Coronavirus-Angst geht in sozialen Medien viral – WHO hält dagegen mit Antworten auf die 10 häufigsten Mythen

Liz Neporent, Ute Eppinger

Interessenkonflikte

4. Februar 2020

In diesen Tagen bekommt die Beschreibung, dass eine Meldung in den sozialen Netzwerken „viral“ verbreitet wird, eine zynische Doppeldeutigkeit. Nationale und internationale Behörden versuchen einerseits die Öffentlichkeit über das neue Coronavirus zu informieren und Panik zu vermeiden. Sie kämpfen aber gegen eine Flut von Fehlinformationen und Verschwörungstheorien, die sich über Twitter, Facebook & Co. viral verbreiten – mit einem Tempo, bei dem kein Virus mithalten könnte.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält nun dagegen – ebenfalls über soziale Medien – mit den bisher bekannten wissenschaftlichen Fakten (siehe Kasten unten).

WHO mit Twitter-Kommentaren überflutet

Die Behörde hatte selbst unangenehme Erfahrung mit den sozialen Netzwerken gemacht, als sie vergangene Woche eine Reihe von Tweets verschickte, in denen sie erklärte, warum sie noch nicht bereit war, den Ausbruch von 2019-nCoV zum globalen Gesundheitsnotstand zu erklären.

Der Twitter-Account der Organisation wurde daraufhin sofort mit Hunderten von negativen Kommentaren überflutet, aus denen sich Misstrauen, Missverständnisse und Fehlinformationen ins Netz ergossen. Viele Twitter-Nutzer stellten die Motive der WHO in Frage und warfen der WHO vor, der Krankheit zu erlauben, sich auszubreiten.

Andere Tweet-Verfasser behaupteten, dass die chinesische Regierung absichtlich Informationen zurückhalte und dass Tausende auf den Straßen von Wuhan – der Stadt, in der das Virus zuerst diagnostiziert wurde – sterben würden. Wieder andere behaupteten, die Krankheit sei von der US-Regierung genetisch manipuliert worden.

Mehr als 1,2 Millionen Tweets zum Coronavirus in einer Januar-Woche

Die WHO hat das Virus inzwischen zum globalen internationalen Gesundheitsnotstand erklärt. Aber vielleicht ist das Einzige, das sich noch viraler verbreitet als der Erreger selbst, das Geschwätz darüber, das in den sozialen Medien erzeugt wird.

In der Woche vom 19. Januar 2020, als das Coronavirus ins allgemeine öffentliche Bewusstsein trat, sammelte Symplur, ein Monitoring-Tool für soziale Medien im Gesundheitswesen, mehr als 1,2 Millionen Tweets zum Thema – mit fast 700.000 Twitter-Benutzern, die an der Online-Konversation teilnahmen, und mehr als 30 zugehörigen Hashtags.

Tom Lee, einer der Symplur-Mitbegründer, stellte jedoch fest, dass die Menge der Tweets, die mit dem Coronavirus in Zusammenhang stehen, erheblich höher ist als die von ihnen erfassten Daten. Das Volumen der Tweets war so hoch – das System hat seit Beginn des Ausbruchs bis zu 442.000 pro Tag gesammelt –, dass sie nicht in der Lage sind, sie alle zu verarbeiten.

„Wir schauen uns nur einen Bruchteil des Geschehens auf Twitter an“, sagte Lee gegenüber Medscape. „Wir haben das Tempo gedrosselt, um eine Zufallsstichprobe einzuholen, die etwa 10 Prozent der derzeitigen Aktivität darstellt.“

Vorschnelle Urteile und Verschwörungstheorien

Inzwischen sind auf Facebook mehr als 50 Coronavirus-Seiten aufgetaucht. Die „Coronavirus Warning Watch“ zum Beispiel ist eine private Gruppe, die schnell über 1.000 Mitglieder anzog und durchschnittlich 270 Beiträge pro Tag liefert.

Die Mitglieder scheinen die Seite zu nutzen, um unbegründete Forderungen auszutauschen und Links zu Schutzausrüstungen wie Gesichtsmasken zu teilen, die von fragwürdigem Nutzen sind.

