Hallo, mein Name ist Prof. Dr. David Johnson und ich leite die Abteilung für Gastroenterologie an der Eastern Virginia Medical School in Norfolk, Virginia.
Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt ist in fast allen gesüßten, pasteurisierten und verarbeiteten Lebensmitteln, die wir konsumieren, enthalten. Er ist billiger und süßer als Rohrzucker – deshalb mischt man ihn in so viele Lebensmittel. Er wird auch mit der zunehmenden Epidemie von Übergewicht, Diabetes und metabolischem Syndrom in den USA in Verbindung gebracht.
Das hat einige Staaten dazu veranlasst, den Verkauf von Produkten, welche mit Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt gesüßt sind – etwa Limonaden, einzuschränken.
Darmkrebs bei jungen Menschen nimmt zu
Ein weiteres Gesundheitsproblem, das sich in den Vereinigten Staaten abzeichnet, ist die dramatische Zunahme von Darmkrebs bei relativ jungen Patienten. Man vermutet, dass Darmkrebs bis zum Jahr 2030 bei den 20- bis 34-Jährigen um 90 bis 125% und bei den 35- bis 49-Jährigen um 28 bis 46% zunehmen wird [1].
Dies hat die American Cancer Society dazu veranlasst, ihre Empfehlung dahingehend zu ändern, dass mit dem Darmkrebs-Screening früher begonnen werden soll, nämlich im Alter von 45 Jahren [2].
Als Grund für diesen Anstieg von Darmkrebs werden häufig die steigende Adipositas- und Diabetes-Raten genannt. Eine im vergangenen Jahr in Science veröffentlichte Studie legt jedoch nahe, dass Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt eine Rolle spielen könnte. Er fördert das Wachstum von Darmtumoren zumindest bei Mäusen [3].
Welche Mechanismen führen zum Kolonkarzinom?
Glukose wird von Darm-Epithelzellen aktiv über Natrium-gekoppelte Transporter aufgenommen. Bei Fruktose übernimmt ein passiver Transporter namens GLUT-5 diese Aufgabe. Schon 5 g Fruktose können zu viel sein. Anstatt resorbiert zu werden, gelangt Fruktose dann in den Dickdarm.
Forscher schalteten biotechnologisch das APC-Gen (Adenomatous-polyposis-coli-Gen) aus. So entstanden Mäuse, die prädestiniert dafür sind, Darmpolypen und später auch Darmkrebs zu entwickeln. Anschließend verabreichten sie den Nagern 20 g Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt. Das entspricht bei Menschen einer Flasche Limonade pro Tag.
Die Wissenschaftler fanden in ihrem Tierexperiment signifikante Hinweise auf eine Zunahme von Darmpolypen, die sich sehr schnell zu fortgeschrittenen, hochgradig dysplastischen Läsionen entwickelten.
Über eine Kohlenstoff-Markierung der gefütterten Fruktose konnten sie feststellen, dass dieser Zucker von den Zellen der Darmtumore aufgenommen wurde. Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt beschleunigte offenbar die Synthese von Fettsäuren. Das durch Fettsäuren erzeugte Darmwachstum führt zur Membranstabilisierung, zur Energiespeicherung und zum intestinalen Wachstum der Läsionen.
Die De-Novo-Synthese von Fettsäuren hing ganz offensichtlich mit der Zuführung von Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt zusammen. Deshalb vermuten die Forscher, dass Tumore ihre Stoffwechselwege zugunsten der Fettsäuresynthese umstellen, nachdem den Mäusen Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt zugeführt wurde.
Hat die Mausstudie einen Wert für die Praxis?
Liefert diese Studie bereits eine Botschaft zum Risiko von Maissirup? Oder müssen wir noch auf randomisierte, kontrollierte Studien warten?
Wir wissen bereits, dass Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt zumindest mit der Adipositas-Epidemie in Verbindung steht. Es besteht außerdem eine Korrelation zwischen Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt und der Hochregulierung von Inflammasomen, die wiederum Zytokine hochregulieren. Dazu gibt es viele Daten, insbesondere zu den Entzündungswegen bei nichtalkoholischer Fettleber, bei Steatohepatitis sowie zum Zelltod in der Leber [4].
Man findet in der Literatur einige ähnliche Arbeiten, welche die Hochregulierung von Inflammasomen mit kardiovaskulären Erkrankungen und der Entwicklung von Phänomenen wie Arteriosklerose, atherosklerotischen Plaques, Plaque-Ruptur und Plaque-Thrombosen in Verbindung bringen [5].
Natürlich stehen die Ergebnisse der aktuellen Studien in Science unter dem Vorbehalt, dass diese Daten aus einem Mausmodell stammen und dass es noch viel zu lernen gibt. Diese Ergebnisse aber könnten es uns eines Tages ermöglichen, neue Behandlungskonzepte zu erkennen. Vielleicht kann die Fruktokinase, die am Fruktose-Metabolismus insbesondere in der Leber beteiligt ist, gezielt für eine Chemotherapie oder für Chemo-Interventionsstrategien genutzt werden.
Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt schon jetzt vermeiden
Ich denke jedoch, dass es selbst mit den Einschränkungen „Mausmodell“ angebracht ist, von Maissirup mit hohem Fruktosegehalt abzusehen.
Meine Patienten mit Darmkrebs oder Darmpolypen fragen mich oft, was sie in ihrer Ernährung ändern können. Es gibt viele Aspekte, die mit unserer Ernährung zusammenhängen und die wir mit Patienten besprechen können. Maissirup mit hohem Fruktosegehalt ist etwas, das ich in künftigen Diskussionen mit solchen Gesprächen aufgreifen werde. Patienten sollten Kennzeichnungen auf Lebensmitteln, die sie essen, genau lesen.
Die Maisindustrie selbst scheint sich der gesundheitlichen Probleme, die mit ihrem Produkt verbunden sind, durchaus bewusst zu sein. Vor ein paar Jahren versuchten sie, Maissirup mit hohem Fruktose-Gehalt in „Maiszucker“ umzubenennen – das hat die FDA allerdings abgelehnt.
Obwohl es sich nur um ein Mausmodell handelt, denke ich, dass die Studie eine Botschaft enthält, auf die reagiert werden sollte. Maissirup mit einem hohen Fruktose-Gehalt ist keine gute Sache. Er führt dazu, dass Entzündungsparameter hochreguliert werden.
In meiner Praxis gebe ich diese Informationen an Patienten weiter, die eine entzündliche Darmerkrankung oder nichtalkoholische Fettleber haben. Und jetzt auch an Patienten, die an Neoplasien des Dickdarms, an Dickdarm-Polypen und an Dickdarmkrebs leiden.
Nicht länger auf Studien warten!
Ich empfehle Ihnen als Ärztin oder Arzt, die Studiendaten zu prüfen und zu berücksichtigen. Ich sehe keinen Grund, auf randomisierte, kontrollierte Studien zu warten, um aufzuzeigen, was im Moment intuitiv offensichtlich ist.
Einiges an Evidenz steht noch aus, aber manchmal müssen wir einfach auf unseren Instinkt hören und daraus eine Botschaft ableiten. Das hat meine Praxis verändert, und vielleicht wird es auch Ihre verändern.
Ich bin Dr. David Johnson. Nochmals danke fürs Zuhören.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Medscape Nachrichten © 2020
Diesen Artikel so zitieren: Erhöhen Limonaden mit Fruchtzucker die Darmkrebs-Gefahr? Nach Mäusestudien mit Maissirup sollten Sie mit Ihren Patienten reden - Medscape - 22. Jan 2020.
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