Immer mehr Analkarzinome in den USA – was sind die Ursachen?

Liam Davenport

Interessenkonflikte

30. Dezember 2019

Mit Beginn des neuen Jahrtausends sind Inzidenz und Mortalität des Analkarzinoms in den USA stark gestiegen, wobei fortgeschrittenere Stadien häufiger bei älteren Menschen diagnostiziert werden. Das ist das Ergebnis einer großen Registerstudie in den USA. In Deutschland erkranken pro Jahr 0,5–1,5 Personen pro 100.000 Einwohner bei gleichfalls steigender Tendenz. Die Studie wurde im Journal of the National Cancer Institute publiziert [1].

Diagnosen bei Älteren mehr als verdoppelt

Dr. Ashish A. Deshmukh vom Center for Health Services Research der UTHealth School of Public Health in Houston, Texas, und sein Team untersuchten Trends bei der Inzidenz (2001–2015) und Mortalität (2001–2016) für das Plattenepithelkarzinom des Anus (squamous cell carcinoma anus; SCCA).

Sie fanden heraus, dass die SCCA-Inzidenz um fast 3% jährlich gestiegen war, was zu dem jährlichen Anstieg der Sterblichkeitsrate passt. Über 90% der Fälle werden mit dem humanen Papillomavirus (HPV) in Verbindung gebracht.

Die Untersucher fanden zudem heraus, dass sich die Zahl der SCCA-Diagnosen (besonders für die fortgeschrittenen Stadien) und die Mortalität des Analkarzinoms bei Personen zwischen 50 und 70 mehr als verdoppelt hat. Darüber hinaus hat sich die Zahl der neu entdeckten Fälle unter Schwarzen, die Mitte der 1980er Jahre und später geboren wurden, im Vergleich zu denen, die Mitte der 1940er Jahre geboren wurde, verfünffacht.

 
Unsere Zahlen zur starken Inzidenzsteigerung unter schwarzen Millenials und weißen Frauen, die steigende Zahl metastasierter Erkrankungen und die Erhöhung der SCCA-Mortalität sind sehr beunruhigend. Dr. Ashish A. Deshmukh
 

„Unsere Zahlen zur starken Inzidenzsteigerung unter schwarzen Millenials und weißen Frauen, die steigende Zahl metastasierter Erkrankungen und die Erhöhung der SCCA-Mortalität sind sehr beunruhigend“, sagt Deshmukh in einer Erklärung. Er findet es auch „beunruhigend“, dass nach eigenen jüngsten Untersuchungen 75% der erwachsenen US-Amerikaner „nicht wissen, dass zumeist das HPV für diese vermeidbare Krebserkrankung verantwortlich ist“.

Deshmukh glaubt, dass „Aufklärungskampagnen erforderlich sind, um das Bewusstsein für die steigenden Raten beim Analkarzinom und die Bedeutung einer Immunisierung zu schärfen“, die für Personen bis maximal 45 Jahren infrage kommt. Der Seniorautor der Studie Dr. Keith Sigel, Professor für Medizin an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York, diskutiert die Analkrebsvorsorge. Er sagt, dass eine solche Prävention „derzeit außer in bestimmten Hochrisikogruppen nicht stattfindet. Die Ergebnisse dieser Studie sprechen jedoch dafür, eine Evaluation breit angelegter Screening-Bemühungen in Betracht zu ziehen“.

Datenbanksuche nach SCCA-Fällen

Frühere Studien haben gezeigt, dass sich die SCCA-Inzidenz zwischen Ende der 1970er und Anfang der 2010er Jahre mehr als verdoppelt hat. In diesem Zeitraum habe es, so die Autoren, große Veränderungen bei den Risikofaktoren der Krankheit gegeben, die mit Veränderungen im Sexualverhalten und der HIV-Epidemie verbunden waren.

Doch es sei unklar, ob die beobachteten Steigerungen auf eine verbesserte Diagnostik mit einer häufigeren Identifizierung von Tumoren im Frühstadium oder auf eine tatsächliche Zunahme der Erkrankungszahlen zurückzuführen sind, die über die Tumorstadien hinweg zu beobachten wäre.

 
Die Ergebnisse dieser Studie sprechen jedoch dafür, eine Evaluation breit angelegter Screening-Bemühungen in Betracht zu ziehen. Dr. Keith Sigel
 

Um dem weiter auf den Grund zu gehen, durchforsteten sie Daten des National Program of Cancer Registries der CDC und das Surveillance-Epidemiology-and-End-Results-Programm (SEER) des National Cancer Institute nach SCCA-Fällen.

In Totenscheinen des National Center for Health Statistics suchten sie nach Todesfällen infolge eines Analkarzinoms. Die Fälle wurden dann mit den Fällen aus dem SEER-Programm verknüpft, um Krebsmerkmale bei der Diagnose zu identifizieren.

Die meisten Fälle bei nicht-hispanischen Weißen

Das Team identifizierte 69.809 SCCA-Fälle aus dem Studienzeitraum 2001 bis 2015. Die meisten Fälle betrafen Frauen (64,9%) im Alter von 50 Jahren oder älter (79,5%) und nicht-hispanische Weiße (81,8%). Bei etwas über der Hälfte (50,3%) lag eine noch lokalisierte Erkrankung vor.

Die Gesamtinzidenz für das SCCA stieg von 2001 bis 2015 um 2,7% pro Jahr. Der jährliche Anstieg betrug bei Männern 2,2% und bei Frauen 3,1%. Bei schwarzen Männern lag der jährliche Anstieg der Inzidenz mit 2,8% etwas höher als bei weißen Männern mit 2,3%. Bei den Frauen war das Muster umgekehrt: Der jährliche Zuwachs betrug bei den schwarzen Frauen 2,6% und bei den weißen Frauen 3,7%.

Unter jüngeren Amerikanern wurde auch eine Zunahme der Inzidenz festgestellt. Im Vergleich zu 1946 geborenen Personen lag die Inzidenz für das SCCA 4,7-mal höher, während bei weißen Männern und weißen Frauen, die um 1960 geboren wurden, das Inzidenzratenverhältnis bei 2,0 bzw. 2,1 lag.

Signifikanter Anstieg der Mortalität

Zwischen 2001 und 2016 starben in den USA 12.111 Menschen infolge eines Analkarzinoms. Die Mortalität stieg pro Jahr um 3,1% (bei Männern 3,4%, bei Frauen 2,9%). Bei Personen zwischen 60 und 69 Jahren stieg sie mit durchschnittlich 4,9% jährlich signifikant an.

Die Autoren wiesen bei der Diskussion der Zahlen darauf hin, dass die Zunahme der SCCA-Mortalität bei älteren Menschen wahrscheinlich mit der Zunahme der Fallzahlen für das fortgeschrittene SCCA bei Personen über 50 Jahren zusammenhängt. Dies könne „wiederum die zunehmende Prävalenz an immunsupprimierten Erwachsenen in den USA widerspiegeln“.

Eine Hypothese dazu ist, dass „die komorbide und iatrogene Immunsuppression ihre größte Wirkung unter älteren Menschen entfaltet, was sowohl die Bekämpfung einer HPV-Infektion als auch die körpereigene immunologische Krebsabwehr beeinträchtigt“.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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