Orakel vom Urologen? Endfünfziger mit niedrigem PSA-Ausgangswert müssen wohl keinen Prostatakrebs fürchten

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

23. Januar 2020

PSA-Tests zur Früherkennung von Prostatakrebs sind umstritten. So hat kürzlich das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in einem Vorbericht „mehr Schaden als Nutzen“ eines Screenings auf Prostata-spezifisches Antigen (PSA) konstatiert (Medscape berichtete). Im IQWiG befürchtet man eine Überdiagnose und Übertherapie niedrig maligner Formen – Fachgesellschaften sehen dies jedoch vollkommen anders.

Nun liefert eine Sekundäranalyse der bekannten Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian (PLCO) Cancer Screening-Kohorte neue Daten dazu. Laut dieser Analyse könnte die Höhe der gemessenen PSA-Ausgangswerte bei Männern im Alter zwischen 55 und 60 Jahren Hinweise darauf liefern, für welche Patienten weitere PSA-Messungen sinnvoll sein könnten, und wer auf ein solches Screening verzichten kann.

Denn in der Kohorte war der PSA-Ausgangswert signifikant mit dem späteren Risiko für Prostatakrebs assoziiert. Dies berichten die Forscher um Dr. Evan Kovac vom Glickman Urological and Kidney Institute, Cleveland Clinic Foundation, Ohio. Ihre Arbeit ist JAMA Network Open erschienen [1].

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein wiederholtes PSA-Screening bei Männern im Alter von 55 bis 60 Jahren mit einem niedrigen PSA-Ausgangswert unter 2,00 ng/ml seltener erforderlich ist und bei Männern mit einem PSA-Ausgangswert unter 1,00 ng/ml möglicherweise gar nicht durchgeführt werden muss“, schreiben sie.

Daten von knapp 11.000 Männern erfasst

Ziel von PLCO war bekanntlich festzustellen, ob bestimmte Screeningtests dazu beitragen können, die Sterblichkeit aufgrund von Prostatakrebs, Lungenkrebs, Darmkrebs und Eierstockkrebs zu senken. Zwischen November 1993 und Juli 2001 wurden rund 155.000 Teilnehmer rekrutiert.

Für ihre Sekundäranalyse der PLCO-Kohorte verwendeten Kovac und seine Kollegen eine Analyse-Methode aus der Versicherungsmathematik. Ihr Ziel war, mögliche Assoziationen zwischen den PSA-Basiswerten und dem Langzeitrisiko für Prostatakrebs generell und speziell für klinisch relevante Prostatakarzinome zu ermitteln. Die Männer waren bei den Eingangs-Untersuchungen 55 bis 60 Jahre alt. Sie wurden von 1993 bis 2001 in die Screening-Gruppe der Kohorte aufgenommen.

Ausgewertet wurden Daten von 10.968 Männern. Ihre 13-Jahres-Inzidenz für klinisch relevante Prostatakarzinome, also keine benignen Vergrößerungen, betrug:

  • bei einem PSA-Basiswert von 0,49 ng/ml oder weniger: 0,4% (95%-KI 0% bis 0,8%);

  • bei 0,50 bis 0,99 ng/ml: 1,5% (95%-KI 1,1% bis 1,9%);

  • bei 1,00 bis 1,99 ng/ml: 5,4% (95%-KI 4,4% bis 6,4%);

  • bei 2,00 bis 2,99 ng/ml: 10,6% (95%-KI 8,3% bis 12,9%);

  • bei 3,00 bis 3,99 ng/ml: 15,3% (95%-KI 11,4% bis 19,2%) sowie

  • bei 4,00 ng/ml und darüber: 29,5% (95%-KI 24,2% bis 34,8%).

Insgesamt starben während der 13-jährigen Nachbeobachtungszeit nur 15 Männer an Prostatakrebs. 9 (60,0%) davon waren Männer mit einem PSA-Basiswert von 2,00 ng/ml oder höher.

„Nach unserem Kenntnisstand (...) handelt es sich um die bislang größte Analyse dieser Art“, fassen die Autoren zusammen. „Unsere Ergebnisse unterstützen die Ausarbeitung zukünftiger Screening-Strategien basierend auf dem PSA-Ausgangswert und könnten dazu beitragen, dass Prostatabiopsien seltener erforderlich sind.“

 
Unsere Ergebnisse … könnten dazu beitragen, dass Prostatabiopsien seltener erforderlich sind. Dr. Evan Kovac und Kollegen
 

Stärken und Schwächen der Studie

Als Stärke ihrer Veröffentlichung nennen Kovac und seine Kollegen vor allem die Größe ihrer Kohorte.

Dem stehen mehrere Schwächen gegenüber: 13 Jahre sind für maligne Erkrankungen eine recht kurze Nachbeobachtungszeit. Auch traten nur wenige Todesfälle durch Prostatakarzinome auf.

Hinzu kommt: Die Analysen basieren auf PSA-Messungen bei der Studienrekrutierung; diese Daten wurden oft nur einmal erhoben. Bestätigungen möglicher Diagnosen eines Prostatakarzinoms per Biopsie waren eher selten.

Auch die Zielgruppe zwischen 55 und 60 Jahren diskutiert Kovacs Team kontrovers. Vielleicht mache es Sinn, früher mit den Tests zu beginnen, meint Kovac. Zumindest deuteten darauf einzelne Studien hin.

 
Wir glauben, dass Männer im Alter von 55 bis 60 Jahren mit unauffälligem PSA-Test nach 13 Jahren kein klinisch relevantes Prostatakarzinom entwickeln. Dr. Evan Kovac und Kollegen
 

Das Fazit der Autoren: „Obwohl wir in dieser Studie keine direkten Schlussfolgerungen hinsichtlich des Zusammenhangs des PSA-Ausgangswertes mit der Mortalität durch Prostatakarzinome ziehen können, glauben wir, dass Männer im Alter von 55 bis 60 Jahren mit unauffälligem PSA-Test nach 13 Jahren kein klinisch relevantes Prostatakarzinom entwickeln.“

 

Kommentar

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