Der Blick ins Grüne, der Zugang zu Gärten, angepasstes Licht, Ruhezonen: Auch die Ausstattung einer Klinik kann mit dazu beitragen, dass Patienten schneller gesund werden. Die Erkenntnisse dazu fließen nun zunehmend bereits in die Planung von Krankenhausbauten ein.
Bereits 1984 konnte der schwedische Architekt Prof. Dr. Roger Ulrich in einer Studie in Science nachweisen, dass die Aussicht aus dem Krankenbett einen Einfluss auf das Wohl der Patienten hat. Ulrich und Kollegen schlossen in ihre Arbeit 46 Patienten nach Cholezystektomie ein.
Die Hälfte der Patienten wurde in Zimmern mit Blick auf einen Park mit Bäumen untergebracht, die anderen 23 in Zimmern mit Fenstern, durch die die Betonmauer eines Nachbargebäudes zu sehen war. Betreut wurden beide Gruppen vom gleichen Personal. Es zeigte sich, dass die Patienten mit dem Blick ins Grüne deutlich weniger Schmerzmittel (und wenn, dann schwächere Mittel wie Acetylsalicylsäure) benötigten, seltener verstimmt oder verzweifelt waren (1,13 vs 3,96 – erfasst durch die Aufzeichnungen des Pflegepersonals) und auch einen Tag früher nach Hause entlassen werden konnten (7,96 Tage vs 8,7 Tage).
Evidenzbasiertes Healthcare-Design
Mit Ulrichs Studie begann eine neue wissenschaftliche Disziplin, das evidenz-basierte Healthcare-Design. Es untersucht solche Zusammenhänge systematisch – vor allem in Dänemark, Großbritannien und den USA. In Dänemark beispielsweise wurden die Risiken der Übertragung von Infektionen in Mehrbett- und Einzelzimmern verglichen und der Einfluss von Lärmbelästigung auf Patienten untersucht. Ausgewertet wurde auch die Wirkung kultureller Angebote im Krankenhaus auf den Heilungsprozess.
Beim „Healing Hospital“ wird schon in der Bauplanung berücksichtigt, dass der Patient sich später möglichst wohl fühlt und schnell – und damit auch Kosten sparend – erholt, berichtet Claudia Küng, Geschäftsführerin der WISO S. E. Consulting GmbH. WISO veranstaltet Anfang März den „Gesundheitskongress des Westens“, bei dem Experten auch das Thema „Hospital Healing“ diskutieren werden.
Im Healing Hospital können Patienten Raumtemperatur und -belüftung selbst regeln. Eine zirkadiane Beleuchtung passt die Lichtverhältnisse an den Biorhythmus und das Schlafbedürfnis der Patienten an. Piepsende Geräte am Krankenbett gibt es nicht mehr. In manchen US-Kliniken wird das Personal gezielt darin geschult, Lärmbelästigung zu reduzieren.
„Vor allem in Dänemark ist bei der Planung von Krankenhäusern ein ganzheitlicher Ansatz verbreitet“, berichtet Küng im Gespräch mit Medscape. „Die Dänen haben dazu, wie ein Healing Hospital aussehen kann, ein internationales Board eingerichtet. Studien haben jetzt gezeigt, dass es nicht nur den Patienten zugutekommt, sondern auch ökonomisch sinnvoller ist, Einzelzimmer statt Mehrbettzimmern einzurichten“, so Küng. Entsprechend werde es in der derzeit im Bau befindlichen dänischen Superklinik Aarhus auch keine Mehrbettzimmer mehr geben.
Und in Deutschland?
Vergleichbare Studien wie in Dänemark gebe es in Deutschland nicht, so Küng. „Das ändert sich vielleicht dann, wenn Dänemark mit seinem Modell Erfolg hat. Die Fokussierung auf wenige sehr gut ausgestattete Krankenhäuser in Dänemark ist ein großes Experiment“, so Küng.
