MEINUNG

Fortschritte der Onkologie: Ein spannendes Jahr geht zu Ende – u.a. mit Daten zu PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom

PD Dr. Georgia Schilling

Interessenkonflikte

13. Januar 2020

Neue Daten zu PARP-Inhibitoren beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom und neue Strategien beim Mammakarzinom: PD Dr. Georgia Schilling fasst zusammen, was Onkologen in 2019 wirklich beeindruckt hat.

Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Georgia Schilling. Ich bin Chefärztin der Abteilung für Onkologische Rehabilitation in der Nordsee-Klinik Westerland auf Sylt und leitende Oberärztin im Asklepios-Tumorzentrum in Hamburg.

Ich freue mich, Ihnen heute meine Highlights des Jahres 2019 vorstellen zu dürfen.

PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom

Absolutes Highlight waren für mich in diesem Jahr die 3 Late-Breaking-Abstracts zu den PARP-Inhibitoren beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom, die auf dem ESMO-Kongress im Oktober in Barcelona in der ersten Präsidenten-Sitzung präsentiert worden sind [1] [2] [3] [4] [5].

Absolutes Highlight waren für mich in diesem Jahr die 3 Late-Breaking-Abstracts zu den PARP-Inhibitoren beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom (...). PD Dr. Georgina Schilling
 

Sie sind wirklich eine Bereicherung unseres therapeutischen Portfolios, und das bei einer Erkrankung, bei der wir in den letzten Jahren wenige therapeutische Fortschritte gemacht haben. Wir haben immer noch die gleiche Chemotherapie – Backbone Platin und Taxane – und es gab in den letzten Jahren viele negative Studien. Deshalb besteht mit den PARP-Inhibitoren jetzt eine große Hoffnung für die Patientinnen mit einer fortgeschrittenen Erkrankung.

Wir haben nun 3 PARP-Inhibitoren in der First-Line- und in der Erhaltungstherapie beim neu diagnostizierten fortgeschrittenen Ovarialkarzinom zur Verfügung. Wir müssen noch mehrere Fragen beantworten zur Selektion der Patientinnen, ob sich die Verbesserung des progressionsfreien Überlebens in ein verbessertes Gesamtüberleben übersetzen lässt, und wir wissen derzeit noch nicht, welcher PARP-Inhibitor der beste ist. Wir wissen auch nicht, wie sinnvoll die Kombination mit einer Chemotherapie ist.

Aber wir wissen: Wir sind beim Ovarialkarzinom durch diese Substanzklasse in eine neue Ära eingetreten, die nicht nur bei den BRCA-mutierten Patientinnen zu wirken scheint. Dies waren sehr erfreuliche Daten und dies macht viel Hoffnung und motiviert für das nächste Jahr.

Neoadjuvante Therapie beim Pankreaskarzinom

Bei einer anderen Entität wurde auch viel diskutiert, und zwar beim Pankreaskarzinom. Hier ging es vor allem um den Stellenwert einer neoadjuvanten Therapie bei den Borderline-resektablen Tumoren und bei den lokal fortgeschrittenen Karzinomen. Das Pankreaskarzinom ist nach wie vor eine der Tumorentitäten mit der höchsten Mortalität. Eine Heilung kann nur durch eine Resektion erzielt werden.

 
Erfreulich waren Ergebnisse zum Einsatz der Immuntherapie beim dreifach negativen Mammakarzinom erstmals im adjuvanten und im neoadjuvanten Setting. PD Dr. Georgina Schilling
 

Die Studienlage zur neoadjuvanten Therapie war bislang nicht eindeutig. Es gab mehrere Publikationen in diesem Jahr. So veröffentlichte eine italienische Arbeitsgruppe Real-World-Daten zur neoadjuvanten Chemotherapie an einem unselektionierten Patientenkollektiv [6].

