Wer E-Zigaretten konsumiert, hat ein erhöhtes Risiko für COPD, Lungenemphysem, Asthma und Bronchitis. Das ist das Ergebnis einer US-Studie, die jetzt im American Journal of Preventive Medicine erschienen ist [1].
Prof. Dr. Stanton A. Glantz und und Dr. Dharma N. Bhatta vom Center for Tobacco Control Research and Education der University of California hatten Tabakraucher, Vaper, Ex-Raucher und Nichtraucher (n = 32.000) zwischen September 2013 und Oktober 2016 befragt und untersucht.
Sie fanden heraus, dass die Wahrscheinlichkeit für Konsumenten von E-Zigaretten, im Laufe der Zeit eine chronische Lungenerkrankung zu entwickeln – im Vergleich mit Nichtrauchern – um 30% erhöht war. Tabakrauchen ist allerdings noch schädlicher: Die Wahrscheinlichkeit, COPD, Lungenemphysem, Asthma oder Bronchitis zu entwickeln, war im Vergleich zu Nichtrauchern sogar um 150% erhöht.
„Wir haben herausgefunden, dass für Konsumenten von E-Zigaretten die Wahrscheinlichkeit, an einer Lungenerkrankung zu erkranken, um etwa ein Drittel gestiegen ist“, sagte Glantz gegenüber dem San Francisco Chronicle . „Wir schließen daraus, dass E-Zigaretten selbst schädlich sind und die Auswirkungen unabhängig vom Rauchen von konventionellem Tabak sind.“
Erstmals beweise für langfristige Schäden durch E-Zigaretten
„Für Menschen, die von Tabak auf E-Zigaretten gewechselt haben, sind ihre Risiken zurückgegangen. In der realen Welt sind die meisten aber Doppelbenutzer, das heißt, die sie haben ein kombiniertes Risiko von E-Zigaretten und konventionellen Zigaretten, so dass sie tatsächlich schlechter dran sind als Tabakraucher“, erklärt Glantz. Denn für duale Nutzer lag die Wahrscheinlichkeit eine Lungenerkrankung zu entwickeln im Vergleich zum Nichtraucher sogar um 230% höher.
„Die Studie liefert erstmals einen Beweis dafür, dass auch das Vaping chronische Langzeitschäden verursachen kann“, stellt Prof. Dr. Robert Tarran, Zellbiologe an der University of North Carolina gegenüber dem Nachrichtenportal NPR fest. „Die Arbeit zeigt, dass E-Zigaretten die Lunge schädigen. Das Vapen kann eine Menge anrichten, Entzündungsprozesse verändern und es sieht auch danach aus, als schwäche es unsere Immunabwehr – was wiederum das Risiko für weitere Infektionen erhöht.”
Tarren meint, dass nicht nur das Nikotin in den E-Zigaretten gefährlich sei, sondern auch andere Chemikalien wie Propylenglykol und Aromastoffe die Atemwege schädigten.
Massive Kritik deutscher Experten an der Studienmethodik – „fragwürdige Schlussfolgerungen“
Bei deutschen Experten wird die Studie sehr kritisch gesehen. Die Methodik der Studie stellt nach ihren Aussagen die Aussagekraft der Ergebnisse in Frage. So weist PD Dr. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, darauf hin, dass Personen ohne bekannte Diagnose einer Lungenerkrankung in der prospektiven Beobachtungsstudie lediglich über 3 Jahre beobachtet und wiederholt befragt wurden, ob zwischenzeitlich eine solche Diagnose gestellt worden sei.
„Das Problem dabei: Chronische Lungenerkrankungen entwickeln sich über viele Jahre und zum Teil über Jahrzehnte“, sagt sie. Die Krankheit entstehe in der Regel viele Jahre oder Jahrzehnte vor dem Diagnosezeitpunkt. „Die zeitliche Zuordnung der im Beobachtungszeitraum neu diagnostizierten Lungenerkrankungen zum E-Zigarettenkonsum bei Studienbeginn ist dadurch höchst fragwürdig.“
Auch seien in der Studie die Ergebnisse nicht ausreichend für einen früheren Tabakkonsum korrigiert worden. „Viele E-Zigarettennutzer sind ehemalige Raucher“, betont Mons. „In der Studie wurde aber nur der aktuelle Tabakkonsum herausgerechnet.“ Es bestehe damit die Möglichkeit, „dass das Risiko für Atemwegserkrankungen, das dem E-Zigarettenkonsum zugeschrieben wird, tatsächlich teilweise oder gar vollständig auf das frühere Rauchverhalten zurückzuführen ist“.
Ihr Fazit: „Alles in allem ist aufgrund der gravierenden methodischen Schwachpunkte der Studie davon auszugehen, dass der in der Studie gemessene Effekt der E-Zigarettennutzung auf Lungenerkrankungen, der im Übrigen deutlich geringer ist als der Effekt des Rauchens, tatsächlich überschätzt ist und in Teilen, wenn nicht gar vollständig, auf das frühere Rauchverhalten der E-Zigarettennutzer zurückzuführen ist.“
Ähnlich skeptisch äußert sich Prof. Dr. Daniel Kotz, Suchtforschung und klinische Epidemiologie, Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf. Er stellt fest: „Die Studie hat gravierende methodische Mängel, und die Schlussfolgerung, dass der Konsum von E-Zigaretten Lungenerkrankungen wie COPD, chronische Bronchitis und Emphysem verursacht, ist falsch.“ Dabei verweist auch Kotz darauf, dass Lungenerkrankungen eine lange Entstehungsgeschichte haben und die Studie nur einen Beobachtungszeitraum von wenigen Jahren umfasst.
