Glücklich sehr alt werden, das wollen fast alle – aber wie? Im zweiten Teil der Weihnachtsausgabe des British Medical Journal gibt es Anregungen dazu. 4 Artikel greifen die lustvollen Aspekte des Lebens auf: rasante Autofahrten, innigen Sex, kulturelle Highlights sowie die Neujahrsehrungen durch die Queen.
Eine 5. Analyse verrät, wer seine kardiovaskuläre Gesundheit besonders schützen sollte: Frauen, die im Frühjahr und Sommer geboren wurden. Sie haben ein leicht erhöhtes Risiko, vorzeitig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben – das legt jedenfalls die prospektive Kohortenstudie des Teams um Dr. Yin Zhang, Channing Division of Network Medicine, Brigham and Women’s Hospital and Harvard Medical School in Boston, USA, nahe [1].
Mit Livemusik und Kunst das Leben verlängern?
Zum Glück liefert die BMJ-Weihnachtsausgabe auch einen Hinweis darauf, was lebensverlängernd wirken kann: Livemusik, Schauspiel und Kunst. Schon ein- bis 2-mal im Jahr solch ein Kulturgenuss genügt offensichtlich, um das Sterberisiko um 14% zu senken.
Dr. Daisy Fancourt und Prof. Dr.Andrew Steptoe vom Department of Behavioural Science and Health des University College London werteten Angaben von 6.710 Londonern ab 50 Jahren (Durchschnittsalter bei Rekrutierung: 66 Jahre) aus, die an der English Longitudinal Study of Ageing (ELSA) teilnahmen [2].
Alle gaben bei der Rekrutierung in den Jahren 2004 und 2005 an, wie oft sie Theater, Oper, Konzerte, Kunstgalerien, Ausstellungen und Museen besuchten. Anschließend wurde ihr Gesundheitszustand über 14 Jahre lang verfolgt.
Das Kernergebnis: Die Kulturaffinen in der Kohorte überlebten signifikant eher als jene, die Theater, Museum und Co. fernblieben. Wer öfter als 2-mal jährlich live an einem Kulturereignis teilhatte, verminderte sein Sterberisiko sogar um 31%. Um Beziehungsstatus, Bildungsstand, Wohlstand und andere möglicherweise bedeutende Faktoren bereinigten die Autoren ihre Analyse.
„Die Assoziation kann eventuell zum Teil durch Unterschiede bei Kognition, psychischer Gesundheit und körperlicher Aktivität zwischen denen, die sich dem Kunstgenuss hingeben und jenen, die es nicht tun, erklärt werden“, meinen Fancourt und Steptoe. „Doch selbst, wenn das Modell um diese Faktoren bereinigt wird, bleibt die Assoziation bestehen.“
Fazit: Wer sich selbst oder seine Liebsten lange am Leben halten möchte, sollte ihnen womöglich Konzertkarten oder ein Theater-Abo zu Weihnachten schenken.
Vom Hype um den Sex in der Röhre
Andere Vorschläge gefällig? Sowohl Sex als auch das Lachen erwiesen sich in einigen Analysen als gesundheitsfördernd. Eine Studie, die vor exakt 20 Jahren im BMJ Christmas Issue publiziert worden ist, bringt beides zusammen: „Magnetic Resonance Imaging of Male and Female Genitals during Coitus and Female Sexual Arousal“, verfasst von einem Team um Prof. Dr. Willibrord Wejmar Schultz vom Department of Gynecology am University Hospital Groningen.
Die Bildgebung davon, wie Penis, Uterus und weitere Organe sich während des Liebesakts verändern, faszinierte Leser aus aller Welt – und wurde zur beliebtesten Studie im BMJ. 20 Jahre später erinnert BMJ-Autor Tony Delamothe an den Hype um die Veröffentlichung.
Dass der erigierte Penis beim Sex in der Missionarsstellung die Form eines Bumerangs annimmt, der Uterus sich durch die Erregung nicht (wie vorher angenommen) vergrößert, dass sich nach dem Akt die weibliche Harnblase gefüllt hat – all das erntete viel Aufmerksamkeit [3].
Interessant auch, dass 2 der 8 männlichen Teilnehmer erst im Zweitversuch mittels Sildenafil erfolgreich waren. Das war damals, 1998, ganz neu auf dem Markt und überzeugte auch in der Röhre.
3 Frauen nahmen allein an der Studie teil, 8 weitere gemeinsam mit ihren Partnern. Die Arbeit gehört bis heute zu den BMJ-Artikeln mit den meisten Downloads und gewann 2000 den Ig Nobel Prize for Medicine, eine Auszeichnung für wissenschaftliche Arbeiten, die Leser erst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen.