Ich finde diese Daten sehr interessant. Sie zeigten ganz klar, dass die Patienten, die nach einer neoadjuvanten Therapie sekundär operabel waren, ein deutlich besseres Gesamtüberleben (OS) hatten als die Gesamtkohorte. Die Borderline-resektablen Patienten überlebten 35,4 Monate, die lokal fortgeschrittenen Patienten sogar 41,8 Monate und die Gesamtkohorte überlebte im Median 12,8 Monate. Das ist ein riesiger Unterschied.

Wir benötigen hier dringend Gewissheit, dass wir dies richtig machen. Wir sollten dies bei den älteren Patienten über 75 Jahren kritisch diskutieren. Es sollte über ein neoadjuvantes Vorgehen generell immer interdisziplinär entschieden werden.

Dass wir hier ganz richtig liegen, hat die deutsche NEOLAP-Studie zeigen können, die von Volker Kunzmann aus Würzburg auf dem ESMO-Kongress präsentiert worden ist [7]. An der prospektiven, randomisierten Studie zum Stellenwert der neoadjuvanten Chemotherapie haben 33 deutsche Zentren teilgenommen.

Unter der neoadjuvanten Chemotherapie waren schon 20% der Patienten primär progredient. Diese 20% hatten einen sehr ungünstigen prognostischen Verlauf, so dass sie auch von einer Resektion nicht profitiert hätten. Dies ist auch eine Art Selektion.

Bei etwa einem Drittel der Patienten hat die neoadjuvante Therapie zur Resektabilität geführt und in einer R0- oder R1-Situation geendet. Die Patienten hatten damit auch eine bessere Prognose.

Mammakarzinom: Immuntherapie und CDK-4/6-Inhibitoren

In der 2. Präsidenten-Sitzung beim ESMO ging es um das Mammakarzinom. Auch diese Session war gespickt mit tollen Daten. Erfreulich waren Ergebnisse zum Einsatz der Immuntherapie beim dreifach negativen Mammakarzinom erstmals im adjuvanten und im neoadjuvanten Setting. Außerdem wurde viel über CDK4/6-Inhibitoren geredet, die ihren Siegeszug fortsetzen konnten.

Zur Immuntherapie: Atezolizumab ist im metastasierten Setting beim dreifach negativen Mammakarzinom seit dem letzten Jahr, also seit der Veröffentlichung der IMpassion-130-Studie in Kombination mit nab-Paclitaxel fast eine etablierte Therapie.

Jetzt wurden Daten zu Pembrolizumab neoadjuvant mit Chemotherapie und nach der Operation adjuvant als Monotherapie jeweils verglichen mit einem Placebo-Arm präsentiert [8]. Die Kombination mit Pembrolizumab hat in der Neoadjuvans eine signifikante Verbesserung der pathologischen Komplettremissionsrate gegenüber Placebo gezeigt - und zwar auch in der PD1-L1-negativen Population. Das ereignisfreie Überleben wurde verbessert.

Aber bislang gibt es nur ein kurzes Follow-Up, so dass wir noch ein bisschen warten müssen. Die Ergebnisse sind jedoch auf jeden Fall sehr vielversprechend.

Wir wissen auch noch nichts zur Langzeittoxizität. Auch dies wird sich noch zeigen, das betrifft vor allem Hypothyreosen unter der Immuntherapie, aber auch die Beeinflussung der Fertilität.

Zu den CDK4/6-Inhibitoren: Präsentiert wurden die MONALEESA-3-Studie [9] und die MONARCH-2-Studie [10]. Beide hatten das gleiche Therapiesetting – Abemaciclib und Ribociclib wurden jeweils in Kombination mit Fulvestrant 500 mg untersucht. Präsentiert wurden die Überlebensdaten beim Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinom. Beide Studien hatten ein ähnliches Ergebnis: In allen Subgruppen gab es ein signifikant verbessertes Gesamtüberleben gegenüber dem Placebo-Arm. Das ist jetzt also etablierte erweiterte Hormontherapie 2.0. Das hat sich nachhaltig bewährt.