Seine Interpretation: „Die Ergebnisse der Studie lassen sich so erklären, dass langjährige Raucher*innen aufgrund ihrer Lungenprobleme die E-Zigarette nutzen, um das Tabakrauchen zu reduzieren oder ganz damit aufzuhören. Es besteht also ein umgekehrt kausaler Zusammenhang.“ Und sein Rat lautet: „Tabakraucher*innen sollten sich durch die irreführenden Ergebnisse dieser Studie und die unreflektierte Berichterstattung nicht verunsichern lassen: E-Zigaretten sind nach wie vor wesentlich weniger schädlich als Tabak und helfen bei der Tabakentwöhnung.“
Vor wenigen Wochen erst konnten Prof. Dr. Thomas Münzel und Kollegen zeigen, dass E-Zigaretten unmittelbar nach dem Vapen Schäden an den Blutgefäßen und an Hirn, Herz und Lunge verursachen – wie Medscape berichtet hatte.
Zwar hatten bereits frühere Studien einen Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von E-Zigaretten und einer Lungenerkrankung gefunden, doch lieferten diese Querschnittsstudien eine Momentaufnahme, die es den Forschern unmöglich machte zu sagen, ob die Lungenerkrankung durch E-Zigaretten verursacht wurde oder ob Menschen mit Lungenerkrankungen eher E-Zigaretten verwendeten.
„Wir haben aus Laborstudien gewusst, dass E-Zigaretten gesundheitsgefährdend sind, aber nun haben wir die erste Studie, die das über Jahre hinweg im normalen Leben von Rauchern beobachtet hat", kommentierte Prof. Dr. Robert Loddenkemper von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) gegenüber der ZEIT .
Bei Tabak-Zigaretten habe es Jahrzehnte gedauert, bis wissenschaftlich belegt wurde, dass Rauchen tödlich sein könne. Nun sehe man, dass die Kombination der Inhaltsstoffe aus der E-Zigarette ebenfalls die Gesundheitsgefährdung signifikant erhöhe, so Loddenkemper.
In Europa (noch) keine EVALI durch E-Zigaretten
Die Ergebnisse von Glantz stehen allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Ausbruch der plötzlich auftretenden Lungenkrankheit (EVALI) in den USA, die Gesundheitsbehörden in den vergangenen Monaten alarmiert hatte. 52 Menschen sind seither gestorben. Sie hatten illegale THC-Produkte verdampft, die vermutlich mit einem Stoff verdünnt wurden, welcher das Öl strecken sollte. Bereits im Sommer hatte San Francisco – Sitz des E-Zigarettenherstellers Juul – beschlossen, E-Zigaretten zu verbieten. Ab 1. Januar 2020 tritt die Regelung in Kraft.
In Deutschland sind bislang keine mit dem Vaping assoziierten Fälle von Lungenschädigungen wie in den USA gemeldet worden. Allerdings gelten in der EU auch andere Zulassungsbestimmungen. Die Produkte sind besser reguliert, und auch die Nikotinkonzentration von E-Liquids ist in Europa deutlich geringer: Sie liegt bei maximal 1,7%, in den USA hingegen bei bis zu 5%.
Pneumologen fordern Werbeverbote
Wiederholt hatte die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) vor E-Zigaretten gewarnt und klargestellt, dass E-Zigaretten für Menschen, die mit dem Tabakrauchen aufhören wollten, kein geeignetes Hilfsmittel seien. Wer von der herkömmlichen Tabakzigarette auf die E-Zigarette umsteige, ersetze lediglich eine Sucht durch eine andere, so die DGP in einer Stellungnahme vom Oktober 2019.
Schon lange fordert die DGP ein vollständiges Werbeverbot sowohl für traditionelle Tabakwaren als auch für E-Zigaretten. Zwar soll im Frühjahr 2020 ein Werbeverbot auf Außenflächen wie Plakatwänden für Tabakprodukte ab 2022 beschlossen werden, für Tabakerhitzer soll es ab 2023 und für E-Zigaretten ab 2024 gelten. Der DGP geht das zu zögerlich.
Prof. Dr. Michael Pfeifer, Präsident der DGP, kommentiert in einer aktuellen Pressemitteilung dazu: „Diese langfristigen und gestaffelten Übergangszeiten bis zum Inkrafttreten der Werbeverbote sind für uns als Fachgesellschaft unverständlich und nicht akzeptabel, besonders bei der jetzt offenkundigen erheblichen Gesundheitsschädlichkeit von E-Zigaretten.“ Und weiter: „Ein solches Vorgehen würde es der Industrie im Falle von E-Zigaretten noch ganze 4 Jahre lang erlauben, ihre süchtig und krankmachenden Produkte anzupreisen.“
Die DGP fordert deshalb von der Politik, das Werbeverbot auch für E-Zigaretten ohne lange Übergangszeiten möglichst zeitnah umzusetzen.
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Diesen Artikel so zitieren: Doch keine „gesündere“ Alternative: Erste Studie zeigt Langzeitfolgen des Vapings – DGP fordert rasches Werbeverbot - Medscape - 19. Dez 2019.
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