Bestimmte Yogaübungen und Atemtechniken können bei Patienten mit Depressionen zu einer Besserung der Symptome und Angstzustände beitragen. Diesen Schluss erlauben neue Untersuchungen.
Ein Team um Dr. Tammy Scott, Boston University School of Medicine, prüfte, welche Auswirkungen Iyengar-Yogastellungen und kohärentes Atmen auf die Patienten hatten. Die Ergebnisse wurden im Journal of Psychiatric Practice veröffentlicht [1].
Für die Studie wurden 32 Erwachsene mit Depressionen über einen Zeitraum von 12 Wochen zufällig entweder einer Gruppe mit häufigerem Yoga oder einer Gruppe mit weniger Yoga zugeordnet, das hieß: häufigere Kurse und mehr „Hausaufgaben“ in der einen und weniger von allem in der anderen Gruppe.
Die Teilnehmer beider Gruppen erlebten eine Besserung der Angst- und depressiven Symptomatik sowie eine optimistischere Grundstimmung.
„Yoga und regulierte Atemtechniken werden schon seit Jahrtausenden in verschiedenen Kulturen eingesetzt, um Stress, Angst, Depressionen, Schmerzen und viele andere Zustände zu bewältigen“, erklärte die Koautorin der Studie Prof. Dr. Patricia L. Gerbarg, Professorin für Psychiatrie am New York Medical College in Walhalla, gegenüber Medscape.
„Ärzte sollten ernsthaft in Erwägung ziehen, bei Patienten mit depressiven Symptomen auch Körper-Geist-Übungen wie Yoga und kohärentes Atmen in ihre Behandlungsempfehlungen mit aufzunehmen“, fügte sie hinzu.
Was sind optimale Frequenz und Intensität?
Obwohl zunehmende Evidenz den Einsatz von Yoga als wirksame Behandlung von Depressionen unterstützt, widmen sich nur wenige Studien (wenn überhaupt) der Frage der am besten geeigneten „Dosierung“, schreiben die Autoren.
Die aktuelle Studie zielte darauf ab, „die Auswirkungen einer Intervention, die Iyengar-Yoga und kohärentes Atmen kombiniert, auf die psychischen Funktionen bei Patienten mit schweren depressiven Episoden zu beurteilen und die optimale Frequenz und Intensität der Intervention für zukünftige randomisierte kontrollierte Studien zu bestimmen“.
Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip den beiden Gruppen zugeteilt:
entweder der 1. Gruppe mit häufigen Übungen (n = 15), d.h. wöchentlich 3 Yogasitzungen über je 90 Minuten und 4 häusliche Übungen von je 30 Minuten,
oder der 2. Gruppe mit selteneren Anwendungen (n = 15): wöchentlich 2 Sitzungen über 90 Minuten und 3 Übungen von 30 Minuten zuhause.
Die Teilnehmer waren zwischen 18 und 65 Jahre alt (Durchschnittsalter 38 bzw. 35 Jahre in den beiden Gruppen). Die meisten Teilnehmer waren Frauen (87 bzw. 80%) und weiß (67 bzw. 87%).
Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, etwa bei Alter, Geschlechterverteilung, Bildungsniveau oder Ethnie, und auch keine Unterschiede bei den Eingangsuntersuchungen zu Studienbeginn.
Die Teilnehmer füllten eine Reihe von Fragebögen und Stimmungsskalen aus, darunter zu Beginn und in den Wochen 4, 8 und 12 den Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-9) und das State-Trait-Angstinventar (STAI).
Die gesamte mit Yoga verbrachte Zeit (Kurs plus häusliche Übungen) betrug durchschnittlich 122,8 Stunden in der 1. Gruppe und 86,7 Stunden in der 2. Gruppe.
Akuter und kumulativer Benefit
Die Teilnehmer aus beiden Gruppen erlebten signifikante Verbesserungen bei allen Outcome-Parametern sowie einen akuten und einen kumulativen Benefit.
Obwohl die Teilnehmer der Gruppe mit häufigen Anwendungen sich auf allen Gebieten stärker verbesserten, waren die Unterschiede zwischen den Gruppen nicht statistisch signifikant, was „möglicherweise der mangelnden Belastbarkeit der Zahlen infolge der geringen Stichprobengröße geschuldet ist“, so die Autoren.
Die PHQ-Werte sanken zwischen der Ausgangserhebung und der 12. Woche um 36,8%, wobei jede weitere kumulative Yoga-Stunde mit einem signifikanten Rückgang von 0,044 Punkten verbunden war, „was auf eine Verringerung der depressiven Symptome hinweist“, so die Autoren. Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen der 1. und der 2. Gruppe.
Eine Verbesserung wurde auch bei der Angstsymptomatik beobachtet, wobei jede zusätzliche kumulative Stunde, die mit Yogapraxis verbracht wurde, mit einem signifikanten Rückgang des Angstschweregrades um ca. 0,105 Punkte auf der STAI-Skala verbunden war.
Bei einem kumulativ längeren Zeitraum, der für Yogaübungen aufgewendet wurde, waren die Verbesserungen signifikant hinsichtlich der Parameter: positive Beteiligung oder Engagement, Revitalisierung, innere Ruhe sowie verminderte körperliche Erschöpfung.
„Der Zeitaufwand für die Yogaübungen muss bei der Ausgestaltung von Yogainterventionen gegen den Nutzen abgewogen werden“, stellten die Autoren weiter fest.