Weil sich CDK4/6-Inhibitoren bewährt haben, setzt man sie natürlich jetzt auch bei den HER2-positiven, Hormonrezeptor-positiven, also den dreifach positiven Mammakarzinomen ein.

In der MonarcHER-Studie wurde Abemaciclib plus Trastuzumab mit und ohne Fulvestrant im Vergleich zu Trastuzumab plus Standard-Chemotherapie untersucht [11].

Die Chemotherapie-freie Therapie aus Abemaciclib, Trastuzumab und Fulvestrant hat in der weit fortgeschrittenen Therapiesituation das progressionsfreie Überleben gegenüber der Chemotherapie plus Trastuzumab und Abemaciclib plus Trastuzumab signifikant verbessert. Das sind auch sehr gute Daten. Hieraus ergibt sich die Hoffnung, dass sich das weiter fortsetzt.

Zu PARP-Inhibitoren: Der PARP-Inhibitor hat auch in dieser Session nicht gefehlt. Veliparib wurde in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel beim HER2-negativen, metastasierten, BRCA-mutierten Mammakarzinom im Vergleich zur Chemotherapie allein untersucht [12]. Die zusätzliche Veliparib-Gabe hat zu einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens geführt, ohne dass sich die Toxizität verändert hat. Also auch hier sind die PARP-Inhibitoren auf dem Vormarsch. Wir sind gespannt, was die nächsten Jahre bringen werden.

Neue Therapieansätze und molekulare Marker

Die zielgerichtete Therapie gegen bestimmte Driver und Veränderungen im Genom des Tumors ist eine Therapiesäule der Zukunft, die absolut spannend und faszinierend ist. Beispiele sind die IDH-1-Mutation beim Cholangiokarzinom oder die NTRK-Fusionen bei allen soliden Tumoren.

Larotrectinib ist das erste in der EU zugelassene Arzneimittel in einer tumorunabhängigen Indikation [13]. Larotrectinib ist für Tumoren zugelassen, die eine NTRK-Fusion haben, es ist damit bei vielen verschiedenen Tumoren einsetzbar. Allerdings gibt es nur wenige Patienten, die eine NTRK-Fusion haben, sie findet sich bei etwa 1% der Patienten mit soliden Tumoren. In diesen Fällen kann man Larotrectinib einsetzen.

 
Die zielgerichtete Therapie gegen bestimmte Driver und Veränderungen im Genom des Tumors ist eine Therapiesäule der Zukunft, die absolut spannend und faszinierend ist. PD Dr. Georgina Schilling
 

Das ist m.E. auch ein extrem spannender Weg, den wir künftig gehen werden. Wir richten uns nicht mehr nach der Entität, sondern nach der molekularen Veränderung.

Neu ist auch Ivosidenib, ein oral applizierbares Small Molecule, das IDH1 (Isocitrat-Dehydrogenase 1) inhibiert. Auf dem ESMO-Kongress wurde die Studie CLARIDHy mit Ivosidenib beim Cholangiokarzinom präsentiert, bei dem etwa 15% der Patienten eine IDH-Mutation aufweisen [14].

Ivosidenib hat zu einer signifikanten Besserung im progressionsfreien Überleben geführt. Es gab auch einen Trend zu einem verbesserten Gesamtüberleben. Die Rate an Stable Disease lag über 50% bei einem guten Nebenwirkungsprofil.

Auch das lässt hoffen. Vielleicht lässt sich Ivosidenib auch bei anderen IDH1-mutierten Tumoren effektiv einsetzen. Das werden wir erst in der Zukunft wissen.

Für mich geht ein sehr spannendes Jahr in der Onkologie zu Ende. Man hofft auf neue zielgerichtete, Entitäten-übergreifende molekular ausgerichtete Therapien.

Das macht es spannend, dies bereichert die Therapie und hoffentlich führt es auch zu einem besseren Überleben unserer Patienten.

Und somit wünsche ich Ihnen einen guten Start in das Jahr 2020 und auf ein Wiedersehen – Tschüss.

Kommentar

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