Virale Gastroenteritiden in den Wintermonaten: Begünstigt durch die Einnahme von PPI? Studie findet Zusammenhang

Laird Harrison

Interessenkonflikte

18. Dezember 2019

Die dauerhafte Einnahme von Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPI) begünstigt offenbar den Ausbruch einer akuten viralen Gastroenteritis. Auf 153 Patienten, die während der Wintermonate mit PPI behandelt werden, komme statistisch einer, der an einer Infektion mit einem Magen-Darm-Virus erkranke, berichten Dr. Ana-Maria Vilcu von der Sorbonne Université in Paris und ihr Team. Sie haben ihren Artikel in JAMA Network Open veröffentlicht [1].

Ihre Ergebnisse fügen sich in das Bild, wonach immer mehr Evidenzen dafür sprechen, dass Ärzte ihren Patienten möglichst wenig PPI verschreiben sollten, um sie vor den potenziellen unerwünschten Nebenwirkungen zu bewahren, so die Aussage in einem Kommentar in derselben JAMA-Ausgabe[2].

Die verbreitet eingesetzten PPI reduzieren bekanntlich die Magensäureproduktion, indem sie ein beteiligtes Enzym hemmen. Die verminderte Säuremenge schafft jedoch Bedingungen im Gastrointestinaltrakt, die den Erregern die Infektion erleichtern und das Immunsystem schwächen.

Obwohl PPI im allgemeinen als sicher gelten, haben verschiedene Studien einen Zusammenhang zwischen einer langfristigen PPI-Einnahme und unerwünschten Wirkungen wie Osteoporose-bedingten Frakturen, Vitamin-B12-Mangel, Nierenerkrankungen und Infektionen des Gastrointestinaltraktes, etwa mit Clostridioides difficile, gezeigt.

Datenbankanalyse mit 7.000 Apotheken

Um zu prüfen, ob PPI auch das Risiko für akute Magen-Darm-Infektionen erhöhen, analysierten Vilcu und ihr Team eine große Datenbank, die Informationen zur Abgabe von Medikamenten aus örtlichen Apotheken während der Wintermonate enthält, in denen derartige Magen-Darm-Infektionen am häufigsten sind.

Die Longitudinal Treatment Dyamics Database enthält Daten aus 7.000 örtlichen Apotheken in Frankreich (ohne Überseegebiete), womit etwa 30% der französischen Bevölkerung erfasst sind. Für jeden Patienten, der im Winter 2015/16 kontinuierlich PPI einnahm, wählten die Autoren 3 nach Geschlecht und Geburtsjahr gematchte Patienten, die keine PPI nahmen.

Die Untersucher definierten die „kontinuierliche Einnahme“ über die Häufigkeit der eingereichten PPI-Rezepte und die ausgegebenen Mengen. Eine „akute Gastroenteritis“ bestimmten sie auf Basis eines zuvor validierten Algorithmus. Dieser berücksichtigte Patientenmerkmale, die Art der verordneten Medikamente, den Zeitraum zwischen den Verordnungen und die Abgabe der Medikamente sowie Anzahl und Menge der verabreichten Wirkstoffe.

Sie identifizierten 233.596 Personen, die offensichtlich dauerhaft PPI nahmen, und 626.887 Personen, die das nicht taten. Das Durchschnittsalter betrug 70 Jahre für die Nicht-PPI-Nutzer und 72 Jahre für die dauerhaften PPI-Nutzer.

Zusammenhang zwischen PPI-Einsatz und akuten Gastroenteritiden

Die Untersucher stellten fest, dass es pro 3.131 PPI-Nutzern und pro 4.327 Nicht-PPI-Nutzern mindestens einen Fall von akuter Gastroenteritis während des Winters gab. Nach der Adjustierung der Ergebnisse im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Behandlung der häufigsten chronischen Erkrankungen (Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, obstruktive Atemwegserkrankungen, psychiatrische Erkrankungen), fanden sie einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem PPI-Einsatz und akuten Gastroenteritiden (adjustiertes relatives Risiko, ARR: 1,81).

Schließlich wurde ein signifikanter Zusammenhang zwischen der PPI-Nutzung und dem Alter entdeckt, wobei ältere Patienten (45 bis 64 Jahre) ein erhöhtes Risiko im Vergleich zu jüngeren Patienten (0 bis 14 Jahre und 15 bis 44 Jahre) aufwiesen. Wobei die jungen Patienten insgesamt kein signifikantes erhöhtes Risiko zeigten.

Limitierungen der Studie

Die Untersucher weisen selbst darauf hin, dass die Studie natürlich einige Limitierungen aufweist. So verwendeten sie indirekte Informationen anstelle von tatsächlichen Diagnosen, um eine Gastroenteritis zu identifizieren. Sie hatten auch keine Angaben über die tatsächlichen PPI-Dosierungen bekommen. Und manche Patienten bezogen ihre Medikamente möglicherweise auch aus Apotheken, die nicht von der Datenbank erfasst wurden. Schließlich gab es auch keinerlei Informationen über viele weitere mögliche Störvariablen, wie z.B. sozioökonomische Faktoren oder die Ernährungsweise.

Dennoch wagten sie den Schluss, dass „eine dauerhafte PPI-Einnahme mit einem erhöhten Risiko für enterale Virusinfektionen verbunden sein kann“.

Empfehlung: PPI-Medikation reduzieren

Dr. Kaleen Hayes, Pharmakologin der kanadischen University of Waterloo in Kanada, und ihre Kollegen stimmen dem in ihrem Kommentar zu. Sie empfehlen, nach Möglichkeiten zu suchen, um die PPI-Medikation zu reduzieren, vor allem wenn die Indikation nicht eindeutig sei.

 
Die Studie von Vilcu et al. zeigt ein weiteres potenzielles Therapierisiko einer bisher als allgemein sicher geltenden Wirkstoffklasse. Dr. Kaleen Hayes
 

Die langfristige Rezeptierung solle ambulanten Patienten zur „Prävention von NSAID-induzierten Ulzera, bei schwerer Ösophagitis, beim Barrett-Ösophagus, beim chronischen Magenulkus, bei einer therapierefraktären gastroösophagealen Refluxkrankheit, pathologischen hypersekretorischen Erkrankungen wie dem Zollinger-Ellison-Syndrom und bestimmten Patienten mit einer Vorgeschichte für blutende gastrointestinale Geschwüre“ vorbehalten bleiben, schreiben sie.

„Die Studie von Vilcu et al. zeigt ein weiteres potenzielles Therapierisiko einer bisher als allgemein sicher geltenden Wirkstoffklasse“, folgern die Kommentatoren.

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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