 
Die erste Reaktion unseres Gehirns auf ein potenzielles neues Risiko wie ein Coronavirus … ist nicht, sorgfältig darüber nachzudenken. David Ropeik
 

Dass ein großer Prozentsatz der von Medscape rezensierten Social-Media-Beiträge Unbehagen und Verschwörungstheorien zum Ausdruck bringt, überrascht David Ropeik, einen ehemaligen Harvard-Professor und Autor des Buches „How Risky Is It, Really? Why Our Fears Don´t Always Match the Facts“ nicht.

„Die erste Reaktion unseres Gehirns auf ein potenzielles neues Risiko wie ein Coronavirus – ganz besonders, wenn wir noch nicht viele Informationen darüber haben – ist nicht, sorgfältig darüber nachzudenken. Denn das dauert zu lange. Würden wir über eine Giftschlange nachdenken, wären wir tot. Also reagieren wir schnell“, sagte Ropeik gegenüber Medscape.

Zwar waren Menschen schon immer anfällig dafür, vorschnelle Urteile zu verstärken, doch die sozialen Medien geben ihnen quasi ein Megaphon in die Hand und ein Verfahren, ihre Gedanken schnell und einfach zu teilen, sagte Ropeik.

Er stellte ein ähnliches Muster der Social-Media-Hysterie über Ebola und Zika vor einigen Jahren fest – trotz des winzigen Expositions-Risikos, dem Durchschnittspersonen ausgesetzt waren.

Desinformationen wollen Zweifel an Institutionen schüren

Auch die Verbreitung von Desinformationen auf den verschiedenen Plattformen sei nichts Neues, so Ropeik. Fake Accounts, bekannt als „Bots“, und Provokateure, bekannt als „Tastatur-Trolle“, springen oft in Unterhaltungen hinein, um Furcht zu schüren und ein falsches Narrativ zu schaffen.

Ihr Ziel sei es, ein Gefühl des Zweifels an den Institutionen zu schüren, die uns schützen sollen, und uns mit einem Gefühl der Sorge um unsere Sicherheit zurück zu lassen, wie irrational das auch immer ist, so Ropeik.

Betrüger verwirren die Menschen dann weiter, indem sie gefälschte Heilmittel anbieten. Eine Flut von Beiträgen, die derzeit die Runde macht, verweist auf eine 10 Jahre alte Studie, die darauf hindeutet, dass Oregano eine Coronavirus-Infektion heilt.

Hinzu kommen dumme Memes, die Welpen mit Gesichtsmasken zeigen, und der stark verbreitete Hashtag #Coronabeervirus, der das Virus fälschlicherweise mit einer beliebten mexikanischen Biermarke in Verbindung bringt.

Zusammen erhöhen Fehlinformationen und unsinnige Botschaften die Gefahr, dass seriöse Stimmen, wie die der WHO, des Gesundheits- und Sozialministeriums (HHS) und der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) übertönt werden.

Soziale Medien versuchen, korrekte Informationen zu priorisieren

Dennoch scheinen Social-Media-Unternehmen den Versuch zu unternehmen, korrekte Informationen zu priorisieren. Facebooks unabhängige Faktenprüfer haben die große Anzahl von Behauptungen über das Coronavirus untersucht und kennzeichnen die falschen Beiträge, damit sie nicht in den News-Feeds der Nutzer erscheinen, sagte das Unternehmen in einer Erklärung.

Twitter gab am Montag bekannt, dass es seinen Algorithmus so optimiert hat, dass US-Benutzer, die nach Coronavirus-bezogenen Hashtags suchen, auf den Account der CDC umgeleitet werden. Sie stellen auch sicher, dass die Suche nach Coronavirus-bezogenen Hashtags in anderen Ländern Informationen aus zuverlässigen Quellen liefert.

Andere Plattformen, einschließlich YouTube, sagen, dass sie ähnliche Schritte in Erwägung ziehen.

