Das Jahr 2019 hat viele Erkenntnisse gebracht, die uns weiterhelfen, besser zu entscheiden, wer in der Kardiologie von welcher Therapie profitiert. PD Dr. Nikolaus Sarafoff fasst die wichtigsten Änderungen zusammen.
Transkript des Videos:
Liebe Kolleginnen und Kollegen ich bin Nikolaus Sarafoff aus München und möchte Sie herzlich zu meinem kardiologischen Jahresrückblick 2019 begrüßen.
Es gab viele interessante Studien zu wichtigen kardiologischen Themen. Neuigkeiten gibt es im Bereich der antithrombotischen Therapie von KHK- und Klappen-Patienten. Außerdem wurden interessante Daten zu minimalinvasiven Herzklappen- und Herzinsuffizienz-Therapien publiziert sowie neue Lipid-Leitlinien.
ISAR-REACT: Änderungen bei akutem Koronarsyndrom
Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom und Stent-Therapie zeigte die ISAR-REACT-5 Studie [1] eine Überlegenheit von Prasugrel gegenüber Ticagrelor bei der Reduktion von Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall, ohne die Blutungsraten zu erhöhen ( Medscape berichtete).
Bei Patienten, die die Ein- und Ausschlusskriterien von ISAR-REACT-5 erfüllen, sollte ab jetzt routinemäßig nur noch Prasugrel und nicht mehr Ticagrelor gegeben werden. Ich erwarte mit Spannung die neuen Leitlinien von 2020 und deren Einschätzung der Studie.
Bei Patienten mit Stentimplantation und Indikation zur oralen Antikoagulation (etwa wegen Vorhofflimmern) wurden nun auch Daten zur sogenannten Triple-Therapie mit Apixaban [2] und Edoxaban [3] (zusätzlich zum P2Y12-Inhibitor und +- ASS) publiziert ( Medscape berichtete). Es zeigte sich in diesen Studien die Überlegenheit von NOAC gegenüber Vitamin-K-Antagonisten. Daher sollten diese nicht mehr gegeben werden. Ohne ASS sind die Blutungsraten wie erwartet reduziert. Die Frage ist aber, was mit den ischämischen Ereignissen ist.
Eine sehr interessante Meta-Anaylse zu den 4 NOAC-Triple-Studien zeigte, dass mit der dualen Therapie ohne ASS zwar Blutungsraten reduziert werden [4]. Sie demonstriert aber auch, dass die Rate an Stent-Thrombosen signifikant erhöht ist. Man sollte gut abwägen, bei welchen dieser Patienten man ASS früh absetzt. Meist ist eine initiale Triple-Therapie von einigen Wochen oder Monaten gut möglich.
Fazit: Es zeigte sich in diesen Studien die Überlegenheit von NOAC gegenüber Vitamin-K-Antagonisten, so dass dieses in dieser Indikation nicht mehr gegeben werden sollten.
Bei Patienten mit TAVI-Implantation ohne Indikation für eine orale Antikoagulation zeigte sich mit Rivaroxaban eine erhöhte Mortalität im Vergleich zu DAPT, so dass dies nicht verabreicht werden sollte [5].
Sehr vielversprechend sind die PARTNER-3- und EVOLUT-Studien. Sie zeigten, dass auch Patienten mit niedrigem Risiko und hochgradiger Aortenklappenstenose von einer TAVI im Vergleich zum operativem Klappenersatz profitieren [6,7]. Man kann nun also auch jüngere Patienten mit einer TAVI behandeln ( Medscape berichtete).
Auch das minimalinvasive Trikuspidal-Klappen-Clipping zeigt in Registerstudien eine Reduktion der Mortalität und Herzinsuffizienz-Hospitalisierung im Vergleich zur medikamentösen Therapie bei guter Patientenselektion in erfahrenen Zentren [8]. Randomisierte Studien müssen dies nun weiter untersuchen.
In der ISCHEMIA-Studie ( Medscape berichtete) wurden Patienten mit stabiler Angina pectoris und nachweisbarer Ischämie, sowie Ausschluss einer Hauptstamm-Stenose im CT, randomisiert untersucht [9]. Eine Revaskularisation führte zu einer Reduktion der Angina und zu niedriger kardialer Rehospitalisierung, aber nicht zu einer Verbesserung der Mortalität – im Vergleich zu einer optimalen medikamentösen Therapie.
Es ist zu beachten, dass im konservativen Arm auch 23% eine Revaskularisation erhielten. Die Studie ist zudem noch nicht publiziert, so dass abzuwarten ist, wie dies die Behandlung unserer Patienten beeinflussen wird.
Fortschritte bei Herzinsuffizienz
Bei Herzinsuffzienz-Patienten mit eingeschränkter LV-Funktion – mit oder ohne Diabetes mellitus und bestehender Herzinsuffizienz-Medikation – zeigte sich mit einer zusätzlichen Dapaglifozin-Therapie eine Reduktion des primären Endpunktes Tod oder Verschlechterung der Herzinsuffizienz [10]. Das Ergebnis war unabhängig davon, ob die Patienten Diabetes mellitus hatten. Diese SGLT2-Hemmer werden die Herzinsuffizienz-Therapie weiter optimieren.
Es wurden wieder viele Leitlinien aktualisiert. Unter anderem empfehlen die aktuellen europäischen Lipid-Leitlinien nun ein Ziel-LDL von unter 55 mg/dl für Patienten mit sehr hohem Risiko [11]. Das sind unter anderem alle Patienten mit atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung, d.h. alle Stent- oder Bypass-Patienten, oder solche mit mindestens 50%igen Stenosen im Koronar-CT oder Ultraschall der Halsschlagadern.
Es ist beeindruckend zu sehen, wie auch im Jahr 2019 in der Kardiologie wieder durch medizinische Forschung Ergebnisse veröffentlicht wurden, die die Morbidität und Mortalität unserer Patienten reduzieren können.
Mein Name ist Nikolaus Sarafoff aus München. Ihnen und Ihrer Familie ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, vor allem auch genügend Zeit für die Menschen, die Ihnen nahestehen. Ich wünschen Ihnen Gesundheit, Glück, Zufriedenheit sowie viele schöne Momente im Jahr 2020. Ich freue mich, Sie im neuen Jahr wieder hier auf Medscape begrüßen zu dürfen.
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Diesen Artikel so zitieren: Der kardiologische Jahresrückblick 2019: Diese Studien werden Patienten künftig das Leben retten - Medscape - 19. Dez 2019.
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