Wenngleich Deutschland im Vergleich zu Dänemark oder den USA im Hinblick auf innovative Ansätze hinterherhinkt – dass auch hier einiges in Bewegung geraten ist, zeige die Beauftragung von Gesundheitsmanager Reinhard Busse, der Standorte und Ausstattung von Kliniken international vergleicht.
Baulich tut sich auch in Deutschland einiges. So würden beim Anbau am Klinikum Aachen bereits einige Aspekte eines Healing Hospitals berücksichtigt. „Es gibt in Deutschland aber kein Krankenhaus, das komplett nach den Kriterien eines Healing Hospitals gebaut ist“, sagt Küng.
Einflussfaktoren Licht, Geräusche und Grün
Ein wichtiger Aspekt eines Healing Hospitals ist Licht. Günter Hohensee von der Philipps GmbH Market DACH, einer der Experten auf dem Gesundheitskongress des Westens, wird Licht- und Geräuschmanagement und zirkadiane Beleuchtung in einem Vortrag als präventiven multimodalen Ansatz im Delir-Management von Kliniken vorstellen.
Bis zu 80% aller Patienten auf der Intensivstation entwickeln ein Delir. Faktoren wie Dunkelheit während des Tages und Licht während der Nacht erhöhen das Risiko. Die Delir-Inzidenz könne durch eine Verbesserung des Wach-Schlaf-Rhythmus und durch eine entspannte und angenehm gestaltete Umgebung reduziert werden, so Hohensee. Licht- und Geräuschmanagement, der Zugang zu Gärten und Ausblicke ins Grüne – „diese auf den ersten Blick soften Faktoren darf man nicht unterschätzen“, betont Küng.
US-Kliniken begannen seit Mitte der 90er Jahre gezielt Gärten zu integrieren. In einem Interview mit dem Blog The Dirt berichtet Clare Cooper-Marcus, emeritierte Professorin für Architektur und Landschaftsarchitektur und Umweltplanung an der University of California in Berkeley, USA: „Studien zeigen, dass kranke Menschen, die Zugang zur Natur haben, weniger Schmerzmittel brauchen. Und Studien aus Alzheimer-Einrichtungen zeigen, dass Bewohnern, die Zugang zu einem Garten haben, weniger Medikamente verschrieben werden müssen, um Agitiertheit zu verringern und Schlaflosigkeit zu bekämpfen.“
Inzwischen, so Cooper-Marcus, gäbe es in den USA kaum noch eine Senioreneinrichtung, eine Klinik oder ein Hospiz, das keinen Garten habe. „Viele Krankenhäuser haben jetzt Gärten integriert, und das ist gut so. Einige verwenden aber den Begriff ‚Heilender Garten‘ nur als Schlagwort. Dann sehe ich in Fachzeitschriften ein Foto einer Chaiselongue auf einem Dach mit zwei Topfpflanzen – und das wird dann als ‚Heilender Garten‘ bezeichnet. Überlegt wird deshalb, ob es nicht eine Zertifizierung von Heilgärten geben sollte – wie das funktionieren könnte ist allerdings unklar, so etwas einzuführen dürfte kompliziert werden.“
Auch für das Personal sei der direkte Zugang zu Gärten wichtig, betont Cooper-Marcus. Die durchschnittliche Mittagspause einer Krankenschwester in einer US-Klinik beträgt beispielsweise nur 38 Minuten. „Selbst wenn es einen Garten gibt, und der ist weit weg, werden sie nicht dorthin gehen, weil die Zeit dazu kaum ausreicht. Kliniken, die sich dessen bewusst sind, versuchen nun, kleinere Gärten in der Nähe von Pausenräumen anzulegen, damit das Personal zumindest 10 oder 15 Minuten nach draußen gehen kann. Forschungen haben gezeigt, dass das lang genug ist, um den Stress deutlich zu reduzieren.“
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Diesen Artikel so zitieren: Licht, Ruhe, Grünanlagen: Ein schönes Klinik-Ambiente fördert die Heilung – Studien dazu werden zunehmend berücksichtigt - Medscape - 28. Jan 2020.
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