Januar ist die Zeit der guten Vorsätze – und Sport steht bei vielen Menschen ganz oben auf der Agenda. Aus kardiologischer Sicht ist der Nutzen klar belegt – doch wie sieht es bei anderen häufigen Erkrankungen aus? Neue Daten einer Arbeitsgruppe aus Deutschland liefern weitere Belege, dass sich kardiorespiratorische Trainingsprogramme auch zur Demenzprävention eignen könnten.
Solche Trainings scheinen die Gesundheit des Gehirns zu verbessern und den Verlust an grauer Substanz bzw. den Rückgang des Hirnvolumens zu verlangsamen. Der Effekt zeigte sich bei Hirnstrukturen, welche an der Kognition und nicht an der Motorik beteiligt sind. Zu diesen Ergebnissen kommen Dr. Katharina Wittfeld vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Rostock und Kollegen in den Mao Clinic Proceedings [1].
„Das auffälligste Merkmal der Studie ist die gemessene Wirkung von Bewegung auf die an der Kognition beteiligten Hirnstrukturen und nicht auf die Motorik“, schreiben Dr. Ronald Petersen von der Mayo Clinic und Kollegen in einem begleitenden Editorial [2]. „Dies liefert einen indirekten Beweis dafür, dass aerobes Training zusätzlich zur körperlichen Konditionierung einen positiven Einfluss auf die kognitive Funktion haben kann.“
„Wir sehen die Stärke unserer Studie in der großen Fallzahl und der präzisen Erhebung des Phänotyps“, erklärt Wittfeld gegenüber Medscape. Zu den Phänotypen zählen neben Daten aus der Bildgebung Belastungstests auf einem Fahrradergometer mit Bestimmung der Sauerstoffaufnahme. „Basis waren also keine Selbstangaben zur sportlichen Betätigung oder keine kurzzeitigen Messungen mittels Aktiometern“, ergänzt die Expertin.
Als mögliche Schwäche erwähnt sie das Design: „Es handelte sich um eine Querschnittsstudie. Aufschluss über Ursächlichkeiten könne jedoch nur differenzierte longitudinale Analysen geben.“
Doch was bringt die Erkenntnis Ärzten? „An dieser Stelle können wir nur vage bleiben und eine generelle Ermunterung zu körperlicher Aktivität aussprechen“, so Wittfeld. Sie verweist auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zu Trainingsprogrammen. Und ihr Kollege Prof. Dr. Hans J. Grabe von der Universitätsmedizin Rostock rät aus neurologischem Blickwinkel, kardiorespiratorische Fitness solle „Teil von Präventionsprogrammen sein, um einen gesunden Lebensstil zu pflegen“.
Fitness und Gehirnvolumina präzise erfasst
Die Forscher arbeiteten mit Daten von 2.103 Erwachsenen zwischen 21 und 84 Jahre aus 2 unabhängigen Kohorten der Study of Health in Pomerania (SHIP). Alle Untersuchungen fanden zwischen Juni 2008 und September 2012 statt.
Die kardiorespiratorische Fitness wurde anhand der Sauerstoffaufnahme-Spitzenwerte (VO2max), der Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle (VO2@AT) beziehungsweise der maximalen Leistungsabgabe aus kardiopulmonalen Belastungstests auf einem Fahrradergometer gemessen. Außerdem wurden magnetresonanztomographische Daten der Gehirne analysiert.
In das mathematische Regressionsmodell flossen das Alter, das Geschlecht, die Bildung, der Nikotinkonsum, das Körpergewicht, der systolische Blutdruck, der HbA1c-Wert und das intrakranielle Volumen ein.
Zusammenhang zwischen Fitness und Hirnvolumen
Volumetrische Analysen zeigten Assoziationen der kardiorespiratorischen Fitness mit dem Volumen der grauen Substanz und dem gesamten Volumen des Gehirns. Nach multivariabler Anpassung wurde jede Zunahme des VO2max um eine Einheit der Standardabweichung mit einem um 5,31 cm³ (95%-Konfidenzintervall: 3,27 bis 7,35 cm³) höheren Volumen der grauen Substanz in Verbindung gebracht.
Weitere Analysen der Morphologie ergaben mögliche Zusammenhänge zwischen der kardiorespiratorischen Fitness und Substrukturen im Gehirn. Das VO2max war stark mit dem Volumen in manchen Bereichen des temporalen Gyrus, des Hippocampus, des Parahippocampus sowie des orbito-frontalen Gyrus assoziiert: Eine bessere kardiorespiratorische Fitness schien mit größeren Volumina in Zusammenhang zu stehen.
„Unsere Ergebnisse aus einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe deuten darauf hin, dass die kardiorespiratorische Fitness zu einer besseren Gehirngesundheit beitragen und somit die pathologiespezifische Abnahme des Gehirnvolumens verlangsamen könnte“, fassen die Autoren zusammen.
Mehr Evidenz zu Bewegung und Gehirngesundheit
Die Editorialisten um Petersen interpretieren Wittfelds Daten als „ermutigenden und faszinierenden Beitrag zur wachsenden Literatur in Bezug auf Bewegung und Gehirngesundheit“.
Für sie spielt auch der demographische Aspekt eine Rolle: „Ein weiteres wichtiges Merkmal der Studie ist, dass diese Ergebnisse möglicherweise auch auf ältere Erwachsene zutreffen. Es gibt gute Belege für den Wert von Bewegung in der Mitte des Lebens, aber es ist ermutigend, dass es auch im späteren Leben positive Auswirkungen auf das Gehirn geben kann.“ Das bedeute, auch der späte Start lohne sich möglicherweise.
Dennoch warnen sie davor, Resultate überinterpretieren und einen kausalen Zusammenhang zwischen aerobem Training und erhöhtem Gehirnvolumen herzustellen. „Die Korrelation impliziert keine Kausalität“, schreiben Petersen und Kollegen. Aber langfristig angelegte randomisierte Studien mit Interventions- und Kontrollgruppe seien kostspielig und logistisch schwierig durchzuführen.
Deshalb empfehlen Experten der Mayo Clinic und des Office of Disease Prevention and Health Promotion mindestens 150 Minuten pro Woche mäßige bis starke körperliche Aktivität.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Neue Hinweise, dass sich kardiorespiratorische Fitnessprogramme zur Demenz-Prävention eignen. Was Ärzte raten sollten - Medscape - 20. Jan 2020.
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