In der Offline-Welt nimmt währenddessen die Zahl der bestätigten Fälle von 2019-nCoV rasant zu. Während sich noch immer die meisten diagnostizierten und vermuteten Fälle in China befinden, breitet sich das Virus über die ganze Welt aus.  

WHO: Fakten widerlegen 10 Mythen über das neue Coronavirus

 

Über 2019-nCoronavirus kursieren jede Menge Mythen. Die WHO räumt mit den häufigsten auf:
 

  1. Ist es sicher, einen Brief oder ein Paket aus China zu erhalten?
    Ja, Personen, die Pakete aus China erhalten, sind nicht gefährdet, sich mit 2019-nCoV zu infizieren.

  2. Können Haustiere 2019-nCoV verbreiten?
    Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass Haustiere mit 2019-nCoV infiziert werden können. Es ist jedoch immer eine gute Idee, sich nach dem Kontakt mit Haustieren die Hände mit Wasser und Seife zu waschen.

  3. Schützen Impfstoffe gegen Lungenentzündung vor dem neuen Coronavirus?
    Nein. Impfstoffe gegen Lungenentzündung wie Pneumokokken-Impfstoff und Haemophilus-Influenza-Typ-B-(Hib)-Impfstoff bieten keinen Schutz gegen das neue Coronavirus. Derzeit wird an einem Impfstoff gegen 2019-nCoV geforscht. Zum Schutz der Gesundheit empfiehlt die WHO aber die Grippeschutzimpfung.

  4. Kann regelmäßiges Spülen der Nase mit Kochsalzlösung helfen, eine Infektion mit dem neuen Coronavirus zu verhindern?
    Nein. Darauf gibt es keine Hinweise. Auch für die Annahme, dass regelmäßiges Nasenspülen mit Kochsalzlösung dazu beitragen kann, dass sich Menschen schneller von einer Erkältung erholen, gibt es nur wenige Hinweise.

  5. Kann Gurgeln mit Mundwasser vor einer Infektion mit dem neuen Coronavirus schützen?
    Nein. Darauf gibt es keine Hinweise. Einige Mundspülungen können bestimmte Mikroben für einige Minuten im Speichel eliminieren, das heißt aber nicht, dass sie auch vor einer Infektion mit 2019-nCoV schützen.

  6. Kann der Verzehr von Knoblauch helfen, eine Infektion mit dem neuen Coronavirus zu verhindern?
    Knoblauch ist gesund und weist antimikrobielle Eigenschaften auf. Es gibt aber keine Beweise dafür, dass Knoblauch vor 2019-nCoV schützt.

  7. Blockiert das Auftragen von Sesamöl das Eindringen des neuen Coronavirus in den Körper?
    Nein. Sesamöl tötet das neue Coronavirus nicht ab. Es gibt einige chemische Desinfektionsmittel, die das 2019-nCoV auf Oberflächen abtöten können. Dazu gehören Bleichmittel/Chlor-basierte Desinfektionsmittel, entweder Lösungsmittel, 75% Ethanol, Peressigsäure und Chloroform.

  8. Befällt 2019-nCoV ältere Menschen oder sind auch jüngere Menschen anfällig?
    Menschen jeden Alters können infiziert werden. Ältere Menschen und Menschen mit bereits bestehenden Erkrankungen (wie Asthma, Diabetes, Herzerkrankungen) scheinen anfälliger für schwere Verläufe zu sein.

  9. Sind Antibiotika bei der Prävention und Behandlung des neuen Coronavirus wirksam?
    Nein. Antibiotika werden bei 2019-nCoV nur im Fall einer bakteriellen Koinfektion eingesetzt.

  10. Gibt es spezifische Medikamente zur Prävention oder Behandlung des neuen Coronavirus?
    Bis heute gibt es kein spezifisches Medikament, das zur Vorbeugung oder Behandlung von 2019-nCoV empfohlen wird. Einige spezifische Behandlungen werden derzeit untersucht und in klinischen Studien getestet. Die WHO trägt dazu bei, die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen mit einer Reihe von Partnern zu beschleunigen.

 

Kommentar

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