GABA-Verbindung
Gerbarg zitiert Forschungen, die darauf hindeuten, dass Yoga und kohärentes Atmen „parasympathische Vagusafferenzen aktivieren könnte, die zu einer Erhöhung des GABA-Niveaus führen“ (Gamma-Amino-Butyric-Acid). Diesen Mechanismus bezeichnete sie als „vagale GABA-Theorie“.
In einer früheren Studie hatte Gerbarg mit ihrem Team mithilfe der Magnetresonanzspektroskopie (MRS) GABA-Werte im Gehirn Gesunder mit den Werten von Patienten mit Depressionen verglichen, die eine 12-wöchige Yoga-Intervention mit entsprechenden Haltungsübungen und kohärentem Atmen erhalten hatten.
Zu Studienbeginn wiesen die Patienten noch einen niedrigeren GABA-Spiegel auf als die Personen aus der Kontrollgruppe. Nach der Intervention verbesserten sich jedoch die Symptome ihrer Ängste und Depressionen, und ihre GABA-Werte glichen sich denen aus der gesunden Kontrollgruppe an.
„Die Erkenntnis, dass Yoga und kohärentes Atmen die Aktivität des Neurotransmitters GABA erhöhen können, öffnet diesen Methoden das Tor zur Behandlung von Angststörungen, Drogenmissbrauch und posttraumatischen Belastungsstörungen, da GABA erforderlich ist, um die Überaktivität der Amygdala zu bremsen“, sagte Gerbarg. Diese Überaktivität sei bei Angststörungen, Drogenmissbrauch und PTBS zu beobachten.
Eine kürzlich im British Journal of Psychiatry veröffentlichte Arbeit von Shivarama Varambally und Kollegen untersucht die Evidenz, die für den Einsatz von Yoga als therapeutischer Intervention bei psychiatrischen Störungen spricht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Yoga sich „von einer Modeerscheinung zu einer evidenzbasierten Intervention“ entwickeln könnte.
Die Autoren präsentieren Hinweise, dass Yoga depressive Symptome und Suizidgedanken verringern sowie bei Menschen mit Schizophrenie Minussymptomatik, Lebensqualität und soziale Kognition verbessern kann.
Sie entdeckten eine steigende Zahl von Hinweisen in Form von günstigen Veränderungen bei bestimmten Biomarkern als Folge von Yogaübungen, wie etwa die Verbesserung der GABA-ergen Neurotransmission, die Modulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse, sog. „Stressachse“) und erhöhte Serotoninspiegel im Gehirn.
„Mindestdosis“ von Yoga?
Prof. Dr. Patricia Anne Kinser, Professorin an der VCU School of Nursing in Richmond, kommentierte die Studie von Scott und Kollegen für Medscape: Die Erforschung nicht medikamentöser Behandlungsformen bei Depressionen sei „dringend erforderlich“, und Körper-Geist-Therapien wie Yoga „haben ein großes Potenzial, das Outcome bei Personen mit depressiven Symptomen zu verbessern“.
Vor allem sei es „sehr wichtig, die ideale Dosierung der Interventionen zu ermitteln. Denn um evidenzbasierte Empfehlungen erstellen zu können, müssen Ärzte und Wissenschaftler wissen, was die ‚Mindestdosis‘ einer Intervention sein könnte“, sagte Kinser, die nicht an der Studie beteiligt war.
„Ich persönlich glaube nicht, dass der Unterschied bei der Frequenz und Intensität zwischen den beiden Gruppen groß genug war, um belastbare Differenzen bei den Ergebnissen herausarbeiten zu können“, fügte sie hinzu. „Die Studie vergleicht die Ergebnisse nicht mit denen einer Vergleichsgruppe wie z.B. einer aktiven Kontrollgruppe. Außerdem war die Stichprobengröße ziemlich klein, sodass die Ergebnisse nicht wirklich weiterführen.“
Aus diesem Grund seien „weitere Forschungsanstrengungen auf diesem Gebiet notwendig, bevor wir unseren Patienten in evidenzbasierter Weise empfehlen können, wie viel Yoga sie am besten betreiben sollten“, sagte sie.
Kinser wies auf eigene frühere Arbeiten hin, in denen sie nachgewiesen habe, „dass auch inkonsistent durchgeführte Yogaübungen mit der Zeit nachhaltige Folgen haben können“.
Die Autoren um Scott sind sich darüber im Klaren, dass die geringe Stichprobengröße „es nur begrenzt erlaubt, Unterschiede zwischen den Gruppen herauszufiltern und zu verallgemeinern“. Dennoch sind sie überzeugt, dass der „signifikante Rückgang der depressiven Symptome … stärker war als in Placebo-kontrollierten Studien zur Depression“.
„Wir haben jetzt die technischen Möglichkeiten, mit denen sich ermitteln lässt, wie diese alten Heilpraktiken unsere Psyche, unsere Emotionen und die gesamte Hirnphysiologie beeinflussen“, fügte Gerbarg hinzu. „Je mehr wir über die zahlreichen Mechanismen lernen, die mit diesen Effekten verbunden sind, desto besser werden wir auch in der Lage sein, wirksame und effiziente Körper-Geist-Therapien zu entwickeln, mit denen sich die Patientenversorgung verbessern lässt.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Yoga und Atemtechnik: Studie liefert Hinweise auf Wirkung bei Depressionen - Medscape - 11. Dez 2019.
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