Report: Bedarf an Nierenersatztherapie variiert europaweit beträchtlich – und wird weiter steigen

Pam Harrison

Interessenkonflikte

17. Januar 2020

Der Bedarf an Nierenersatztherapien (NET), d.h. Dialyse oder Nierentransplantation, ist EU-weit recht unterschiedlich groß. Diese Varianz lässt sich laut einem neuen Bericht nur teilweise mit den unterschiedlich verfügbaren nationalen Ressourcen zur Deckung des NET-Bedarfs erklären.

Unter den fast 700 Millionen Menschen, die in 37 Ländern in nationalen oder regionalen Nierenregistern eingetragen sind, ist im Jahr 2017 bei 88.453 Personen mit einer Nierenersatztherapie begonnen worden, d.h. bei rund 127 Personen pro einer Million Menschen (pmp). Das geht aus dem jüngsten Jahresbericht der European Renal Association – European Dialysis and Transplant Association (ERA-EDTA) hervor [1].

 
Die Nierentransplantation ist aus medizinischer Sicht die beste Nierenersatztherapie, die wir haben. Prof. Dr. Ron Gansevoort
 

Der Bedarf an Nierenersatz ist jedoch sehr unterschiedlich und reicht von einer hohen adjustierten Inzidenz von 429 pmp im Kosovo bis zu einem Tiefstand von 68 pmp in Estland. In Griechenland sind es 223 Personen, in Frankreich 174 und in der Schweiz 99 pro einer Million Menschen.

Insgesamt haben 85% der Patienten, die 2017 eine NET wegen einer Nierenerkrankung im Endstadium (ESRD, End-Stage Renal Disease) benötigten, mit der Hämodialyse begonnen und 11% mit einer Peritonealdialyse. Demgegenüber wurde nur bei 4% der NET-Patienten im Jahr 2017 gleich eine Nierentransplantation durchgeführt und die Dialyse damit völlig umgangen.

„Das ist traurig“, meint Prof. Dr. Ron Gansevoort, Professor für Innere Medizin an der niederländischen Universität Groningen und Sprecher der ERA-EDTA, in einer Stellungnahme zu den Ergebnissen. „Die Nierentransplantation ist aus medizinischer Sicht die beste Nierenersatztherapie, die wir haben. Transplantierte Patienten leiden an weniger Komorbiditäten als Dialysepatienten und haben bessere Blutwerte“, fügte er hinzu.

Darüber hinaus hätten Patienten, die eine Transplantation erhalten, generell eine höhere Lebensqualität bei zugleich weniger Komplikationen. Zudem müssten sie nicht das 3-mal wöchentliche 4-stündige Zeit-Absitzen der Dialysepatienten ertragen, so Gansevoort.

Hauptgrund des steigenden NET-Bedarfs: Die Menschen werden älter

Wie in den USA so ist auch in Europa der Mangel an Spenderorganen der Hauptgrund für die geringe Zahl an transplantierten Nieren bei ESRD-Patienten. Dieser Mangel sei, so Gansevoort, in vielen europäischen Ländern „dramatisch“, doch wolle die ERA-EDTA versuchen, diese Situation zu verbessern.

Die geringe Zahl von Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, die sofort ein Spenderorgan erhalten können, ist jedoch nicht der einzige alarmierende Befund, den die Daten des ERA-EDTA-Registers aufzeigten. Auch nehme die Zahl der Patienten zu, die eine Nierenersatztherapie benötigen. Im Jahr 2016 haben z.B. 121 pmp eine Nierenersatztherapie erhalten – 2017 waren es bereits 127.

Der Hauptgrund für diesen Anstieg sei in Europa vor allem die Tatsache, dass die Allgemeinbevölkerung älter werde und Nierenerkrankungen eher bei älteren Menschen auftreten.

In Europa werde der demografische Wandel hin zu einer immer älteren Bevölkerung in absehbarer Zeit nicht enden, sagte Gansevoort. „Was wir hier erleben, ist an sich keine unnormale Entwicklung, aber es ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.“

Das heißt: Die Zahl der Patienten in Europa, die eine Nierenersatztherapie benötigen, wird entsprechend weiter ansteigen, was auch eine große Belastung der jeweiligen Gesundheitssysteme bedeutet.

Die jährlichen Dialysekosten belaufen sich pro Patient auf etwa 53.000 € in Deutschland, 64.000 € in Frankreich und 75.000 € in Belgien.

Europaweit große Bandbreite bei der Nierenprävention

Die enormen Unterschiede beim NET-Bedarf zwischen den einzelnen europäischen Staaten erklärt sich laut ERA-EDTA größtenteils durch Unterschiede im allgemeinen Gesundheitszustand der jeweiligen Population und über die Verfügbarkeit von Präventionsmaßnahmen in den verschiedenen Ländern, so das Fazit des Berichts.

Eine Stärkung der Nephroprävention liege daher nicht nur im Interesse der Patienten, sondern auch der politischen Entscheidungsträger, betonte Gansevoort. „Es ist höchste Zeit, dass die steigende Inzidenz der terminalen Niereninsuffizienz ins Blickfeld gerät“, fügte er hinzu.

 
Es ist höchste Zeit, dass die steigende Inzidenz der terminalen Niereninsuffizienz ins Blickfeld gerät. Prof. Dr. Ron Gansevoort
 

Die besten Überlebenschancen (über die ersten 2 Jahre) mit 98,4% hatten laut der Statistik europäische Patienten, die zwischen 2011 und 2015, als sie eine NET benötigten, ein Spenderorgan von einer lebenden Person erhalten hatten. Bei einer Spende von einem Verstorbenen lag dieser Wert immerhin noch bei 96,8%.

Demgegenüber lebten von den Patienten, die im gleichen Studienzeitraum mit der Dialyse begonnen hatten, 2 Jahre später nur noch 75,6%. Der Gesamtwert für ein Überleben über alle Patienten mit einer Nierenersatztherapie nach 2 Jahren belief sich auf 78%.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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