Berlin – „Das E-Rezept ist da!“ Das behauptete der Titel einer Veranstaltung auf dem Jahreskongress des Bundesverbandes Managed Care (BMC) im Januar in Berlin [1]. Die Vorträge der Referenten zeigten allerdings, dass wohl noch ein weiter Weg zurückzulegen ist, bis das Papierrezept ausgedient hat.
Hannes Neumann von der gematik skizzierte den Weg der E-Rezept-Einführung: Bis zum Juni 2020 soll die gematik die genauen Anforderungen an das E-Rezept formuliert und die technischen Festlegungen getroffen haben. Grundlage des E-Rezepts ist das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom August 2019.
Im 1. Schritt sollen dann mit dem E-Rezept Apotheken-pflichtige Arzneimittel elektronisch verfügbar werden, auch nach ausschließlicher Fernbehandlung.
In der 2. Stufe werden auch BTM- und T-Rezepte elektronisch verordnet werden können,
in der 3. Stufe auch Heil- und Hilfsmittel.
Außerdem soll die grenzüberschreitende Bearbeitung der Rezepte möglich werden, wie Neumann sagte. „Am Schluss kann ich meine Rezepte auch in Spanien einlösen“, so Neumann.
Das E-Rezept – eine „Killer-App“
Wenn das E-Rezept erst einmal da ist, dürfte es erhebliche Wirkung auf die ganze Telematik-Infrastruktur (TI) entfalten, ergänzte Julia Hagen vom Health Innovation Hub des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). „Das E-Rezept ist eine Killer-App“, erklärte Hagen.
Denn es betreffe praktisch jeden Versicherten und führt ihn zwangsläufig zum Umgang mit den Angeboten der TI. So werde das E-Rezept auch anderen Anwendungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen zum Durchbruch verhelfen. „Genauso war es auch in Estland“, sagte Hagen. „Die E-Rezepte waren das Zugpferd für das nationale Gesundheitsportal der Esten.“
Warum läuft der Prozess so langsam?
Indessen goss Andrea Galle, Vorstand bei der BKK VB, Wasser in den Wein allzu optimistischer Betrachtung der Einführungs-Fristen. Sie mahnte denn auch Tempo an. Man habe in Deutschland mehr als 50 Projekte initiiert, um das E-Rezept zu erproben. Aber über tragfähige Lösungen verfüge man immer noch nicht, kritisierte sie.
Denn laufe die Finanzierung der Projekte aus, schliefen die Initiativen ein. „Dabei gehen immer noch 7% der Krankenhauseinweisungen in Deutschland auf Verschreibungsfehler zurück oder auf unerwünschte Wechselwirkungen“, sagte Galle.
Der Grund: Hierzulande würden jährlich 500 Millionen Rezepte immer noch bis zu 5-mal händisch bearbeitet. Das bedeute viele Fehlerquellen. „Wir brauchen beim E-Rezept mehr Tempo!“, betonte die BKK-Chefin und erinnerte kritisch an den langen Weg der aktuellen EBM-Reform: Die Reformierung hat 8 Jahre gedauert.
Warum läuft der Prozess bei uns so langsam, wurde immer wieder auf dem Podium zu E-Rezept gefragt. „Andere schaffen es doch auch“, sagte Daniel Cardinal von der Techniker Krankenkasse (TK). „Schweden hat schon 1983 das E-Rezept projektiert.“
Weitere digitale Services werden folgen
Das Ziel jedenfalls sei lohnend, so Galle: Das E-Rezept bedeute weniger Medienbrüche, weniger manuelle Arbeit, der Kunde kann Vor-Ort-Apotheken aufsuchen oder Online-Apotheken nutzen, und die effizientere Abrechnung spare Kosten.
„Und das Spannende ist: Es werden im Zusammenhang mit dem E-Rezept viele digitale Services entstehen, die heute noch gar nicht diskutiert werden“, sagte Galle zuversichtlich. Digitalisierung sei „zu 70% Kultur und zu 30% Technik“, betonte sie.
Das E-Rezept anfassbar machen
Mit dem E-Rezept-Lab Wandsbek/ Hamburg will die TK nachweisen, dass ein aus Kundensicht funktionierendes E-Rezept machbar ist. Seit einem Jahr läuft das Projekt. „Wir wollen gestalten und nicht gestaltet werden“, begründete Cardinal die Initiative seiner Kasse.
Im Rahmen des Projektes stellt der Arzt das Rezept und einen dazugehörigen QR-Code aus und schickt den Code per sicherer Datenleitung an den Patienten. Diesen Code weist der Patient in der Apotheke vor, worauf die Verordnungsdaten von der Praxis über einen VPN-Tunnel an die Apotheke übersandt werden.
Zukünftig soll der Patient den QR-Code auch einfach an die Apotheke schicken können, um etwa sein Arzneimittel vorbereiten zu lassen und es später abzuholen. Der Nutzen für die Patienten liegt auf der Hand.
Aber auch die Ärzte profitieren, meint Cardinal: „Der Vorteil für den Arzt liegt darin, dass die Patienten für ein Rezept nicht mehr in der Praxis erscheinen müssen. So werden Arbeitsabläufe in der Praxis für den Arzt flexibler.“
In Zukunft soll das Projekt nach und nach und orientiert an der Kundensicht ausgebaut werden. Die TK denkt zum Beispiel an eine direkte Kommunikationsmöglichkeit über die App zwischen Versicherten, Ärzten und Apothekern. „Wir wollen das E-Rezept anfassbar machen“, sagte Cardinal, „und immer weiter probieren“.
Einzig Prof. Dr. Heinrich Worth, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Atemwegsliga, erinnerte auf dem Podium an die Realität vieler vor allem alter Patienten: „Nicht jeder Patient ist Technik-interessiert“, mahnte Worth. „Nicht jeder Patient ist scharf auf die neueste App.“
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Kann das E-Rezept der Digitalisierung im Gesundheitswesen zum Durchbruch verhelfen? - Medscape - 5. Feb 2020.
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