Cannabis-Konsum über mehr als 10 Jahre scheint mit der Entwicklung maligner Keimzelltumore des Hodens (TGCT, testicular germ cell tumours) assoziiert zu sein – wobei allerdings die Qualität der Evidenz „niedrig“ ist. Für eine Assoziation zwischen Cannabis-Konsum und anderen Krebsformen gibt es keine ausreichende Evidenz. Das sind die Ergebnisse eines neuen systematischen Reviews und einer Metaanalyse, die gerade im JAMA Open Network publiziert worden ist [1].
Studien aus 45 Jahren analysiert
Autorin der Studie sind Dr. Mehrnaz Ghasemiesfe vom Northern California Institute of Research and Education in San Francisco, USA, und ihr Team. Sie gingen der Frage nach, ob der Cannabis-Rauch Krebs verursachen könne, wie es auch beim Tabakrauch der Fall ist. Bei der Verbrennung entstehen bei beiden Ausgangssubstanzen Karzinogene wie toxische Gase, reaktive Sauerstoffspezies und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) wie Benzo[a]pyren und Phenole.
So betrachteten die Untersucher Arbeiten aus den Jahren 1973 bis 2018, bei denen Non-User mit Cannabis-Konsumenten verglichen wurden. Als solche galten Personen mit mindestens einem Joint-Jahr („1 Joint-Jahr“ steht für umgerechnet 1 Joint pro Tag über ein Jahr. Bei einem Joint pro Woche wären 49 Jahre ein Joint-Jahr.)
Die Gruppe fand 25 englischsprachige Studien (19 Fall-Kontroll-Studien, 5 Kohortenstudien und 1 Querschnittsstudie). Allerdings wiesen nur 2 der Studien ein „niedriges Bias-Risiko“ auf.
Zusammenhang mit maligner Keimzelltumore des Hodens
In der gepoolten Analyse der Fall-Kontroll-Studien fand sich bei den Cannabis-Konsumenten kein Zusammenhang zwischen ihrem Konsum und Plattenepithel-Karzinomen des Kopf- und Halsbereiches (head and neck squamous cell carcinoma, HNSCC) oder Mundhöhlenkarzinomen.
Allerdings stießen sie bei der gepoolten Analyse von 3 Fall-Kontroll-Studien für einen über 10 Jahre währenden Cannabiskonsum auf einen Zusammenhang mit dem TGCT (Odds Ratio: 1,36; 95%-Konfidenzintervall: 1,03–1,81; p = 0,03) und dem nicht seminösen TGCT (OR: 1,85; 95%-KI: 1,10–3,11; p = 0,04).
So fand sich zwar bei der Betrachtung der Cannabis-Konsumenten kein Zusammenhang mit Karzinomen, doch das Expositionsniveau war „niedrig und schlecht definiert“, erklärten die Autoren.
Auch die Ergebnisse zum Lungenkrebs waren sehr gemischt und mit „Störvariablen von nur wenigen Cannabis-pur-Rauchern, schlechter Expositionsbeurteilung und unzureichendem Adjustment“ durchsetzt.
Die Autoren sind der Auffassung, dass Langzeitstudien mit Cannabis-pur-Rauchern „das Verständnis für den Zusammenhang zwischen Cannabisrauch und Lungen-, Mundhöhlen- und anderen Krebsarten verbessern würden“.
Cannabis-Rauchen eventuell toxischer als andere Konsumarten
Frühere systematische Übersichtsarbeiten auf diesem Gebiet haben sich mit mehreren Krebsarten beschäftigt, diese aber einzeln untersucht. Zum Beispiel gibt es 2 systematische Reviews, die den Zusammenhang zwischen dem Cannabisrauchen und Lungenkrebs untersuchen. Der eine widmete sich der biologischen Plausibilität (d.h. molekulare, zytomorphologische und histopathologische Veränderungen), während der zweite die pulmonalen toxischen Effekte untersuchte und gemischte Evidenzen für eine Assoziation mit Lungenkrebs fand. Die Daten wurden aber nicht gepoolt, was eine allgemeine Assoziation hätte aufzeigen können.
„In einer Zeit des in den USA zunehmenden Cannabis-Konsums sind die Ergebnisse bemerkenswert. Vor allem in den Bundesstaaten, die den Freizeitkonsum legalisiert haben, sowie unter Jugendlichen werden neue Konsummethoden wie das Vaporisieren und die Einnahme von Cannabis zusammen mit Lebensmitteln immer beliebter“, kommentieren die Autoren.
„Die meisten der in die Untersuchung aufgenommenen Studien sind jedoch nicht neu, was ein wichtiger Punkt ist, denn in der Vergangenheit war das Cannabisrauchen praktisch die einzige Konsumform“, stellen die Autoren fest. Man nimmt an, dass vaporisiertes Cannabis langfristig weniger toxische Folgen hat als der Cannabisrauch.
Bis mehr über die Karzinogenität von Cannabis bekannt ist, sollten „Ärzte den Cannabis-Konsum mit ihren Patienten besprechen, um das Bewusstsein für das mangelnde Wissen über potenziell klinisch relevante Folgen zu schärfen und den unbewiesenen Mythos von den Vorzügen der Substanz als solchen zu entlarven“, so die Autoren.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Wenn Kiffen in die Hose geht: Langjähriger Cannabis-Konsum könnte mit Hodenkrebs in Verbindung stehen - Medscape - 16. Dez 2019.
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