Ein paar Kilo Übergewicht zu verlieren, bringt häufig gesundheitliche Vorteile. Ist Intervallfasten dabei effektiver und gesünder als andere Methoden? Diese Frage ist unter Experten nach wie vor umstritten.
Ein jetzt im New England Journal of Medicine erschienenes Review der US-Wissenschaftler Dr. Rafael de Cabo vom National Institute on Aging und Prof. Dr. Mark P. Mattson von der John Hopkins University in Baltimore zeichnet ein sehr positives Bild der Ernährungsmethode [1].
Der Ernährungsepidemiologe Dr. Tilman Kühn, der am Deutschen Krebsforschungszentrum selbst an einer Studie zum Intervallfasten beteiligt war, ist mit dem Tenor des Reviews allerdings nicht einverstanden: „Der Artikel ist ein narratives Review. Darin haben 2 US-Kollegen ihre – völlig selektive – Sicht der Dinge geschildert. Das heißt: Bestimmte Studien, die nicht in das Weltbild der Autoren passen, werden einfach nicht genannt.“
Fasten statt Kalorienzählen
Beim Intervallfasten nimmt man z.B. an 2 oder mehr Fastentagen in der Woche nur sehr wenig zu sich – an den übrigen Tagen darf normal gegessen werden. Alternativ kann man auch täglich 16 oder sogar 18 Stunden lang fasten und nur innerhalb von 8 oder 6 Stunden essen.
Mehrere Studien haben mittlerweile die Effekte des Intervallfastens an 2 oder mehr Tagen pro Woche mit simpler Kalorienreduktion verglichen. Die Fragestellung dabei: Was ist besser: jeden Tag etwas weniger zu essen, oder sich nur 2 Tage die Woche einschränken zu müssen, dafür aber dann stärker?
Die Ergebnisse der bisher vorliegenden Studien am Menschen seien relativ eindeutig, sagt Kühn: „Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass Intervallfasten nicht besser oder anders wirkt als andere Diäten, mit denen man Gewicht verliert. Und die längeren Studien zeigen eben auch, dass Intervallfasten über große Zeiträume schwer durchzuhalten ist.“
Gerade die Tatsache, dass auch 2 Tage Fasten für viele Menschen auf Dauer offenbar nicht machbar sind, sei dabei entscheidend, sagt Kühn. „Die große Hoffnung beim Intervallfasten war, dass das ein Ernährungsmodus sein könnte, der in den Alltag passt, und bei dem z.B. Jo-Jo-Effekte nicht zum Tragen kommen, aber das bestätigt sich eigentlich in den neueren Studien nicht. Die Alltagstauglichkeit von Intervallfasten scheint auch nicht höher zu sein als bei anderen Diäten.“
Intervallfasten kann also funktionieren, wenn es in den eigenen Lebensrhythmus passt – es scheint allerdings angesichts der Abbrecherquoten in manchen Studien nicht die ideale Methode für jeden zu sein.
Mehr als nur abnehmen?
Gewichtsverlust ist allerdings nur eine der erhofften Auswirkungen des Intervallfastens. Weniger Übergewicht kann in vielen Fällen Blutwerte beeinflussen und manche Medikamente überflüssig machen. Die positiven Effekte des Intervallfastens gingen aber über die des reinen Gewichtsverlusts hinaus, schreiben die Autoren des aktuellen Reviews.
Dafür machen sie die Tatsache verantwortlich, dass der Stoffwechsel sich beim Intervallfasten ständig umstellen muss: zwischen der Verbrennung der zugeführten Nahrung einerseits, wobei in der Regel Glukose zur Energiegewinnung zur Verfügung steht, und dem Fastenstoffwechsel andererseits, bei dem Energie aus den Fettspeichern gewonnen werden muss und Ketonkörper im Blut zirkulieren.
Durch damit in Verbindung stehende Prozesse soll das Intervallfasten auch Erkrankungen vorbeugen oder deren Symptome lindern. Postulierte Auswirkungen sind etwa günstigere Insulin- oder Blutfettwerte, oder eine stärkere Empfindlichkeit von Krebszellen für eine Chemotherapie.
„Präklinische und klinische Studien haben gezeigt, dass Intervallfasten weitreichende Vorteile für viele Gesundheitsprobleme hat, etwa für Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Krebs und neurologische Störungen.“ schreiben de Cabo und Mattson in ihrer Zusammenfassung.
Kühn widerspricht allerdings energisch: „Die beiden Autoren gehen ja wirklich so weit, dass sie sagen, mit Intervallfasten könne man Krebs bekämpfen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerative Erkrankungen. Und sie sagen, dass das klinisch bewiesen wäre – und das ist einfach nicht wahr. Es gibt keine einzige klinische Studie, die zeigen würde, dass Intervallfasten gegen irgendeine dieser Erkrankungen hilft.“
Laufende Studien
Bei Krebskranken werde Intervallfasten zwar derzeit untersucht, Ergebnisse aus aussagekräftigen Studien gebe es aber noch nicht, erklärt Kühn: „Es gibt laufende Studien an Krebspatienten, in denen man prüft, ob das Intervallfasten zu irgendwelchen wünschenswerten Ergebnissen führt. Die Studien sind aber nach meiner Kenntnis noch nicht beendet, und es gibt auch noch keine Vorergebnisse.“
Ein Cochrane-Review und andere Metaanalysen zum Intervallfasten seien ebenfalls in Arbeit. Bisher hätten allerdings die meisten der vorliegenden Humanstudien das Intervallfasten mit einer unterschiedlichen Anzahl von Fastentagen pro Woche untersucht, sagt Kühn.
Eine weitere Form des Intervallfastens ist das sogenannte 16:8-Fasten, bei dem jeweils nur über einen Zeitraum von 8 Stunden am Tag gegessen werden darf. „Dazu läuft eine große Studie in den USA, und wir versuchen auch, so etwas zu finanzieren. Ich würde nicht ausschließen, dass das alltagstauglicher ist, und vielleicht auch ganz gut wirken könnte. Dazu fehlen aber momentan noch die Daten.“
De Cabo und Mattson machen in ihrem Artikel bereits konkrete Vorschläge, wie man Patienten an das Intervallfasten heranführen könne. Mit einem gemäßigten Fastentag pro Woche oder einem 10-Stunden-Zeitfenster fürs Essen könne man anfangen, und sich dann Monat für Monat steigern. Solche praktischen Empfehlungen hält Kühn angesichts der Datenlage allerdings für verfrüht.
Medscape Nachrichten © 2020 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Mehr als Abnehmen? NEJM-Review sieht viele gesundheitliche Vorteile des Intervallfastens. Ein deutscher Experte zweifelt - Medscape - 10. Jan 2020.
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