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Horror Haarausfall: Diese Medikamente können die Alopecia areata stoppen – wann Sie was anwenden sollten – eine Übersicht

PD Dr. Martin Hartmann

Interessenkonflikte

15. Juni 2020

Lokal oder systemisch? Eine der häufigsten Haar-Erkrankungen ist die Alopecia areata – unberechenbar und schwer zu therapieren. PD Dr. Martin Hartmann erklärt, welche Medikamenten wann und wie helfen.

Transkript des Videos von PD Dr. Martin Hartmann, Heidelberg:

Schönen guten Tag,

hier ist Martin Hartmann aus der Hautklinik Heidelberg. Heute geht es um den so genannten kreisrunden Haarausfall, die Alopecia areata. Sie ist schon seit Jahrhunderten bekannt. Die alten Ägypter haben sie beschrieben. Hippokrates benannte sie nach der Fuchsräude, also Alopex, der Fuchs.

Verlauf unberechenbar

Der umschriebene Haarausfall verläuft nicht vernarbend und geht häufig mit Komorbiditäten einher. Hierzu gehören beispielsweise Immunerkrankungen wie Lupus erythematodes oder auch eine Vitiligo.

Die Alopecia areata verläuft rezidivierend, der Verlauf ist im Einzelfall aber unberechenbar. Sie beeinträchtigt deshalb die Patienten massiv.

Prognostisch ungünstig ist, wenn die Follikelzeichnung verwischt oder wenn kadaverisierte Haare erscheinen, wenn also abgebrochene Haare in den Follikelostien stecken.

Prognostisch ungünstig sind ferner Auftreten in jungen Jahren, lange Krankheitsdauer, Nagelbeteiligung oder Autoimmunerkrankungen und eine atopische Diathese.

Beurteilung mit dem SALT-Score

Man kann das Ausmaß der Alopecia areata mit dem SALT-Score (Severity of Alopecia Tool) erfassen. Hier wird die Kopfhaut in 4 Areale eingeteilt. Dort werden die Haarlosigkeit und dann das Wiederwachstum gemessen. Das ist momentan die am häufigsten angewandte Methode.

Die Therapie kann in eine externe Behandlung bei leichteren Formen und eine systemische Behandlung eingeteilt werden.

Externe Therapien

Altbekannt ist die Therapie mit Cignolin (Dithranol, Anthralin), die bei der Psoriasis angewendet wird. Sie kann auch mit Erfolg bei der Alopecia areata angewendet werden. Hier wird Cignolin (0,5 – 1,0 %) 20 bis 30 Minuten auf der Kopfhaut belassen und führt dann zu einer Entzündungsreaktion. Hierdurch kommt es günstigstenfalls zu einem Wiederauftreten des Haarwachstums. Dieses Haar kann dünner sein oder auch hypopigmentierte Haare enthalten, wie bei allen Therapieformen.

Minoxidil ist mit Erfolg bei kleineren Herden eingesetzt worden.

Basistherapie sind häufig auch Steroide, sie wirken intraläsional besser als lokal. Potente Glucocorticoide wie Clobetasol sind deutlich wirksamer als niedrig potente Substanzen wie Hydrocortison.

Auch eine topische Immuntherapie als Kontaktsensibilisierung ist erfolgreich eingesetzt worden. Wenn DCP (Diphenylcyclopropenon) oder SADBE (Quadratsäuredibutylester) aufgetragen werden, führt dies zu einer Allergisierung. In der Folge können die Läsionen nochmal behandelt werden. Dies führt dann zu einem allergischen Kontaktekzem.

Im Rahmen der Entzündungsreaktion kann es dann zu einem erneuten Wachsen der Haare kommen. Das ist allerdings ein Off-Label-Gebrauch und die Behandlung wird nicht überall angeboten. Die Substanzen sind toxikologisch nicht unbedenklich.

Auch eine PUVA-Behandlung (Photochemotherapie) ist mit Erfolg eingesetzt worden.

Schwierig in der Beurteilung ist die hohe Rate an Lokalheilung. Steroide können z.B. in der Lokaltherapie bis zu 50% Abheilung bewirken. Auch unter Placebo beträgt sie bis zu 30%.

Systemische Therapien

In schweren Fällen können systemische Therapien erwogen werden, wie Steroide. Hier gibt es Hochdosistherapien mit über 1 mg/kg Körpergewicht oder etwas längere niedriger dosierte Therapien. Hier ist zu bedenken, dass diese immunsuppressiv wirken können.

Auch Azathioprin, Ciclosporin oder Methotrexat wurden mit Erfolg eingesetzt. In den letzten Jahren gab es Erfolgsberichte von den JAK-Inhibitoren (Arzneistoffe aus der Gruppe der Tyrosinkinaseinhibitoren, die verschiedene Januskinasen hemmen).

Tofacitinib, ein JAK-1/3-Inhibitor, der die intrazelluläre Entzündungskaskade unterdrückt, konnte in über 50% zu einem Abheilen der Alopezie-Herde führen. Häufigste Nebenwirkungen waren Infektionen der oberen Atemwege, Follikulitis oder Akne.

In den letzten Jahren wurden neuere Substanzen vorgestellt, zum Beispiel auf der AAD 2019 in Washington.

Ruxolitinib wird deuterisiert und in nicht deuterisierter Form oral und lokal mit Erfolg angewendet.

Von Pfizer gibt es den JAK-3-Inhibitor PF-066515600 und den TYK1/JAK1-Inhibitor PF-06700841. Hiermit kommt es in 50% der Fälle zu einer kompletten Abheilung. Allerdings ist zu bedenken, dass die JAK-Inhibitoren in der Folge zu schwereren Infektionskrankheiten führen können, so dass auch hier wieder abzuwägen ist.

Zusammenfassung

Alopecia areata ist eine häufige Haarerkrankung. Es sollte zunächst abgewartet werden, dann lokal und erst später systemisch behandelt werden. Die JAK-Inhibitoren, die erfolgsversprechend sind, sind sehr kostenintensiv. Noch nicht ganz klar ist das Nebenwirkungspotenzial. Günstig wäre hier sicherlich die Entwicklung einer Lokaltherapie, die auch bei Kindern inzwischen mit Erfolg angewandt wurde.

Das war es aus Heidelberg. Vielen Dank fürs Anschauen und Zuhören. Auf Wiederhören.
 

Kommentar

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