Mitarbeiter zu beschäftigen und entsprechend zu entlohnen.
Schutz der Mitarbeiter
Im Rahmen der Fürsorgepflicht als Arbeitgeber ist sicher zu stellen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht unnötig einem Infektionsrisiko ausgesetzt werden. Deshalb müssen entsprechende Vorkehrungen und Maßnahmen zur Hygiene und zum Infektionsschutz getroffen und durchgeführt werden.
Aber man kann Mitarbeiter nicht einfach in den Zwangsurlaub schicken. Dies geht nur einvernehmlich. De facto muss der Lohn weiterbezahlt werden. Eine Anordnung von Zwangsurlaub, um damit auch die Gehälter entsprechend zu stunden, ist also nicht möglich.
Ist der Arbeitnehmer krank, gilt die normale Entgeltfortzahlung bis zu 6 Wochen, danach übernimmt die Krankenkasse die weitere Gehaltszahlung auf der Basis des Krankengeldes. Das gilt immer noch für den Normalfall, also dass die Praxis oder Einrichtung nicht durch eine Anordnung geschlossen wurde.
Viele Terminabsagen – gibt es Entschädigung?
Wir erhalten sehr viele Anfragen, weil Patienten nicht mehr kommen, für die z. B. elektive Untersuchungen geplant waren. Die Patienten haben aufgrund des Infektionsrisikos Angst in die Praxis zu kommen und sagen die Termine ab. Wie sieht es hier mit Verdienstausfall aus?
Entschädigungen für abgesagte Termine sind im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes nicht erfasst. Die Bundesregierung hat gerade versucht, einen Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen, über den ich Ihnen voraussichtlich nächste Woche berichten kann. Dabei geht es um Verdienstausfälle, Substitution von Einkommen, um auch hier keinen so großen Kollateralschaden anzurichten.
Szenario 2: behördlich angeordnete Schließung
Eine behördlich angeordnete Schließung wird beispielsweise durchgeführt, weil Personal infiziert worden ist oder es nachgewiesene Fälle gibt, die in der Praxis oder Einrichtung waren. Es gibt auch eine ganze Reihe von Schließungen von anderen Gesundheitseinrichtungen, üblicherweise nicht Arztpraxen oder Krankenhäuser.
Leider gehen die einzelnen Bundesländer ganz unterschiedlich damit um. Die einen Länder schließen physiotherapeutische Praxen, die anderen lassen medizinische Fußpflege offen. Der Sinn dieser Unterscheidung erschließt sich mir nicht wirklich.
Hat eine behördlich angeordnete Schließung stattgefunden, dann greift das Infektionsschutzgesetz. Dieses sieht eine Entschädigung vor. Danach hat der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt während der ersten 6 Wochen als Vorausleistung für den Staat zu zahlen. Dieses Geld kann er sich dann im Wege der Entschädigung vom Staat wieder zurückholen.
Wichtig: Der Antrag auf Erstattung muss binnen 3 Monaten gestellt werden.
Nach Ablauf der 6 Wochen wird der Verdienstausfall auf Antrag in der Höhe des Krankengeldes gewährt. Das entspricht nicht dem vollen Gehalt, sondern wird in Höhe von 70% des Regelentgelts, maximal in Höhe von 90% des Nettoentgelts geleistet. Das gilt im Übrigen auch bei Selbständigen. Diese Anträge können bei den jeweiligen zuständigen Ämtern gestellt werden, die aber in den jeweiligen Bundesländern sehr unterschiedlich strukturiert sind.
Eine Übersicht mit Kontaktdaten dieser Behörden finden Sie auf der Internetseite der KBV.
Wann gibt es Kurzarbeitergeld?
Zudem kann Kurzarbeitergeld beantragt werden. Bei vorüber gehenden unabwendbaren Ereignissen – und das dürfte aktuell der Fall sein – kann man unter Umständen Kurzarbeitergeld beantragen, wenn zur Prävention eine behördliche Schließung erfolgt ist. Dies gilt nicht, wenn die Praxis oder Einrichtung freiwillig geschlossen wurde.
Die Kurzarbeitenden erhalten grundsätzlich 60% des ausgefallenen Netto-Entgelts. Dabei gibt es noch Abstufungen, je nachdem ob Kinder im Haushalt wohnen oder nicht. Der Arbeitgeber hat 80% der Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen, allerdings nicht für die Arbeitslosenversicherung.
Das Kurzarbeitergeld ist bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Diese Anträge müssen innerhalb von 3 Monaten bei der Agentur für Arbeit eingereicht werden. Nach einer behördlich angeordneten Schließung haben Sie also die Möglichkeit, eine Teilerstattung für die Gehälter, die Sie weiterhin bezahlen müssen, zu beantragen.
Es bleibt spannend und interessant zu sehen, wie jetzt die jeweiligen Behörden damit umgehen.
Quelle: Prof. Schlegel
Elektive Eingriffe sind durchführbar
Verunsicherung besteht auch bei elektiven Eingriffen. Es kursiert die Meinung, dass elektive Eingriffe grundsätzlich nicht mehr durchgeführt werden dürfen. Das ist Unsinn. Wir werden nächste Wochen nochmals gesondert darüber berichten.
Es ist immer eine ärztliche Entscheidung, inwieweit eine Maßnahme, ein Eingriff, eine Operation jetzt durchgeführt werden kann – natürlich in Abwägung vom Infektionsrisiko. Auch wenn vielerorts behauptet wird, dass die Behörde anordnen kann, dass keine elektiven Eingriffe mehr stattfinden dürfen – die Entscheidungs- und Therapiehoheit hat der Arzt. HIer hat kein Dritter, auch nicht der Staat, hinein zu wirken. Das ergibt sich auch aus der ärztlichen Berufsordnung.
Ich hoffe, dass wir Ihnen etwas weiterhelfen konnten. Wenn Sie Fragen haben, richten Sie diese gerne auch an uns. Wir versuchen, Sie in dieser Krise bestmöglich zu unterstützen.
Bleiben Sie gesund!
Ihr Thomas Schlegel
Weiterführende Informationen
Kanzlei für Medizinrecht – Prof. Schlegel Hohmann & Partner: Newsletter mit Informationen zur Corona-Pandemie zu bestellen unter: Frankfurt@GesundheitsRecht.com
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Diesen Artikel so zitieren: Legal-Talk: Wichtige Corona-Krisen-Tipps zu Schutz der Mitarbeiter, Praxis-Schließung, Verdienstausfällen und Lohnfortzahlung - Medscape - 1. Apr 2020.
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