Vom Ruhm und von Rasern
Bei einer anderen großen Auszeichnung aus Großbritannien, den New Year Honours, kommen Mitarbeiter des Gesundheitswesens eher zu kurz. Angehörige anderer Berufsgruppen profitierten in der letzten Dekade weitaus häufiger von diesen Ehrungen, belegen Dr. John A. Emelifeonwu vom Western General Hospital in Edinburgh, Großbritannien, und sein Team in ihrer Arbeit.
Die von der Queen vergebenen Auszeichnungen landeten seit 2009 insgesamt 22-mal häufiger bei Sport-Talenten und 6-mal häufiger bei Medien- und Kunstschaffenden als bei Angehörigen des Gesundheitswesens.
Und während über alle Branchen verteilt die Geschlechter fast ausgeglichen vertreten waren (47% der 10.989 Auszeichnungen gingen an Frauen), waren im Gesundheitswesen die Preisträgerinnen deutlich unterrepräsentiert. Nur jede 3. der höheren Auszeichnungen wie Commander of the Order of the British Empire, Knight/Dame oder Companion of Honour wurde einer Frau zuerkannt [4].
Ein Trost für die BMJ- und Medscape-Leserinnen: Auch bei den Strafen fürs zu schnelle Autofahren sind Frauen in vielen Ländern unterrepräsentiert. Dafür spricht auch die neueste Auswertung von Registerdaten aus Florida, die Teil des BMJ Christmas Issue wurde.
André Zimerman, Doktorand am Department of Health Care Policy, Harvard Medical School, Boston, und sein Team analysierten Strafzettel, die in den Jahren 2007 bis 2014 ausgestellt wurden. Von Interesse waren für sie vor allem jene Strafen, die 5.372 Ärztinnen und Ärzte bekommen hatten – insgesamt 14.560 sogenannte speeding tickets [5].
Nur 16,9% dieser Tickets gingen an Frauen, dabei stellen Frauen aktuell ein Drittel der Ärzteschaft in Florida. Interessant: Psychiater ernteten besonders viele Strafen für extreme Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 20 Meilen pro Stunde.
Was die Automarke anging, so wurden Kardiologen besonders oft beim Rasen in einem Luxusauto erwischt. Als Luxusautos galten dabei laut Studienautoren Fahrzeuge unterschiedlicher Marken wie Ferrari, Tesla, Porsche, Mercedes, BMW und Audi.
Der Rekordhalter der Zu-Schnell-Fahrer war ein Internist und wäre wohl besser nach Deutschland geflogen, um seinen schnellen Wagen auszufahren: Er überschritt das Tempolimit um satte 70 Meilen pro Stunde.
Herbstmädchen sterben seltener den Herztod
In dieser Auflistung an letzter Stelle steht eine Studie, die sich mit dem Zusammenhang von Geburtsmonat und Sterbeursache beschäftigt. Zhang und Kollegen liefern damit die jüngste Auswertung der Daten der berühmten Nurses‘ Health Study, die seit 1976 mit amerikanischen Krankenschwestern läuft.
Von 116.911 Krankenschwestern waren während 38 Jahren Follow-up 43.248 gestorben, das durchschnittliche Sterbealter lag bei 75,5 Jahren. Insgesamt fand sich – anders als in vorherigen Studien – kein Hinweis darauf, dass in bestimmten Jahreszeiten geborene Frauen früher sterben als andere. Doch bei den 8.360 Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen ergab sich ein Trend.
„Verglichen mit den im November Geborenen hatten die im März bis Juli zur Welt gekommen Frauen eine höhere Mortalität durch kardiovaskuläre Ereignisse“, analysierten Zhang und Kollegen. Die Hazard Ratio für eine im April geborene Frau, später an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, betrug z.B. 1,12, verglichen mit einer im November geborenen (95%-Konfidenzintervall: 1,00–1,24). Am besten gegen den Herz-Kreislauf-Tod gefeit waren in dieser Kohorte die im Dezember Geborenen (HR: 0,95; 95%-KI: 0,85–1,06).
Lag es daran, was die Mütter der Teilnehmerinnen in der Schwangerschaft und Stillzeit gegessen und getrunken hatten? Das halten die Autoren für möglich. Auch die saisonal schwankende Luftverschmutzung und die unterschiedliche Exposition gegenüber Sonnenlicht von Mutter und Kind könnten eine Rolle gespielt haben, spekulieren sie.
Während diese Einflüsse noch zu erforschen sind, wünscht Medscape seiner Leserschaft jetzt schon schöne Weihnachtstage. Genießen Sie jede freie Minute – ob im schnellen Auto, Konzert, Theater oder Bett, ganz nach Ihrem Belieben. Und kommen Sie gesund und gut erholt ins Jahr 2020.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: BMJ-Weihnachtsausgabe: Die Künste, schnelle Autos, Sex … und der Herztod - Medscape - 20. Dez 2019.
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